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Schlachtfeld Afrika | Von Jochen Mitschka

Schlachtfeld Afrika | Von Jochen Mitschka

In diesem dritten Artikel zum deutschen Migrationschaos, das spätestens seit 2015 zu einem der großen Probleme des Landes wurde, berichte ich über das Schlachtfeld Afrika, und wie neokoloniale Politik dort für einen ununterbrochenen Strom von Menschen in Richtung Norden sorgt, welche Folgen die Globalisierung unter anderem erzeugt, was man als "Second-Hand-Verbrechen" des Westens bezeichnen kann, was mit der Nahrungsmittelproduktion in Afrika passiert, und am Schluss noch einmal ein Wort über den schon früher behandelten "Brain-Drain".

Ein Meinungsbeitrag von Jochen Mitschka.

Migrationsgründe, hier Afrika

Tatsächlich ist einer der wichtigsten Gründe für Flucht und Migration die Einmischung des Westens in die afrikanische Wirtschaft und Politik. Wir müssen uns nur das Beispiel Libyen anschauen. Da wurde das Land, welches von großen Teilen Afrikas als Hoffnungsträger für eine eigenentwickelte und vereinte Zukunft Afrikas angesehen wurde, buchstäglich in Stücke gebombt, angeblich um einen bösen Diktator davon abzuhalten, seine Bevölkerung „abzuschlachten“. Was sich im Nachhinein natürlich wieder einmal als Kriegslüge herausstellte (1).

Tatsächlich hatte die Zerstörung Libyens, unter der das Land auch 10 Jahre nach dem Bombenkrieg der NATO leidet, weit über das Land hinaus für ganz Afrika gravierende Folgen. Also sind viele Nachrichten, die in keiner Weise in den Nachrichten mit dem Nachkriegschaos in Libyen in Verbindung gebracht werden, in die Irre führend. Tun sie doch so, als ob die Aufstände, der Terror, vom Himmel gefallen wäre.

Natürlich verschwanden die Goldvorräte des Landes, die von Gaddafi zur Golddeckung einer gemeinsamen Währung Afrikas angesammelt worden waren, spurlos. Ein Thema, das die „Qualitätsmedien“ versuchen zu umgehen, indem sie stattdessen von der Suche nach Gaddafis illegalen Milliarden schreiben. Aber darüber hinaus konnte sich der Terrorismus einerseits, und die Industrie der Schlepper von Migranten andererseits praktisch unkontrolliert entwickeln.

Ein Artikel von Dan Glazebrook, erschienen auf den Seiten des Ron Paul Institute, beschreibt die Details. Der Autor erklärt, dass nun Boko Haram in Afrika die tödlichste Terrorgruppe der Welt ist, was eine Konsequenz der Politik Großbritanniens wäre. Und er schreibt, dass diese Folge möglicherweise gar nicht unerwünscht war.

Glazebrook erklärt dann, dass Boko Haram für über 6.600 Morde im Jahr 2014 verantwortlich war, während ISIS „lediglich“ für knapp über 6.000 Morde die Verantwortung übernahm. Das wäre drei Mal so viel wie noch im Jahr 2013. Er nennt dann verschiedene Beispiele für Anschläge, bei denen dutzende von Menschen starben. Dann fährt er fort die Geschichte von Boko Haram zu erklären.

Im Jahr 2009, dem Jahr, an dem die Gruppe zu den Waffen griff, hatte Boko Haram nicht im Geringsten die Möglichkeiten, solche Operationen durchzuführen. Wie Peter Weber in The Week feststellte, veränderten sich ihre Waffen ‚von relativ billigen AK-47 aus der Zeit vor 2009, zu wüstentauglichen Kampffahrzeugen und Flugabwehrgeschützen sowie Panzerabwehrwaffen‘. Diese dramatische Entwicklung des Zugriffs auf Material, war das direkte Resultat des NATO-Kriegs gegen Libyen. Ein UN-Bericht, der Anfang 2012 veröffentlicht worden war, warnte, dass ‚große Mengen von Waffen und Munition aus libyschen Lagern in die Sahel-Zone geschmuggelt worden waren‘. Darunter seien Panzerfäuste, Maschinengewehre mit Flugabwehr-Visieren, automatische Gewehre, Munition, Granaten, Semtex Sprengstoff, und leichte Flugabwehr-Geschütze, montiert auf Fahrzeugen. Es wird vermutet, dass auch weiter entwickelte Waffen, wie Boden-Luftraketen und Manpads (tragbare Luftabwehrsysteme) zum Arsenal der Gruppe gehören.“ (2)

Der Autor führt aus, dass die NATO das gesamte Waffenarsenal eines entwickelten Industriestaates in die Hände der sektiererischen Milizen wie die Libyan Islamic Fighting Group, Al-Kaida im islamischen Maghreb und Boko Haram hat fallen lassen.

