
Leitmedien und führende Politiker folgen schamlos westlicher Propaganda
Ein Standpunkt von Wolfgang Effenberger.
Obwohl die Gedenkveranstaltungen zum 80. Jahrestag des Kriegsendes in Europa bereits einen Monat und mehr zurückliegen und die Erinnerung an diese Zeit in den Hintergrund getreten ist, ist es angesichts der Reichweitenentgrenzung, der konzentrierten Angriffe auf die strategische russische Nuklearluftflotte sowie diverse Brücken und der im Raum stehenden Tauruslieferungen doch notwendig, die Umstände des Kriegsendes nochmals zu reflektieren, denn trotz der Verhandlungen eskaliert die Situation dramatisch in Richtung großer Krieg.
Nach dem Besuch des russischen Botschafters Sergej Netschajew, der alljährlich zum Gedenken an die viertägige Schlacht um die Seelower Höhen (16. bis 19. April 1945) zur Ehrung der Gefallenen kommt, titelte die tagesschau:
"Russischer Botschafter beim Weltkriegsgedenken - Propaganda statt Erinnerung?" (1)
Jedes Jahr wird im brandenburgischen Seelow an die viertägige Schlacht im Zweiten Weltkrieg erinnert - sie gilt als die größte Schlacht des Zweiten Weltkriegs auf deutschem Boden. Doch 2025 warnte das Auswärtige Amt davor, (2) dass Russland das Gedenken instrumentalisieren könnte.
Grund sind vertrauliche Handlungsempfehlungen aus dem Auswärtigen Amt zum Umgang mit Vertretern Russlands und Belarus’ anlässlich des 80. Jahrestags des Kriegsendes, die kürzlich an Bund, Länder und Kommunen verschickt wurde.
Die zentralen Punkte sind:
Ausschluss offizieller Vertreter: Kommunen, Gedenkstätten und Bundeseinrichtungen wurden aufgefordert, keine Einladungen an russische oder belarussische Diplomaten zu verschicken und ungebetene Gäste notfalls per Hausrecht auszuschließen. (3) Das Ministerium begründete dies mit der Sorge vor russischer Instrumentalisierung der Gedenkfeiern für Propaganda, Geschichtsrevisionismus und zur Verharmlosung des aktuellen Ukraine-Kriegs. Die Parlamentsverwaltung des Bundestags folgte der Empfehlung und lud die Botschafter Russlands und Belarus’ nicht zur zentralen Gedenkveranstaltung am 8. Mai ein. (4) Aus Russland folgte eine scharfe Kritik an dem Ausschluss. Es wurde betont, dass der 8. Mai ein „heiliger Tag“ für alle Nachfolgestaaten der Sowjetunion sei. Die russische Botschaft kündigte eigene Gedenkveranstaltungen an. (5) Einige Kommunen wie der Landkreis Märkisch-Oderland (Schlacht um die Seelower Höhen) ignorierten die Empfehlung und luden den russischen Botschafter ein. Der Vize-Landrat von Märkisch-Oderland, Friedemann Hanke (CDU), nannte die Anweisung „absurd“. (6)
Der ukrainische Botschafter befürwortete dagegen den Ausschluss und warf Russland vor, die Erinnerung an die sowjetischen Opfer für den aktuellen Angriffskrieg zu missbrauchen. (7)
Die Handreichung blieb intern, wurde aber öffentlich, was Debatten über den Umgang mit historischem Gedenken in Zeiten aktueller Konflikte auslöste. (8)
In den Handreichungen wird vor "Desinformation" und "geschichtsrevisionistischer Verfälschung"gewarnt; Russland könnte die Gedenkfeiern zu 80 Jahre Kriegsende für seine eigenen politischen Ziele im Krieg gegen die Ukraine instrumentalisieren.
Zu Recht?, fragt die tagesschau, um auch gleich eine Antwort im Sinn der Regierenden zu geben: „Doch dieses Jahr ist der Besuch Netschajews ein Politikum.“
Hier standen sich im April 1945 hunderttausende Soldaten der sowjetischen Roten Armee und der NS-Wehrmacht gegenüber. Am 19. April endeten die Kämpfe mit dem Sieg der sowjetischen Truppen. An dem stillen Gedenken von Kreis und Stadt am Ehrenmal in Seelow (Märkisch-Oderland) nahmen nach rbb-Informationen rund 800 Menschen teil.
