Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Amira Hass veröffentlichte am 4. Juni einen Meinungsartikel in Haaretz, in dem sie erklärte, dass Zerstörung, Hunger und Tod in Gaza Israels Niederlage seien. Sie reiht sich damit ein in die Menge jener Analysten, welche Israel ein ähnliches Schicksal voraussagen wie den Franzosen, welche auch, übrigens dank Folter, eine große Schlacht gegen die Unabhängigkeitsbewegung Algeriens gewannen, nur um dann den Befreiungskrieg, auch wegen der Unmenschlichkeit der kolonialen Kriegführung, zu verlieren. Vielsagend für die westliche Geschichtsschreibung ist, dass Wikipedia Widerstandskampf gegen die Tyrannei Frankreichs als „Terrorismus“ bezeichnet(1). Aber zurück zu Amira Hass.
Sie schreibt, dass der jüdische Staat besiegt wurde, weil seine Politiker und Beamten dafür sorgen, dass zwei Millionen dreihunderttausend Menschen hungern und verdursten müssen. Israel sei besiegt worden und werde immer noch besiegt, nicht wegen der Tatsache, dass zu Beginn des neunten Monats dieses Krieges die Hamas noch nicht gestürzt wurde. Sondern als Symbol der Niederlage stünde für immer die Tatsache, dass israelischen Führer, Kommandeure und Soldaten, Tausende von palästinensischen Zivilisten getötet und verwundet haben und im Gazastreifen eine noch nie dagewesene Zerstörung und Verwüstung anrichteten. Weil die israelische Luftwaffe wissentlich Gebäude bombardiert hat, in denen Kinder, Frauen und alte Menschen lebten. Weil die Menschen in Israel glaubten, dass es keinen anderen Weg gäbe. Weil ganze Familien ausgelöscht wurden.
Der jüdische Staat, so Hass weiter, sei besiegt worden, weil seine Politiker und Beamten dafür sorgten, dass sich in Gaza Hautkrankheiten und Darmentzündungen ausbreiten. Die einzige Demokratie im Dschungel sei mit überwältigender Mehrheit besiegt worden, weil ihre Armee Hunderttausende von Palästinensern vertreibe und dann in immer kleineren Gebieten konzentriert, die als sichere humanitäre Zonen bezeichnet werden, um sie dann dort zu bombardieren und zu beschießen. Weil Tausende von dauerhaft behinderten Menschen und Kindern ohne erwachsene Begleitung in diesen humanitären Zielgebieten eingepfercht sind und sehr leiden.
„Weil sich dort Müllberge auftürmen und die einzige Möglichkeit, sie zu entsorgen, darin besteht, sie in Brand zu stecken, wobei giftige Abgase freigesetzt werden. Weil in den Straßen Abwässer und Exkremente fließen und Massen von Fliegen die Augen versperren. Weil die Menschen nach Kriegsende in zerstörte Häuser voller nicht explodierter Munition zurückkehren werden, deren Boden mit giftigen Gefahrstoffen gesättigt ist. Weil Tausende von Menschen, wenn nicht noch mehr, an chronischen, lähmenden und tödlichen Krankheiten erkranken werden, die auf dieselbe Verschmutzung und diese giftigen Substanzen zurückzuführen sind.“(1)
Weiter führt sie aus, dass Israel den Krieg verlor, weil viele der engagierten und tapferen medizinischen Teams im Gazastreifen, Ärzte und Ärztinnen, Krankenschwestern und -pfleger, Krankenwagenfahrer und Sanitäter und ja, auch Menschen, die die Hamas unterstützten oder auf der Gehaltsliste ihrer Regierung standen, durch israelische Bomben oder Beschuss getötet wurden. Weil Kinder und Studenten wertvolle Studienjahre verloren haben. Weil Bücher und öffentliche und private Archive in Flammen aufgingen, wobei Manuskripte von Geschichten und Forschungsarbeiten für immer verloren gingen, ebenso wie Originalzeichnungen und Stickereien von Künstlern aus Gaza, die unter den Trümmern begraben oder beschädigt wurden. Außerdem könne man kann nicht erfassen, was der psychische Schaden, der Millionen von Menschen zugefügt wurde, noch bewirken wird.
