Seit bei den Mahnwachen in Linz 2014 Neo-Nazis aufgetaucht sind, kenne ich das Phänomen aus eigener Erfahrung. Deren "überraschendes" Erscheinen wiederholt sich seitdem immer wieder. Auch die bundesweiten Kundgebungen von "Gemeinsam für Deutschland" haben jetzt damit ihr "Vergnügen".
Ein Meinungsbeitrag von Andrea Dreschler.
Bei den Friedensmahnwachen wussten wir nicht, wer an unseren Veranstaltungen teilnimmt. Es war eine Graswurzelbewegung, die aufgrund des Putsches am Maidan und des drohenden Ukraine-Krieges entstanden war. Aber in der Zeitung konnte man nachlesen, dass der stadtbekannte Neo-Nazi X und der üble Neo-Nazi Y als aktive Teilnehmer bei den Linzer Mahnwachen regelmäßig auftauchen. Nun, da ich nicht zu dieser Szene gehöre – woher sollte ich diese Typen kennen? Eine Gesinnungsprüfung haben wir auf der Mahnwache nicht gemacht. Dadurch war die Mahnwache aber erfolgreich medial als rechts bzw. rechtsextrem gebrandmarkt.
Es war wahrscheinlich auch nur ein "Zufall", dass 2015 das "hübsche Gesicht der Pegida" bei den Bilderberger-Protesten in Tirol auftauchte. Ein gefundenes Fressen für die Mainstream-Medien, deren Kameraleute sich auf sie stürzten und den Bilderberger-Protest damit in das Pegida-Eck verschoben.
Woina, Musiker bei der "Bandbreite" erhielt eine "Markierung" als Neo-Nazi, da ein Antifa-Fotograf "zufällig" anwesend war, als ein Woina völlig unbekannter Mensch nach einem Auftritt auf ihn zukam und ihm die Hand schüttelte. Mit diesem Foto hatte Woina seinen Ruf weg. Derartige Beispiele gab es viele.
Provokateure auf Corona-Demos – kein Einzelfall
2020 ging es weiter. Es waren keine offensichtlichen Neo-Nazis, aber überall dort, wo bestimmte schwarzgekleidete junge Männer in Gruppen auftraten, gab es Zoff mit der Polizei, der medienwirksam aufbereitet wurde.
Am 7.11.2020 rannte eine derartige Gruppe in den bis dahin sehr friedlichen Demonstrationszug in Leipzig hinein. Ich war dabei, als sie wie aus dem Nichts auf einmal erschienen. Von hinten wurden sie durch Martin Lejeune verfolgt, an ihrem Zielort – wo es dann "überraschenderweise" temporär Unruhen mit der Polizei gab – nahm sie das "zufälligerweise" dort anwesende ZDF im Empfang. Nur hatte genau dort auch Boris Reitschuster seine Kamera stationiert, so dass nach Sichtung der Filmdokumentationen von Lejeune und Reitschuster völlig offensichtlich war, dass es sich um Provokateure gehandelt hat.
Ähnliches war in Berlin am 18.11.2020 der Fall, als – u.a. von meiner Freundin Sabine bezeugt – ein Trupp "Typen in schwarzen Northface-Jacken" auf einmal vor dem Brandenburger Tor einmarschierte. Dieser sorgte für die notwendige Unruhe, die dann den Einsatz der Wasserwerfer "rechtfertigte", der u.a. auch mich abregnete, wobei ich mich schnell zurückzog. Eine Demo, die vielen unvergessen blieb.
Ich sah mehrfach auf Demos Menschen, die die Teilnehmer aktiv aufzuhetzen schienen "lasst Euch das von den Bullen nicht bieten" – um dann nur wenig später "zufälligerweise" freundlich mit ebendiesen Polizisten plauderten. Leider kann ich das nur bezeugen aber nicht belegen, weil ich diese "Herren" nicht fotografiert habe.
