
Welche Ziele verfolgt Washington mit seiner militärischen Eskalation in der Karibik?
Ein Kommentar von Rainer Rupp.
Geht es um Drogenbekämpfung oder Regimewechsel in Venezuela? Die in die Region entsandten großen US-Kriegsschiffe sind für die angebliche Bekämpfung des Drogenterrorismus wenig geeignet, dafür umso mehr für militärische See-zu-Land-Operationen. Eine Analyse der jüngsten Entwicklungen zeigt, dass die US-Präsenz nicht nur eine Machtdemonstration darstellt, sondern auch rechtliche und geopolitische Grenzen austestet, bzw. bereits überschritten hat.
Die Vereinigten Staaten haben in der südlichen Karibik eine beispiellose militärische Präsenz mit fragwürdigen Zielen aufgebaut. Offiziell dient sie dem Kampf gegen südamerikanische Drogenkartelle, die Washington zu Terror-Organisationen deklariert hat, z. B. gegen die venezolanische „Tren de Aragua“ und gegen das mexikanische „Sinaloa-Kartell“.
Mit der Entsendung von acht hochgerüsteten Kriegsschiffen, einem atomgetriebenen U-Boot und über 4.500 Soldaten und Marines – darunter 2.200 Marines der 22nd Marine Expeditionary Unit (MEU) – signalisiert die Trump-Administration eine massive Machtdemonstration in der Region. Diese Flotte umfasst nicht nur Lenkwaffenzerstörer und -Kreuzer, sondern auch amphibische Angriffsschiffe, die speziell für Landoperationen ausgelegt sind.
Diese Zusammensetzung der Flotte, auf die wir weiter unten zu sprechen kommen, deutet auf weitreichendere strategische Ziele hin, die über die offiziell angegebene Bekämpfung von „Narko-Terrorismus“ hinausgehen. Zudem wird die Präsenz der US-Schiffe durch US-Aufklärungsflugzeuge wie vom Typ P-8 Poseidon unterstützt, was im Ernstfall auch präzise Schläge gegen Landziele ermöglicht.
Insbesondere die speziellen Fähigkeiten dieser Flotte machen sie zu einem idealen Instrument für eine rapide Machtprojektion oder Landeoperation. Dabei käme z.B. eine räumlich begrenzte Landoperationen in Frage, wobei US-Marines einen Küstenabschnitt gegen feindlichen Widerstand unter eigene Kontrolle bringen und dabei von See her mit allen vorhandenen Mitteln, inklusive Artillerie, Raketen und von den auf Schiffen stationierten Kampfhubschraubern unterstützt werden.
Die US-Marines sind eine Spezialtruppe, die für solche Einsätze besonders ausgebildet ist. Admiral Daryl Caudle, Chef der Marineoperationen, erklärte am 28. August 2025 in Norfolk, Virginia, dass die aktuell in der Karibik eingesetzten US-Schiffe Teil einer „venezolanischen Operation und Mission“ seien, angeblich um den Drogenhandel zu bekämpfen. Eine genaue Zielsetzung der Operation sei geheim. Aber diese dürfte unschwer zu erraten sein.
Die eingesetzten Schiffsklassen und ihre militärischen Fähigkeiten
Die von der US-Marine in der Karibik stationierte Flotte besteht aus Schiffen, deren Fähigkeiten für weitreichende militärische Operationen ausgelegt sind. Die eingesetzten Schiffe umfassen folgende Klassen:
1. „USS Lake Erie (CG-70)“ – Ticonderoga-Klasse, Lenkwaffenkreuzer
Die Ticonderoga-Klasse ist ein multifunktionales Kriegsschiff, das zur Luftabwehr mit dem berühmten Aegis-anti-Raketen-Raketensystem ausgestattet ist und sowohl U-Boot-Abwehr und als auch Oberflächenkrieg ermöglicht. Mit Tomahawk-Marschflugkörpern und Harpoon-Anti-Schiffsraketen kann die USS Lake Erie präzise Angriffe auf See- und Landziele durchführen. Außerdem bietet sie mit ihren hochmodernen Radarsystemen Schutz für die gesamte Flotte.
Ihre jüngste Verlegung durch den Panamakanal in die Karibik – sie passierte den Kanal am 30. August 2025 – vervollständigt die von Washington aufgebaute politisch-militärische Drohkulisse in der Region, die sich jedoch kaum dazu eignet, Drogenhändler einzuschüchtern
2. „USS Iwo Jima (LHD-7)“ – Wasp-Klasse, Amphibisches Angriffsschiff
Die Wasp-Klasse ist für amphibische Kriegsführung konzipiert und kann bis zu 1.894 Marines, Hubschrauber, Kipprotor-Flugzeuge und Landungsboote transportieren. Mit einer Besatzung von etwa 1.075 Seeleuten ist die USS Iwo Jima Teil der „Amphibious Ready Group“ (der Amphibischen Schnellen Eingreifgruppe“), die derzeit vor Puerto Rico operiert. Ihre Fähigkeit, Marines schnell an Land zu bringen, macht sie ideal für Operationen, die eine rasche Machtprojektion erfordern. Das Schiff verfügt über ein Flugdeck für Flugzeugoperationen und ein Wellendeck für amphibische Landungen und trägt 2.200 Marines, was es zu einem zentralen Element der US-Präsenz in der Karibik macht.