Die Niederlage bestehe darin, dass ein Staat, der sich als Erbe der Opfer des von Nazideutschland verübten Völkermords sieht, in weniger als neun Monaten diese Hölle geschaffen hat, deren Ende noch nicht abzusehen ist. Man mag es Völkermord nennen oder nicht. Das strukturelle Versagen liege nicht in der Tatsache begründet, dass das G[enozid]-Wort in der durchschlagenden Petition Südafrikas beim Internationalen Gerichtshof an den Namen „Israel“ angehängt wurde. Das Versagen liege in der Weigerung der meisten israelischen Juden, auf die Alarmglocken in dieser Petition zu hören. Sie hätten den Krieg auch noch unterstützt, nachdem die Petition Ende Dezember eingereicht worden war, und zugelassen, dass die Warnung der Petition zu einer Prophezeiung, und dass die Zweifel angesichts der sich häufenden Beweise ausgeräumt wurden.
Die Niederlage liege bei den israelischen Universitäten, die Scharen von Juristen ausgebildet haben, die jede Bombe, die Kinder tötet, für verhältnismäßig halten. Sie seien es, die die militärischen Befehlshaber mit den Schutzwesten ausstatten, mit dem immer wiederkehrenden Klischee:
„Israel hält sich an das Völkerrecht und achtet darauf, keine Zivilisten zu verletzen“,
wenn der Befehl gegeben wird, eine Bevölkerung zu vertreiben und auf ein kleineres Gebiet zu konzentrieren.
„Die Konvois von Vertriebenen, zu Fuß, in Karren, auf mit Menschen und Matratzen überladenen Lastwagen, mit Rollstühlen, in denen alte Menschen oder Amputierte sitzen, sind ein Armutszeugnis für Israels Schulsystem, seine juristischen Fakultäten und Geschichtsfakultäten. Das Debakel ist auch ein Versagen der hebräischen Sprache. Vertreibung ist ‚Evakuierung‘. Ein tödlicher Militärangriff ist eine ‚Aktivität‘. Der Bombenteppich auf ganze Stadtteile ist ‚gute Arbeit unserer Soldaten‘.“ (1)
Die monolithische Natur Israels sei ein weiterer Grund und Beweis für die völlige Niederlage, und sie sei auch sinnbildlich dafür. Der größte Teil der jüdisch-israelischen Öffentlichkeit, einschließlich der Gegner des Lagers von Benjamin Netanjahu, sei von der Vorstellung eines magischen totalen Sieges als Antwort auf das Massaker vom 7. Oktober gefangen genommen, ohne irgendetwas aus vergangenen Kriegen im Allgemeinen und aus den Kriegen gegen die Palästinenser im Besonderen zu lernen.
Die Grausamkeiten der Hamas waren entsetzlich. Das Leid der Geiseln und ihrer Familien ist unbeschreiblich. Ja, die Verwandlung des Gazastreifens in ein riesiges, einsatzbereites Waffen- und Munitionsdepot nach israelischem Vorbild ist ärgerlich. Aber die Mehrheit der israelischen Juden ließen sich von ihrem Rachedurst blenden. Die mangelnde Bereitschaft, zuzuhören und zu wissen, um Fehler zu vermeiden, liege in der DNA des Debakels. Unsere allwissenden Kommandeure hätten nicht auf die Späherinnen gehört, aber vor allem hätten sie nicht auf die Palästinenser gehört, die seit Jahrzehnten davor gewarnt haben, dass es so nicht weitergehen kann.
Die Saat der Niederlage liege darin, dass die Gegner der Justizreform die grundlegende Tatsache ablehnten, dass Israel ohne ein Ende der Besatzung keine Chance habe, eine Demokratie zu sein, und dass die Urheber der Reform diejenigen seien, die danach streben, die Palästinenser zu „besiegen“. Das Scheitern sei damals, in den ersten Tagen nach dem 7. Oktober, verkündet worden, als jeder, der versuchte, auf die „Zusammenhänge“ hinzuweisen, als Verräter oder Unterstützer der Hamas verurteilt wurde.
