Ein Meinungsbeitrag von Hans-Jörg Müllenmeister.
Vor etwa vier Milliarden Jahren bereitete die chemische Ursuppe der frühen Erde den Boden für das Entstehen des Lebens. Energiequellen wie Vulkanismus und Blitzschläge förderten die Bildung erster organischer Moleküle. Diese verbanden sich zu längeren Ketten, bekannt als Peptide – den „Urahnen“ der heutigen Proteine. Die frühen Peptine stellten die ersten Lebensstadien dar und entwickelten sich zu einer vielfältigen Palette lebenswichtiger Moleküle. Ein Protein, umgangssprachlich auch als Eiweiß bekannt, ist ein biologisches Makromolekül, das aus Aminosäuren aufgebaut und durch Peptidverbindungen verknüpft ist. In der heutigen Wissenschaft sind Peptide unerläßlich, insbesondere für Fortschritte in der Krebsforschung, die ohne die Identifizierung und Modifikation spezifischer Proteine nicht möglich wären.
Urzeitliche Proteine und ihre Evolution
Durch zufällige Bindungen und Mutationen entstanden die ersten primitiven Proteine, die einfache katalytische Funktionen übernahmen und chemische Reaktionen in frühen Zellen beschleunigten. Über Jahrmilliarden entwickelten sich die einfachen Proteine weiter, wurden komplexer und übernahmen eine Vielzahl von Funktionen, die sie heute besitzen. Die Evolution ermöglichte die Entstehung immer komplexerer Lebensformen, in denen Proteine eine zentrale Rolle spielten.
Wie hängen Proteine mit Peptinen zusammen?
Der Unterschied zwischen ihnen liegt hauptsächlich in ihrer Größe und Struktur. Proteine sind größere Biomolekülen, die aus langen Ketten von Aminosäuren bestehen. Sie können sich aus Hunderten, gar Tausenden von Aminosäuren zusammensetzen. Diese nanogroßen Multitalente übernehmen vielfältige Aufgaben im Körper, darunter die Funktion als Enzyme, Hormone, Strukturproteine (wie Kollagen) und Transportproteine (wie Hämoglobin). Peptide dagegen sind kürzere Ketten von Aminosäuren und bestehen aus bis zu etwa 50 Aminosäuren, die aus den chemischen Elementen Stickstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff und seltener Schwefel gebildet werden. Wenn ein Peptid lang genug wird, kann man es schließlich als Protein betrachten. Diese molekularen Winzlinge dienen oft als Signalmoleküle, Hormone oder Neurotransmitter und können auch die Vorläufer von Proteinen sein.
Peptide und Proteine: Die elementaren Bausteine des Lebens
Peptide und Proteine arbeiten zusammen und bilden die elementaren Bausteine des Lebens. In den Zellen werden Proteine durch einen Umwandlungsprozess synthetisiert: Zuerst bilden sich kurze Peptidketten, die sich falten und sich zu komplexeren, dreidimensionalen Strukturen formen, um funktionsfähige Proteine zu bilden. Kein anderes Molekül auf der Welt beherrscht dieses „Origami“ so perfekt wie diese Faltkünstler. Sie können auch wieder in kleinere Peptide und schließlich in einzelne Aminosäuren abgebaut werden, die dann in verschiedenen biologischen Prozessen wiederverwendet werden und neue Aufgaben übernehmen. Zum Beispiel wird das Insulin zunächst als längeres „Peptid-Vorläufermodell“ gebildet, das in kleinere Peptide gespalten wird, um daraus das aktive Insulinmolekül zu gewinnen.