3. USS San Antonio (LPD-17)“ und die „USS Fort Lauderdale (LPD-28)“ – San Antonio-Klasse, also zwei amphibische Transportschiffe
Die beiden Schiffe der San Antonio-Klasse dienen dem Transport von Marines, ihren Fahrzeugen und Ausrüstungen. Diese Schiffe verfügen über fortschrittliche Kommando- und Kontrollsysteme sowie die Fähigkeit, Landungsboote und Hubschrauber einzusetzen. Beide Schiffe sind in der Karibik stationiert, unterstützen amphibische Übungen mit der 22nd Marine Expeditionary Unit (MEU) und sind auf schnelle Einsätze an Land ausgerichtet. Im Vergleich zu früheren Klassen bieten sie verbesserte Tarn- und Überlebensfähigkeiten und tragen zur Gesamtstärke von 4.500 Mann bei, die derzeit in der Region operieren.
4. „USS Gravely (DDG-107)“, „USS Jason Dunham (DDG-109)“ und „USS Sampson (DDG-102)“ – drei Lenkwaffenzerstörer der Arleigh Burke-Klasse
Die drei Lenkwaffenzerstörer gehören zur „Arleigh Burke“-Klasse, die das Rückgrat der US-Marine bildet. Sie sind mit dem „Aegis“-Anti-Raketen-Raketensystem, mit Tomahawk-Raketen gegen Landziele und fortschrittlichen Radarsystemen ausgestattet. Diese Zerstörer sind vielseitig einsetzbar für Luftabwehr, U-Boot-Abwehr und Angriffe auf See- und Landziele. Ihre Präsenz in der Karibik verstärkt die Fähigkeit der USA, maritime Bedrohungen zu überwachen und präzise Schläge an Land auszuführen. Die USS Sampson dockte kürzlich in Panama City an, und alle drei Schiffe operieren derzeit in Gewässern nahe Lateinamerika, angeblich um Drogenkartelle zu bekämpfen und die US-Expeditionsflotte dort zu schützen.
Zusätzlich ist das atomgetriebene (Rapid Attack) Schnellangriffs-U-Boot „USS Newport News“ in der Region aktiv, das für verdeckte Operationen und Aufklärung ausgelegt ist. Laut Berichten von „The War Zone“ vom 3. September 2025 führen diese Schiffe Übungen vor Puerto Rico durch, wobei sie von Aufklärungsflugzeugen wie der P-8 Poseidon unterstützt werden. Die Mischung aus Kreuzern, Zerstörern und amphibischen Schiffen deutet auf eine multidimensionale Strategie hin, die nicht nur Interdiktion, sondern auch potenzielle schnelle Reaktionen oder Machtprojektionen ermöglicht, inmitten der Spannungen mit Venezuela.
Kontext der Operationen
Die offizielle Begründung für die Anwesenheit der US-Flotte Aufbau ist die Bekämpfung von „Narkoterrorismus“, insbesondere gegen das venezolanische „Tren de Aragua“-Kartell, das seit Februar 2025 von Washington als ausländische Terrororganisation (FTO) eingestuft ist. In diesem Zusammenhang ist der jüngste Vorfall zu werten: Ein von Präsident Trump persönlich befohlener tödlicher Schlag gegen ein Schnellboot am 2. September 2025, bei dem elf mutmaßliche Gangmitglieder getötet wurden
Trump rechtfertigte die außergerichtliche Tötung von 11 Drogenhandel-Verdächtigen als „unmittelbare Bedrohung“ der USA. Trump teilte ein Video des Angriffs auf Truth Social und betonte, dass das Boot „mit Drogen beladen“ gewesen sei und von Tren de Aragua-Mitgliedern gesteuert wurde. Verteidigungsminister Pete Hegseth bezeichnete den Schlag als Auftakt einer Kampagne gegen venezolanische Kartelle und warnte, dass die USA weiterhin Assets in der Karibik positionieren würden, um Schmuggler zu bekämpfen.
Zugleich wird dieser Schlag von nicht wenigen See-Rechtexperten, einschließlich von namhaften US-Rechtsexperten, als schweres Verbrechen verurteilt; siehe dazu auch Experten in „Just Security“ vom 3. September 2025 und der New York Times. Die Rechtsexperten kritisieren, dass kein Versuch unternommen wurde, das Boot zu stoppen oder die Crew festzunehmen. Deshalb sehen sie darin eine Verletzung des Völkerrechts, einschließlich des Artikels 2/4 der UN-Charta gegen den Einsatz von tödlicher Gewalt. Der Angriff in internationalen Gewässern könnte zudem gegen das Recht auf Leben verstoßen haben, da Drogenhandel keine direkte Beteiligung an Feindseligkeiten darstellt. US-Außenminister Marco Rubio und Hegseth beriefen sich dagegen auf die angeblichen Befugnisse des Präsidenten als Oberbefehlshaber, über Leben und Tod zu entscheiden.