„Die Verräter hätten sich als die wahren Patrioten entpuppt, aber das Debakel ist auch das unsere - das der Verräter. P.S. Das ist zwar nicht der Grund, aber es ist an der Zeit, dass diese Kolumne eine vorübergehende Pause einlegt.“(1)
Nun wird hier die Niederlage Israels als eine moralische und ethische gesehen, und die Erkenntnis darüber gipfelt in einem wenig Mut machenden Post Scriptum. Aber wir hatten von Mearsheimer und Scott Ritter bereits gehört, dass es auch andere Gründe gibt, warum Israel durch diesen zu offensichtlichen Völkermord nun in Zukunft verlieren wird. Nämlich einen klerikal ausgerichteten monoreligiösen Staat für jüdische Menschen. Denn ein solcher Staat ist nun in den Augen der Welt ein Staat der Völkermörder und wird nicht auf Dauer existieren können.
Und wie die deutschen Medien heucheln
Leider geht in Deutschland, trotz der Gerichtsverhandlungen, nun auch gegen Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord, das Decken der Medien der Politik weiter. Israels Armee tötet bei einem Angriff auf eine UN(!)-Schule im Flüchtlingslager Nuseirat im Norden Gazas, indem Kinder und ihre Eltern Zuflucht gesucht hatten, über 40 Menschen, darunter laut lokalen Krankenhäusern 14 Kinder und 9 Frauen. Wie stellt die Tagesschau dieses Kriegsverbrechen dar?
Sie bestreitet unabhängige Quellen und behauptet Israels Propaganda stehe denen entgegen, und man könne es nicht mit unabhängigen Quellen nachprüfen. Als ob die UNO Kriegspartei sei. Die Propaganda Israels, 30 Kämpfer hätten sich dort aufgehalten, wird sogar als Erstes genannt. Und die „medizinischen Kreise“, von denen die Tagesschau spricht, sind lokale Krankenhäuser und natürlich die UN. Die Krankenhäuser sind es, welche den Tod von Menschen in Gaza feststellen. Die Krankenhäuser sind unabhängige Quellen. Mit diesen Quellen Israels Armee-Aussagen, also Angaben des Täters zu vergleichen, ist ungeheuerlich.
Alles, was Israels Armee „sagt“, müsste von seriöser Presse als Propaganda gehandhabt werden. Selbst wenn nicht schon tausende von Lügen entlarvt worden wären. Einfach weil es die beschuldigte Partei ist und Kriegspartei. Was von dort kommt ist nicht wirklich zitierwürdig. Wenn es erwähnt wird, dann müsste klar gekennzeichnet werden, dass es Aussage einer Kriegspartei ist.
Aber die Tagesschau stellt eine Armee, die einen „plausiblen“ Völkermord begeht, und zivile Quellen und die UNO auf eine Stufe. Damit erklärt die Tagesschau mindestens indirekt alle Palästinenser und die UNO zur „Kriegspartei“. Außerdem vereinfacht die Tagesschau damit auch Israels Propagandakrieg, wonach Krankenhäuser (und andere zivile Ziele wie Schulen) in Gaza legitime Angriffsziele seien. Wären Journalisten für diesen Beitrag zuständig, müsste man von Vorsatz ausgehen. Auch ein späterer längerer Artikel am 3. Juni vertritt ganz offen die Seite Israels und versucht alles, um den Leser zu überzeugen, dass der Angriff rechtfertigt war. Obwohl keiner der angeblichen Kämpfer identifiziert wurde(6). Aber offenbar gilt für die Tagesschau-Macher, um den Begriff Journalisten zu vermeiden, immer noch:
Israel verteidigt sich nur
Aber wer immer noch glaubt, „Israel verteidigt sich nur“, dem empfehle ich eine Tirade vom Premierminister Benjamin Netanjahu vom 21. Mai. Ein Artikel von Jonathan Ofir in Mondoweiss klärt auf.
Er schreibt, dass die Nachricht vom Internationalen Strafgerichtshof eine Gelegenheit gewesen sei, erneut Anspielungen auf den biblischen Vernichtungskrieg gegen „Amalek“ zu machen. Es sei derselbe biblische Verweis gewesen, den Netanjahu am 28. Oktober in einer Erklärung zu Beginn der israelischen Bodeninvasion in Gaza anführte. „Erinnert euch daran, was Amalek euch angetan hat“, sagte er und zitierte den Bibelvers, in dem Gott den Israeliten befahl, das feindliche Volk der Amalekiter bis auf ihre Babys und Tiere auszurotten. Südafrika reichte Netanjahus Erklärung vor dem IGH als Beweis für Israels völkermörderische Absichten in Gaza ein.