Netschajew zeigt sich unbeeindruckt
Der russische Botschafter ist aller Diskussion zum Trotz nach Seelow gekommen, gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio gibt er sich unbeeindruckt. "Wir sehen, dass es einen großen Bedarf gibt in Deutschland für die Normalisierung der deutsch-russischen Beziehungen", sagt der 71-jährige Netschajew. "Sogar in meiner Familie gibt es keine totale Übereinstimmung." (9)
Seit Jahrzehnten ist Netschajew im diplomatischen Dienst, ein sowjetisch erzogener Diplomat, der schon in den 1990er-Jahren viel Zeit in Deutschland verbracht hat.
Im Landkreisamt legt man Wert auf die Feststellung, dass er nicht offiziell eingeladen worden sei.
Aber würde der Bürgermeister der kleinen Gemeinde Seelow den russischen Botschafter aus seiner Gemeinde werfen?
Im Landratsamt aber wurde sehr wohl der öffentlich einsehbare Veranstaltungshinweis auch an die russische Botschaft verschickt; der Ortsbürgermeister begrüßt den russischen Botschafter dann auch ganz offiziell. Dass er zum Gedenken gekommen ist, ist für Netschajew normal. „Das entspricht einer langjährigen Tradition in unseren bilateralen Beziehungen“, sagt er. Der russische Botschafter wird also nicht des Platzes verwiesen - genauso wenig wie der Gesandte Botschaftsrat von Belarus in Deutschland, Andrej Schupljak.
Die Vertreter der örtlichen deutschen Behörden hätten das Thema Ukraine am liebsten ganz ausgeklammert. „Vor 80 Jahren ist eine Diktatur zu Ende gegangen, eine deutsche Diktatur“, erinnert der stellvertretende Landrat Hanke. An eine wichtige Schlacht auf dem Weg dahin erinnere man heute. Was er sich von der Politik wünschen würde? „Dass man erkennt, dass es nicht nur Schwarz-Weiß gibt, nicht nur Gut und Böse, sondern immer Grauschattierungen. Und dass man miteinander spricht, selbst wenn man unterschiedlicher Ansicht ist.“ (10)
Propaganda und Gedenken im Vergleich von D-Day (1944) und die Schlacht um die Seelower Höhen (1945)
Der D-Day als Synonym der alliierten Landung in der Normandie gilt im Westen als Symbol der Befreiung Europas und als Triumph der „freien Welt“ über den Totalitarismus; (11) er wird jährlich mit großem Aufwand gefeiert und medial ausgeschlachtet, (12) während in Seelow vor allem der Opfer der Roten Armee in aller Stille gedacht wird. (13)
Das jährliche Gedenken an den D-Day in der Normandie war bisher von großem, oft martialisch inszeniertem Aufwand geprägt: Es gibt internationale Staatsakte, militärische Zeremonien, Überflüge von Kampfflugzeugen, Nachstellungen historischer Ereignisse und eine starke mediale Begleitung. Zahlreiche Staats- und Regierungschefs nehmen teil, Veteranen werden geehrt, und die Feierlichkeiten haben den Charakter hochrangiger politischer und diplomatischer Treffen. (14)
Im Gegensatz dazu finden die Gedenkveranstaltungen an die Schlacht um die Seelower Höhen deutlich weniger öffentliches und internationales Echo. Sie sind meist lokal oder regional geprägt und verlaufen vergleichsweise still, ohne große politische Inszenierung oder internationale Beteiligung. Die martialische Symbolik und die globale Aufmerksamkeit, wie sie beim D-Day zu beobachten sind, fehlen in Seelow weitgehend.
Die Schlacht um die Seelower Höhen (16. bis 19. April 1945) steht in Deutschland und Osteuropa weniger im Fokus der internationalen Erinnerungskultur. An sie wird eher als Mahnung an die Schrecken des Krieges erinnert, nicht als heroischer Befreiungsakt. Zudem fehlt das internationale Narrativ und die politische Symbolik, die dem D-Day (6.Juni 1944) im Westen zugeschrieben wird.
