Lyrische Beobachtungsstelle

Jetzt.Wohin. – Meine Reise mit Robert Habeck | Von Paul Clemente

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Zum Kinostart von Robert – Der Film

“Die Lyrische Beobachtungsstelle” von Paul Clemente.

Angenommen, Sie sehen das filmische Porträt eines berühmten Politikers. Egal, ob über Wladimir Putin, Donald Trump, Kim Jong-un, Friedrich Merz oder Angela Merkel. Der Film zeigt den politischen Pop-Star bei umjubelten Auftritten, interviewt die Anhängerschaft, suggeriert ein Meer von Bestätigung. Und Kritiker? Die werden in aller Kürze abgewatscht. Außerdem outet sich der Regisseur als langjähriger Freund und Berater des Stars. Wie würden Sie so einen Film bezeichnen? Richtig, als eisenharte Propaganda. Und genau die liefert „Jetzt.Wohin. – Meine Reise mit Robert Habeck“. Ein Doku-Streifen über den Wahlkampf des grünen Kanzlerkandidaten. Und, kein Witz: Regisseur Lars Jessen ist tatsächlich dessen Freund und Strategieberater. Schon der Untertitel verrät: Das ist ein persönlicher Film. Ein sehr persönlicher sogar. Klartext: Kritische Distanz ist hier Fehlanzeige.

Gleich zu Beginn kredenzt er Ausschnitte aus Habecks Wahlkampf-Reden. Die Zuhörer jubeln bei Sätzen wie: „Es geht doch nicht um das Klima, wenn wir das Klima schützen. Es geht um die Menschen. Um die Würde der Menschen. Um die Freiheit der Menschen.“ Wirklich? Und wie steht es um die Würde prekärer Unternehmen, die an steigenden Energiepreisen zerbrechen? Oder geht es ausschließlich um die Würde der „Bionade-Bourgeoisie“? Solche Fragen stellt der Film freilich nicht. Stattdessen unterstützt er Habecks Aussagen durch Bildmaterial: Redet der Märchendichter von einer Erderwärmung, präsentiert Jessen Aufnahmen von schmelzendem Eis, tosenden Stürmen oder zitiert Greta Thunbergs Wunsch nach einer Panik für alle. 

Der Film duldet keinen Zweifel: Habeck spricht die Wahrheit. So wie Al Gore. Und die ist halt unbequem. Im Backstage-Interview erklärt der grüne Kanzler-Kandidat: Er wolle nicht glauben, dass Wähler keine Wahrheit vertragen, dass sie den Lügner belohnen. Auf diesem Satz basiert das gesamte Konzept des Films: Die Heiligenlegende vom grünen Robert, der die Klima-Sünden der Bundesbürger trägt. Der ihnen Klartext zumutet. Und zum Lohn abgewählt wird. Stattdessen heben sie einen Blackrock-Kapitalisten auf den Thron. Warum nur?!

Vielleicht haben die Wähler bemerkt, dass Habeck mit wenig durchdachten Konzepten und halbgaren Projekten dealt?  - Nein! auf keinen Fall! Regisseur Jessen kennt den wahren Grund: Aggressive Kollegen und Medien haben sich am grünen Heilsbringer versündigt. O-Ton Jessen: „Habeck ist ein Symbol.“ Für alle, „die wir geglaubt haben, dass das Gute sich schon irgendwie durchsetzt.“ Aber leider habe man die Rechnung ohne die Desinformationen gemacht. Mit denen wurden die armen Wähler überflutet. Die haben ihn verwirrt. Jessens Beispiel: Habecks sensationelles „Heizungsgesetz“. Das wurde öffentlich geschlachtet: Durch zynische Schlagzeilen der Bild-Zeitung und Politikern wie Alice Weidel, die von einem „Heizungsmassaker“ sprach. Ein „Experte“ bestätigt Jessens Eindruck: Das Gute, Wahre und Schöne wurde durch Desinformation liquidiert. 

