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Russland berichtet über das Misstrauensvotum | Von Thomas Röper

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Die politischen Spielchen, die derzeit in Deutschland ablaufen, während das Land deindustrialisiert wird und in der größten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten steckt, werden in Russland mit einem belustigten Kopfschütteln beobachtet.

Ein Standpunkt von Thomas Röper.

Wie jede Woche war der Bericht des Deutschland-Korrespondenten interessant, den das russische Fernsehen am Sonntag in seinem wöchentlichen Nachrichtenrückblick gezeigt hat, denn er hat mal wieder gezeigt, mit welchem Kopfschütteln man außerhalb der deutschen Medienblase auf den Politzirkus in Deutschland blickt. Daher habe ich den Bericht aus Deutschland auch diese Woche wieder übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Die formelle Auflösung der Regierungskoalition in Deutschland endet spektakulär.

Am 16.12. wird sich der Deutsche Bundestag mit Vertrauensfrage in die Regierung befassen. Auch wenn sie ihr das Vertrauen aussprechen, scheinen vorgezogene Parlamentswahlen im Februar unausweichlich, denn es hat sich ein Haufen Probleme angesammelt, die die aktuelle Regierung nicht lösen kann, wie unser Deutschland-Korrespondent berichtet.

Es war zu erwarten, dass nach dem Besuch des deutschen Bundeskanzlers in Kiew weitere deutsche Politiker in seine Fußstapfen treten würden. Am Montag kam Scholz‘ Hauptkonkurrent bei den bevorstehenden vorgezogenen Neuwahlen, der Vorsitzende der Christdemokraten Friedrich Merz, in die Ukraine. Bei ihm waren keine Koffer zu sehen, er brachte alles, was er brauchte, mündlich in Form von Versprechungen mit. Die Rede ist natürlich von den deutschen Taurus-Marschflugkörpern, die Scholz gar nicht, Merz aber schon morgen liefern will.

„Wir wollen, dass Ihre Armee in Russland militärische Ziele erreichen kann. Und das habe ich vor ein paar Wochen im Deutschen Bundestag gesagt“, sagte Merz.

Selensky war zufrieden, aber Balsam fürs Herz kann sich auch als leere Worte erweisen. Die CDU versteht, dass das Thema der Lieferung von Marschflugkörpern – im Grunde eine direkte Kriegsbeteiligung – bei den Deutschen nicht sehr beliebt ist. Dabei ist es unwahrscheinlich, dass Merz so dumm ist, dass er mithilfe der Taurus mit einer Wende im Krieg rechnet. Die Raketen sind ein weiterer Druckhebel auf die Kiewer Junta, von der der Westen eine vollständige Mobilisierung fordert.

Selensky ist bereit, 18-jährige Kinder gegen eine Einladung für die Ukraine zum NATO-Beitritt einzutauschen, was er als historischen Sieg für die Nation ausgeben könnte.

„Ich werde Präsident Biden in naher Zukunft anrufen, wenn er Gelegenheit hat, mit mir zu sprechen, und die Frage einer Einladung zur NATO ansprechen. Es hat keinen Sinn, mit Präsident Trump etwas zu besprechen, weil heute noch nichts von ihm abhängt“, sagte Selensky.

Aber hier gibt es kein „noch“. Bei dem Treffen mit Trump in Paris Ende letzter Woche war Selensky davon überzeugt, dass es sinnlos ist, mit dem neuen US-Präsidenten über die Frage der NATO-Mitgliedschaft der Ukraine zu sprechen, und zwar nicht, weil der sein Amt noch nicht angetreten hat, sondern weil Trump seine negative Einstellung zu diesem Thema wahrscheinlich auch nach der Amtseinführung nicht ändern wird.

Das ist es, was Selensky Angst macht. Das Lustige ist, dass es seiner Meinung nach jetzt sinnlos ist, mit Trump zu reden, aber mit Friedrich Merz, der noch überhaupt keine Wahlen gewonnen hat, redet er gerne. Merz sagte in Kiew:

„Ich habe in Deutschland einen Vorschlag gemacht und werde ihn gerne mit Ihnen besprechen, eine Art Kontaktgruppe zu gründen, bestehend aus Deutschland, Frankreich, Polen und natürlich Großbritannien, um die wichtigsten Länder der EU sowie der NATO zusammenzubringen, um zwischen diesen vier großen Ländern eine Meinungsbildung durchführen und dann zu versuchen, eine gemeinsame Position mit den USA zu entwickeln.“

Sie wollen Trump dazu überreden, die Ukraine nicht im Stich zu lassen, aber für alle Fälle brauchen sie eine weitere „Kontaktgruppe“ als Ersatz für Ramstein, wo die Amerikaner das Sagen hatten.