Vor dem Hintergrund des erneut von Washington vom Zaun gebrochenen Konflikts mit Venezuela wird die von Trump befohlene extra-juristische Tötung der 11 Bootsinsassen von US-Kriegstreibern als Signal an Venezuela gelobt, das von Trumps Entschlossenheit zeuge, gegen das angeblich von Drogenkartellen regierte Land vorzugehen. Hegseth bezeichnete jüngst den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro sogar als den „faktischen Anführer eines Drogen-Narko-Staates“ und er drohte Maduro mit der Aussage, der habe jetzt allen „Grund zur Sorge“.
Venezuela bereitet sich derweil auf einen bewaffneten Kampf vor. Kurz nachdem Präsident Trump die militärische Präsenz des Pentagon in der südlichen Karibik eskaliert hatte, warnte Präsident Maduro:
„Sollte Venezuela in irgendeiner Form angegriffen werden, dann wird es gegen Aggressionen jeder Art in eine Phase des geplanten und organisierten bewaffneten Widerstands durch das gesamte Volk übergehen, sei es lokal, regional oder national, zur Verteidigung von Frieden, territorialer Integrität und Souveränität unseres Volkes“.
Am vergangenen Sonntag wurden dann Zehntausende weitere venezolanische Soldaten mobilisiert. Zugleich soll die militärische Präsenz auf der der Küste vorgelagerten venezolanischen Insel Nueva Esparta sowie in den Bundesstaaten Sucre und Delta Amacuro ausgebaut werden. Rund 25.000 Soldaten sollen dort eingesetzt werden, verglichen mit den 10.000, die bereits in den an Kolumbien grenzenden Bundesstaaten Zulia und Táchira stationiert sind. Maduro hat zudem 4,5 Millionen Milizionäre mobilisiert und warnt vor einer „blutigen Bedrohung“ durch die USA, die er als Versuch sieht, einen Regimewechsel in Venezuela zu erzwingen.
Im Gegenzug warnte Trump, dass venezolanische Kampfflugzeuge vom Typ F-16 abgeschossen würden, falls sie weiterhin US-Kriegsschiffe in regionalen Gewässern bedrohten, und falls sie für amerikanische Schiffe als Gefahr eingestuft würden. Kürzlich haben angeblich zwei venezolanische F-16-Jets einen Scheinangriff auf US-Zerstörer geflogen.
Strategische Implikationen
Vor dem Hintergrund dieser politisch-militärischen US-Eskalation gegen Venezuela dürfte die Zusammensetzung der US-Flotte in der Karibik keine Fragen mehr aufwerfen, was das Ziel dieser US-Operation ist. Natürlich reichen die militärischen Kapazitäten der aktuellen US-Karibik-Flotte nicht aus, um Venezuela zu erobern, aber sie könnten ausreichen, um das Land wieder politisch zu destabilisieren.
Mit der militärischen Bedrohung soll Venezuela zu politischen Zugeständnissen erpresst werden, außenpolitisch an Washington und innenpolitisch an die US-hörige „Opposition“. Zugleich soll mit der US-Marine Operation die latent immer noch vorhandene, bewaffnete Opposition gegen Maduro reaktiviert werden. Mit Blick auf mögliche US-Waffenhilfe vor der venezolanischen Haustür sollen die abgetauchten Terroristen ermuntert werden, wieder aus ihren Löchern zu kommen, in die sie sich in den letzten Jahren der Maduro-Herrschaft verkrochen haben.
Die Amerikaner könnten sogar so weit gehen und auf einer strategisch günstig gelegenen venezolanischen Insel eine Gegenregierung zu Maduro ins Leben rufen. Mit entsprechenden finanziellen Versprechen und verdeckten Hilfen könnte dies den US-Marionetten in der venezolanischen Opposition ein neues Leben einhauchen; genug, um für neue schwere Unruhen zu sorgen.
Zynismus pur
Für die US-Kriegstreiber und Maduro Fresser in Washington ist es äußerst praktisch, dass der „Krieg gegen Drogen“ plötzlich eine ganze Flotte von Kriegsschiffen in der Nähe der Küste Venezuelas erfordert. Dabei hat die US-Flotte eine Feuerkraft, die ganze Städte dem Erdboden gleichmachen könnte! Es ist lächerlich, wie Trump und Co. unter diesem Vorwand die Karibik militarisieren und behaupten, sie bräuchten Lenkwaffenkreuzer und -zerstörer sowie amphibische Angriffsschiffe, um Schnellboote mit Drogen zu jagen. Der angebliche Kampf gegen den Narko-Terrorismus ist ein zynischer Vorwand, um mit einem geopolitischen Muskelspiel in der ganzen Region wieder die bedingungslose Dominanz der USA durchzusetzen. Dabei ist es den Herren in Washington egal, ob gegen Völkerrecht verstoßen wird oder nicht.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bild: United States Navy Navy Surface Lenkflugkörper-Kreuzfahrtschiff USS Lake Erie
Bildquelle: Brent Wong / shutterstock
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