
Ein Kommentar von Paul Clemente.
CDU-Chef Friedrich Merz hat einen neuen Rekord aufgestellt: Kaum ein Wahlsieger dürfte sein Klientel schneller enttäuscht haben: Nämlich schon vor Amtsantritt. Allein das Ausmaß lässt die Frage aufkommen: Ist Merz in den vergangenen Tagen lediglich umgekippt, nach dem Motto: Nix ist fix? Oder war seine Drehung bereits lange zuvor geplant? War das CDU-Wahlprogramm ein bloßes Gaukelspiel? Wurde nur so getan, als stünde man in Opposition zur Ampel? Sollte der Wähler glauben, er könne durch Unterstützung einer Altpartei tatsächlich einen Politikwechsel herbeiführen? Kurzum: Wusste Friedrich Merz, dass er nach dem Wahlsieg sämtliche Versprechen brechen wird? Für AfD-Chefin Alice Weidel steht die Antwort fest.
„Sie werden in die Geschichte eingehen als der Totengräber der Schuldenbremse, die Sie im Wahlkampf noch so vehement wie verlogen verteidigt haben."
Tatsächlich hat Merz in einem Anfall von Wahrheitsliebe gezielte Wählertäuschung eingeräumt: Gegenüber der Bild-Zeitung gestand er.
„Ich habe schon vor der Wahl gesagt: Man kann über eine Änderung der Schuldenbremse sprechen. Nur wenige Artikel sind veränderbar. Aber: Wenn wir es tun, müssen wir die Schuldenbremse dahingehend ergänzen, dass wir dann wirklich Investitionen ermöglichen. Ich habe das immer mal wieder – auch intern zu meinen Kollegen – gesagt: Lasst uns mal nicht zu sehr darauf fixiert sein, dass wir sie nie und nimmer ändern. In unserem Leben ist nichts für die Ewigkeit.“
Damit räumt der BlackRocker ein, dass er bereits vor der Wahl eine Aufweichung der Schuldenbremse erwogen hatte. Aber solche kleinen Tricks sind für den Kanzler in spe noch lange kein Betrug. O-Ton Merz:
„Ich nehme den Vorwurf ernst, aber ich halte ihn nicht für gerechtfertigt“.
Punkt! In der Talkshow bei Markus Lanz ging er noch weiter: Ja, er könne die Kritik durchaus nachvollziehen. - Wie schön. Nur leider juckt ihn das nicht. Sein Wille zum Kanzler-Thron war nie an Bürgerinteressen gekoppelt. Da muss im Ernstfall sogar das Grundgesetz dran glauben...
Es erscheint in der Tat bizarr, dass eine Wahlverliererin, die Außenministerin Annalena Baerbock, die Regierungsbildung zwischen CDU und SPD als Triumph der grünen Politik abfeiert. Kein Witz: Genau das hat Baerbock auf dem Brandenburger Parteitag getan. Freudig rief sie,
„Jetzt wurde ein neues Kapitel grüner Politik aufgeschlagen, ein neues Kapitel grüner Geschichte.“
Tja, Merz macht’s möglich. Wie das zustande kam? Ganz einfach: Damit die Grünen einer Aufhebung der Schuldengrenze zustimmen, verpflichtete sich Merz im Gegenzug zu radikaler Klimapolitik: Von 500 Milliarden für die Infrastruktur müssen künftig schlappe 100 Milliarden in den Klimatopf. Morgen, am Dienstag, bei der letzten Sitzung des alten Bundestages, sollen über 300 ausscheidende Abgeordnete die Schuldenbremse endgültig guillotinieren.
Aber damit nicht genug. Merz will die Klima-Ideologie nicht bloß durch Neuverschuldung finanzieren, sondern als verbindliches Ziel ins Grundgesetz eintragen. CDU und SPD bestätigten dieses Vorhaben in einem Sondierungspapier. Danach dürfe man lediglich soviel Treibhausgase ausstoßen, wie Bäume oder Emissionshandel ausgleichen können. Angestrebt wird eine Klimaneutralität ab 2045. Ganze fünf Jahre bevor die EU ihr Netto-Null-Ziel erreichen will. Damit wäre nicht Robert Habeck, sondern Friedrich Merz zum ersten Grünen Kanzler der Republik aufgestiegen. So gänzlich akzeptieren mag er diese Zuschreibung allerdings nicht. O-Ton-Merz:
„Ich kann Ihnen garantieren: Ein Grüner werde ich sicher nicht. Aber ein Kanzler, der sich der umweltpolitischen Verantwortung stellt.“
Das glaube, wer will. Die bereits erwähnte Annalena Baerbock ist jedenfalls überglücklich, dass sie diesen wirtschaftlichen Harakiri noch erleben darf. Euphorisch jauchzte sie, „Unterschätzt niemals Bündnis 90/Die Grünen“.