Und dann erklärt er, dass in der Folge des NATO-Krieges gegen Libyen die ersten Opfer dieses Krieges außerhalb von Libyen in Mali zu betrauern waren. Mali, das dürften Deutsche kennen, denn genau dort wurden nun deutsche Soldaten hingeschickt, um die Folgen des Libyen-Krieges irgendwie wieder ins Reine zu bringen. Wobei die Gründe natürlich in den deutschen Medien nicht erwähnt werden.

Ursprünglich waren es Tuareg Krieger, die für Gaddafis Sicherheitskräfte gearbeitet hatten. Sie flohen aus Libyen, als der Bombenkrieg der NATO den Widerstand gegen die islamistischen Terroristen sinnlos machte. Diese Tuareg starteten dann im nördlichen Mali einen Aufstand. Dieser wurde aber von Terrorgruppen, die zu Al-Kaida gehörten, niedergeschlagen. Al-Kaida war nach dem Krieg gegen Libyen von Waffen überflutet worden und hatte leichtes Spiel.

Brendan O’Neill schrieb schon 2014 dazu:

"Boko Haram profitierte enorm von dem Vakuum, das in dem einst friedlichen Nord-Mali als Folge des Sturzes von Gaddafi entstanden war. (...) Zunächst verbesserten sie ihre Guerilla-Fähigkeiten an der Seite von erfahreneren Islamisten in Mali, wie der AQUIM, und zweitens sammelten sie geschätzte 15.000 libysche Militärartikel ein, die über die Grenzen des Landes geflossen waren, nachdem Gaddafi beseitigt worden war. Im April 2012 berichtete die Agence France-Presse, dass dutzende der Boko Haram Kämpfer der AQIM assistieren würden, weitere in Nord-Mali. Das hatte einen vernichtenden Effekt auf Nigeria. Wie die Washington Post Anfang 2013 berichtete, 'war der islamistische Aufstand im nördlichen Nigeria in eine gewalttätigere Phase eingetreten, da die Aufständischen mit besseren Waffen und Taktiken, die sie in Mali erlernt hatten, eintrafen'. Ein nigerianischer Analyst sagte, dass Boko Harams Grad an Verwegenheit gegen Ende 2012 sehr hoch wäre. Das war unmittelbar nachdem einige der Militanten aus Mali eingetroffen waren. ..." (3)

Dass dieser Krieg der NATO in Libyen diese Konsequenzen haben würde, war überaus voraussehbar, und von vielen vorhergesagt. Schon im Juni 2011 hatte der Vorsitzende der Afrikanischen Union, Jean Ping die NATO gewarnt, dass "Afrikas Sorge ist, dass diese Waffen, die zu einer oder anderen Seite geliefert werden, schon bald in der Wüste sein werden, und die Terroristen bewaffnen, und Verbrechen fördern werden." (4) Sowohl Mali als auch Algerien waren entschieden gegen die Zerstörung Libyens durch die NATO, exakt weil sie eine massive Destabilisierung in die Region bringen würde. Sie argumentierten, schrieb O'Neill, "dass ein solcher gewalttätiger Aufstand in einer Region, wie dem nördlichen Afrika, katastrophale Konsequenzen mit sich bringen kann“. Die Nachwirkungen der Bombardierungen wären "eine ernste Quelle von Sorge", sagten die Herrscher Malis im Oktober 2011.

Und tatsächlich, wie die BBC berichtete, so Dan Glazebrook, hatten sie seit dem Konflikt in Libyen argumentiert, dass der Fall von Gaddafi einen destabilisierenden Effekt auf die Region haben werde.