Diesmal habe Netanjahu, ich möchte hinzufügen „trotzig“, dieselbe Referenz benutzt, um die Nation gegen ihre Feinde - zu denen nun offenbar auch der IGH gehört - aufzuwiegeln, indem er in der hebräischen Version seiner Tirade gegen den Gerichtshof eine verschlüsselte Nachricht verwende. Offenbar habe Netanjahu geglaubt, dass seine Anspielungen auf Amalek unter dem Radar verschwinden, wenn er sie etwas vager formuliert.
Die englische Version seiner Rede (2) sei ebenfalls „aus dem Ruder gelaufen“: Er habe den IStGH-Antrag eine „Blutverleumdung“ genannt und den Chefankläger des IStGH mit einem Nazi-Richter verglichen. Und hier endete die englische Version mit einer Beschwörung des Holocausts und der Behauptung, dass „nie wieder jetzt“ sei. Die hebräische Version sei jedoch ganz anders gewesen. Sie habe mit einem hebräischen Satz - „Netzah Israel lo yeshaker“ geendet - was so viel bedeutet wie „der Ewige Israels wird nicht lügen“. Diesen Satz habe er an „die Lügen in Den Haag“ gerichtet, wie er in der Erklärung sagte. Die Bedeutung dieses Satzes, so Hass, werde sich der breiten Öffentlichkeit nicht erschließen, da er auf belastete Codes sowohl in der biblischen als auch in der zionistischen Geschichte und Mythologie zurückgreife. Der Satz selbst stamme aus Samuel I, 15:29. Der Kontext ist hier alles.
„König Saul wurde vom Propheten Samuel ermahnt, weil er die Amalekiter nicht vollständig ausgerottet hatte - Saul hatte ihren König Agag und ‚die besten Schafe und Rinder‘ verschont, die die Israeliten ‚nicht vollständig vernichten wollten‘. Der Bibel zufolge war dieses Ausmaß der Vernichtung nicht ausreichend und zeigte die angebliche Schwäche von König Saul. Deshalb ermahnte der Prophet Samuel den biblischen König:
‚Der Herr hat dich zum König über Israel gesalbt. Und er hat dir einen Auftrag gegeben: 'Geh hin und vernichte dieses böse Volk, die Amalekiter, vollständig; führe Krieg gegen sie, bis du sie ausgerottet hast.' Warum hast du dem Herrn nicht gehorcht? Warum hast du dich auf die Beute gestürzt und Böses getan in den Augen des Herrn?‘“(3)
Der Artikel erklärt weiter, dass Saul versucht habe, sein Handeln zu verteidigen, aber Samuel habe eine unmissverständliche Botschaft ausgesprochen: „Du hast das Wort des Herrn verworfen, und der Herr hat dich als König über Israel verworfen!“ Saul bittet um Vergebung, doch Samuel verkündet die Botschaft ohne Reue: "Der Herr hat dir heute das Königreich Israel entrissen und es einem deiner Nachbarn gegeben - einem, der besser ist als du. Er, der Ewige Israels, wird nicht lügen und seine Meinung nicht ändern; denn er ist kein Mensch, dass er seine Meinung ändern könnte."
Mit diesem Satz habe Netanjahu seine hebräische Ansprache beendet, mit der er auf den Antrag des IStGH reagierte.
Mit anderen Worten, er sendet die Botschaft, dass er nicht denselben Fehler wie König Saul machen werde, indem er Amalek nicht vollständig ausrottet. Er wird im Gazastreifen bis zum Äußersten gehen. Er wird bis nach Rafah vordringen. Er wird die Saat der Amalekiter ausrotten", wie israelische Soldaten im Dezember skandierten.
Aber die Bedeutung dieses Verses liege nicht nur in seiner biblischen Bedeutung - er hat in der zionistischen Geschichte eine aktuelle Relevanz erlangt, da er ein Zeichen für den Widerstand gegen die Mächte der Welt ist. Israelis würden dies aus ihrem zionistischen Geschichtsunterricht kennen.