Eine Stadt im Mikrobereich: die Zelle und ihre Mitarbeiter, die Peptide
Eine Stadt mit all ihren Bediensteten scheint im Vergleich zu einer Zelle recht bescheiden zu funktionieren, denn die nanogroßen „Zellangestellten“ arbeiten perfekt und fleißig zum Wohle aller. Die Aufgaben der Peptide in einer Zelle werden durch eine komplexe Kombination von genetischen Informationen und zellulären Signalen bestimmt. Diese Multitalente sorgen dafür, dass alles reibungslos funktioniert. Peptide sind in den „Zell-Städten“ allgegenwärtig und spielen eine entscheidende Rolle in Prozessen wie Signalübertragung, Stoffwechsel und Zellkommunikation. Es gibt keine festgelegte Anzahl von Peptiden in einer Zelle, da sie ständig produziert, modifiziert und abgebaut werden, je nach den Anforderungen des Körpers. Sie dienen beispielsweise als Signalmoleküle, Hormone oder Neurotransmitter.
Einige Funktion und Aufgaben der Peptide
Die DNA enthält die genetischen Anweisungen für die Herstellung von Peptiden und Proteinen. Diese Anweisungen werden in Form von Genen kodiert und in Boten-RNA umgewandelt, die als Vorlage für die Synthese von Peptiden und Proteinen dient. Die Ribosomen, winzigen „Fabriken“ in der Zelle, lesen die mRNA und bauen die entsprechenden Peptidketten aus Aminosäuren zusammen. Diese Prozesse werden durch die genetischen Anweisungen in der mRNA gesteuert. Nach der Synthese können Peptide durch verschiedene chemische Prozesse modifiziert werden, um ihre Funktionen zu ändern oder zu spezifizieren. Dies kann durch Enzyme und andere zelluläre Faktoren geschehen. Die Umgebung der Zelle und ihr aktueller physiologischer Zustand beeinflussen maßgeblich, welche Peptide produziert und wie sie verwendet werden. Beispielsweise können Stress oder Nährstoffmangel bestimmte Peptidantworten auslösen. Und Zellen kommunizieren miteinander durch Signalmoleküle, die bestimmte Antworten oder Aktionen in den Zielzellen auslösen. Diese Signale beeinflussen die Produktion und Funktion von Peptiden.
Proteine: Bausteine und Funktionsträger unseres Körpers
Proteine übernehmen viele lebenswichtige Aufgaben im Körper. Sie bilden das Gerüst und die Struktur von Zellen und Geweben. Kollagen, zum Beispiel, ist ein Protein, das in Haut, Knochen und Bindegewebe vorkommt. Viele Proteine wirken als Enzyme, die biochemische Reaktionen beschleunigen – ohne Enzyme wären viele Reaktionen im Körper zu träge, um das Leben zu fördern. Das Protein Hämoglobin dient als Transporteur für Sauerstoff-Moleküle. Proteine fungieren auch als Signalstoffe und Rezeptoren, die Zellen miteinander „ins Gespräch“ bringen; Hormone wie Insulin sind dafür ein Beispiel, oder aber sie leiten Stromimpulse durch die Nervenzellen. Im Immunsystem erkennen und bekämpfen Proteine Krankheitserreger. Durch die Strukturproteine Aktin und Myosin sind Muskel zur Kontraktion und damit für Bewegung fähig. Schließlich speichern einige Proteine Nährstoffe; Ferritin speichert zum Beispiel Eisen in der Leber.
Einige vom Körper selbst hergestellten Peptide
Die Bauchspeicheldrüse produziert die Hormone Insulin und Glukagon, die den Blutzuckerspiegel regulieren. Secretin stimuliert die Bauchspeicheldrüse, Verdauungsenzyme freizusetzen. Im Hypothalamus wird das Hormon Oxytocin erzeugt, das mit Bindung und sozialen Interaktionen in Verbindung gebracht wird. Endorphine sind Neurotransmitter, die als körpereigene Schmerzmittel wirken und Wohlbefinden fördern. Angiotensin, im Blut produziert, ist ein Peptid, das den Blutdruck reguliert.
