Keine Sanktionen, kein Krieg!

Die Gelegenheit für einen Politikwechsel ist günstig wie lange nicht mehr. Zum Beispiel befürwortet die Mehrheit der Bevölkerung wie auch der deutschen Wirtschaft, dass die von den USA ohne Absprache mit der EU beschlossenen neuen Sanktionen gegen Russland nicht akzeptiert und überhaupt sämtliche Sanktionen gegen Russland eingestellt werden. Abzuwarten bleibt, wie sich die führenden deutschen Politiker dazu verhalten. Es könnte zu einem Wahlkampfthema der SPD und der LINKEN werden. Im Moment sieht es noch nicht danach aus, aber bis zur Bundestagswahl ist noch etwas Zeit.

Auszug aus „Die Eroberung Europas durch die USA“ – Erweiterte Neuausgabe, Westend Verlag, Frankfurt am Main, Juni 2017 – von Wolfgang Bittner:

Der Viersternegeneral Wesley Clark, zeitweise Oberbefehlshaber der NATO, hat 2007 in einem Interview rückblickend gesagt, dass seinerzeit schon die Bush-Administration den Krieg gegen sieben Länder geplant habe. Das waren außer Afghanistan der Irak, Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und letztlich noch der Iran.(1) Es gab also schon unmittelbar nach dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 einen Plan für Regimewechsel und Kriege in sieben Ländern des Nahen Ostens und Afrikas. Und bereits zu Beginn des Kalten Krieges Anfang der 1950er Jahre erklärte der britische Baron Hastings Ismay, erster Generalsekretär der NATO, die Mission des Bündnisses für Europa: „To keep the Russians out, the Americans in, and the Germans down“ (die Russen draußen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen unten zu halten).(2)

Das ist bis heute die Strategie der USA. Anstatt die NATO spätestens 1991 nach der Auflösung des Warschauer Pakts ebenfalls aufzulösen, und zwar zugunsten eines gesamteuropäischen Sicherheitsbündnisses einschließlich Russlands, wurde das transatlantische Militärbündnis unter Einflussnahme der USA immer mehr zu einem Aggressionsinstrument gegen Russland entwickelt. Die aktuellen Konflikte und Kriege sind nicht durch Zufall entstanden, sie sind von gewissenlosen Psychopathen – anders kann man sie wohl nicht nennen – in Politik, Wirtschaft und Militär geplant worden.(3) Barack Obama hat als 44. Präsident der Vereinigten Staaten somit nur das weitergeführt, was seit Langem auf der Agenda stand. Das hatte gravierende Folgen für Europa und für Deutschland. (…)

„Wir sind um die Früchte einer gewaltigen Anstrengung der Verständigung zwischen West und Ost betrogen worden“, schreibt Albrecht Müller. „Die Entspannungspolitik war ja nicht vom Himmel gefallen. Sie war das Ergebnis großen strategischen Denkens und harter Arbeit – gerade von Politikern aus Deutschland. An der Durchsetzung dieser Friedenspolitik waren viele Menschen aus Europa und aus Deutschland beteiligt. Auch aus den USA. Aber die Lobby aus Militär und Rüstung und Finanzwirtschaft hat uns die Friedensdividende geklaut.“(4)

(…)

Es gibt nach wie vor namhafte Politiker und Publizisten, die konsequent vernünftige friedenspolitische Ansichten vertreten und sich vom Mainstream und von Anfeindungen nicht beirren lassen. Dazu gehört bis zu einem gewissen, im Rahmen der deutschen Sozialdemokratie vertretbaren Grad auch Matthias Platzeck, ehemaliger brandenburgischer Ministerpräsidenten und Bundesvorsitzenden der SPD. Seit 2014 ist er Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums, das sich für einen breiten Dialog zwischen Deutschland und Russland engagiert. Allerdings hatte sein Appell vom November 2014, Russland und Kiew sollten die „Annexion der Krim völkerrechtlich legalisieren“, zu Auseinandersetzungen mit der Bundesregierung geführt.