Die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus könnte ein Worst-Case-Szenario für die europäischen Länder darstellen, dem zufolge sie nicht nur für ihre eigene Sicherheit verantwortlich sein müssen, sondern auch ohne die Unterstützung Washingtons militärische Hilfe für die Ukraine leisten müssen .

Darüber hinaus hat man in Europa große Angst davor, dass Moskau und Washington ohne ihre Beteiligung zu einer Einigung kommen könnten, und versucht daher, etwas zusammenzubasteln, das zum Gegenstand künftiger Verhandlungen werden könnte, was schwer zu ignorieren wäre.

Die Situation wird für sie dadurch vereinfacht, dass die Idee eines Europäischen Koordinierungsrates nicht im Widerspruch zu den Plänen von Trump steht, der das ukrainische Joch eindeutig auf die Schultern der Verbündeten abwälzen wird. Auch das Wall Street Journal schreibt, alle Sorgen bezögen sich auf die Sicherung eines Waffenstillstands.

Angeblich hat Trump Macron und Selensky in Paris gesagt, er wünsche sich eine europäische Militärmission an der Kontaktlinie. Die Mission könnte aus fünf Brigaden mit etwa 40.000 Soldaten bestehen. Polen könnte das Kommando über einen von ihnen übernehmen.

Der französische Präsident, der als erster im Westen die Möglichkeit eines Auftauchens von NATO-Truppen in der Ukraine ins Spiel brachte, eilte sofort nach Warschau, um Premierminister Tusk zur Teilnahme am Friedenskontingent zu überreden. Obwohl Macron zunächst den Einsatz westlicher Truppen in Kampfhandlungen gegen die russische Armee im Sinn hatte, erwartet er nun eindeutig, die Angelegenheit so darzustellen, als würden seine Ideen in die Praxis umgesetzt.

Allerdings knatscht es bisher, denn Donald Tusk sagte auf der gemeinsamen Pressekonferenz:

„Entscheidungen über Polens Maßnahmen werden in Warschau getroffen, und zwar nur in Warschau. Solche Maßnahmen planen wir bisher nicht.“

Im Grunde sagte Tusk weder Ja noch Nein.

Auch die Bundesregierung erklärte, die Frage der Truppenentsendung in die Ukraine sei nicht aktuell, und obwohl Baerbock die Bundeswehr Leaks aus ihrem Außenministerium zufolge gern als Teil der geplanten Friedensmission sehen würde, will sich niemand vorab festlegen. Zumindest nicht öffentlich. Schließlich können sie alles wollen und planen, aber es gibt Russland, von dem mindestens die halbe Miete abhängt, wenn nicht sogar noch mehr, weil sich die Front für Russland jetzt in einer sehr positiven Dynamik bewegt.

Der polnische Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysh bemerkte dazu in einem Interview:

„In nur wenigen Wochen hat sich die Situation deutlich verschlechtert. Die Russen haben ihre Offensive beschleunigt und viele Gebiete erobert. Auch in der Region Kursk kommen sie jeden Tag voran, in einem Monat mehr als im gesamten Jahr 2023. Das ist das Erste. Das Zweite ist die enorme Kriegsmüdigkeit in der Ukraine, die Menschen haben es einfach satt. Immer weniger gehen in die Armee.“

Der Moderator fügte hinzu:

„Und es gibt immer mehr Deserteure.“
„Diese Informationen bekommen wir aus der Ukraine auch.“

Das ist es, was sie beenden wollen, indem sie Selensky zur Mobilmachung drängen, als letzte Chance, alles zu einem Unentschieden zu bringen. Dies und nicht nur die Angst, das Vertrauen ausländischer Investoren und Einleger zu verlieren, was selbstverständlich ist, erklärt die Verzögerung beim 50-Milliarden-Dollar-Kredit an Kiew, den sie mit den beschlagnahmten russischen Vermögenswerten absichern wollen.

Ihre kommerziellen und Reputationsverluste sollen durch das Leben ukrainischer Rekruten ausgeglichen werden. Darüber hinaus ist jedem klar, dass die 50 Milliarden auf lange Sicht nicht ausreichen werden, die Summe muss weiter erhöht werden. Außerdem brauchen sie auch eine halbe Billion Euro, um die eigenen Armeen und den militärisch-industriellen Komplex zu modernisieren.