Die Truppenstärke und die Kriegsverluste an den Seelower Höhen aber waren um ein ca. 5-faches größer als am D-Day. Beide Schlachten waren entscheidende Schritte zum Sieg über Hitlerdeutschland, unterscheiden sich aber deutlich in Dimension, Opferzahlen und propagandistischer Ausschlachtung
Kurz: Die martialische Inszenierung des D-Day spiegelt die westliche Erinnerungskultur und politische Symbolik wider, während Seelow vor allem als Ort des Gedenkens an die Opfer und das Kriegsende dient. (15) Die beiden Ereignisse haben eine unterschiedliche historische, politische und kulturelle Bedeutung.
Noch aufzuklärende fragwürdige Umstände auf deutscher Seite am D-Day
In der Nacht vom 5. auf den 6. Juni 1944 herrschte in der deutschen Truppe in Frankreich große Unsicherheit und mangelnde Einsatzbereitschaft. Die deutschen Schnellboote (S-Boote) hatten in der Nacht Auslaufverbot (erstmalig wegen schlechten Wetters)und konnten daher nicht gegen die alliierte Invasionsflotte eingesetzt werden.
Viele Panzerverbände, insbesondere die SS-Panzerdivisionen, befanden sich im Hinterland und konnten nicht unmittelbar eingesetzt werden. Die wenigen verfügbaren Panzer, wie die 21. Panzerdivision, waren nicht direkt an den Stränden stationiert.
Auch die Luftwaffe war am D-Day praktisch nicht präsent: Der einzige dokumentierte Angriff auf die Landungsstrände erfolgte durch Oberst Josef „Pips“ Priller und seinen Flügelmann Heinz Wodarczyk. Oberst Priller war aus Ärger über den Verlegebefehl seines Geschwaders zunächst im alten Horst verblieben und hatte mit Heinz Wodarczyk den Ärger im Kasino runtergespült. Aufgeweckt durch die Kanonade der alliierten Schiffsartillerie bestiegen sie ihre zwei Fw 190 und flogen Tiefflugangriffe auf Sword Beach. (16) Insgesamt war die Luftwaffe durch alliierte Luftüberlegenheit und logistische Probleme fast vollständig ausgeschaltet.
Hinzu kam, dass viele deutsche Befehlshaber in der Nacht auf den 6. Juni abseits ihrer Kommandostellen bei einem Planspiel in Rennes waren und somit erst verspätet auf die Invasion reagieren konnten.
Zusammengefasst: Die deutschen Truppen waren in der entscheidenden Nacht schlecht vorbereitet, wichtige Einheiten und Kommandeure nicht vor Ort, und die wenigen verfügbaren Kräfte konnten wegen Fehleinschätzungen und mangelhaften Befehlsstrukturen kaum wirksam eingreifen.
In der Nacht des 5. auf den 6. Juni 1944 war Generalleutnant Hans Speidel (1897-1984) Stabschef der Heeresgruppe B unter Feldmarschall Erwin Rommel; er war als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B für die Verteidigung Nordfrankreichs zuständig. Speidels Funktion bestand darin, die Lage zu bewerten, Informationen zu sammeln und Rommel sowie die unterstellten Truppen zu koordinieren. In den frühen Morgenstunden hielt Speidel die alliierten Luftlandungen zunächst für eine begrenzte Aktion und unterschätzte das Ausmaß der Invasion. (17)
Einen Tag, nachdem Frankreich im Juni 1940 den Waffenstillstand mit Deutschland unterzeichnet hatte, feierte Adolf Hitler den Sieg über Frankreich mit einer Rundfahrt durch Paris. Hitlers Zug fuhr in Paris ein. Dort hatte General Speidel die Ehre, Hitler nicht nur als Vertreter der Besatzungsverwaltung zu empfangen, (18) sondern ihn auch bei der folgenden 3-stündigen Besichtigungstour durch Paris zu begleiten. Diese Tour führte Hitler unter anderem in die Pariser Oper, auf die Prachtstraße Champs-Élysées, zum Arc de Triumphe und zum Eiffelturm. Nachdem er das Grab von Napoleon und Sacré Coeur besichtigt hatte, reiste Hitler wieder ab. Insgesamt verbrachte Hitler damals etwa drei Stunden in Paris.
