
Ein Kommentar von Bodo Schickentanz.
Wir kennen es alle, das berühmt-berüchtigte „Sommerloch“ in der Politik. Nicht nur, dass die Politik in Deutschland eine Sommerpause hat, die unter dem Synonym „Sommerloch“ bekannt ist, es ist auch ein „Aufmerksamkeitsloch“ der Bürger, im Land. Man hat Urlaub, das Wetter stimmt, man geht raus, in die Schwimmbäder und die Natur, sitzt in Biergärten oder beim Grillen, fährt, wenn man das Geld dafür hat, in Urlaub, und lässt den Alltag mal so weit wie irgend möglich hinter sich, was die Beschäftigung mit den politischen und gesellschaftlichen Problemen mit einschließt. Man mag mal für gewisse Zeit nichts vom „üblichen Wahnsinn“ hören und sehen, und „lässt den lieben Gott einen guten Mann sein“. Schon immer wurde diese Zeit genutzt, um einige politische Entscheidungen „unter dem Radar“ fliegen zu lassen, was gerade dann hervorragend funktionierte, wenn noch ein sportliches Großevent das „Sommerloch“ überdeckte. Das haben wir in diesem Jahr zwar nicht, aber dafür zwei Kriege die immer noch die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, in der Ukraine und in Gaza/Israel. Also ist das Sommerloch dazu prädestiniert, das „politische unter den Teppich kehren“ zu sein. Da unsere aktuelle Regierung nun schon sehr auffällig fast alles zurückgenommen hat, was man im Wahlkampf versprochen hatte, bietet sich das „Sommerloch 2025“ geradezu an, noch ein paar Wahlversprechen in eben diesem zu beerdigen.
Der vielbeschworene „Politikwechsel“, den man quer durch alle Parteien noch im Wahlkampf versprochen hatte, entpuppt sich aktuell als eine pure Wahlkampflüge. Im Grunde war das schon klar, als es, aufgrund des Wahlergebnisses, klar war, dass wir wieder eine Koalition aus CDU/CSU und SPD bekommen werden, denn diese Koalition ist schon ein Zusammenschluss aus genau den Parteien, die in Sachen „Wahlversprechen brechen“ eine lange und unrühmliche Geschichte haben. Darum begann es ja auch schon mit dem massivsten Bruch, als man, noch bevor die alte Konstellation des „alten“ Bundestag aufgelöst wurde, die „Schuldenbremse“ umging, von deren Erhalt gerade unser jetziger Kanzler am lautesten rumschwadroniert hatte. Die Tatsache, dass er, um dieses Wahlversprechen zu brechen, diesen höchst zweifelhaften Weg ging, um die vorhandenen Mehrheitsverhältnisse im Parlament zu nutzen, die de facto schon abgewählt waren, um die erforderliche Mehrheit zu erreichen, da es sich ja um eine Änderung handelte, die einer Zweidrittelmehrheit bedurfte, zeigt, dass man den Willen der Wähler in der neuen Regierung ganz und gar nicht ernst nimmt.
Das allein war schon ein „Wahlbetrug de Luxe“ und es sollte munter so weiter gehen, mit der Ankündigung von exorbitanten neuen Schulden, die man aufzunehmen gedenke, und selbiges dann auch im Koalitionsvertrag festschrieb. Noch wurde argumentiert, dass man mit diesen „Sondervermögen“ aber dann wenigstens alle anderen Wahlversprechen halten werde, was auch wieder seitens der Bürger und der Mainstream-Presse „durchgewunken wurde“. Kurz vor der Sommerpause pumpte sich die Regierung noch mal mit der PR-Show rund um das Projekt „Made for Germany“ auf, was auch „mainstream-medial“ abgefeiert wurde, auch wenn es nichts weiter war als eine Absichtserklärung mit einer gigantischen Zahl von über 630 Mrd. Euro garniert, die man seitens der Wirtschaft bereit sei in Deutschland zu investieren. Ob das so sein wird, steht letztlich in den Sternen, denn es war auch wieder nur ein „die Anlage aufdrehen“ von unserem „Kanzler-DJ“ Friedrich „Black Rock“ Merz, mit der „Wachstums-Stimmungs-Musik“, mit der man sich ins Sommerloch verabschiedete. Die DJs des selbsternannten „Qualitätsjournalismus“, fielen, wie immer, mit ein in die Stimmungsmache aus dem Kanzleramt und so haben wir wenigstens „gefühlten Optimismus“, auch wenn alles noch pure Zukunftsmusik ist, was da aus den Lautsprechern tönt.