Im Februar 2017 schrieb Platzeck im sozialdemokratischen Vorwärts:

„Russland ist in die europäische Sicherheitsordnung nicht eingebunden. Das führt zu Konflikten. Deshalb ist nun die Stunde für eine pragmatische Realpolitik gegenüber Moskau gekommen. Vorbild dafür könnte die Ostpolitik Willy Brandts sein. Verständigungspolitik mit Russland ist eine realpolitische Notwendigkeit. Das war bei der Ostpolitik Willy Brandts und Egon Bahrs in den sechziger und siebziger Jahren nicht anders. Ohne eine Entspannung des Verhältnisses zu Moskau wird es keine Stabilität und keine Sicherheit auf dem europäischen Kontinent geben. Das aber muss unser vorderstes Ziel sein.“(5)

Ebenfalls im Februar 2017 konstatierte Matthias Platzeck in einer Rede in Dresden, dass die Wirtschaft „angesichts des riesigen Potenzials für die Kooperation“ großes Interesse an der Partnerschaft mit Russland habe: „Russland ist ein bedeutender Absatzmarkt, für viele Branchen sogar der wichtigste Absatzmarkt in Europa.“(6) Noch erstaunlicher als das Interesse der Wirtschaft an einer Partnerschaft mit Russland sei das Interesse der Bürger, so Platzeck. Er berief sich auf eine Umfrage der Körber-Stiftung von 2016, wonach sich eine deutliche Mehrheit von 81 Prozent der Deutschen für engere Beziehungen zwischen den beiden Ländern ausgesprochen hat, und rund 70 Prozent der Befragten waren für die Aufhebung der Sanktionen.(7) Platzeck: „Die Deutschen positionierten sich damit klar gegen den politischen und medialen Mainstream mit seinem russlandkritischen Dauerton. … In Russland waren die Ergebnisse ähnlich eindeutig.“(8)

Wolfgang Bittner: „Die Eroberung Europas durch die USA. Eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung“, Westend Verlag, 256 Seiten. Die komplett überarbeitete und erweiterte Neuausgabe erschien im Juni 2017.

Wolfgang Bittner ist Schriftsteller und Jurist, siehe auch www.wolfgangbittner.de sowie KenFM im Gespräch: https://kenfm.de/wolfgang-bittner/

Quellen:

(1) Wesley Clark, zit. n.: Amy Goodman, democracy now, YouTube, 6.3.2012, https://www.youtube.com/watch?v=kkE8Gp-nWEs, 30.12.2016.

(2) Hastins Ismy, zit. n.: https://de.wikipedia.org/wiki/Hastings_Ismay,_1._Baron_Ismay, 23.1.2017.

(3) Dazu: Daniele Ganser, Illegale Kriege: Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren. Eine Chronik von Kuba bis Syrien, Orell Füssli, Zürich 2016.

(4) Albrecht Müller, Quo vadis Europa – gute Nachbarschaft mit Russland oder Konfrontation und Kriegsgefahr? NachDenkSeiten, 20.12.2016, http://www.nachdenkseiten.de/?p=36360, 22.12.2016. Sowie: Rede in Kaiserslautern am 10.6.2016 im Rahmen der Kampagne „Stopp Ramstein“, http://www.nachdenkseiten.de/?p=33892, 22.12.2016.

(5) Matthias Platzeck, Platzeck: Ohne Entspannung mit Russland keine Sicherheit in Europa, Vorwärts, 20.2.2017, https://www.vorwaerts.de/artikel/platzeck-ohne-entspannung-russland-keine-sicherheit-europa, 23.2.2017.

(6) Matthias Platzeck, Brauchen Europa und Russland einander wirklich? Rede vom 19.2.2017 in Dresden, Sächsische Zeitung, 19.2.2017, http://www.sz-online.de/nachrichten/brauchen-europa-und-russland-einander-wirklich-3617266.html, 23.2.2017.

(7) Siehe auch: Körber-Stiftung, Annäherung oder Abschottung?, März 2016, https://www.koerber-stiftung.de/fileadmin//user_upload/koerber-stiftung/mediathek/pdf/2016/Umfrage_Russland-in-Europa.pdf, 23.2.2017.

(8) Matthias Platzeck, Rede vom 19.2.2017 in Dresden, a.a.O.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.

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