In einem Artikel nach dem Zusammenbruch von Nord-Mali, schrieb ein ehemaliger Stabschef der britischen Landstreitkräfte, Generalmajor Jonathan Shaw, dass Oberst Gaddafi ein Dreh- und Angelpunkt des informellen Sahel Sicherheits-Plans war, und dass seine Beseitigung daher zu einem vorhersehbaren Zusammenbruch der Sicherheit in der gesamten Region führen würde. Der Aufstieg von Boko Haram war eines der Ergebnisse, allerdings mit strategischen Vorteilen für den Westen (5).

Nigeria war einmal von den USA als einer ihrer verlässlichsten Verbündeten auf dem afrikanischen Kontinent angesehen worden. Jedoch hatte sich das Land, entsprechend einem Muster im gesamten globalen Süden, enger an China angelehnt.

Ein Geschäft, das Schlagzeilen machte, war ein Vertrag über 23 Milliarden Dollar im Jahr 2010, mit den Chinesen, über den Bau von Raffinerien, die die Öl-Exporte Nigerias nach China um 750.000 Barrels pro Tag erhöhen sollten. Gefolgt wurde das Geschäft im Jahr 2013 von einer Vereinbarung, nigerianische Ölexporte nach China zu verzehnfachen, und zwar schon bis zum Jahr 2015 (von 20.000 auf 200.000 Barrels pro Tag.) Aber Chinas wirtschaftliche Interessen gingen weit darüber hinaus.

Ein nigerianischer Diplomat, der von der China-Afrika-Spezialistin Deborah Brautigam interviewt wurde, sagte ihr, dass ‚die Chinesen versuchen in jedem Sektor der Wirtschaft Fuß zu fassen. Wenn Sie den Westen ansehen, ist es Öl, Öl, nichts als Öl‘. Im Jahr 2006 vergab China einen niedrig verzinsten Kredit über 8,3 Milliarden Dollar an Nigeria, um eine neue Eisenbahn zu bauen, und im folgenden Jahr baute China einen Telekommunikationssatelliten für das Land.

Und tatsächlich fielen vom bilateralen Handel (18 Milliarden Dollar) zwischen den Ländern, 88% auf nicht mit Erdöl in Verbindung stehenden Geschäften, und im Jahr 2012 betrugen die Importe Nigerias aus China (dem größten Import-Partner) mehr als das Volumen des zweit- und drittgrößten Partners, also der USA und Indien, zusammen.

Diese Art des Handels und der Investitionen hilft Afrika wirklich, und ermöglicht Wertschöpfung zu betreiben-, und wird deshalb durch die westliche globale Wirtschaftsordnung unterminiert. Eine Wirtschaftsordnung, die darauf basiert, dass Afrika eine unterentwickelte Region bleibt, die billige Rohmaterialien liefert.“
(6)

Aber dabei war die Kooperation mit China nicht auf die Wirtschaft beschränkt geblieben. Im Jahr 2004 hatte China China einen Antrag Nigerias auf einen Sitz im UN-Sicherheitsrat unterstützt, und im Jahr 2006 unterzeichnete Nigeria ein Memorandum of Understanding über die Errichtung einer strategischen Partnerschaft mit China. Es war das erste Land, was diesen Schritt gewagt hatte. Es ist ein Schritt, der auf einer soliden Unterstützung in der Bevölkerung basiert. Eine Umfrage der BBC aus dem Jahre 2011 hatte ergeben, dass 85% der Nigerianer eine positive Meinung von China hatten.

Das kann nicht überraschend sein, wenn sogar USA-freundliche Denkfabriken wie die Jamestown Foundation zugeben: „Chinas Verbindungen mit Nigeria sind qualitativ sehr unterschiedlich von denen des Westens, und als Ergebnis entstehen daraus Vorteile für die einfachen Leute Nigerias“. Symbolisch für die Wichtigkeit der Partnerschaft war die Tatsache, dass der Premierminister Chinas, Li Keqiang, Nigeria zum ersten Ziel seiner Auslandsbesuche im Jahr 2013 machte. (7)

Diese wachsende Süd-Süd-Zusammenarbeit wurde durch die USA nicht positiv gesehen, weil dadurch zu erkennen war, dass ein einst abhängiger Staat aus dem Orbit ausbrach. Die African Oil Policy Initiative Group, ein Konsortium von US-Kongressabgeordneten, Militärs und Energie-Lobbyisten, hatte schon 2002 in einem Bericht geschlossen, dass China ein Rivale der USA in West Afrika wäre, und dass militärische Maßnahmen nötig würden, um den Einfluss einzudämmen.

