Tagesdosis 10.4.2018 – Right or wrong: my Hegemon?

Ein Kommentar von Dirk Pohlmann.

Vier Ereignisse der letzten Tage sind ein Lackmustest für die deutsche Politik: Der Fall Skripal, das Massaker der Israelis an palästinensischen Demonstranten in Gaza, sowie der Angriff der Israelis auf Syrien und dort stationierte iranische Truppen als „Antwort“ auf den jüngsten angeblichen Giftgasangriff Assads in der Ghouta.

Die Führungsnationen der NATO, USA und Großbritannien, sowie Israel und Saudi Arabien suchen Anlässe für einen Krieg mit dem Iran. Das sehen nicht nur die üblichen Verdächtigen so. Die Stimmen, die vor Krieg warnen, mehren sich. So hat zum Beispiel jüngst der realpolitisch geprägte Harvard-Wissenschaftler Stephen M. Walt besorgt über den kommenden Krieg gegen Iran geschrieben, in einem Beitrag für das renommierte Foreign Policy Journal.

Obwohl immer mehr Fachleute Kriegsvorbereitungen diagnostizieren, werden Sie wegen der Atlantikbrückenfraktion in den deutschen McMedien nichts davon erfahren. Bis es zu spät ist.

Obwohl die Aktionen der psychologischen Kriegsführung, die Kriegsvorbereitungen und die Dämonisierung Russlands immer dreister werden.

Der Fall Skripal hat sich mittlerweile zur einer Groteske entwickelt, die aus einem Monty Python Film stammen könnte. Vielleicht war es ja doch kein langsam wirkender, aber blitzschnell tötender Nervenkampfstoff, von dem sich niemand erholen kann, weil es keine Gegenmittel gibt, von dem aber Julia und Sergej Skripal genesen sind? Vielleicht war es wirklich „Die Lachsschaumspeise“ aus Monty Pythons „Der Sinn des Lebens“?  

Die Einheitsfront der Großbritannien Unterstützer bröckelt, denn die Regierung der Brexit-beschädigten Premierministerin Theresa May und ihres rüpelhaften Außenministers Boris Johnson hat es mit der Arroganz der Macht und dem Glauben an die unbegrenzte Dummheit der Bevölkerung übertrieben.

Selbst in den McMedien gibt es bei diesem Fall Absetzbewegungen von der vorgegebenen Linie. Sie lautet: Der Russe im allgemeinen und Putin im besonderen stecken eindeutig hinter dem Giftanschlag. Man versucht jetzt vorbeugend auch die Gegenposition zu besetzten, also einerseits den Russen die Schuld zu geben, aber andererseits auch gesagt zu haben, dass sie unschuldig sein könnten. Je nachdem, was herauskommt, hat man so auf jeden Fall recht gehabt. Aber diplomatisches Personal wird trotzdem ausgewiesen.

Aus Solidarität mit dem NATO Partner, mit einer britischen Regierung, die ein sehr kreatives Verhältnis zur Wahrheit bewiesen hat. Man könnte auch sagen, sie lügt bereits, wenn sie zuhört.

Ich schreibe absichtlich „vorgegebene Linie“, weil die Berichterstattung in den NATO Staaten nach dem angeblichen Nowitschok-Angriff innerhalb von Minuten gleichlautend einsetzte. Wer das für Zufall hält, glaubt auch an Massungsvernichtungsmittel als wahren Grund für den Krieg im Irak 2003.

Oder an die offizielle Version des Abschusses von MH17, nämlich dass es eindeutig der Russe im allgemeinen und Putin und seine ukrainischen Unterstützer im besonderen waren, die das Massaker an den Passagieren zu verantworten haben. Die Flugdatenschreiber der Maschine wurden unter Federführung des britischen Geheimdienstes analysiert. Bei einem malaysischen Flugzeug, dass überwiegend mit Holländern besetzt war und von einem amerikanischen Hersteller gebaut wurde? Und warum wurde Malaysia, dessen Fluggesellschaft betroffen war, entgegen allen Gepflogenheiten monatelang von der Unfall-Untersuchung ausgeschlossen? Warum schleppen sich Ermittlungen endlos hin, ganz im Gegensatz zu den massiven, sofortigen Schuldzuweisungen?