Am 17. August 1944, bei der Ankunft von Walter Model, dem neuen Befehlshaber im Hauptquartier der Heeresgruppe im Schloss La Roche-Guyon, meinte Speidel zu dem ihm schon aus früheren Zeiten bekannten Feldmarschall: „Das beste sei, sich im Westen mit den Alliierten zu arrangieren, um freie Hand im Osten zu bekommen. […] Model stimmte zu, schwieg einen Moment und sagte dann: ‚Ach, lassen wir die politischen Dinge.‘"(19)
Keine 13 Jahre später, im April 1957 (bis September 1963), war Speidel zum Oberbefehlshaber der alliierten Landstreitkräfte in Mitteleuropa (COMLANDCENT – Commander Allied Land Forces Central Europe) mit Hauptquartier im Schloss Fontainebleau (Frankreich) avanciert und sorgte für eine reibungslose Eingliederung der Bundeswehr in die NATO. Dass Speidel sich als NATO-General mit dem ihm von Hitler verliehenen Ritterkreuz öffentlich zeigte, ist bemerkenswert und lässt Rückschlüsse auf seinen Charakter zu. Wie war eine derartige Karriere möglich?
Ein unversöhnlicher politischer Gegner Speidels war der französische General Charles de Gaulle. Vor allem wegen Speidels Aktivitäten gegen die Résistance und französische Juden 1942 in Paris. Als de Gaulle im Januar 1959 Staatspräsident Frankreichs wurde, drängte er bei der NATO auf Speidels Ablösung; diese erfolgte Anfang September 1963. (20)
Die seltsame Verstrickung von NS-Eliten in NATO, BRD (Globke) und EU (Walter Hallstein), eine unplausible Entwicklung, sollte von westlicher Seite selbstkritisch beleuchtet werden, bevor der russischen Seite anlässlich der Seelower Gedenkveranstaltung Propaganda unterstellt wird.

Eine Woche nachdem Gedenken in Seelow folgt die Erinnerung an den Handschlag von Torgau
Am 25. April 2025, vor 80 Jahren, trafen sich in Sachsen sowjetische und amerikanische Befreier. Zum Gedenken kam auch Russlands Botschafter. Nicht er wurde ausgebuht.
Applaus und empörte Buhrufe vermengten sich, als Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) den Höhepunkt seiner Rede erreichte und sich direkt an den russischen Botschafter wandte. Kretschmer stand am Freitagvormittag im sächsischen Torgau am Fuße des Monuments der Begegnung. Kyrillische Buchstaben über ihm ehrten die Rote Armee und ihre Verbündeten für den Sieg über das faschistische Deutschland. In Stein gemeißelt sind darüber die Flaggen der Sowjetunion und der USA zu sehen. Sterne, Hämmer, Sicheln. Das Denkmal erinnert an das erste Zusammentreffen der Roten Armee mit US-Soldaten kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren, am 25. April 1945.
Jährlich gedenkt Torgau feierlich dieses Tages. Daran knüpft auch Kretschmer an: „Keine Veranstaltung hier, kein Händereichen eines amerikanischen und eines Zeitzeugen der Roten Armee hat stattgefunden, ohne dass die sich geschworen haben: Nie wieder Krieg.“ (21) Krieg sei das Schlimmste, was es gibt, beschwörte Kretschmer und wandte sich dann an den russischen Botschafter Sergej Netschajew, der inmitten der Menge vor dem Monument stand und lauschte.
Manche der Zuhörer trugen wie der Botschafter das Sankt-Georgs-Band, das seit Beginn des russischen Angriffskriegs als Propagandazeichen gilt. Einige trugen T-Shirts mit Hammer und Sichel, dem alten Wappen der Sowjetunion. Auch Kinder von Wehrmachtssoldaten nehmen jedes Jahr am Gedenken teil. Unmittelbar vor Beginn des offiziellen Gedenkens kamen zudem Rocker des russisch-nationalistischen Motorradclubs „Nachtwölfe“ zum Denkmal. Sie legten Kränze und rote Nelken nieder. Vor den Motorrädern ritt eine Frau mit einer Russland-Fahne auf einem Pferd.
Zum ersten Mal dabei waren die vier Söhne des amerikanischen Infanteristen Robert Ellis, der im Zweiten Weltkrieg gegen die Deutschen kämpfte. Um seinen Spuren nachzugehen, seien sie aus den USA nach Europa geflogen, erzählten sie der taz. Auf die Anwesenheit des russischen Botschafters angesprochen, sagten sie, der politische Kontext sei kompliziert. Aber sie hofften auf einen schnellen Frieden in der Ukraine, damit das Sterben aufhöre. Über Torgau verdunkelten graue Wolken den Himmel.