Und China war zunehmend von US-Politikern als strategische Bedrohung angesehen worden, die unbedingt militärisch gedämpft werden müsse. Ein Bericht des US-Stabschefs Martin Dempsey aus dem Juli betonte, dass China eines der "größten Sicherheitsrisiken" der US-Vorherrschaft darstelle, auch wenn schon die "Dreh- und Angelpunkt Asien" Politik von Obama, das im Jahr 2013 bereits klar gemacht hatte.

Wenn die USA zunehmend ihre Strategie darin sehen, die chinesischen Interessen zu unterminieren – und dafür gibt es viele Anzeichen – ist die Schlussfolgerung dieser Stellungnahme, dass die Instabilität Nigerias der einzige Weg ist, zu garantieren, dass die chinesischen Interessen bedroht werden. Und dies dient den globalen strategischen Zielen der USA.

Die relativ seltsamen Aktivitäten der USA, den nigerianischen Kampf gegen Boko Haram zu behindern, von einer Blockade der Waffenlieferungen im letzten Jahr, bis zur Finanzierung des Kampfes in allen Nachbarländern Nigerias, aber nicht in Nigeria selber, ebenso wie das Aussetzen des Imports von Rohöl aus Nigeria im Jahr 2014 (‚eine Entscheidung, die dazu führte, dass Nigeria in eine der ernsthaftesten Finanzkrisen stürzte‘, wie eine lokale Tageszeitung schrieb), würden darauf hinweisen.“ (8)

Und so waren die ersten Wirtschaftsmigranten nach dem Angriffskrieg der NATO unter dem Deckmantel einer UNO Resolution über eine Flugverbotszone, jene aus Libyen, die durch den NATO-Angriffskrieg von 2011 ihre Arbeit, ihre Existenz und ihre Zukunft verloren hatten.

Während die darauf folgenden Menschen jene waren, die nun nicht mehr Libyen als Ziel ins Auge fassten, weil es das prosperierende Libyen, das sich für die afrikanische Einheit einsetzte, nicht mehr gab. Sie wandten sich nun direkt nach Europa.

Die Folgen der Globalisierung

„Weltweiter Handel mit Gütern jeder Art, ein internationaler elektronisch getakteter Finanzmarkt, sekundenschnelle Kommunikation rund um den Erdball, Dependancen der immer gleichen weltumspannenden Konzerne und Konsumtempel in jeder Stadt – das alles sind Facetten einer Globalisierung, die wir seit einigen Jahrzehnten in verschärftem Ausmaß erleben.

Diese Globalisierung bringe Wohlstand für alle – dieses neoliberale Versprechen hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, sowohl innerhalb der Gesellschaften als auch zwischen Nord und Süd.“
(9)

Neben den „humanitären Kriegen“ des Westens ist die Globalisierung der zweite wichtige Punkt, der als Ursache für Flucht und Migration identifiziert werden kann. Nachfolgend einige Beispiele.

Die Subventionspolitik der EU

Viele der Wirtschaftsmigranten aus Afrika treten Ihre Reise aus dem Senegal an. Die dortigen Fischer haben ein Problem. Ihre Geschäfte laufen nicht mehr so richtig. Immer öfter müssen die Fischer ohne einen kostendeckenden Fang zurück in den Hafen fahren. Sie erleben einen schleichenden Ruin, der ihnen von der EU auferlegt wurde.

Wenn diese Fischer aufgeben, und mit ihren Booten nach Europa fahren, tun sie das nicht, weil sie vor Kriegen flüchten, sondern weil sie vor der wirtschaftlichen Ausbeutung durch den Westen flüchten (10).

Diese Not der Fischer aus dem Senegal hat nichts mit dem Klimawandel zu tun. Sondern sie ist das Resultat der Globalisierung bzw. der Wirtschaftspolitik der EU.