Wer das alles für Zufall hält, glaubt auch an die offizielle Version des Litwinenko Mordes, nämlich dass hinter dem Mord der Russe im allgemeinen und Putin im besonderen steckt, nebst zwei FSB Agenten.

Um sich ein Bild davon zu machen, wie extrem merkwürdig dieser Fall in Wirklichkeit beschaffen ist und wie unglaublich dreist die britische Untersuchung zu dem Fall inszeniert und durchgeführt wurde, klicken sie bitte die Links unter diesem Artikel an, vor allem die Webseite von Jay Epstein.

Sie erfahren dort, dass Litwinenko vom gleichen MI6 Agenten angeworben wurde, der später auch Skripal anwarb und mit dem ehemaligen MI6 Agenten und Autoren der Trump Schmutzakte eng zusammengearbeitet hat, dass Litwinenko kein echter Geheimagent war und vom MI6 trotz seiner wiederholten Avancen nicht beschäftigt wurde, sondern offenbar wegen Geldmangels in Geschäfte mit Nuklearmaterial verwickelt war – genau wie der höchst dubiose italienische Geheimagent Scaramella, den Litwinenko am selben Tag wie die angeblich russischen Täter traf, aber vor ihnen. Dass Litwinenko ursprünglich Scaramella für seine Vergiftung verantwortlich machte. Dass seine angebliche Beschuldigung Putins kurz vor seinem Tod von einer anderen Person frei erfunden wurde. Dass seine Poloniumvergiftung erst am Tag seines Todes diagnostiziert wurde – man hätte ihn durchaus behandeln können. Dass Polonium mitnichten nur in Russland in speziellen Atomkraftwerken hergestellt wurde; ein Physiker hat mir sogar berichtet, wie er in Deutschland seine Arbeitgeber vor der Gefahr durch Polonium warnte, das als eine Art Reinigungsmittel in der Elektronikproduktion verwendet wurde. Dass Litwinenko mit tschetschenischen Rebellen so eng verbunden war, dass er unmittelbar vor seinem Tod zum Islam konvertierte – und vieles mehr, was ganz andere mögliche Täter als Putin und Russland ins Blickfeld rückt. Und von all dem haben die McMedien Leser, Zuschauer und Zuhörer noch nie etwas gehört.

Weil die gleichen Medien mit ihren „Faktencheckern“, die Sie tagtäglich vor Fake-News warnen, ihre Arbeit als Rechercheure und Reporter nicht erledigen.

Stattdessen erfahren sie in den McMedien immer aufs Neue von angeblichen Giftgasattacken des Assad-Regimes. Auf die Zivilbevölkerung, vorzugsweise auf Kinder. Dazu gibt es immer Bildmaterial in Hülle und Fülle, fast immer von den „Weisshelmen“ bereitgestellt, die mit Al Kaida zusammenarbeiten. Von westlicher Seite wird Assad vor „roten Linien“ gewarnt. Falls er wieder Giftgas einsetzen sollte, müsse man aus humanitären Gründen militärisch eingreifen. Sagen Theresa May, Francois Macron, Donald Trump und Benjamin Netanyahu.

Und jedes mal versucht dann -angeblich- Assad unmittelbar bevorstehende militärische Siege durch eine militärisch vollkommen sinnlose Attacke mit Giftgas auf Zivilisten zunichte zu machen. Um Bombenangriffe oder einen kompletten Angriffskrieg auf sich zu ziehen? Wer glaubt so etwas, obwohl es fast so wenig glaubwürdig ist wie die Skripal Story?

Der jüngste israelische Luftangriff von Montag auf einen syrischen Flugplatz, auf dem auch iranische Truppen stationiert sind (legal, sie sind auf Anforderung der syrischen Regierung im Land) wurde von Israel mit dem -angeblichen- jüngsten Giftgasangriff in Syrien auf syrische Zivilisten begründet. Und von Donald Trump gutgeheißen. So funktioniert das.