Sachsens Ministerpräsident Kretschmer: „Es liegt an Russland, den Krieg zu beenden“
Kretschmer sagte, er habe eine Botschaft an Netschajew: „Es war Russland, das einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukrainer begonnen hat.“ Netschajew blickt unverändert auf Kretschmer. Der Ministerpräsident fuhr fort: „Nicht 2021, sondern schon 2014. Und es liegt an Russland, nur an Russland, diesen Krieg zu beenden.“ (23)
Da musste Kretschmer wohl etwas verwechselt haben:
Laut Angela Merkel diente das Abkommen von Minsk (2015) dazu, Zeit zu gewinnen, um die Ukraine aufzurüsten. „Das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben,“ sagte die frühere deutsche Bundekanzlerin am 7. Dezember 2022 in der Wochenzeitung Die Zeit. „Sie hat diese Zeit auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht“ (23).
Der noch amtierende US-Außenminister Blinken äußerte sich am 3. Januar 2025 zu den Kriegsvorbereitungen in der Ukraine vor dem russischen Einmarsch am 24. Februar 2022 wie folgt:
„Wir haben dafür gesorgt, dass wir, lange vor der russischen Aggression, beginnend im September [2021 W.E.]- die russische Aggression ereignete sich im Februar - ab September und dann wieder im Dezember, leise viele Waffen in die Ukraine brachten, um sicherzustellen, dass sie das in der Hand hatten, was sie brauchten, um sich zu verteidigen. Dinge wie Stingers, die sie verwenden konnten, waren entscheidend dafür, Russland davon abzuhalten, Kiew über das Land zu rollen, es von der Karte zu löschen, und entscheidend dafür, die Russen tatsächlich zurückzudrängen". (24)
Vor diesem Hintergrund brachte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am 24. März 2025 im Feuilleton den explosiven Artikel "Die Bombe verstehen lernen", in dem gleich im ersten Satz gefordert wurde: „Deutschland muss seine Passivität in Fragen der nuklearen Abschreckung überwinden", und um glaubhaft zu wirken, „muss die eigene Bevölkerung überzeugt werden". (25)
Während der letzten Worte Kretschmers applaudieren einige der Anwesenden, andere buhten den sächsischen Ministerpräsidenten für diese Bemerkung aus, während sich der russische Botschafter nichts anmerken ließ.
Dass Netschajew am Gedenken in Torgau teilnehmen wollte, hatte schon vorab bundesweit für Furore gesorgt. (26) Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine hatte das Auswärtige Amt im Bund davor gewarnt, russische und belarussische Vertreter könnten das Gedenken für ihre Propaganda vereinnahmen. Rederecht bekam Netschajew in Torgau nicht.
Russische Gedenk- und Siegesfeier am 9. Mai 2025
Im Vorfeld der Feiern zum 9, Mai verschickte der russische Botschafter Einladungen.

Kranzniederlegung im Treptower Park und im Tiergarten
Am 9. Mai 2025, dem Tag des Sieges in Russland, fanden in Berlin die traditionellen Kranzniederlegungen des russischen Botschafters Sergej Netschajew an den sowjetischen Ehrenmalen im Treptower Park und im Tiergarten statt. Offizielle Berliner Regierungsvertreter nahmen nicht teil, und das Tragen prorussischer Symbole war weitgehend verboten, ausgenommen für Diplomaten und Veteranen. (27) Die Berliner Polizei sicherte die Gedenkorte mit rund 1.900 Einsatzkräften ab. Kommunikationsbeauftragte der Polizei forderten in höflichem Ton, aber mit Nachdruck Besucher auf, verbotene Symbole wie das Georgsband oder prorussische Buttons abzulegen.
So endete vor dem Haupttor zum sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park endete die Reise eines 29-jährigen, der in der originalen Uniform seines Großvaters an den Kranzniederlegungen beteiligen wollte. Die Berlin Polizei sah in der Uniform eine politische Demonstration, die nicht zugelassen war.
Der Botschafter wurde von Geistlichen der russisch-orthodoxen Kirche, Vertreten des islamischen Glaubens aus Kirgisien und Diplomaten begleitet. Neben dem orthodoxen Patriarchen beteten auch islamische Geistliche aus Kirgisistan am Ehrenmal.