Interessanterweise sind die riesigen Schiffe der europäischen Fischereikonzerne durch Steuersubventionen, also durch Steuergelder des EU-Bürgers mitfinanziert.

Um es deutlich zu machen: Der deutsche Steuerzahler zahlt für große Konzerne die Schiffe, damit diese Profit erwirtschaften können, und den Fischern von Afrika damit das Geschäft zunichte machen. Und wenn diese Fischer dann nach Deutschland kommen, dürfen die Steuerzahler dann noch einmal bezahlen, nämlich für die menschenwürdige Versorgung eben dieser Fischer, die durch seine Steuergelder arbeitslos wurden.

Ein Schiff der großen Konzerne hat einen Ertrag, der dem der kleinen Fischer von 55 Jahren entspricht. Was dann nicht nur für den Tag, sondern langfristig für eine Dezimierung der Fischereibestände führt.

Nun ist das nicht illegal. Denn ebenfalls mit Steuergeldern hat die EU vorher dem Staat Senegal die Fangrechte abgekauft. D.h. nicht nur die Fabrikschiffe wurden dank Steuergeldern vor die Küsten Afrikas geschickt, sondern wie es sich für ordentliche Beamte schickt, hat man vorher die Fangrechte natürlich bezahlt. Das heißt, die EU macht mit einer korrupten Elite die besten Geschäfte, während die Fischer gerade noch für den Eigenbedarf fischen dürfen.

65 Prozent der Bevölkerung sind Analphabeten, die Einschulungsquote liegt bei 60 Prozent. Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem hohen Bildungsstandard einer kleinen Elite und dem niedrigen der Mehrheit der Bevölkerung.“ (11)

Die meisten dieser Fabrikschiffe stammen übrigens aus Spanien.

Aber der Skandal wird noch größer. Diese Fabrikschiffe werfen einen großen Teil des Fangs wieder zurück ins Meer. Das soll bis zu einem Drittel des Fangs ausmachen, wobei die Fische natürlich tot sind. Tot, bevor sie laichen konnten. Was zu einer kontinuierlichen Reduzierung der Fischbestände führt.

Grund: Die Qualität entspricht nicht den europäischen Erwartungen des Marktes. Aber die Massenmedien beklagen die Überfischung der Meere, ohne wirklich auf die Hintergründe einzugehen.

Wenn auf diese Weise die Fischer in den afrikanischen Ländern keine Perspektive für eine sinnvolle Nutzung ihrer Schiffe sehen, bleibt ihnen nur eine Wahl: Den Verkauf der Schiffe an die Konzerne der Menschenschmuggler. Und als Bonus können Sie vielleicht eine Freifahrt heraushandeln.

Die Second-Hand Verbrechen des Westens

Ein weiteres Beispiel für die Perversität der Globalisierung ist das Altkleidergeschäft. Kleider, die in Deutschland als Altkleider, als Müll, gesammelt werden, zerstören die lokale Textilproduktion und den traditionellen Handel in Afrika.

Diese Second-Hand Textilien aus Europa, welche die Händler ja zu 0 Euro erhalten, und für die lediglich Sortierung und Transport als Kosten anfallen, zerstören die Lebensgrundlagen von lokalen Kleinbetrieben und auch größeren Textilunternehmen, die unmöglich mit den Importen aus Europa konkurrieren können.

Nun könnte man fragen, warum denn keine entsprechenden Zölle auf die Altkleider erhoben werden. Nun das ist die Folge der Globalisierung. Afrika wurde gezwungen, seine Märkte zu öffnen. Und wenn ein Land Kredite von der Weltbank oder dem Internationalen Währungsfonds erhalten will, sind sogenannte „Reformen“ immer Voraussetzung für die Gewährung.

Und unter „Reformen“ wird immer „Liberalisierung“ verstanden. D.h. ungehindert Zugang von westlichem Kapital und Waren auf den afrikanischen Markt.

Aber es kommt noch schlimmer. Da das Sortieren der Altkleider in Deutschland zu teuer ist, werden die Container mit unsortierten Kleidern zuerst einmal in andere Länder gebracht, in denen die Lohnkosten niedriger sind. Nein, das sind nicht die afrikanischen Bestimmungsländer. Das sind Länder wie Dubai, in denen indische, pakistanische oder thailändische Arbeiter zu Niedriglöhnen sortieren. Und von dort erst gehen dann die Altkleider zu ihren Bestimmungsmärkten. Globalisierung eben.

