Weitreichender Korruptionsskandal in NATO vertuscht, um Einheit zu retten
Ein Kommentar von Rainer Rupp.
Während NATO-Generalsekretär Rutte mit nuklear-politischen Drohungen gegen Russland jongliert, begannen vor einigen Monaten Strafverfolgungsbehörden und Staatsanwälte immer wieder an die Tür seiner korruptesten Behörde zu klopfen. Dabei handelt es sich um die im Kleinstaat Luxemburg in Autobahnnähe gelegene NSPA-Agentur, die u.a. zuständig für die Beschaffung von dringend benötigter, aber knapper Munition, Drohnen und sonstiger Rüstungsgüter für die Ukraine ist. Dafür verfügt die NSPA über ein Jahresbudget von 10 Milliarden Dollar. Das ist auch in Euro umgewechselt viel Geld und hat anscheinend auch bei einer Reihe von NATO-Funktionären, die auf lukrativen Rüstungsaufträgen saßen, unwiderstehliche Begehrlichkeiten geweckt.
Inzwischen ist bekannt, dass Whistle Blower aus der NSPA-Agentur und andere, die direkt mit der Beschaffung militärischer Programme zu tun hatten, zuerst ihre Vorgesetzten im eigenen Apparat über veruntreute Gelder informiert, und, nachdem diese untätig blieben, die Strafverfolgungsbehörden in Luxemburg und Belgien eingeschaltet haben. Aus den mitgelieferten Dokumenten und E-Mail Korrespondenz ging hervor, dass einige Beschaffungsbudgets sich besonders gut für den Abgriff von Geldern eigneten. Das war insbesondere bei den Produkten der Fall, die am dringendsten benötigt wurden aber am schwersten zu beschaffen waren, weil sie noch relativ neu waren und es noch keinen geregelten Markt gab, wie z.B. bei Drohnen. Ersten Untersuchungen zufolge wurden vor allem bei Drohnen-Bestellungen für die Ukraine die Budgets besonders eifrig abgegriffen.
Die Korruptionsmasche ist altbekannt und relativ einfach und nicht auf die Beschaffung von Rüstungsgütern beschränkt, sondern in der gesamten öffentlichen Auftragsvergabe weit verbreitet; Ausschreibungen mit einbegriffen. Grundlage ist dabei ein Übereinkommen zwischen dem Vertreter einer Lieferfirma X und einem Vertreter des öffentlichen Auftraggebers.
Wichtig ist, dass der Vertreter des öffentlichen Auftragsgebers (VöA) die Ausschreibung so manipuliert, dass eigentlich nur die Firma X für den Auftrag in Frage kommt. Dabei besteht die Kunst darin, dass man bei einer späteren Überprüfung keine Manipulation der Bestandteile der Ausschreibung feststellen kann. Zugleich enthält der Angebotspreis der Firma X unsichtbar für die Buch- oder Steuerprüfer eine „Provision“ für den VöA-Vertreter. In meiner Zeit in der NATO sprachen Experten von 5 Prozent, wenn es darum ging auf Regierungsebene Minister oder Parteienvertreter zu schmieren, wobei bei Milliarden schweren Geschäften beachtliche Summen als Kick-Back („Provision“) herausspringen. Dabei kommt das Geld für den Kick-Back in der Regel nicht von einem Konto der Firma und es geht auch nicht auf ein Konto des korrupten Beamten, sondern es geht über Umwege z.B. an einen Verwandten des Beamten; oder Geld tritt gar nicht in Erscheinung, nur die Villa in einem anderen Land konnte zu einem besonders günstigen Preis erworben werden.
Wir sehen also, Korruption ist gar nicht so leicht nachzuweisen, wenn sie professionell geübt abläuft. Das scheint jedoch bei den NATO-Beamten der NSPA nicht der Fall gewesen zu sein. Wahrscheinlich war bei den Unmengen von 10.000.000.000 (10 Milliarden) Dollar die Versuchung zu groß, die Gier nicht zu bändigen, die Kontrollen zu lasch und die Ausübung der Tat zu einfach. Ohne die Hinweise der Whistleblower vor sechs Monaten an die Strafverfolgungsbehörden in Luxemburg, dass ein Teil, der für den Krieg gegen die Russen bestimmten Gelder in den Taschen gewisser Kollegen verschwand, würde die Korruptions-Masche in der NATO wahrscheinlich auch heute noch auf vollen Touren laufen.
In einigen Memos, die beispielsweise von der Personalchefin der NSPA erstellt wurden, wurden nicht nur die Namen von den fünf korrupten Führungskräften der Behörde enthüllt, sondern auch das Korruptionsmuster. Die Whistleblower-Berichte erläuterten zudem, wie die eigentlichen Veruntreuungen genau abgelaufen sind.