Und jetzt hat "Gemeinsam für Deutschland" ein ähnliches Problem, wie wir seinerzeit in Linz. Das eher gutbürgerliche bis rechtskonservativ-patriotische Bündnis wird immer wieder von Gruppen "besucht", die in Auftritt, Kleidung und verbalen Äußerungen wenig Zweifel an ihrer politischen Herkunft lassen. Am 26.4.2025 in Berlin war selbst Dominik Reichert vom sicher nicht linker Positionen verdächtigen Compact-Magazin dieser Teil der Demonstration etwas zu rechtsextrem.
Auch die Kundgebungen, die "Gemeinsam für Deutschland" in München organisiert, haben mit derartigen Besuchern zu kämpfen. Sie laden sie nicht ein – und sie können sie nicht wegweisen. Das Versammlungsrecht dieser offensichtlich Rechtsextremen wird von der Polizei konsequent durchgesetzt. Aber genau diese Gruppe liefert dann die passenden Bilder, um die Demo von "Gemeinsam für Deutschland" (GfD) in München entsprechend zu diskreditieren. Ich sprach mit Fritz, dem bisherigen Versammlungsleiter, um mehr zu erfahren.
INTERVIEW
Du organisierst in München die Demos für "Gemeinsam für Deutschland" – kannst Du Dich kurz vorstellen?
Mein Name ist Fritz, ich komme aus dem Berchtesgadener Land, bin 25 Jahre jung und im Vertrieb tätig. Die Demo am 31.5. war allerdings meine letzte Veranstaltung in München, da ich zukünftig in Berchtesgaden aktiv werden möchte. Die Anmeldung wir von meiner bisherigen Co-Organisationsleiterin übernommen und von unserem Team aus 6 Aktiven weiter geführt.
Was sind die Hauptmotive für GfD auf die Straße zu gehen?
Für mich persönlich ist es wichtig, der Spaltung in unserem Land entgegenzuwirken, dazu beizutragen, dass wir zurück zur Normalität kommen. Man merkt, dass es einfach nur noch "Links gegen Rechts" heißt und dazwischen liegt eine Brandmauer. Wir versuchen mit der Bewegung einen Dialog zur linken Seite bis hin zur Antifa herzustellen – aber natürlich auch zu der unpolitischen Bevölkerung, um zu zeigen, in welcher desolaten Situation wir sind.
Bei uns geht es um Themen wie Meinungsfreiheit, keine Tauruslieferung, Schluss mit der Spaltung der Gesellschaft und ein klares Nein zur Bargeldabschaffung. Frieden ist auch ein wichtiges Thema und mit all unseren Themen sollte man Frieden herbeiführen können.
Wie oft und wo findet GfD statt?
Jeden Monat einmal im Monat. Die genauen Termine findet man unter www.grossdemos-deutschland.de
Und wie viele Menschen sind dabei?
Am 26.3. waren es deutschlandweit um die 30.000 Teilnehmer, in München ca. 800. Am 31.5 waren weniger auf der Straße.
Mein Eindruck aus dem Video vom 31.5.: Man sieht einen bunten Haufen Menschen, mehrheitlich natürlich Grauköpfe wie überall, viele Friedenstauben, Deutschlandfahnen und einige AfD-Fahnen. GfD scheint mehrheitlich aus dem gutbürgerlichen und eher rechten, aber nicht rechtsextremen Lager zu kommen. Stimmt das?
Richtig.
Sind bei Euch auch Linke vertreten?
Nein. Leider nicht. Aber wir versuchen dafür aufzurufen, dass auch die zu uns kommen. Bei Themen wie Meinungsfreiheit, Taurus oder Bargeld gibt es doch erhebliche Überschneidungen.
Euch wird ja heftig seitens der "Antifa" entgegen getreten – wo siehst Du die Ursachen?
Ich weiß es nicht, warum man zu diesen Themen Gegendemos veranstaltet. Meine These: egal wer auf die Straße geht, sobald man regierungskritisch ist, ist man für die "Antifa" ein Faschist. Da kann man thematisieren, was man will und noch so friedlich auf die Straße gehen. Diese "Antifa" demonstriert gegen alles – und das leider auch teilweise gewaltbereit.