Tja, und nun kommt der uralte, eingangs schon angesprochene „Sommerloch-Trick“, um noch den Rest der Wahlversprechen möglichst sang- und klanglos zu beerdigen, was die Strompreise, die „Bürgergeldreform“ und das Renteneintrittsalter angeht. Frei nach dem Motto: „Wahlversprechen trifft auf Realpolitik“. Schauen wir uns doch mal an, was gedacht war seitens der Regierungsparteien und was jetzt der berühmt-berüchtigte „Stand der Dinge“ ist.
Im Wahlprogramm (17. Dezember 2024) versprach die Union eine „soziale Marktwirtschaft“, die „niemanden zurücklässt“. Das Bürgergeld sollte durch eine „Neue Grundsicherung“ ersetzt werden, die „Fordern und Fördern“ betont, ohne pauschale Kürzungen. Ziel war, „Missbrauch“ zu verhindern und „effiziente Verteilung“ sicherzustellen, ohne soziale Härten. Dazu gab Mathias Middelberg (CDU, Unionsfraktionsvize) am 2. Juli diesen Jahres gegenüber der ZEIT zu Protokoll:
„Wir brauchen signifikante Einsparungen, zum Beispiel durch den Systemwechsel vom Bürgergeld zur neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende, um andere wichtige Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzen zu können.“
Auf Deutsch übersetzt: Der Rotstift mit der besonders dicken Spitze wird ausgepackt und damit die Sozialausgaben zusammen gestrichen. Direkte Kürzungen wurden bisher vermieden, da die SPD Widerstand leistet. Doch es wurden strengere Prüfungen und Meldepflichten eingeführt, die laut dem Paritätischen Wohlfahrtsverband als „verdeckte Kürzungen“ gelten. Der Haushaltsentwurf 2025 sieht 25 Mrd. Euro für Bürgergeld vor (2024: 29,7 Mrd. Euro).
Der Koalitionspartner SPD hält sich dabei an das was Karin Michel schon im September des letzten Jahres rausgehauen hat:
„Wir verfolgen Sozialleistungsbetrug konsequent, aber Sanktionen im Bürgergeld sind kein Widerspruch zu einer solidarischen Gesellschaft.“
Die SPD-Versprechen, sprich kostenloses Mittagessen, Pflegeheim-Deckelung, wurden nicht umgesetzt. Der „Deutschlandfonds“ scheiterte an der Finanzierung, während der Militärhaushalt auf 153 Mrd. Euro bis 2029 steigt. Damit dürfte die Frage „Wollt ihr Butter oder Kanonen?“, seitens der Regierung beantwortet sein, in Anbetracht dessen, dass die „russische Bedrohung“, laut Prof. Jeffrey Sachs (1), nichts weiter als „kindische Propaganda“ ist, muss man das nicht weiter kommentieren. Ist irgendjemand in den etablierten Medien deswegen auf der Barrikade? Nö! – Sommerloch eben!
Kommen wir zu den Strompreisen, die allen wehtun, der Wirtschaft so sehr, dass auch hier eine weitere „Schrumpfung“ der deutschen Wirtschaft zu erwarten ist und den normalen Bürger trifft es auch hart, denn die Gehälter steigen bei weitem nicht so schnell wie die Ausgaben im privaten Haushalt. Konkret: Die Union versprach im Wahlprogramm eine „deutliche Entlastung“ bei Strompreisen für Haushalte und Unternehmen durch Senkung der Stromsteuer auf das EU-Mindestmaß (0,1 Cent/kWh) und Netzentgelte. Ziel war eine „bezahlbare Energiewende“.