„‘Netzhah Israel lo yeshaker‘ bildet das Akronym ‚NILI‘. NILI war ein zionistischer Untergrund-Spionagering, der während des Ersten Weltkriegs zwischen 1915 und 1917 tätig war. Es handelte sich um eine nachrichtendienstliche Gruppe, die für die Briten gegen die Osmanen arbeitete, die zu dieser Zeit noch Palästina beherrschten. Das Bündnis der zionistischen Bewegung mit den Briten zu diesem kritischen historischen Zeitpunkt führte zur berüchtigten Balfour-Erklärung von 1917, die den Zionisten eine ‚nationale Heimstätte‘ in Palästina versprach.“(3)
Netanjahus Beschwörung ‚der Ewige Israels soll nicht lügen‘ sei nicht nur ein biblischer Verweis auf die Gefahren, die entstehen, wenn man bei der Vernichtung von Amalek (in diesem Fall die Palästinenser in Rafah und dem restlichen Gazastreifen) nicht bis zum Ende gehe, (in diesem Fall die Palästinenser, die in Rafah und dem restlichen Gazastreifen verbleiben) - es ist auch ein historischer Verweis auf den Widerstand der zionistischen Bewegung gegen eine Macht, wenn diese für die zionistische Sache ungünstig ist, mit dem Hinweis, dass sie auf die eine oder andere Weise ersetzt werden kann (so wie die Osmanen mit Hilfe von NILI durch die Briten ersetzt wurden).
Netanjahu sei ein Meister des politischen Überlebens, und er sei auch ein Meister der rhetorischen Manipulation. Er wisse, wie er zu seinem Publikum sprechen muss, wie er seine Codes versteckt und wie er emotionale Knöpfe drückt - vor allem bei seinen religiös-nationalistischen Anhängern, aber auch bei vielen anderen Zionisten. Vor allem aber habe er ein feines Gespür für das richtige Timing und verstehe es, die internationale Schande auszunutzen, um sich lokale Unterstützung zu verschaffen. Genau das scheine er jetzt zu tun, denn er genieße die Unterstützung seiner üblichen Kritiker und politischen Rivalen. Nichts eine die Nation so sehr wie der Krieg, und heute richte sich dieser Krieg offenbar gegen den Internationalen Strafgerichtshof.
Völkerrecht gilt nicht mehr
Aber der Völkermord in Gaza hat weltweite Bedeutung, weil er das Ende des Völkerrechts und der derzeitigen Weltordnung einläutet. Und zwar wird dies deutlich durch die Äußerung der USA, ein Votum des Internationalen Gerichtshofes nicht anzuerkennen, das ganze Gericht nicht anzuerkennen, und stattdessen per Gesetz Sanktionen gegen das Gericht zu verhängen. Der Gesetzentwurf wurde durch die Unterstützung aus beiden Parteien, darunter 42 der regierenden Democrat Party, angenommen.(4)
Wenn die USA Völkerrecht und Menschenrechte offiziell nicht mehr als Grundlage ihrer Politik ansehen, werden sie verwundert feststellen, dass andere genau das auch nicht mehr tun werden. Das erwartete Chaos vor der Neuordnung der Welt steht kurz bevor. Genau genommen haben die USA damit dem Rest der Welt klargemacht, dass sie der Weltdiktator sein wollen. Sie haben klar aufgezeigt, für den letzten auch in Deutschland, dass die so genannte "Regelbasierte Werteordnung" nichts mit Völkerrecht und Menschenrechten, sondern alleine mit dem Willen eines Hegemon zu tun hat.
Die zweite Front
Das Gefühl der Unangreifbarkeit und im Blutrausch von Gaza scheint sich die Regierung Israels in ein weiteres Massaker werfen zu wollen. Es schien am 5. Juni, dass Israel der Aufforderung der militärischen Führung folgte, und einen Krieg, den dritten, wenn man es genau nimmt, gegen den Libanon vorbereitet. Zumindest deutet die Einberufung von 50.000 Reservisten in den Norden des Landes darauf hin, ebenso, wie die zunehmende Bombardierung mit weißem Phosphor, dessen Nutzung eigentlich auf zivile Ziele geächtet ist. So berichtet Human Rights Watch am 5. Juni:
„Israels weit verbreiteter Einsatz von weißem Phosphor im Südlibanon gefährdet die Zivilbevölkerung und trägt zur Vertreibung von Zivilisten bei, so Human Rights Watch heute. Human Rights Watch hat den Einsatz von weißem Phosphor durch israelische Streitkräfte in mindestens 17 Gemeinden im Südlibanon seit Oktober 2023 bestätigt, darunter 5 Gemeinden, in denen unrechtmäßig Munition über bewohnten Wohngebieten eingesetzt wurde.
