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Ohne Meinung keine Meinungsfreiheit | Von Tom J. Wellbrock

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Unerwünschte Meinungen gehören heute faktisch schon der Vergangenheit an. Denn trotz allen Pochens auf die Meinungsfreiheit wurde die Definition des Begriffes "Meinung" verändert.

Ein Standpunkt von Tom J. Wellbrock.

Es ist ein Irrglaube anzunehmen, der Meinungskorridor werde immer schmaler. Vielmehr wird er in seiner Breite gelassen, aber aufgebohrt und brüchig bis zur Zerstörung gemacht. Wer die Meinung als solche abschafft, muss sich um Meinungsfreiheit keine Gedanken mehr machen. Statt einer Meinung gibt es nur noch "Narrative", und die sind entweder richtig oder falsch, die "Faktenchecker" überprüfen dann im Nachgang, was stimmt und was nicht.

Eine Meinung kann nicht falsch oder richtig sein. Man kann sich ihr nur anschließen oder nicht. Daher waren früher bestimmte Medienstücke auch klar als Meinungsbeiträge oder Kommentare gekennzeichnet. Der Verfasser konnte sicher sein, ungestraft selbst die provokantesten Thesen aufschreiben zu dürfen, solange er sie als Meinung kenntlich gemacht hat. Er konnte im Anschluss Kritik oder Zustimmung ernten, doch sein Beitrag stand für sich und wurde im Allgemeinen nicht in seiner Existenz bedroht. Zudem: Wenn im Zeitalter des gedruckten Wortes ein Meinungsbeitrag erst einmal geschrieben und publiziert war, war er in der Welt und aus dieser nicht mehr zu entfernen.

Meinungsbeiträge gibt es immer noch, aber sie werden als Nachrichten und Informationen verkauft. Und sie sind stets im Sinne der herrschenden Politik. Während etwa die Tagesschau in einer weit entfernten Vergangenheit Nachrichten neutral aufbereitete, ist dieses Medium heute ein einziges Meinungsportal für Regierungspolitik. Kaum eine Meldung, die nicht politisch eingefärbt ist und widerspiegelt, was die Herrschenden vertreten. Im Grunde sind die explizit als Kommentar titulierten Beiträge zum Beispiel in den Tagesthemen überflüssig, geben sie doch nur wieder, was in den als Nachrichten zerkauten Berichten auch schon zu lesen und zu hören war.

Hass als Meinung

Vor einiger Zeit machte der Hashtag #HassIstKeineMeinung die Runde. Er hatte mehr Auswirkungen, als sich damals viele bewusst waren. Natürlich war er ein Propagandamittel, um unliebsame Stimmen mundtot zu machen. Doch er war der Vorbote dessen, was wir heute erleben und was der Bayerische Verfassungsschutz überdeutlich zeigt (dazu weiter unten mehr).

Zunächst einmal ist es natürlich absurd, Hass überhaupt als Meinung zu bezeichnen. Hass ist bekanntlich ein Gefühl, das zwar einer Meinung entspringen kann, aber keine ist. Insofern ist der Hashtag an sich schon absurd. Doch die Motivation hinter dem Hashtag war ja die, deutlich zu machen, dass Meinungen von der Meinungsfreiheit abgedeckt sind, Hass aber nicht in dieses Spektrum gehört und somit verachtet und gegebenenfalls also verboten werden darf. Definiert man also Hass tatsächlich als Meinung, ist das Gefühl für sich genommen legitim und nicht angreifbar. Es geht ja um die Freiheit der Meinung.

Formt man den Hass jedoch um in etwas Abstraktes, Verabscheuungswürdiges, potenziell oder tatsächlich Kriminelles, kann man gegen dieses menschliche Gefühl vorgehen und es sanktionieren. Das Gefühl wird also nicht als menschliche Empfindung eingeordnet, sondern als eine Handlung, die zu Schlimmem führt und somit beobachtet und im Fall einer Gefährdung entsprechend behandelt werden darf. Wer wie und in welcher Form durch den Hass gefährdet ist, wird von den Herrschenden vorgegeben, es kann verändert werden, wie es den Entscheidern gefällt, allein deshalb, weil es gesetzlich nicht geregelt ist und trotzdem durch moralische Überhöhung behandelt werden kann.   

Meinung versus Narrativ

Spätestens seit der Corona-Episode ist die Meinung aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Kritiker der deutschen Maßnahmen-Politik wurden nicht nur als "Corona-Leugner" oder "Verschwörungstheoretiker" diffamiert. Ihre Kritik wurde zudem als falsch im Sinne von der Realität widersprechend dargestellt. So konnte eine "Wahrheit" inszeniert werden, die als absolut bezeichnet wurde. "Die Wissenschaft" wurde als Verkünder dieser Wahrheit aufgebaut und missbraucht, was zu einer Verunmöglichung abweichender Einschätzungen führte.