In Ruanda wehrte sich Präsident Paul Kagame gegen den Import von Altkleidern zu die Textilindustrie zerstörenden Preisen. Was folgte war eine politische Kampagne mit der ihm „Diskriminierung“ ausländischer Investoren vorgeworfen wurde, und Widerstand gegen die Globalisierung.

Es ist klar wer hier geschützt werden soll. Sicher nicht die Menschen Ruandas, und auch nicht die Menschen, die im guten Glauben ihre Altkleider „spendeten“, noch viel weniger im Interesse der Menschen, die aufgrund der die Wirtschaft der Entwicklungsländer zerstörenden Politik der westlichen Staaten nun „Refugees welcome“ Schilder hochhalten.

Die Nahrungsmittelproduktion

Ein Bericht von Spiegel TV berichtet, "Wie die EU Afrika in die Armut treibt" (12).

Der Beitrag beginnt mit der Bemerkung, dass in Afrika, wo 85 Prozent der Bevölkerung einst von Landwirtschaft und Viehzucht lebte, die lokalen Milchbauern ihre Milch nicht mehr absetzen können, weil, insbesondere aus der EU importierte Trockenmilch zu Dumpingpreisen angeboten wird, und den Markt für lokale Produkte zerstört hat.

Die landwirtschaftlichen Produkte in der EU sind subventioniert. So werden zum Beispiel Zwiebeln aus Holland subventioniert produziert. Und meist werden zu viele Zwiebeln produziert. Die werden dann subventioniert nach Afrika verkauft.

Wer die landwirtschaftliche Produktion in der EU kennt, weiß, wie hoch mechanisiert sie ist. Und die Verarbeitung ist zudem noch hoch automatisiert. In Afrika dagegen gibt es weder einen hohen Mechanisierungsgrad, noch eine Automatisierung der Verarbeitung. Was dazu führt, dass lokale Produzenten chancenlos im Preiswettbewerb gegen die europäischen, steuerlich subventionierten, Importe sind.

Trotz Transportkosten für tausende von Kilometern, sind die europäischen Zwiebeln billiger, als die lokal von Kleinbauern angebauten Zwiebeln, die diese auf dem heimischen Markt verkaufte, bis die Konkurrenz sie zwang, eine andere Art des Lebensunterhaltes zu wählen.

Die Welthandelsorganisation WHO, der IWF und die Weltbank betreiben bewusst eine Politik, welche die großen Industrieländer bevorzugt, und Afrika als Absatzgebiet für Überschussproduktion öffnete.

Was machen Bauern, die keine Chance mehr haben, von ihrer Arbeit auf dem Land zu leben? Sie lassen die Gebiete, die früher bewirtschaftet wurden, brach liegen. Bis vielleicht eines Tages große Agrarkonzerne die Flächen aufkaufen. Während die Bauern sich auf den Weg nach Europa machen.

Die extrem umweltschädliche Überproduktion von Milch innerhalb der EU wird, wie eingangs erwähnt, zu Milchpulver verarbeitet und zerstört so die Lebensgrundlage von Milchbauern in Afrika. Mit anderen Worten: In der EU wird die Produktion subventioniert gesteigert, um sie dann subventioniert in Afrika abzusetzen, und dort die Basis der örtlichen Produktion zu zerstören.

Ein weiteres Beispiel für die Vernichtung der Wirtschaft Afrikas ist der Absatz von gefrorenen Hühnerteilen. Da in der EU vorwiegend Schenkel und Brustfleisch nachgefragt werden, aber in Afrika das gesamte Huhn geschätzt wird, setzen EU-Firmen ihre „Abfälle“ an gefrorenen Hühnerteilen in Afrika ab, und zerstören dort die lokalen Hühnerproduktionsbetriebe. Diese haben keine Chance gegen die Preise von „Abfallprodukten“ aus der EU. Produkte, die noch dazu subventioniert werden.

Kinderarbeit für Seltene Erden, kostbares Trinkwasser für Rosenexporte in die EU wären weitere Beispiele für die gnadenlose Ausbeutung Afrikas durch die reichen Nationen, dank Globalisierung.

