Ein Meinungsbeitrag von Tom J. Wellbrock.
In Budapest kam es kürzlich zu einer großen Demonstration gegen Victor Orbán. Angeführt wurde sie von einem Mann, den in Ungarn bisher kaum jemand kannte. Das lässt vermuten, dass mehr dahintersteckt und der Westen mit den USA eine „Farbrevolution“ vorbereitet.
Es war unter anderem die Tagesschau der ARD, die über eine Demo in Budapest gegen Präsident Orbán berichtete. Am 6. April erschien ein Artikel, der von Zehntausenden sprach, die gegen Orbán auf die Straße gingen. Das ist in Ungarn nicht so ungewöhnlich und kommt immer wieder vor. Doch etwas war besonders an dieser Menschenansammlung: Péter Magyar.
Ein neuer „Maidan“ in Budapest?
Péter Magyar war für die Ungarn bis vor Kurzem kaum bekannt. Und auch wenn man eine Recherche im Netz startet, findet man nicht viel. Auch die Wikipedia gibt sich sparsam, zumindest im Moment noch. Man wird sehen, wann der Artikel über Magyar überarbeitet wird. Derzeit liest man bei der Wikipedia:
„Das ehemalige Mitglied der Regierungspartei Fidesz – Ungarischer Bürgerbund war seit 2006 mit Justizministerin Judit Varga verheiratet, mit der er drei Söhne hat. Noch während ihrer Amtszeit kündigten die Eheleute im März 2023 ihre Scheidung an.
Varga war ab April 2023 in den ‚Begnadigungsskandal‘ involviert und trat zum 31. Juni 2023 zurück; damit zog sie die Konsequenzen aus ihrer Beteiligung an einer Begnadigung nach einem Kindesmissbrauchsskandal in Bicske.
Große Bekanntheit außerhalb seines Heimatlandes erreichte Magyar, indem er zu Demonstrationen gegen Regierungskorruption am 26. März und 6. April 2024 in Budapest aufrief, zu denen über 100.000 Teilnehmer kamen.“
Auffällig ist, dass der Bekanntheitsgrad Magyars vom 26. März bis zum 6. April steil nach oben schoss. Nicht weniger auffällig verhalten sich die deutschen Medien, die ihn als großen Widersacher des ungarischen Präsidenten zu feiern beginnen. Und tatsächlich sagen Umfragen Magyar 13 bis 16 Prozent Wählerstimmen voraus. Magyar Slogan baut auf der Idee auf, den Ungarn „ihr Land zurückzugeben“.
Vom „Guardian“ interviewt, sagte Magyar kürzlich:
„Ich bin neu, ein Neuling – aber ich bin nicht neu, weil ich sehr erfahren bin.“
Erfahren ist der Mann in der Tat. Er war Mitglied des inneren Zirkels in Orbáns Fidesz-Partei, arbeitete fleißig im Social-Media-Team seiner Ex-Frau Varga und prahlt gern mit seiner Zeit als Diplomat in Brüssel. Womit wir von ihm selbst erfahren, was sich im Netz nur schwer finden lässt. Magyar pflegt eine intime Nähe zum Westen. Wie schnell der Aufstieg vonstattenging, wundert Magyar selbst offenbar nicht, denn dem Guardian sagte er:
„Vor zwei Monaten kannte mich in Ungarn niemand, heute hatten wir die größte politische Kundgebung.“
Er meinte damit die Demonstration vom 6 April. In Ungarn wird dem Mann mit den Kontakten nach Brüssel zwar nicht sonderlich viel zugetraut. Das ungarische Institut „Standpunkt“ schrieb über ihn:
„13 Prozent der Ungarn würden bei der Europawahl für die Partei von Péter Magyar stimmen, was eine erhebliche Steigerung in wenigen Wochen bedeutet. Allerdings gelang es der neuen Partei weder, unentschlossene oder inaktive Wähler anzusprechen, noch gelang es ihr, eine große Zahl von Unterstützern bei Fidesz zu gewinnen. Seine Wähler stammten aus den ehemaligen Anhängern der linken Parteien, so dass sein Auftritt für jede linke Partei einen mehr oder weniger großen Verlust bedeutete.“
Das klingt zunächst einmal schlüssig, denn wenn sich Parteien, die sich gegen Orbán positionieren, gegenseitig die Stimmen wegnehmen, sollte sich das Potenzial in Grenzen halten. Doch „Standpunkt“ erstellt lediglich eine Momentaufnahme und macht damit einen womöglich verhängnisvollen Fehler. Wenn ein kaum bekannter Mann wie Magyar in atemberaubendem Tempo an Bekanntheit und Popularität hinzugewinnt, kann man Wetten darauf abschließen, dass er Hilfe von außen bekommt. Vielleicht Hilfe aus Brüssel? Oder aus Washington? Oder beides?
Wird es bald „bunt“?