Diese interreligiöse Begleitung unterstrich den feierlichen und respektvollen Charakter der Veranstaltungen, den der Verfasser dieses Artikels so vor Ort erlebte. In den Medien wurde bevorzugt die Provokation durch die prorussischen Motorradfahrer „Nachtwölfe“ thematisiert. (28)Davon kann keine Rede sein. Es sollen wenige Biker unerkannt Kränze und Blumen abgelegt haben – das Tragen der Kutten hatte die Polizei untersagt.

Die Gebete der Geistlichen wurden von flaggenschwenkenden ukrainischen Demonstraten durch lautstarke „Slava Ukraini“- Rufe gestört. Hier griff die Polizei nicht ein, da das als Recht auf freie Meinungsäußerung gesehen wurde.
Kranzniederlegung im Tiergarten:
Auch am sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten legte Sergej Netschajew mit einer Delegation, einen Kranz nieder, begleitet von religiösen Ritualen verschiedener Glaubensrichtungen.Auf dem Rückweg wurde der russische Botschafter von laut skandierenden „Slava Ukraini“-Demonstraten verbal angegriffen, was der Botschafter ignorierte.

Die Berliner Polizei unterschied also zwischen Symbolen, die als Unterstützung des russischen Angriffskrieges gewertet werden können, und legitimen friedlichen Protesten zugunsten der Ukraine. So durften ukrainische Demonstranten ihre Flaggen zeigen und Parolen rufen, den russischen Botschafter verbal attackieren. Die Polizei unterband die ukrainischen Proteste mit Flaggen und Slogans nht, weil sie diese als legitimen, friedlichen Protest im Rahmen der Versammlungsfreiheit ansah und weil für sie keine Störung der öffentlichen Sicherheit vorlag. (29)
Die Gedenkveranstaltungen standen unter strenger Polizeipräsenz mit klaren Auflagen. Die Teilnehmerzahl lag im mittleren dreistelligen Bereich.
Empfang in der russischen Botschaft
Um 12 Uhr am 9. Mai 2025 wurden die geladenen Gäste in die russische Botschaft gebeten. Vor der Botschaft hatte sich eine lange Schlange gebildet, die von den Medienvertretern genauestens unter die Lupe genommen wurde. Wenige Stunden später erschien bereits in der WELT die Schlagzeile: „Der ehemalige DDR-Staatschef Egon Krenz kommt zu einem Empfang in der russischen Botschaft“.

Die WELT verweist darauf, dass die allermeisten deutschen Politiker die Veranstaltung des russischen Botschafters zum 80. Jahrestags des Kriegsendes ignorierten: „Zu sehen waren am Eingang der ehemalige DDR-Staatschef Egon Krenz, der BSW-Politiker und frühere Linke-Vorsitzende Klaus Ernst und die BSW-Politikerin und ehemalige Linke-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen“. (30)

Zum feierlichen Empfang anlässlich des 80. Jahrestages des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg 1941–1945 nahmen zahlreiche Mitglieder des militärisch-diplomatischen Korps in Berlin, Überlebende der Blockade von Leningrad und ehemalige minderjährige KZ-Gefangene, Vertreter der Russisch-Orthodoxen Kirche, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Journalisten sowie russische Landsleute teil.
In seiner Begrüßungsrede an die Gäste betonte Botschafter Netschajew, dass die Sichtweise auf die Ereignisse und Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs nicht von der aktuellen politischen Lage abhängig gemacht werden dürfe. Besonderer Dank galt den örtlichen Behörden, dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, ehrenamtlichen Helfern sowie den deutschen Bürgerinnen und Bürgern für den respektvollen Umgang mit den sowjetischen Kriegsgräbern und Denkmälern, für ihre engagierte Suche nach Gefallenen sowie deren Umbettung. Er wies darauf hin, dass sich auf dem Gebiet Deutschlands über 4.000 Gräberstätten befinden, in denen mehr als 700.000 sowjetische Soldaten ruhen.