Dabei hat Habeck unser Land doch vor einer Versorgungs-Katastrophe gerettet. Erinnern Sie sich: Als die bösen Russen uns urplötzlich den Gashahn zudrehten, flog Super-Habeck in Lichtgeschwindigkeit nach Katar, um dort neue Lieferanten aufzutun. Das beweist: Der grüne Robert ist ein Mann der Tat. Kein Schwätzer. Seine Klimapolitik, so die Message, hätte dem Land ein neues Wirtschaftswunder beschert.  

Aber es waren nicht nur Journalisten und konkurrierende Politiker, die Habeck ins politische Nirwana stürzten. Auch das grausame Internet trägt reichlich Schuld. Soziale Plattformen drängten populistische Themen in den Vordergrund. Schlimmer noch: Habeck wurde zum „Feinbild“ stilisiert. Selbst seine zahlreichen Beleidigungsklagen gegen Kritiker fruchteten nicht. Erst spät, viel zu spät startete der grüne Kanzlerkandidat ein eigenes Online-Format, die sogenannten „Küchen-Gespräche“

Die sollten vor allem Bürgernähe suggerieren. Tatort: Die private Küche des Kandidaten. Dort sprach Habeck mit „Leuten von der Straße“. Den Namenlosen. Den Überrollten. Den ewig Verarschten. Ist doch nett von ihm, oder? Ja, aber es zündete nicht. Auch dafür hat Jessen eine Begründung parat: Zu wenig Menschen waren bereit, sich einer differenzierten Debatte zu stellen. Mit anderen Worten: Das Gros der Wähler besteht aus geistigen Fastfood-Konsumenten. Die sind dem intellektuellen Niveau eines Habeck einfach nicht gewachsen. Traurig, traurig. 

Der Fairness wegen muss man einräumen: „Jetzt.Wohin.“ enthält doch eine selbstkritische Frage. Sie lautet: Hat die Moralisierung der Politik, die Selbstinszenierung unter dem Motto „Wir sind die Guten“ vielleicht manche Wähler vergrault? Eine Neurowissenschaftlerin räumt ein: Zumindest ging der grüne Moralin-Terror vielen Menschen auf den Sack. Ein anderer Habeck-Freund, Jan „Monschi“ Gorkow, Sänger der Punkband „Feine Sahne Fischfilet“, bestätigte: Ja, die Grünen bildeten die Speerspitze der Moralapostel. Dabei, so Gorkow, gebe es doch gar keine guten Menschen. Alle seien gleich Scheiße.

Gegen Ende des Films hat Habeck einen Auftritt im Berliner Ensemble, dem ehemaligen Brecht-Theater. Solche Nähe zu Machthabern ist für Kulturschaffende längst kein Tabu mehr. Am Deutschen Theater in Berlin las sogar Ex-Kanzlerin Angela Merkel aus ihrer Autobiographie. 

Eine Qualität hat der Film „Jetzt.Wohin.“ auf jeden Fall: Er feiert seinen Helden mit solcher Unverfrorenheit, das selbst Mainstream-Kritiker abkotzten. Natürlich könnte man einwenden: Wozu die Aufregung? Wer Habeck und sein Grünzeugs nicht mag, braucht ja nicht ins Kino zu gehen. Es gibt keinen Besuchbefehl für diesen Film. Das stimmt, aber das Meisterwerk wurde mit 270.000 Euro gefördert. Und das sind Steuergelder. Zwar sind die Bürger gewohnt, das Outfit einer Frau Merkel, einer Frau Baerbock oder eines Friedrich Merz mit sauer verdienter Kohle zu finanzieren. Aber jetzt noch das filmische Selbstlob eines Wahlverlierers? Genug ist genug.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bild: Kiel, Germany, July 29, 2021 Robert Habeck in the pre-election campaign on a coastal tour in "his" federal state Schleswig-Holstein. Today in Heikendorf

Bildquelle: penofoto / Shutterstock 


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