Politische Schreihälse wie Norbert Röttgen (CDU) und Anton Hofreiter (Grüne) giften bereits lautstark durch den deutschen Blätterwald. Anton Hofreiter passt weder die Richtung der Slowakei, noch gefällt ihm, was in Ungarn unter Orbán vor sich geht. Er möchte beiden Ländern wegen „Unartigkeit“ am liebsten Gelder streichen, während Röttgen sogar noch einen Schritt weiter geht.
Dazu der „Tagesspiegel“:
„Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen legte der Slowakei wie auch Ungarn nun einen Austritt aus der Europäischen Union (EU) nahe. Pellegrini und Regierungschef Robert Fico ‚sympathisieren offen‘ mit Putin, der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sei ‚das trojanische Pferd Putins in der EU‘, sagte Röttgen den Zeitungen der Funke Mediengruppe. ‚Die EU darf und kann das nicht weiter tolerieren.‘“
Man möchte den beiden Politikern aus der zweiten Reihe, die zwar in den Medien eine Menge mitzuteilen, aber auf Entscheiderebene nichts zu melden haben, geduldig über den Kopf streicheln und ihnen sagen, dass sie sich beruhigen sollen und gleich ein Eis bekommen, wenn sie sich netter verhalten. Denn ihre vermeintlich großen Worte verschwinden hinter ganz anderen Akteuren, die deutlich mächtiger sind.
Weit bedeutsamer klingen die Sätze von Samantha Power, die kürzlich ebenfalls nach Ungarn geflogen war und Folgendes gesagt hatte:
„Ich bin hier in Ungarn. Eines der Länder, wo das USAID-Programm wieder aufgenommen wurde.“
Die USAID (Behörde der Vereinigten Staaten für internationale Entwicklung) in den USA, der Power als Direktorin vorsteht, hat weltweit ihre Finger schon in viele Wunden gelegt, und nun scheint sie eine „Farbrevolution“ in Ungarn zu planen. Als Power kürzlich in Ungarn war, sagte sie, sie würde
„jeden Tag mit Menschen zusammenarbeiten, die demokratische Institutionen stärken, unabhängige Medien aufbauen und die Menschenrechte fördern und verteidigen.“
Das lässt jeden, der sich ein bisschen mit dem Maidan von Kiew beschäftigt hat, aufhorchen, denn genau das passierte dort 2013 und 2014, und es sollte klar sein, was es heißt, wenn „demokratische Institutionen“ gestärkt und „Menschenrechte und unabhängige Medien“ gefördert werden sollen: massive Einflussnahme in die innenpolitischen Angelegenheiten anderer Länder.
Womit wir wieder bei Péter Magyar sind. Er ist jung, sieht passabel aus und passt in seiner Gesamterscheinung in das Profil derer, die die USA gern als Schachfigur einsetzen, wenn es um Regime Changes unter dem Deckmäntelchen der „Farbrevolution“ geht. Möglich, dass Magyar in Zukunft noch eine tragende Rolle spielen wird. Ebenso denkbar ist aber auch der Austausch gegen eine andere Person, die besser passt. Sicherlich ist das auch von der Frage abhängig, wie „pflegeleicht“ Magyar sich zeigt.
Nicht zu unterschätzen
Keinesfalls überschätzen sollte man die zuvor genannten Politiker wie Röttgen oder Hofreiter. Sie spielen im großen Spiel nur kleine Rollen und erfüllen ihre Rolle als schimpfende Rohrspatzen mit Bravour. Zu melden haben sie nichts.
Das sieht man auch an ihren Forderungen nach dem EU-Ausschluss oder der Streichung von Geldern für Ungarn. Denn sollte es gelingen, in Ungarn eine „Farbrevolution“ zu initiieren, müssen weder Gelder gestrichen noch der Ausschluss aus der Europäischen Union in Angriff genommen werden. Im Falle Ungarns wäre ein viel größeres und effektiveres Ziel erreicht worden, sollte Orbán gestürzt werden. Das unbequeme Land mit seinem immer wieder querschießenden Präsidenten wäre auf Linie gebracht und somit das Maximalziel erreicht.
Victor Orbán hat in Ungarn mit knapp 50 Prozent zwar hohe Zustimmungswerte, nicht so gut wie Putin in Russland, aber weit entfernt von dem, was Politiker deutscher Regierungsparteien auch nur zu träumen wagen. Doch in Sicherheit wiegen sollte er sich besser nicht.
Denn beim Zerfraß anderer Länder gehen die USA mit großer Präzision und viel Geld vor. Dass es demnächst Ungarn treffen könnte, liegt nahe, da Orbán mit seinen Querschüssen immer wieder die EU verärgert. Péter Magyar könnte dabei die Rolle des nützlichen Idioten einnehmen und Orbán letztlich eben doch gefährlich werden, auch wenn das die Führungsriege in Ungarn vielleicht (noch) nicht wahrhaben will.
Quellen und Anmerkungen
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: Gints Ivuskans / Shutterstock.com
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