Die SPD wollte die Strompreisbremse (2022–2023) fortsetzen und Netzentgelte durch den „Deutschlandfonds“ deckeln (3 Cent/kWh). Haushalte sollten „bezahlbare Energie“ erhalten, ohne explizite Zusagen zur Stromsteuer. In der Aktualität der realpolitischen Zwänge sieht es aber nun ganz anders aus. Da der große Sport-Event, der meist das Sommerloch überdeckt, fehlt, erleben wir gerade die „Deutschen Meisterschaften im Zurückrudern“, seitens der Regierung, in Bezug auf ihre vollmundigen Wahlversprechen.
Der Chef am Ruder des Regierungszweiers aus Union und SPD in dieser „Zurückruder-Meisterschaft“, Friedrich Merz, gab schon am 11. April diesen Jahres die Parole aus:
„Alles steht unter Finanzierungsvorbehalt. Wir werden verantwortungsvoll mit Steuergeld umgehen.“
Realpolitisch sind wir aktuell aber hier angekommen: Die Stromsteuer wurde nur für energieintensive Unternehmen sowie Land- und Forstwirtschaft gesenkt. Haushalte bleiben unentlastet, die Strompreisbremse lief aus. Unser Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil verkündete dazu erst kürzlich nur brottrocken
„Für weitere Entlastungen ist vorerst kein Geld da.“
Und seine Parteikollegin Bärbel Bas, ihres Zeichens Arbeitsministerin der Regierung, untermauert es mit den dünnen Worten:
„Die Wirtschaft zu entlasten war wichtiger, da dort Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen.“
Nun, man könnte es so zusammenfassen: „Außer Spesen nichts gewesen!“, bitter ist nur, für uns Bürger gibt’s nicht mal Spesen. So geht unsere aktuelle Regierung auch in der Disziplin „Zurückrudern“ was die Strompreissenkung angeht, mit Bootslängen Vorsprung hinter ihren ursprünglichen Versprechungen ins Ziel. Der mediale Mainstream bemüht sich nach Leibeskräften hierbei heraus zu stellen, dass es ja alles noch viel schlimmer hätte kommen können und die Regierung sich unter den „realen Bedingungen“ der Politik doch ganz wacker schlägt, aber wenn auch hier nicht die „Sommerloch-Lethargie“ der Wähler greift, könnten sie sich auch in dieser Sache mehr als verraten fühlen.
Kommen wir zum Schluss zum ehemaligen „heiligen Gral“ der Sozialpolitik, für den zumindest die SPD mal eine Tafelrunde gebildet hatte: Das Renteneintrittsalter. Hier versprach die SPD klar: „Kein Arbeiten bis 70.“ Das Renteneintrittsalter solle bei 67 bleiben, das Rentenniveau bei 48 % gesetzlich gesichert werden. Eine „Bürgerversicherung“ sollte die Rente stärken. Die Union schloss im Wahlprogramm eine Erhöhung des Renteneintrittsalters aus und versprach, keine Rentenkürzungen durchzuführen. Eine „Aktivrente“ (bis 2.000 Euro steuerfrei für länger Arbeitende) und eine „Frühstart-Rente“ (10 Euro/Monat für Kinder von 6–18 Jahren in ein Kapitaldepot) sollten die Rente sichern. Das Rentenniveau sollte durch Wirtschaftswachstum stabil bleiben. Realpolitische Situation ist allerdings nach aktuellem Stand: Die Union bricht ihr Versprechen, keine Rentenkürzungen durchzuführen, indem sie Zusatzleistungen kürzt und die „Frühstart-Rente“ aufgibt. Die „Prüfung“ einer Rentenalters-Erhöhung widerspricht der Wahlkampfrhetorik. Die SPD hält die Erhöhung des Rentenalters auf, aber die „Bürgerversicherung“ bleibt eine Illusion, und das Rentenniveau ist durch Kürzungspläne bedroht. Beide Parteien rechtfertigen die Brüche mit der Schuldenbremse, während sie Konzerne und Militär fördern – ein Muster, das die Interessen der Eliten über die der Bürger stellt.