Gab es bei Euch schon Vorkommnisse?
Nein. Bei uns in München gottseidank nicht. Es gab ein hetzerisches Video im Vorfeld – das habe ich auch zur Anzeige gebracht. Da wurde gedroht, dass man "die Faschos aus München vertreibt"
In Hannover wurden Autos der Orga von der "Antifa" zerstört.
Könntest Du Dir vorstellen, dass die "Antifa" gesteuert werden?
Mit ziemlicher Sicherheit – ich habe auf Tiktok mit einer von der "Antifa" diskutiert. Sie hat mir erzählt, dass sie in einer Art Trupp integriert wäre und ihr Truppführer Anweisungen entsprechend weitergibt.
In München gab es wohl auch dank der Polizei keine Zusammenstöße?
Ja, auf jeden Fall, die stellen sich gut dazwischen, damit nichts passiert. Aber die Polizei selbst wurde von der "Antifa" angegriffen. Es gab eine Auseinandersetzung zwischen einem Antifanten und einem Polizisten. Meines Wissens wurde der Angreifer verhaftet.
Wie schätzt Du insgesamt die Zusammenarbeit mit der Polizei ein?
Insgesamt kooperieren wir gut mit der Polizei. Ab und zu gibt es Fragen wie: Warum werden wir eingezäunt und nicht die Antifa, obwohl von unserer Seite keine Aggressivität ausgeht? Aber es passt und wir sind froh, dass nichts eskaliert.
Im Video sieht man auch ganz klar einen Block von Leuten, die ich optisch den Neo-Nazis zuordnen würde.
Stimmt. Meiner Meinung nach sind das Neo-Nazis. Und die sind auch gekommen um sich als Neo-Nazis zu zeigen. Uns verbindet nichts, unsere Themen und deren Themen decken sich nicht. Wir stehen nicht dafür, wofür diese Gruppe offensichtlich steht.
Ich habe gehört, Du hast versucht, sie von der Kundgebung und dem Zug zu entfernen – das war aber nicht bzw. nur sehr schwer möglich. Was ist passiert?
Prinzipiell gibt es das Versammlungsgesetz an das wir uns halten müssen und wollen. Aber diese Gruppe sehe ich als Versammlungsstörung. Man sollte sie ausschließen können, weil sie die Versammlung insgesamt stören. Innerlich, weil sie die Menschen verunsichert und die Gegendemo zusätzlich anheizen und natürlich medial, weil sie Bilder liefert, die mit GfD nichts zu tun haben.
Ich distanziere mich bei jeder Demo von Links- und Rechtsextremismus, aber das ist das Problem mit dem Versammlungsgesetz. Wir können den Block nicht ausschließen, obwohl wir es wollen – das wirkt alles surreal. Ich habe versucht, mit der Polizei darüber zu verhandeln. Der Block wurde dann ganz hinten am Schluss des Zuges – mit Abstand zu unserem Zug – angehängt.
Aber sie haben natürlich wieder die Bilder geliefert, wie man beim BR-Bericht sehen konnte.
Ja - leider.
Das Auftreten dieses Neo-Nazi-Blocks ist ja an mehreren Standorten schon zu beobachten gewesen. Selbst Dominik Reichert vom Compact Magazin waren die Typen zu extrem. Die Typen treten fast immer in einheitlichem Look auf. Weißt Du, woher die kommen?
Die Gruppe, die bei uns war, kommt aus Nürnberg. Die haben sich in ihren Chats ausgetauscht und entschieden, nach München zu fahren. Der Deutsche Störtrupp (DST) war diesmal in Hamburg dabei.
Sind diese Gruppen gesteuert – was glaubst Du?
Ob sie gesteuert sind oder nicht, dazu kann ich nichts sagen. Aber es gibt immer wieder "Zufälle". Bei der Veranstaltung am 26.4. war auch eine kleinere Gruppe dabei. Eine von denen hat ein "White power Zeichen" gezeigt und wir wurden genau in diesem Moment von der Antifa fotografiert.