Die Höhe der Korruptionszahlungen, die Subunternehmern Zugang zu NATO-Aufträgen gewährten, konnten von mehreren Hunderttausend bis zu einigen Millionen Euro reichen. Das heißt, während die gesamteuropäische Staatskasse bereits von den Politikern zugunsten des Kriegs in der Ukraine schamlos geplündert worden ist, wurde auch die NSPA nach ukrainischem Vorbild zum Selbstbedienungsladen für korrupte NATO-Beamte.
NATO-Generalsekretär Rutte ging in die Vorwärtsverteidigung und erklärte, dass „volle Transparenz und jede erdenkliche Unterstützung" denjenigen gewährt würden, die „die mögliche Korruption" untersuchten. Und in der Tat, die Korruption im Umfeld der NATO-Waffenbeschaffung für die Ukraine zog noch viel größere Kreise. Die Untersuchung, die von Whistleblowern ursprünglich im Mai dieses Jahres bei der NSPA in Luxemburg angestoßen worden war, entwickelte sich rasch zu einem NATO-weiten Korruptionsskandal mit einer ganzen Reihe von gezielten und wohl begründeten Verhaftungen.
Überblick über den NATO-Korruptionsskandal
Was mit gezielten Verhaftungen im Mai 2025 begann, eskalierte zu einer multinationalen Untersuchung. Aber dann wurden urplötzlich alle weiteren Untersuchungen NATO-weit eingestellt, mit anschließenden Freilassungen der Inhaftierten. Die Anklagen wurden fallen gelassenen. Hinter all dem stand der deutliche Versuch, den Skandal zu vertuschen, eine Erkenntnis, die sich seither verfestigt hat. Die Unterdrückung von Nachrichten über den Korruptionsskandal in der NATO wurde von den allermeisten Medien mitgetragen, nach dem Motto: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“. Und wenn die großen „Qualitätsmedien“ nicht darüber berichten, dann hat es auch nicht.
Die chronologische Entfaltung des NATO-Korruptionsskandals, der angeblich nicht stattgefunden hat:
- Im Zeitraum 2021–April 2025 hatten Untersuchungen investigativer Journalisten in verschieden europäischen Ländern Anomalien bei der Vergabe von NSPA-Verträgen aufgedeckt. Berichte von detaillierten Daten-Lecks bei vertraulichen Ausschreibungen an bevorzugte Rüstungsunternehmen, die es denen ermöglichten, Konkurrenten auszustechen. Bestechungsgelder in fünf und sechsstelligen Euro-Zahlen flossen durch Scheinfirmen für „Beratungsdienste“, die von ehemaligen NSPA-Mitarbeitern betrieben wurden. Die Bereiche Munitions-, Drohnen- und Treibstoffverträge im Zusammenhang mit der Ukraine-Hilfe, im Wert von Zig-Millionen standen dabei im Fokus. Weitere Hinweise kamen von internen Whistleblowern und Buchprüfungen.
- 12.–13. Mai 2025. Im Rahmen der Operation „Saubere Hände“ („Clean Hands“) folgten koordinierte Razzien in sieben Ländern (Belgien, Niederlande, Luxemburg, Spanien, Schweiz, USA und anderen). Sie führten zur Verhaftung von mindestens fünf Verdächtigen, darunter:
- Drei belgische Staatsangehörige (ehemalige NSPA-Mitarbeiter, Alter 40–60, aus Bredene und anderswo), verdächtigt, Scheinfirmen für Rückvergütungen gegründet zu haben.
- Ein 58-jähriger Beamter des niederländischen Verteidigungsministeriums, der am Flughafen Rotterdam wegen des Erhalts von Bestechungen im Zusammenhang mit NATO-Deals von 2023 verhaftet wurde.
- Der US-Staatsbürger Scott Willason (53, ehemaliger NSPA-Spezialist für Sprengstoffe), der in der Schweiz wegen des Lecks von Informationen zu Drohnen- und Munitionsdaten festgesetzt wurde.
- Zwei Griechen, die mit rumänischen Firmen (US/UK-Seeverträge) verbunden sind, und der Chef einer türkischen Munitionsfirma.
Die Beschuldigungen umfassten Bestechung, Geldwäsche, Verbindungen zu kriminellen Organisationen. Geleitet wurden die Untersuchungen von der belgischen Bundesstaatsanwaltschaft, mit Beteiligung des FBI, Eurojust, des Staatsanwalts von Brügge und der niederländischen Staatsanwaltschaft. Dokumente wurden im NSPA-Hauptquartier in Luxemburg beschlagnahmt. Die NATO hob die Immunität für drei Mitarbeiter auf.
Das war also keine kleine Sache; und doch versickerte sie schnell im Sand und keiner wollte mehr etwas davon wissen.
Die Vertuschung
- August–September 2025: Die stillschweigenden Freilassungen der meisten Inhaftierten, einschließlich der Belgier und des niederländischen Beamten. Alle wurden ohne Anklage und ohne mediale Aufmerksamkeit leise freigelassen. Informanten und Whistleblower wurden dagegen Repressalien ausgesetzt oder ihnen wurde von der NATO-Personalabteilung gekündigt, wobei ihnen zugleich Schweigepflichten auferlegt wurden. Zu der von Generalsekretär Rutte wenige Monate zuvor erklärten „Null-Toleranz gegen Korruption“ gab die NATO keine Erklärung ab.