Fazit
Die Zusammenfassung aller Wahlversprechen in dem Begriff „Politikwechsel“, den man uns versprochen hatte, kann man mit einem Wort widersprechen:
„Pustekuchen!“
Und so fällt es auch nicht schwer, eine Prognose zu stellen, wie es mit dieser Regierung weitergehen wird, in ihrer noch verbleibenden Legislaturperiode. Am Ende werden die Bürger in Deutschland verraten und verkauft dastehen, aber mit dem stärksten Militär Europas, dem man alles andere zu opfern bereit ist, was zur eigentlichen Lebensqualität in diesem Land beiträgt und das Schlimmste daran ist, dass die Begründung, sprich die „russische Bedrohung“, die man dafür unermüdlich bemüht, diesen Weg zu gehen, das bleibt, was sie schon immer war, eine „kindische Propagandalüge-Lüge“.
Quellen und Anmerkungen
(1) Jeffrey Sachs, geboren 1954 in Detroit, ist ein renommierter US-Ökonom und Professor an der Columbia University, wo er das Center for Sustainable Development leitet. Er war von 2002 bis 2016 Direktor des Earth Institute und beriet als Sonderberater drei UN-Generalsekretäre (2001–2018) zu nachhaltiger Entwicklung. Sachs leitete das UN-Projekt zu den Millenniums-Entwicklungszielen (2002–2006) und ist Präsident des UN Sustainable Development Solutions Network. Er veröffentlichte Bestseller wie Das Ende der Armut (2005) und Common Wealth (2008). Nach seinem Studium an der Harvard University (B.A., M.A., Ph.D.) beriet er Regierungen in Osteuropa, darunter die Sowjetunion und die Ukraine, zu Wirtschaftsreformen.
Reputation: Sachs ist weltweit für seine Expertise in nachhaltiger Entwicklung und globaler Wirtschaftspolitik angesehen. Seine Analysen zur Geopolitik, insbesondere zum Ukraine-Konflikt, heben die Rolle westlicher Politik kritisch hervor und finden in alternativen Medien wie weltwoche.ch und NachDenkSeiten großen Anklang. Seine Beratung in den 1990ern in Russland wird als Beitrag zur Stabilisierung gesehen, wobei er selbst betont, Finanzhilfen gefordert zu haben.
Aussage zur „russischen Bedrohung“: Am 19. Februar 2025 bezeichnete Sachs vor dem Europäischen Parlament die Vorstellung, Putin wolle das „russische Reich“ wieder aufbauen, als „kindische Propaganda“. Er argumentiert, die russische Invasion 2022 sei eine Reaktion auf die NATO-Osterweiterung und den US-unterstützten Maidan-Putsch 2014. Russland habe vor 2014 keine Gebietsansprüche in der Ukraine gezeigt und wollte laut Sachs die NATO von seinen Grenzen fernhalten. Er verweist auf gebrochene westliche Versprechen von 1990, die NATO nicht nach Osten auszudehnen (weltwoche.ch, 20.02.2025).
Quellen: Columbia University, „Jeffrey D. Sachs Biography“; weltwoche.ch, „Jeffrey Sachs spricht Klartext im EU-Parlament“, 20.02.2025; NachDenkSeiten, „Sachs über die Wurzeln des Ukraine-Kriegs“, 25.02.2025.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bild: Berlin, Berlin Deutschland - 06 18, 2025: Pressekonferenz der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Friedrich Merz,
Bildquelle: EUS-Nachrichten / shutterstock
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