Neues aus der Proteinforschung und ihre geopolitische Auswirkungen, insbesondere im Bereich der Medizin
Die Fähigkeit, mit Künstlicher Intelligenz Proteinstrukturen genau vorherzusagen, ermöglicht die schnellere Entwicklung neuer Medikamente und Therapien. Länder, die in dieser Technologie führend sind, haben einen erheblichen Wettbewerbsvorteil. Sie können Innovationen schneller vorantreiben und daraus wirtschaftlichen Nutzen ziehen. Die KI unterstützt maßgeblich diese biomedizinische Forschung und fördert damit die internationale Zusammenarbeit, da Wissenschaftler weltweit nun Zugang zu besseren Daten-Tools für ihre Arbeit haben. In der KI Alpha-Fold2 Datenbank sind inzwischen fast alle im menschlichen Körper vorkommenden Proteinstrukturen gespeichert, nämlich etwa 24.000. Das ist der Schlüssel zum Verständnis des Lebens. Die Fortschritte in der Proteinstruktur-Forschung verbessern schließlich Effizienz und Effektivität der Gesundheitssysteme, vor allem auch die Entwicklung von Protein-Protein-Interaktionen im menschlichen Organismus, von denen es allein geschätzt 650.000 gibt.
Proteine: Ihre dreidimensionale Architektur hat es in sich
Die räumliche Struktur der Proteine definiert die Funktion dieser Molekülgebilde. Erstaunlich, dass sich jede Aminosäurekette so faltet, dass jedes Atom im Biomolekül seinen exakten Platz im Raum findet. Das gesamte Ensemble nimmt die energetisch günstigste Atom-Anordnung des Proteins im Raum ein. Diese Kenntnis ist deshalb für die Molekularbiologie von hohem Interesse. Ein Meilenstein war es, als kürzlich die KI AlphaFold2 die Struktur einiger Eiweißmoleküle sehr genau vorhersagte. Erst in der jüngsten Zeit machte die dreidimensionale Proteinforschung durch diese neue KI-Software revolutionäre Fortschritte in Verbindung mit der Kryo-Elektronenmikroskopie. Hierbei werden die Proteine in eine nanodicke Wasserschicht extrem schnell eingefroren. Die Software in dem Verfahren baut auf dem erfolgreichen AlphaFold-System von Google DeepMind auf und optimiert dessen Prinzipien, um die Rechenzeit drastisch zu reduzieren. Erst dieses Computer-gestützte Proteindesign und die Vorhersage von Proteinstrukturen haben so unser Verständnis von Proteinen und ihren Funktionen erheblich erweitert. Sie eröffnen neue Möglichkeiten für die Erforschung komplexer biologischer Prozesse und die Entwicklung innovativer Therapien.
Warum Proteine dreidimensional sehen?
Proteine dreidimensional auf dem Bildschirm zu betrachten, ist entscheidend, weil ihre Funktion stark von ihrer Form abhängt. Erst diese räumliche Betrachtung ermöglicht es Wissenschaftlern, die Funktionen und Mechanismen von Proteinen besser zu verstehen.
Proteine interagieren über spezifische Bindungsstellen mit anderen Molekülen. Diese Stellen haben eine dreidimensionale Struktur, die präzise an ihre Partner binden müssen – ähnlich wie das Schlüssel-Schloss-Prinzip. Enzyme, eine Art von Proteinen, besitzen aktive Zentren, die biochemische Reaktionen katalysieren. Diese Zentren sind dreidimensional geformt, um Substrate optimal zu binden und zu verarbeiten.
Auch bei Strukturproteine wie Kollagen oder Aktin, bestimmen dreidimensionale Formen ihre Festigkeit und Flexibilität. Rezeptor-Proteine auf Zellmembranen ändern ihre Form bei der Bindung eines Liganden – ein Stoff, der einen Rezeptor (recipere = annehmen) besetzt und so eine Wirkung auf die Zielzelle ausübt. Diese Formänderung löst eine Kaskade von Signalen innerhalb der Zelle aus. Die Kenntnis der 3D-Struktur von Zielproteinen ist entscheidend für die Entwicklung von Medikamenten, die gezielt an diese Proteine binden und ihre Aktivität beeinflussen. Eine unkontrollierte Anhäufung von fehlerhaft gefalteten Eiweißmolekülen ist charakteristisch für Alzheimer, Parkinson und Typ-2-Diabetes.