Das Verbrechen des Brain Drains

Im Jahr 2015 machte die deutsche Bundeskanzlerin Werbung in deutschen Medien, um ausländische Fachkräfte, insbesondere aus den Entwicklungsländern, nach Deutschland zu locken.

Man fragt sich wirklich, was in den Köpfen derjenigen vorging, die ein solches Programm entwickelt hatten.

Die Einladung erfolgte nicht durch die EU-Gremien an arbeitslose Spanier, Italiener oder Menschen anderer Nationalitäten innerhalb der EU, die sowieso ohne Probleme in Deutschland arbeiten könnten. Nein sie erfolgte an Menschen in jenen Ländern, die selbst händeringend jene Fachkräfte für den Aufbau der Wirtschaft benötigen.

Brain Drain – das Aussaugen der Intelligenz, das „Beute machen“ an Fachkräften, ist ein Verbrechen an den Entwicklungsländern. Diese haben die in diesen Ländern viel kleinere Gruppe von Menschen als in Industrieländern, qualifiziert, sie aufgezogen und ausgebildet, aber Deutschland möchte nun davon profitieren.

Das ist nichts Anderes als Kolonialismus 2.0. Zuerst stahlen die Kolonialländer die Muskelkraft in Form von Sklaven, dann die Bodenschätze, schließlich beziehen sie noch heute „Kolonialsteuern“, wie Frankreich (13). Und nun ist die Beute die Fachkraft. Ausgebildete Menschen, die in Deutschland zu Billigstlöhnen einheimische Fachkräfte ersetzen, die es ja angeblich nicht mehr gibt. Man sollte hinzufügen, nicht zu den gewünschten Löhnen.

Vera Lengsfeld bringt Brain Drain an einem Beispiel auf den Punkt:

Der mexikanische Entwicklungsökonom und UNESCO-Koordinator für Migration und Entwicklung, Raul Delgado Wise, hält sich bezüglich der Rolle von Migration kein Blatt vor den Mund: ‚Wenn man sich die Daten ansieht, ist Migration eine Subventionierung des Nordens durch den Süden.‘ Im Gesundheitssektor wird dies besonders deutlich. 38% des britischen und 10% des deutschen medizinischen Personals hat seine Ausbildung in strukturschwachen Ländern Ostmitteleuropas bekommen. Diese tragen die Kosten, während das Zentrum der EU davon profitiert. Der UN-Migrationspakt hat sich zur Aufgabe gestellt, diese Schieflage zu verwalten und damit festzuzurren.“ (14)

Quellen und Anmerkungen:

Der Autor twittert zu tagesaktuellen Themen unter https://x.com/jochen_mitschka

(1) https://mitschka.blogspot.com/p/die-kriegsmacht-03052019.html

(2) Ersatzlink: https://www.counterpunch.org/2015/11/27/deadliest-terror-in-the-world-the-wests-latest-gift-to-africa/

(3) https://www.spiked-online.com/2014/05/12/quit-your-crying-cameron-you-boosted-boko-haram/

(4) https://in.reuters.com/article/idINIndia-58000920110630

(5) https://www.counterpunch.org/2015/11/27/deadliest-terror-in-the-world-the-wests-latest-gift-to-africa/

(6) https://www.counterpunch.org/2015/11/27/deadliest-terror-in-the-world-the-wests-latest-gift-to-africa/

(7) Ebd.

(8) Ebd.

(9) https://www.attac.de/themen/globalisierung/

(10) https://www.deutschlandfunkkultur.de/eu-fangflotten-im-senegal-wie-fischfang-migration-ausloest.979.de.html?dram:article_id=420002

(11) https://de.wikipedia.org/wiki/Senegal#Innenpolitik

(12) https://www.spiegel.de/sptv/special/a-478236.html

(13) https://www.deutschlandfunk.de/der-westafrikanische-franc-frankreich-und-der-unsichtbare.724.de.html?dram:article_id=436556

(14) https://vera-lengsfeld.de/2018/11/24/un-migrationspakt-verwaltet-weltweite-ungleichheit/

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bild: Sicherheitskräfte sperren Straße in Nigeria
Bildquelle: Oluwafemi Dawodu / shutterstock


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