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Sinneswandel in Bundesbern?

Sinneswandel in Bundesbern?

Der Bundesrat begrüsst die Friedensbemühungen der US-Regierung in der Ukraine. Kündigt sich eine Kehrtwende in der Schweizer Außenpolitik an?

Ein Meinungsbeitrag von Michael Straumann.

Die Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz sorgte für Furore. Er kritisierte die Politiker der EU-Länder scharf dafür, dass sie den demokratischen Willen der eigenen Bevölkerung nicht mehr respektierten und die Meinungsfreiheit einschränkten. In den sozialen Medien fand Vance dafür breiten Zuspruch. Die Politiker der europäischen Altparteien, allen voran aus Deutschland, zeigten sich hingegen wenig begeistert. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder quittierte Vances Kritik mit einem spöttischen Grinsen. Verteidigungsminister Boris Pistorius bezeichnete die Äußerungen des Vizepräsidenten als «nicht akzeptabel». CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz empfand diese als «übergriffig». Die europäischen Politiker reagierten also durchweg mit Empörung.

Nicht so der Schweizer Bundesrat: Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter lobte die Rede. Sie sei ein «Plädoyer für die direkte Demokratie» gewesen, erklärte sie in einem Zeitungsinterview. Sie teile die von Vance angesprochenen Werte «wie Freiheit und die Möglichkeit für die Bevölkerung, ihre Meinung zu äußern». Dies stieß wiederum im Schweizer Parlament auf Kritik. SP-Nationalrat Cédric Wermuth reagierte ähnlich hysterisch wie die deutschen Altparteienpolitiker und bezeichnete Keller-Sutters Lob als «Anbiederung an eine neofaschistische Politik».

Auffallend sind die neuen Töne der Schweizer Landesregierung gegenüber der neuen US-Administration. Neben den lobenden Worten der Bundespräsidentin begrüßt der Bundesrat die aktuellen Bemühungen der Trump-Regierung, mit Russland an den Verhandlungstisch zu kommen und den Krieg in der Ukraine endgültig zu beenden. Die Schweizer Sonntagszeitung titelte dazu: «Bundesrat ändert Kurs in der Außenpolitik».

Musterschüler im totalen Wirtschaftskrieg

Vor acht Monaten sah die Situation noch völlig anders aus. Im Sommer war die Schweiz Gastgeberin der «Friedenskonferenz» auf dem Bürgenstock. Da Russland als Kriegspartei nicht einmal eingeladen wurde, entpuppte sich dieser Gipfel bereits im Vorfeld als Farce. Vielmehr handelte es sich um eine Benefizveranstaltung für die Selenskyj-Regierung, um weitere Waffenlieferungen an die Ukraine zu ermöglichen. Dem Frieden hat es auf jeden Fall nicht geholfen. Das Sterben der Soldaten auf beiden Seiten der Front findet bis heute statt – und wird weitergehen.

Neben ihren einseitigen Solidaritätsbekundungen mit Kiew hat sich die Schweizer Landesregierung in den letzten drei Jahren als Klassenprimus bei der Umsetzung der Sanktionen gegen Russland profiliert. Was viele nicht wissen: Unter den Ländern, welche die meisten Sanktionen gegen Russland verhängt haben, liegt die Schweiz mit 3010 Maßnahmen auf Platz 3 und damit vor der EU, die lediglich 2234 Maßnahmen erlassen hat. Auf Platz 1 und 2 liegen die USA mit 6433 und Kanada mit 3185. Kurzum: Der Bundesrat hat keine Möglichkeit ausgelassen, um die Reputation der Schweiz als neutraler Staat zu beschädigen. Er machte bereitwillig mit – in der trügerischen Annahme, eine Atommacht in die Knie zwingen zu können, ohne dabei ein nukleares Inferno zu riskieren.

Lossagung von Brüssel

Nun wird plötzlich begrüßt, dass Russland zurück an den Verhandlungstisch geholt wird. Verhandelt wird in Saudi-Arabien – was der Schweiz ebenfalls zu denken geben sollte. Sind wir tatsächlich an einem Punkt angelangt, an dem die Schweiz von Saudi-Arabien lernen muss, was Neutralität bedeutet? Kein Wunder, wenn sie von Russland als feindseliger Staat angesehen wird. Die positiven Töne des Bundesrats gegenüber der US-Friedensoffensive in der Ukraine zeigen, dass er möglicherweise die Zeichen der Zeit erkannt hat: In Washington ist ein neuer Sheriff in der Stadt. Allerdings macht eine Schwalbe noch keinen Sommer. Es gilt abzuwarten, wie sich der Bundesrat in naher und mittlerer Zukunft außenpolitisch positionieren wird.

In meinem Beitrag «Make Switzerland neutral again!» habe ich bereits darauf hingewiesen, dass die zweite Amtszeit von Donald Trump ein gutes Zeitfenster für die Schweiz wäre, aus den Russland-Sanktionen auszusteigen. Dies wäre die Grundvoraussetzung, um sich als neutraler Staat zu rehabilitieren – wobei es Jahre dauern wird, neues Vertrauen zu Russland und anderen Staaten aufzubauen, mit denen man in der Vergangenheit auf der diplomatischen Ebene Porzellan zerbrochen hat.

Die Schweiz pflegte in den ersten vier Trump-Jahren konstruktive Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. Von daher wird es der Bundesrat mit einer US-Regierung zu tun haben, die der Schweiz tendenziell wohlgesonnen ist. Gleichzeitig zeichnet sich bereits jetzt – wie die Münchner Sicherheitskonferenz zeigte – eine deutliche Abkühlung der Beziehungen zwischen Brüssel und Washington ab. Um nicht selbst ins Kreuzfeuer der USA zu geraten, wäre es für die Schweiz einmal mehr ratsam, sich von der Europäischen Union zu emanzipieren, EU-Zensurgesetze wie den Digital Services Act nicht im eigenen Land umzusetzen und den geplanten Rahmenvertrag mit Brüssel auf Eis zu legen.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 18.02.2025 auf den Portalen StrauMedia und Freie Akademie für Medien & Journalismus.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: makasana photo / shutterstock


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Michael Straumann Schweizer Außenpolitik Einschränkung der Meinungsfreiheit J.D. Vance Münchner Sicherheitskonferenz