Traditionsgemäß überreichte der Leiter der russischen diplomatischen Vertretung den anwesenden Blockadeüberlebenden und ehemaligen minderjährigen KZ-Gefangenen die Glückwünsche des Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin zum Tag des Sieges sowie Gedenkmedaillen „80 Jahre Großer Sieg“. (31)
Netschajews Rede am Tag des Sieges reflektierte die Wunden, die der deutsche Krieg gegen die Sowjetunion geschlagen hat. Man muss ihm darin recht geben, dass die Sichtweise auf die Ereignisse und Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs nicht von der aktuellen politischen Lage abhängig gemacht werden darf. Der aktuelle Krieg in der Ukraine hat nicht mit dem 24. Februar 2022 begonnen. Den Weg dahin pflasterten seit Ende des 2. Weltkriegs mächtige Granitquader wie der US-Kriegsplan DROPSHOT vom 19. Dezember 1949 zur 85prozentigen Vernichtung der Sowjetunion. Heute ist Deutschland dabei, die Dinge auf die Spitze zu treiben. Für Willy Wimmer geht es nicht um den Ukraine-Konflikt, sondern um zwei Fragen. „Trägt das auf Betreiben der Sowjetunion wiedervereinigte Deutschland nach seiner eigenen Verfassung zum Frieden in der Welt bei? Oder besteht das Ziel nur darin, das Potential von Weltkriegssiegern um das deutsche Potential zur Durchsetzung von fremden Zielen zu ergänzen?“ (32)
Anmerkungen und Quellen:
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete "atomare Gefechtsfeld" in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm „Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie "Die unterschätzte Macht" (2022)


1)https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/weltkriegsgedenken-seelow-100.html
2)Ebda.
3)https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/geopolitik/80-jahre-kriegsende-auswaertiges-amt-will-keine-vertreter-aus-russland-bei-gedenkfeier-li.2313544, https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2025/04/kriegsgedenken-auswaertiges-amt-kritik-russland-vertreter-handreichung-landkreise-seelower-hoehen.html
4)https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bundestag-weltkriegsgedenken-russland-100.html
5)https://www.zeit.de/politik/deutschland/2025-04/weltkrieg-gedenken-russland-ausladung-kritik
6)https://www.tagesschau.de/inland/regional/brandenburg/rbb-auswaertiges-amt-warnt-vor-russischen-vertretern-vize-landrat-das-ist-absurd-100.html; https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2025/04/kriegsgedenken-auswaertiges-amt-kritik-russland-vertreter-handreichung-landkreise-seelower-hoehen.html
9)Ebda.
10)https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/weltkriegsgedenken-seelow-100.html
11)https://www.volksbund.de/nachrichten/d-day-triumph-der-freien-welt-ueber-den-totalitarismus
12)https://www.wsws.org/de/articles/2024/06/06/pers-j06.html; https://www.nachdenkseiten.de/?p=52384&pdf=52384
13)https://taz.de/Schlacht-um-die-Seelower-Hoehen/!6078905/
14)https://www.diplomatie.gouv.fr/de/aussenpolitik-frankreichs/frankreich-und-europa/aktuelles/article/80-jahre-d-day-in-der-normandie-03-06-24; https://www1.wdr.de/nachrichten/d-day-normandie-landung-gedenken-frankreich-100.html¸ https://www.mdr.de/nachrichten/welt/politik/d-day-gedenken-normandie-scholz-biden-king-charles-100.html
15)https://deutschland-geliebte-bananenrepublik.de/6-juni-1944-d-day-in-der-normandie/
16)https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Priller_(Jagdflieger) sowie persönliche Erzählung durch den Sohn von Oberst Priller
18)https://war-documentary.info/hitler-in-paris-june-1940/
19)Walter Görlitz: Strategie der Defensive - Model. Limes Verlag, Wiesbaden und München 1982, S. 199
20) https://www.hdg.de/lemo/biografie/hans-speidel.html
21)https://taz.de/Kontroverse-um-Gedenkveranstaltungen/!6083931/
22)Ebda.
23)https://www.wsws.org/de/articles/2022/12/20/merk-d20.html
24)https://www.nytimes.com/2025/01/04/magazine/antony-blinken-interview.htm
26)https://taz.de/Kontroverse-um-Gedenkveranstaltungen/!6083931/
28)https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/2025/pressemitteilung.1558188.php
31)https://www.facebook.com/story.php/?story_fbid=1133956792104479&id=100064705062021
32)Willy Wimmer, mail vom 30. Mai 2025
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: Wolfgang Effenberger
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