Abweichende Meinungen sowohl von Wissenschaftlern als auch von Bürgern wurden nicht mehr als Meinungen tituliert, sondern als Realitätsleugnung. Offiziell gab es zwar Meinungsfreiheit, doch da die Meinung durch die "Wahrheit" ersetzt wurde, spielte sie keine große Rolle mehr. Meinungen, die nicht als Meinungen definiert werden, sondern als Lüge oder Fake News, sind nicht schützenswert und schaden sogar dem gesellschaftlichen Zusammenhalt, so der Tenor.

Auch deshalb konnte der großflächige und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu bezeichnende Missbrauch an den Kindern und Jugendlichen ungestraft vonstatten gehen. Die Meinung, man müsse Kinder schützen und Maßnahmen genau abwägen und kritisch überprüfen, wurde ersetzt durch "wissenschaftliches Vorgehen", dem zu widersprechen die Kinder gefährden würde. Es war also durch die Eliminierung der Meinung möglich, Kinder zu missbrauchen und die, die sie schützen wollten, dem Missbrauch zu überführen.

Wirklich erschreckend daran ist, dass auch heute, nachdem bekannt ist, wie wissenschaftlich falsch und verantwortungslos die Maßnahmen von damals waren, die Erzählung unverändert funktioniert. Die "Wahrheit" ist unverändert, Deutschland sei gut durch die Pandemie gekommen, von wenigen kleinen Fehlern abgesehen, hätten sich die Verantwortlichen nichts vorzuwerfen. Wer dagegen Einspruch erhebt und Konsequenzen fordert, tut dies nicht durch die Bekanntgabe seiner Meinung, sondern durch das Verbreiten von Lügen. Eine abgeschaffte Meinung ist ungeheuer praktisch.

Keine Meinung zum Ukraine-Krieg

Im Falle des Ukraine-Kriegs wurden Meinung und Vorgeschichte gleichermaßen abgeschafft. Wer der Ansicht ist, man müsse die Entwicklung, die zum aktuellen Krieg geführt hat, beleuchten, ist mit sofortiger Wirkung ein "Putin-Troll". Die Meinungs- und Geschichtsentfernung gipfelt bei der Ukraine auf einem Niveau, das noch angsteinflößender als die zuvor genannten Beispiele ist.

Dazu passt ein Bericht des Bayerischen Verfassungsschutzes, der es fertiggebracht hat, die gesamte Niedertracht in einer Kategorie von untersuchten Websites zusammenzufassen:

"3.2 Kategorie 2 - Webseiten, die Nachrichten passend zum russischen Narrativ verbreiten Hierbei handelt es sich nicht um Fakeseiten, sondern um Originale, die durch den Akteur genutzt werden, um die Reichweite einzelner Inhalte zu erhöhen, da sie anscheinend grundsätzlich ins russische Narrativ passen."

Damit wird jede abweichende Sicht auf ein Thema pauschal und kategorisch in den Bereich der Lüge katapultiert. Die genannten Medien berichten kritisch zum Ukraine-Krieg, wenn auch auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlicher Klarheit. Doch selbst zaghafte Versuche genügen inzwischen, um ins Visier des Verfassungsschutzes zu geraten.

Webseiten: Deutschlandkurier.de, Jungefreiheit.de, Freiewelt.net, Nachdenkseiten.de, Berliner-zeitung.de, Weltwoche.de, Compact-online.de, Rationalgalerie.de, Neulandrebellen.de, Sevimdagdelen.de, Tichyseinblick.de, Freitag.de, Alexander-wallasch.de, Riehle-news.de, Ansage.org

Der Verfassungsschutz unterscheidet zwischen Fake-Seiten, die die Originale nachgebaut haben, um Falschmeldungen und (russische) Propaganda zu verbreiten und echten Seiten, die dies aus eigenem Antrieb tun. Letztere scheint der Verfassungsschutz als noch gravierender einzuordnen, weil die Freiwilligkeit der kritischen Berichte als ein Zeichen subversiven und demokratiegefährdenden Verhaltens ausgelegt wird.

Diese Kampagne erzeugt den nächsten Schritt des Meinungsabbaus durch die Herrschenden in Deutschland, denn sie zieht die Schlinge, die sich um die einstige Pressefreiheit legt, nicht nur enger, sondern erweitert ihre Zielgruppe. Mit dabei sind immerhin Medien, die bisher nicht vor staatlicher Einflussnahme fürchten mussten, weil sie trotz kritischer Berichterstattung relativ frei und ungestört ihren Job machen konnten.   

Diese Zeiten sind vorbei, und es wird wohl kein Halten mehr geben, immer mehr Medien und deren kritische Meinungen werden in Augenschein genommen. Der Druck wird aus unterschiedlichen Richtungen kommen, er wird dazu führen, dass Kritik an der Regierungspolitik auf Sicht problematischer wird, so dass die Zahl der kritischen Medienstücke abnehmen wird.

Das dystopische Ende könnte eine komplett "bereinigte" Medienlandschaft sein, die karg und trocken ist, in der brav Nachrichten wiedergekäut werden, die der Regierungslinie entsprechen und die endlich frei ist – frei von störenden Meinungen störender Medien.

+++ Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Bildquelle: fran_kie / shutterstock


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