Das ist der wahre Grund für die immer neuen Giftgasmeldungen im Zusammenhang mit Russland. Sie sind nicht der Grund für die Militäraktionen, sie sind Anlässe, einiges spricht dafür, dass es sich um inszenierte Anlässe handelt. Ein Sprecher des russischen Generalstabes hatte vor einigen Wochen angekündigt, dass es Informationen gäbe, dass syrische Rebellen einen Giftgasangriff unter falscher Flagge vorbereiteten, als Anlass für Militäraktionen gegen Assad.

Die US-Webseite „Veterans Today“ hat am Montag nach Anfrage bei den syrischen Streitkräften Fotos von Giftgas aus Deutschland, britischen C-Waffen und US Laborausrüstung erhalten und veröffentlicht, die in den gerade rückeroberten Gebieten sichergestellt wurden! Sie dürfen gespannt sein, ob sie diese Fotos in den deutschen McMedien sehen werden.

Es ging und geht um kriegsvorbereitende Dämonisierung.

Es passt ins Bild, dass Trumps UN Botschafterin Niki Haley vor wenigen Tagen wörtlich vor den Vereinten Nationen sagte: „Russland wird niemals unser Freund sein“ und „Wir werden ihnen ein paar runterhauen, wenn wir es für nötig halten“.

Die chinesische Antwort auf diese amerikanischen Unverschämtheiten in der „Global Times“ zum Fall Skripal ist von seltener Schärfe und Klarheit: „Diese Taten sind nichts anderes als eine Form westlichen Mobbings, die weltweit Frieden und Recht gefährden. — Es schreit zum Himmel, wie die USA und Europa Russland behandeln. Ihre Maßnahmen beweisen eine Leichtfertigkeit und Rücksichtslosigkeit, die immer deutlicher die Methoden westlicher Herrschaft kennzeichnen. Sie bewirken nur noch eines, nämlich die internationalen Beziehungen zu vergiften. Dies ist der richtige Zeitpunkt für nicht-westliche Staaten, sich zu vereinigen und ihren Zusammenhalt zu stärken. Es muss ihnen gelingen, Unabhängigkeit jenseits westlicher Einflüsse zu erreichen, die Ketten monopolisierter Verlautbarungen und im voraus festgelegter Schuldzuweisungen abzuschütteln sowie zu lernen, sich wieder auf ihr eigenes Urteilsvermögen zu verlassen.“

Ein Ratschlag, der auch in Deutschland Gehör finden könnte. Aber es sieht nicht danach aus. Der neue Außenminister übt sich angesichts der Kriegsgefahr in Ergebenheitsadressen und vorauseilendem Gehorsam. Gegenüber Großbritannien, den USA – und Israel. Bei seinem Besuch in Israel betonte er seine Entschlossenheit, Antisemitismus in Deutschland zu bekämpfen. Die Times of Israel nannte ihn einen „Anti-Nazi-Kreuzzügler“. So weit so gut.

Aber kurz darauf richtet das israelische Militär ein Massaker unter Demonstranten in Gaza an. 30 Menschen werden erschossen. Die israelischen Streitkräfte veröffentlichen im Internet Warnungen an Araber, in denen Kinder im Visier von Scharfschützen abgebildet werden.

Man kann aus der deutschen Vergangenheit und der Shoa sehr verschiedene Lehren ziehen. Man kann daraus lernen, nie wieder Täter zu sein, wie die Deutschen, oder nie wieder Opfer, wie die Israelis. Aber kann es wirklich richtig sein, wenn Deutschland immer an der Seite jeder israelischen Regierung steht, egal, wie rechtsextrem sie ist, wie brutal ihre Aktionen sind? Große Teile der deutschen Politik und der deutschen Medien handeln so. Sie schweigen angesichts eines Massakers. Sie schweigen angesichts der Kriegsvorbereitungen, auch der israelischen Regierung. Wie der deutsche Außenminister.

Aber was derzeit geplant wird, hat so viel mit rücksichtsloser, verantwortungsloser Machtpolitik zu tun, mit Kriegsvorbereitungen gegen Iran, dass es keine Solidarität mit den Aggressoren geben darf.