Es ist zwar kein verbotenes Zeichen – wurde aber von der Anti-Defamation League (ADL) auch als Hasssymbol eingestuft. Und das wollen wir nicht, damit wollen wir uns nicht identifizieren lassen.
Was glaubst Du, warum sie immer zu GfD kommen?
Ich verstehe nicht, dass die nicht verstehen, dass wir Rechtsextremisten keine Bühne geben wollen. Ich will mit Faschisten von keiner Seite etwas zu tun haben. Das Verhalten der "Antifa" ist doch ebenfalls faschistisch. Sie wollen "alle Rechten ausmerzen". Wer gegen eine demokratische Richtung demonstriert, ist in meinen Augen kein Demokrat, sondern ein Faschist. Die CDU war seit ihrer Gründung konservativ rechts, hat sich jahrzehntelang so bezeichnet, also sind die "Omas gegen rechts" auch gegen CDU – oder?
Ich appelliere an Vernunft und Menschlichkeit, versuche den Dialog mit politisch vernünftigen Linken zu finden und hoffe, dass sich mehr Menschen uns anschließen, um für die wirklich wichtigen Themen ein klares Zeichen zu setzen.
Wann ist der nächste Termin in München?
Das ist vermutlich der 28.6.2025.
Dann wünsche ich Euch, dass sich möglichst viele für Frieden auf die Straße trauen und die Neo-Nazis zuhause bleiben.
Wer sich selbst einen Eindruck zur Demo „Gemeinsam für Deutschland“ in München auf der Theresienwiese, den Gegendemos und dem Protestmarsch durch die Stadt verschaffen möchte: hier ein Zusammenschnitt vom Klardenker-Kanal.
(M)Ein Resümee
Abschließend muss die Frage erlaubt sein: Wer hat ein Interesse daran, die verschiedenen Demonstrationsgruppen mediengerecht in die "Neo-Nazi"-Ecke zu schieben? Die Unterwanderung des NSU durch den Verfassungsschutz ist bekannt. Die Unterwanderung der NPD durch den Verfassungsschutz hat dazu geführt, dass ein Verbotsverfahren dieser Partei nicht möglich war.
Eine Überraschung wäre es für mich daher nicht, wenn hinter diesen wiederkehrenden und meist erfolgreichen Versuchen, Demonstrationen ins rechtsextreme Eck zu drängen und damit für die breite Masse unattraktiv zu machen, ebenfalls Verantwortliche vom Verfassungsschutz stünden.
Der Nutzen rechtsextremer Volldeppen auf diesen Demos ist offensichtlich. Die mediale Sichtbarkeit gerade dieser Gruppe führt ja nicht nur dazu, dass sich eher bürgerliche oder gar Linke von diesen Demonstrationen für den Frieden fernhalten. Es führt auch dazu, dass die pseudolinke Transatlantifa sogar recht hat, wenn sie auf ihre unnachahmlich widerliche Art "Alerta, alerta, antifaschista" skandiert. Eine Antifa, die zur Transatlantifa mutierte und systemtreu und staatstragend agiert, hat nichts mit der Antifa meiner Jugend zu tun, die sich immer auf die Seite der Schwachen und gegen den Staat gestellt hat.
Ich frage mich, wann es soweit ist, dass der schwarze Block der Transatlantifa mit dem schwarzen Block aus dem rechtsextremen Lager gewaltsam aneinandergerät. Dann gehen zwei gewaltbereite Gruppen aufeinander los, die einander zwar spinnefeind sind, aber – zumindest meiner festen Überzeugung nach – von den gleichen Strukturen dahinter gesteuert werden.
Ich weiß. Verschwörungstheorien. Die Beobachtungen der letzten Jahre deuten aber zunehmend darauf hin. Warten wir mal ab, wie lange es dauert, bis diese sich als wahr erweisen.
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 11. Juni 2025 auf tkp.at.
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Wir danken der Autorin für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bild: Neo-Nazi-Demo
Bildquelle: rkl_foto / shutterstock
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