Einer, der das Spiel der Grünen nicht unterschätzt, ist der Verfassungsrechtler Prof. Josef Franz Lindner. Gegenüber der Bild-Zeitung konstatierte er,
„Das Grundgesetz regelt die Grundregeln des Staates. Politische Detailziele in das Grundgesetz zu schreiben, ist dysfunktional. Es verpflichtet die staatlichen Organe, Ziele unbedingt und mit allen Mitteln erreichen zu müssen, ohne Abwägungsmöglichkeiten - unter Disruption von Wirtschaft und Gesellschaft. Das hätte desaströse Folgen.“
Was Lindner eigentlich wissen müsste: Genau diese radikale, bedingungslose Klima-Diktatur ist ja grünes Programm. - Mit ähnlicher Naivität verweist Jan Schnellenbach, Wirtschaftswissenschaftler der TU Cottbus-Senftenberg, auf die Risiken dieser Entscheidung.
„Falls das ins Grundgesetz kommt, ist damit zu rechnen, dass das Bundesverfassungsgericht Investitionen verhindert, Wachstum verlangsamt oder ganz ablehnt. Umweltgruppen könnten dann gegen so gut wie alle Investitionen klagen. Jede Autobahn-Sanierung stünde auf der Kippe.“
Freilich wird dieser Klimazusatz auch manches Projekt des künftigen Kanzlers Merz liquidieren. Ob er deshalb traurig ist? Wohl kaum. Denn was ihn besonders interessiert, darin weiß er sich mit den Grünen einig: Die radikale Aufrüstung. Deindustrialisierung hin oder her: Das Militär darf nicht zu kurz kommen. Und nein: In diesem Punkt hat Merz sich nie verstellt. Stets hat er betont, dass er den Ukraine-Krieg durch Tauruslieferungen hochtreiben will. Womit er freilich einen neuen kalten, wenn nicht gar heißen Krieg gegen Russland riskiert. Für dieses Kriegsprogramm, fürs fröhliche Bomben und Schießen, werden sogar die Klimaziele kurzfristig beurlaubt.
Für solch ehrgeizige Projekte reicht selbst die Aufhebung der Schuldenbremse nicht aus. Im vergangenen Oktober hatte Merz beim CSU-Parteitag eine weitere Geldquelle anvisiert: Die Ersparnisse der Bürger.
„Auf den deutschen Konten, Sparkonten und laufenden Girokonten liegen 2,8 Billionen Euro. Stellen Sie sich einen kurzen Augenblick vor, wir wären in der Lage, davon nur 10 Prozent zu mobilisieren – mit einem vernünftigen Zinssatz, für die öffentliche Infrastruktur in Deutschland”.
Dieser Satz sorgte für Panik im Internet: Will Merz an das Geld der Sparer? - Nicht doch, beteuerten Propaganda-Medien wie der MDR: Die Rede sei als Appell zu verstehen. Merz fordere Kontoinhaber lediglich dazu auf, ihr Geld sinnvoll anzulegen. Vor wenigen Tagen jedoch sprach der Kanzler in spe das Thema erneut an.
„Wichtig wird für uns dabei sein, dass wir auch privates Kapital mobilisieren. 500 Milliarden Euro für 12 Jahre klingt sehr viel, ist aber bei weitem nicht das, was wir für unsere Infrastruktur wirklich brauchen.”
Mit anderen Worten: Privates Kapital wird dringend benötigt. Und was, wenn die kein Interesse an solcher Investition zeigen? Die Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld fürchtet: Unter monetärer Mobilisierung verstehe Merz in Wahrheit Zwangsanleihen von etwa 10 % des Privatvermögens auf Spar- und Girokonten.
„Es ist wirklich ernst, denn EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat vor wenigen Tagen ebenfalls die Mobilisierung von Privatvermögen angesprochen.“
Laut von der Leyen habe Europa alles, um im globalen Wettbewerb die Führung zu übernehmen. Die EU-Kommission erstelle noch in diesem Monat einen Plan zur Verwendung von Sparguthaben.
„Wir werden private Ersparnisse in dringend benötigte Investitionen umwandeln. Und wir werden mit unseren institutionellen Partnern zusammenarbeiten, um es auf den Weg zu bringen.“
Ausgesprochen hat von der Leyen es nicht, aber bei den immensen Rüstungskosten dürfte privates Vermögen auch in Firmen wie Rheinmetall fließen. Die Sparer als künftiger Kriegsfinanzier. Dieses Konzept ist hierzulande noch aus dem Ersten Weltkrieg bekannt. Auch der wurde weitreichend mittels privater Vermögensanleihe finanziert. Da sage niemand mehr, CDU und Grüne hätten keinen Sinn für deutsche Traditionen.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: penofoto / shutterstock
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