Wer sich über Vorgänge in Gaza oder Syrien informieren will, über die Kriegspläne und die Hintergründe des „New Great Game“ sollte sich nicht nur in den westlichen Mainstream-Medien umschauen. Sie sind Teil des Problems. Sinnvoller ist es, US Zeitschriften zur Außenpolitik zu lesen, israelische Zeitungen, oder z.b. Russia Today als abweichende Quelle zu nutzen. Aber es passt ins Bild der Kriegspropaganda, dass das „Abhören von Feindsendern“ wie RT unter Strafe gestellt wird. Russia Today wird als Propagandasender denunziert. Aber was sind CNN oder BBC oder Deutsche Welle, wenn RT dieses Etikett aufgeklebt wird?

Russia Today wird die Berichterstattung in den USA, der -angeblichen- Heimstatt der vollkommenen Pressefreiheit, durch immer neue Verbote, Behinderungen und das Abschalten ihrer Verbreitungskanäle, z.B. in Washington, unmöglich gemacht. Ähnliche Maßnahmen werden auch in Großbritannien gefordert. RT wird auch in Deutschland diskreditiert. Um die Bevölkerung vor russischer Propaganda zu schützen? Was für ein Demokratieverständnis, was für ein Verständnis von Pressefreiheit steckt hinter diesen Argumenten?

Die Lage ist bedrohlich. Dass Großbritannien unter imperialen Phantomschmerzen leidet, ist ein ernstes Problem. Dass die US-Regierung sich in ein volatiles Sammelbecken von Kriegsbegeisterten Wahnsinnigen verwandelt hat, ist lebensgefährlich.

Dass die deutsche Politik und die deutschen Medien zu dieser Entwicklung nibelungentreue Beihilfe leistet, nach dem Motto: „Right or wrong, my Hegemon“, ist nur für Lebensmüde und US-Oligarchen mit Privatjet und Besitz im Südpazifik eine Zukunftsperspektive.

Alle anderen sollten endlich damit beginnen, Widerstand zu leisten. Widerstand gegen Planungen, die zum 3. Weltkrieg führen können.

1989 war nicht das Ende der Geschichte. Und es waren nicht die Guten, die 1989 gewonnen haben.

Quellen

Westliche C-Waffen in Syrien
https://www.veteranstoday.com/2018/04/08/proof-intel-drop-trump-bolton-behind-syria-chemical-attacks-confirmed/

Der Fall Skripal
https://www.craigmurray.org.uk/

Edward J. Epstein über Litwinenko
http://www.edwardjayepstein.com/Litvinenko.htm

Sehr guter britischer Artikel über den Fall Litwinenko
https://off-guardian.org/2018/03/17/litvinenko-and-the-demise-of-british-justice/

Der Fall MH17
http://www.whathappenedtoflightmh17.com/long-list-of-indications-showing-the-dutch-are-not-very-keen-in-finding-mh17-truth/

Stephen M. Walt über die US Kriegspläne
https://foreignpolicy.com/2018/04/02/how-to-start-a-war-in-5-easy-steps/

Niki Haley in den UN über Russland „Wir werden ihnen eine runterhauen“
https://www.rt.com/usa/423422-us-russia-stalemate-haley/

Die chinesische Global Times über die USA und den Westen
http://www.globaltimes.cn/content/1095361.shtml

Das Massaker in Gaza
https://www.aljazeera.com/news/2018/03/netanyahu-praises-israeli-army-killing-palestinians-180331183611045.html

Die Drohung der Israelischen Streitkräfte gegen Kinder
https://www.rt.com/news/423441-idf-sniper-kids-tweet-adraee/

Über RT in den USA
https://www.thenation.com/article/registering-the-cable-channel-rt-a-foreign-agent-is-a-threat-to-press-freedom/

RT darf nicht mehr im Raum Washington senden
https://www.bloomberg.com/news/articles/2018-03-29/russian-news-service-rt-to-go-off-the-air-in-the-washington-area

US Homeland Security will weltweite Datenbank über Journalisten, ihre Einstellungen und Aktivitäten
https://www.forbes.com/forbes/welcome/?toURL=https://www.forbes.com/sites/michellefabio/2018/04/06/department-of-homeland-security-compiling-database-of-journalists-and-media-influencers/&refURL=https://www.facebook.com/&referrer=https://www.facebook.com/#515bdd786121

Die Lachsschaumspeise
https://www.youtube.com/watch?v=7-CbhFP1k9I
https://www.youtube.com/watch?v=YoBTsMJ4jNk

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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