
Der geplante Kauf der F-35-Kampfjets offenbart den Scherbenhaufen, den Viola Amherd in der Schweizer Armee hinterlassen hat.
Ein Standpunkt von Michael Straumann.
So viel zum Sommerloch. Mitte Juni erschütterte ein weiterer Skandal die Schweizer Politik. Diesmal betroffen: das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Ursprünglich plante der Bundesrat, 36 F-35-Kampfjets zu einem vermeintlichen Fixpreis von sechs Milliarden Franken anzuschaffen. Nun stellt sich heraus: Diesen Fixpreis hat es – entgegen den wiederholten Behauptungen der ehemaligen VBS-Chefin Viola Amherd und der Schweizer Armee – nie gegeben.
Bereits im Mai 2022 warnte die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) vor der «rechtlichen Unsicherheit beim Begriff des Festpreises» in den Vertragsdokumenten. Diese sprachen von «geschätzten Kosten» und davon, dass der Endpreis den Kosten der US-Regierung entsprechen würde. Amherd und ihre Mitarbeiter wiesen diese Warnungen zurück und warfen der EFK vor, Politik zu betreiben. Mitte Juni trat Amherds Nachfolger Martin Pfister an die Öffentlichkeit und räumte ein, dass bei der Beschaffung des F-35 Mehrkosten von bis zu 1,35 Milliarden Franken drohen. Auf US-Seite sei von einem «Missverständnis» bezüglich des Fixpreises die Rede. Experten und Militärkritiker vermuten, dass sich die F-35-Beschaffung inklusive aller Zusatzkosten auf bis zu zehn Milliarden Franken belaufen könnte.
Horrende Summen
Woher kommen diese enormen Kostensteigerungen? Zum einen enthält das Vertragspaket mit den Amerikanern nur eine rudimentäre Bewaffnung, die später nachgerüstet werden muss – etwa mit Bomben oder neuen Infrarot-Lenkwaffen. Geschätzte Zusatzkosten: 107 Millionen Franken für die Bewaffnung und weitere 400 Millionen für Lenkwaffen.
Zum anderen gilt das Triebwerk des F-35 als pannenanfällig, weswegen nach der Auslieferung eine Nachrüstung vorgesehen ist. Der Ersatz der Triebwerke für alle 36 Jets könnte etwa 430 Millionen Franken kosten. Zudem erfordert das geplante Radar- und Software-Update (TR-4-Avionik) ein teures Triebwerks-Update, das laut US-Kongress etwa 2,4 Milliarden Dollar kostet. Der F-35 ist außerdem ein hochvernetzter Kampfjet, der umfassende Erneuerungen bei Datenverbindungen zum Boden, Führungssystemen und der Luftraumüberwachung erfordert. Die Aufrüstung der Militärflugplätze Payerne, Emmen und Meiringen wurde anfangs mit 100 Millionen Franken veranschlagt und später auf 180 Millionen erhöht. Laut dem britischen Militäranalysten und F-35-Kenner Francis Tuma könnten die tatsächlichen Kosten jedoch bis zu 600 Millionen Dollar betragen. Allein für Software und Hardware werden 2 Milliarden Franken benötigt.
Das Florako-System, mit dem die Schweizer Luftwaffe seit über 20 Jahren ihren Luftraum überwacht und Einsätze leitet, gilt mittlerweile als veraltet. Es soll durch das französische Skyview-System ersetzt werden. Allerdings verzögert sich dieses Projekt. Ursprünglich waren Kosten von 155 Millionen Franken vorgesehen. Nun sollen es 400 Millionen Franken mehr werden als bisher angenommen. Des Weiteren erfordert die Tarnkappenfähigkeit des F-35, die seine Entdeckung durch gegnerische Radarsysteme erschweren soll, die Ablösung des Link-16-Datendienstes durch das leistungsfähigere Madl-System – mit geschätzten Kosten von weiteren 500 Millionen Franken.
Nicht nur die Schweiz ist vom enormen Kostenanstieg betroffen. Portugal hat komplett auf den Kampfjet verzichtet – offiziell aus wachsender Sorge über die Unzuverlässigkeit der USA als Verbündeter. Kanada überdenkt seine F-35-Pläne, nachdem die geschätzten Kosten binnen zwei Jahren um fast 50 und die Infrastrukturkosten sogar um rund 90 Prozent gestiegen sind. Dänemark bereut den Kauf bereits wegen der zunehmenden Abhängigkeit von den USA – nicht zuletzt wegen Donald Trumps Interesse an Grönland.
Trotz allem soll der Jet gekauft werden
VBS-Chef Pfister beharrt juristisch auf dem Festpreis, den es laut Amherd angeblich gegeben habe. Allerdings räumt er ein, dass ein Vertrag mit einem anderen Staat nicht einklagbar sei. Er schließt den Kauf von weniger als 36 Jets als Option nicht aus, um das vom Schweizer Stimmvolk bewilligte Kostenlimit von sechs Milliarden Franken einzuhalten. Pfister kündigte zudem eine Überprüfung aller 17 Topprojekte im VBS an – inklusive möglicher personeller Konsequenzen. Die SP Schweiz fordert einen sofortigen Stopp der Beschaffung der Kampfjets und eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) zur Aufklärung des «VBS-Chaos». Außerdem wird eine Abstimmungsbeschwerde geprüft, da der Festpreis das ausschlaggebende Argument im Abstimmungskampf über die F-35-Kampfjets vor viereinhalb Jahren war. Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Schweizer Parlaments hat bereits eine Inspektion beschlossen.
Während SVP, FDP und «Die Mitte» den F-35 als alternativlos für die Landesverteidigung ansehen und an Verhandlungen mit den USA festhalten, sind die ursprünglich zugesicherten Offset-Geschäfte für Schweizer Unternehmen – wie die Teilmontage bei der Ruag – stark gefährdet. Bei Offset-Geschäften handelt es sich um vertragliche Auflagen, die der Rüstungsgüterhersteller erfüllen muss, wenn ein Land bei ihm einkauft.
Unabhängig davon, wie man als Schweizer Bürger persönlich zu den F-35 steht: Die massive Kostenexplosion verdeutlicht den Scherbenhaufen, den Viola Amherd im Verteidigungsdepartement hinterlassen hat.
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 15. Juli 2025 auf straumedia.ch sowie auf www.freie-medienakademie.de.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bild: F-35-Kampfjet
Bildquelle: ranchorunner / shutterstock
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