Weißer Phosphor ist eine chemische Substanz (…). Seine Brandwirkung führt zum Tod oder zu grausamen Verletzungen, die lebenslanges Leiden nach sich ziehen. Er kann Häuser, landwirtschaftliche Flächen und andere zivile Objekte in Brand setzen. Nach dem humanitären Völkerrecht ist der Einsatz von weißem Phosphor aus der Luft in bewohnten Gebieten rechtswidrig und wahllos und entspricht auch sonst nicht der gesetzlichen Vorschrift, alle erdenklichen Vorkehrungen zu treffen, um Schaden von der Zivilbevölkerung abzuwenden.“(5)
Human Rights Watch berichtet dann, wie die Nutzung der geächteten Munition überprüft worden war, darunter auch der Besuch bei zivilen Opfern.
Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums seien seit Oktober 2023 mindestens 173 Menschen durch den Einsatz von weißem Phosphor verletzt worden (Stand: 28. Mai). Selbst wenn die Opfer nicht direkt mit der Munition in Berührung kamen, also nicht verbrannt wurden, was Verbrennungen zweiten und dritten Grades bedeute, gebe es durch den Phosphorrauch akute Schäden an den oberen Atemwegen.
"Die Exposition gegenüber weißem Phosphorrauch kann zu akuten Schäden der oberen Atemwege führen, einschließlich Kurzatmigkeit, schneller Atmung und Husten, aber auch zu Spätfolgen wie chemischer Lungenentzündung, die einen Krankenhausaufenthalt und die Unterstützung der Atmung durch ein Gerät erforderlich machen kann.“ (5)
Israels weit verbreiteter Einsatz von weißem Phosphor im Südlibanon verdeutlicht die Notwendigkeit einer strengeren internationalen Gesetzgebung zu Brandwaffen, so Human Rights Watch. Was aber Israel wohl kaum von seinem Einsatz, ebenso wenig wie von Völkermord, abhalten wird.
Am Ende des Berichtes fordert HRW den Libanon auf, umgehend eine Erklärung beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) einzureichen, die es ermögliche, schwere internationale Verbrechen, die in den Zuständigkeitsbereich des Gerichtshofs fallen, ab Oktober 2023 auf libanesischem Gebiet zu untersuchen und zu verfolgen. Was leider vermutlich noch weniger Eindruck auf Israel und die USA machen wird, als ein Haftbefehl. Aber die Hisbollah ist vorbereitet und hat zum 10. Juni schon eine Reihe von Luftabwehrstellungen Israels zerstört. Mehr dazu nächste Woche.
Leider muss ich hier den heutigen Bericht beenden, auch wenn inzwischen noch viele Dinge passiert sind, die sie wissen sollten.
Hinweise und Quellen:
Der Autor twittert unter https://x.com/jochen_mitschka zu tagesaktuellen Themen.
(1) Die Zahl der Opfer des Krieges auf Seiten der muslimischen Algerier lag nach französischen Angaben bei 300.000, algerische Quellen gehen von einer Million aus. Neben den französischen Soldaten kamen etwa 10.000 Europäer bei Terrorakten ums Leben. Nach offiziellen Angaben starben 17.456 französische Soldaten, knapp 65.000 wurden verletzt, 1000 blieben vermisst. Die Aufständischen schätzten ihre Verluste auf 300.000 bis 1.000.000. 90 % der mehr als eine Million französischen Siedler verließen das Land. https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Algeriens#Opfer,_Flucht_und_Konsequenzen_des_Krieges
(4) https://x.com/Kahlissee/status/1798106586335924616
(5) https://www.hrw.org/news/2024/06/05/lebanon-israels-white-phosphorous-use-risks-civilian-harm
(6) https://www.tagesschau.de/ausland/asien/israel-gaza-angriff-schule-hamas-100.html
+++ Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags. +++ Bildquelle: Morphart Creation / shutterstock
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