Ein geeignetes Proteindesign zu entwickeln, das sich in eine vorgegebene Struktur formt, dafür gibt es eine Vielzahl von technischen Applikationen, die unsere Natur bereits perfekt gelöst hat. Man denke nur an die Vorbilder Seide oder Spinnweben, die auch aus Proteinen bestehen.
Tumortötende Proteine bei Krebs
Unter Medizinforschern dominiert natürlich das Design von Antikörpern und Proteinkäfigen, die Wirkstoffe gezielt an einem speziellen Ort im Körper abgeben. Eine unkontrollierte Zellteilung begünstigt das Tumorwachstum. Daran sind gewisse Proteine an Signalwegen beteiligt, die das Zellwachstum und die Zellteilung regulieren. Veränderungen in diesen Signalwegen können zur Krebsentstehung führen.
Proteine des Immunsystems, also gewisse Antikörper, können Krebszellen erkennen und bekämpfen. Immuntherapien nutzen diese Mechanismen, um das Immunsystem gegen Krebs zu aktivieren. Es ist zielführend, diese Proteine besser zu verstehen und gezielt anzusprechen, um neue Behandlungsansätze zu entwickeln. Jüngste Forschungsergebnisse haben neue verbesserte Wege gefunden, um Krebs zu bekämpfen oder gar zu verhindern. Dazu zählen beispielsweise monoklonale Antikörper. Das sind speziell entwickelte Proteine, die an Krebszellen binden und deren Wachstum blockieren oder das Immunsystem dazu bringen, die Krebszellen zu zerstören. Eine andere Therapie verhindert den Abbau von Proteinen in Krebszellen, was zu einem Stau von schädlichen Proteinen und letztlich zum Zelltod führt.
Ausblick
Die Künstliche Intelligenz, ähnlich wie bahnbrechende Erfindungen der Vergangenheit, etwa die Atomspaltung, trägt ein ambivalentes Potential in sich. Richtig eingesetzt in der mikrobiologischen Forschung, eröffnet die KI zweifellos revolutionäre Möglichkeiten. Mit ihrer gewaltigen Rechenleistung unterstützt sie die Wissenschaft dabei, die tiefen Geheimnisse der Proteinentfaltung zu entschlüsseln – entscheidend für Durchbrüche im Arzneimitteldesign.
Diese Fortschritte stellen auch eine globale Herausforderung dar. Die Erkenntnisse und Technologien, die man durch den Einsatz von KI gewinnt, verlangt von der Forschung und den politischen Entscheidungsträgern ein hohes Maß an Verantwortung und Weitsicht. Nur eine sorgfältige und ethische Nutzung stellt sicher, dass die praktische Anwendung der KI unser Leben zukünftig gesünder und lebenswerter macht. Das wäre ein Lichtblick in unserer düsteren, kaputten Welt, die noch immer von Kriegen, Krankheiten und selbstverursachten Katastrophen dominiert wird.
+++
Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
+++
Bildquelle: Christoph Burgstedt / shutterstock
+++
Ihnen gefällt unser Programm? Machen wir uns gemeinsam im Rahmen einer "digitalen finanziellen Selbstverteidigung" unabhängig vom Bankensystem und unterstützen Sie uns bitte mit Bitcoin: https://apolut.net/unterstuetzen#bitcoinzahlung
Informationen zu weiteren Unterstützungsmöglichkeiten finden Sie hier: https://apolut.net/unterstuetzen/
+++
Bitte empfehlen Sie uns weiter und teilen Sie gerne unsere Inhalte in den Sozialen Medien. Sie haben hiermit unser Einverständnis, unsere Beiträge in Ihren eigenen Kanälen auf Social-Media- und Video-Plattformen zu teilen bzw. hochzuladen und zu veröffentlichen.
+++
Abonnieren Sie jetzt den apolut-Newsletter: https://apolut.net/newsletter/
+++
Unterstützung für apolut kann auch als Kleidung getragen werden! Hier der Link zu unserem Fan-Shop: https://harlekinshop.com/pages/apolut