- Oktober-November 2025: Es beginnt sich etwas zu regen. Die Enthüllungen über den NATO-weiten Korruptionsskandal und dessen Vertuschung werden von einer Reihe von Medien aufgegriffen, z. B. von dem Konsortium „Follow the Money/FTM“ in den Niederlanden, „La Lettre de l'Expansion“ in Frankreich, „Knack“ und „Le Soir“ in Belgien deckte die Vertuschung des Skandals auf. Derweil brach fast gleichzeitig das US-Justizministerium abrupt die Anklagen gegen vier Schlüsselverdächtige ab (einschließlich die gegen den Chef der türkischen Munitionsfirma) und berief sich auf „unzureichende Beweise“ – trotz beschlagnahmter Dokumente, die Bestechungen über 100.000 € belegen.
Warum wurden die Anklagen fallen gelassen und der Skandal unter den Teppich gekehrt?
Trotz "starker Beweise" (z. B. Banküberweisungen, E-Mails) brachen die Fälle aufgrund geopolitischer Zweckmäßigkeit und internen Drucks der NATO zusammen. Das US-Justizministerium zitierte angebliche Verfahrensprobleme, aber glaubhafte Berichte deuten darauf hin, dass Washington mit seinem schwierigen Verbündeten Türkei nicht noch mehr Probleme haben wollte, zumal Ankara die Schlüssel für Operationen im und am Schwarzen Meer besitzt und das Pentagon dringend 155 mm Munition von der Türkei braucht. Der Fall des Chefs der türkischen Munitionsfabrik hätte die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei zu sehr belastet inmitten des NATO-Stellvertreter-Kriegs in der Ukraine
Die NATO selbst schweigt. NATO-Schweigen. Die Whistleblower wurden laut Agenturberichten gefeuert, weil ihre Beschuldigungen angeblich „nicht schlüssig" waren. Mark Rutte, ehemaliger niederländischer Premierminister, ging nur indirekt auf den Fall ein, indem er die internationale Zusammenarbeit innerhalb der NATO beschwor und die Notwendigkeit betonte, alles zu vermeiden, was die Einheit gefährde.
Zusammenfassend kann man davon ausgehen, dass ein derartig großer, NATO weitere Korruptionsskandal das Risiko in sich trug, und immer noch trägt, die Zig-Milliarden Euro und Dollarhilfen an die Ukraine zu gefährden.
Interessant sind auch einige Kommentare zum Thema auf „X“ (vormals Twitter). Der französische Linkspolitiker Florian Philippot formuliert es als "Sterben der NATO", was durch das Medien-Blackout, bzw. die minimale Mainstream-Berichterstattung betätigt würde. Eine Benelux-Berichterstattung durchbrach die Mauer des Schweigens und nannte Ross und Reiter beim Namen. Der Podcast von FTM hat die Einmischung der USA, um den Skandal unter den Teppich zu kehren, detailliert beschrieben.
Letztlich ist in dieser Geschichte jedoch nicht die Korruption einiger Beamter der eigentliche Skandal, sondern das, was anschließend mit den Whistleblowern geschah, denen NATO-Generalsekretär Rutte "Transparenz und jede erdenkliche Unterstützung" zugesichert hatte. Stattdessen führte Ruttes "Transparenz und jede erdenkliche Unterstützung" zur Entlassung und Bestrafung derjenigen, die die Korruption aufgedeckt hatten.
+++
Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
+++
Bild: Das erste NATO-Außenministertreffen fand unter Beteiligung von Mark Rutte statt, der das Amt des Generalsekretärs übernommen hat. Brüssel, Belgien. 03.12.2024
Bildquelle: photoibo / Shutterstock.com
+++
Ihnen gefällt unser Programm? Machen wir uns gemeinsam im Rahmen einer "digitalen finanziellen Selbstverteidigung" unabhängig vom Bankensystem und unterstützen Sie uns bitte mit der:
Spenden-Kryptowährung „Nackte Mark“: https://apolut.net/unterstuetzen/#nacktemark
oder mit
Bitcoin: https://apolut.net/unterstuetzen#bitcoin
Informationen zu weiteren Unterstützungsmöglichkeiten finden Sie hier: https://apolut.net/unterstuetzen/
+++
Bitte empfehlen Sie uns weiter und teilen Sie gerne unsere Inhalte in den Sozialen Medien. Sie haben hiermit unser Einverständnis, unsere Beiträge in Ihren eigenen Kanälen auf Social-Media- und Video-Plattformen zu teilen bzw. hochzuladen und zu veröffentlichen.
+++
Abonnieren Sie jetzt den apolut-Newsletter: https://apolut.net/newsletter/
+++
Unterstützung für apolut kann auch als Kleidung getragen werden! Hier der Link zu unserem Fan-Shop: https://harlekinshop.com/pages/apolut