NATO-Generalsekretär Mark Rutte gab zu, dass er noch keine unmittelbare Gefahr eines russischen Angriffs auf eines der Bündnisländer sehe, schlägt aber dennoch vor, die Hand an Sozialkassen und den Pensionsfonds zu legen:

„Im Durchschnitt geben europäische Länder problemlos bis zu einem Viertel ihres Nationaleinkommens für Renten, Gesundheitsversorgung und Sozialversicherungssysteme aus. Wir brauchen nur einen kleinen Teil dieses Geldes, um unsere Verteidigung viel stärker zu machen und unsere Lebensweise zu bewahren“, sagte Rutte.

Wer in einer gepanzerten Limousine von einer Pressekonferenz zur nächsten fährt, verliert schnell den Bezug zur Realität. Offenbar ist das auch Rutte passiert, denn er merkt nicht mehr, wie dramatisch sich der Lebensstil der Europäer in den letzten drei Jahren verändert hat.

In Deutschland beispielsweise sind diese Veränderungen zum Motor aller politischen Veränderungen und Umbrüche geworden, und das Land wird aufgrund des Zusammenbruchs der Regierung und vorgezogener Neuwahlen ohne Haushalt ins Jahr 2025 gehen. Im Wahlkampf wird die Frage der Unterstützung der Ukraine und ihre Grenzen am drängendsten sein.

Sarah Wagenknecht sagte dazu:

„Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg war die Gefahr eines Atomkriegs in Europa so groß wie jetzt. Stoppen wir diesen Wahnsinn.“

Und Tino Chrupalla, Co-Vorsitzender der AfD, sagte:

„Gute Beziehungen zu Russland haben sich immer positiv auf die deutsche Wirtschaft ausgewirkt. Wir sind nicht im Krieg mit Russland. Wir müssen das verstehen, auch wenn Baerbock und Merz uns etwas anderes sagen. Am 23. Februar wird es nicht um nur Bundestagswahlen gehen, es wird eine Wahl zwischen Krieg und Frieden. Wer Merz wählt, wählt den Krieg.“

Und wofür stimmen die Wähler, die für Scholz stimmen? Für das Gleiche: für neue Steuern, f+r Bürokratie, für Klimaabgaben, für 300 Euro pro Monat und Familie allein für Strom.

Diese Woche fand in Berlin ein deutsch-ukrainisches Wirtschaftsforum statt, zu dem Schmygal, der als Premierminister für Selensky arbeitet, eingeladen war. Er versprach, den Investoren alles zu geben, was auf dem Land und unter dem Land ist – und auch das Land selbst.

Scholz überredete die Wirtschaft auch, in der Ukraine zu investieren. Teilweise ist ihm das sogar gelungen, denn Umfragen zufolge würde etwa die Hälfte aller deutschen Unternehmen wirklich in die Produktion im Ausland investieren. Natürlich kaum in der Ukraine, aber Hauptsache nicht in Deutschland.

Oskar Lafontaine, der ehemalige Vorsitzende der SPD, erklärte:

„Die Sanktionen und die Sprengung von Nord Stream haben zu enormen wirtschaftlichen Folgen geführt. Allein die Verluste Deutschlands werden auf mehr als eine Billion Euro geschätzt. Wir leben weiterhin von russischem Gas und Öl, aber es ist absurd, dass wir sie auf dem Umweg über Indien zum Beispiel kaufen. Das ist idiotisch. Wir brauchen wieder Politiker wie Charles de Gaulle oder Willy Brandt, die sich um die eigenen Interessen kümmern. Die Politiker im modernen Europa sind zu klein und zu schwach.“

Aber andere gibt es nicht, oder besser gesagt, vielleicht gibt es welche, aber ihre Zeit ist noch nicht gekommen. Das aktuelle Drama in Deutschland besteht darin, dass die Deutschen ihren Kanzler aus den Politikern wählen werden, die nicht in der Lage sind, die nationalen Interessen des Landes nüchtern zu bestimmen und sich nur von ihnen leiten zu lassen. Und am Ende sind immer andere Schuld.

Die formelle Auflösung der Regierungskoalition in Deutschland endet spektakulär, denn zwei Nachrichten, die nur sehr indirekt miteinander zu tun haben, liefern aber zusammengenommen ein vollständiges Bild davon, wohin Deutschland gekommen ist. Am 16.12. wird der Bundestag mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9 Prozent ein Misstrauensvotum gegen die Regierung Scholz verabschieden. Zum Abschied empfahl die Regierung den Bürgern, sich für den Fall von langen Stromausfälle mit Lebensmitteln, Wasser, Kerzen und Batterien einzudecken.

Ende der Übersetzung

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 16. Dezember 2024 bei anti-spiegel.ru

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Bildquelle: Juergen Nowak und photocosmos1 / shutterstock


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