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Diesmal geht es um einen rassistischen Film in den USA des Jahres 1915. Der Film hatte die Wiedergeburt des berüchtigten Ku Klux Klan als faschistischer Terrortruppe zur Folge. Der Film heißt „Birth of a Nation“, also: „Geburt einer Nation“ und der war ein sehr erfolgreicher Hollywood-Schinken. Der Film und seine Wirkungsgeschichte beweisen, dass man mit Filmen ganz massiv die Realität beeinflussen und verändern kann. Da dieser kulturelle Schandfleck aus dem kollektiven Gedächtnis getilgt wurde, holen wir ihn nun gerne wieder hervor, um der Forderung nach Vollständigkeit und Wahrhaftigkeit Genüge zu tun.
Also fangen wir an:
Der Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten von 1861-1865 sitzt den US-Bürgern heute noch in den Knochen. Der Civil War ist die nie verheilende Wunde. Nicht nur dass der Krieg mit äußerster Härte geführt wurde, wurmt die Menschen. Nach den Kampfhandlungen begann, aus der Sicht der Südstaatler, eine hemmungslose Enteignungswelle durch Nordstaatler und die politische Entmündigung.
Auch im Jahre 1915 sind die Wellen noch nicht geglättet. Um den Südstaatlern das Gefühl zu vermitteln, gleichwertige Bürger der USA zu sein, können und wollen die Eliten der Nordstaaten auf materieller Ebene nichts beitragen. Was man den Südstaatlern stattdessen bieten kann, ist eine Verständigung auf virtueller Ebene. Mit anderen Worten: eine Propagandaoffensive tut not. Wenn man positiv nichts Einigendes zu bieten hat, dann muss man sich auf einen gemeinsamen Feind einigen. Es wird folgender Deal angeboten: der Norden bekennt vor der ganzen Nation, dass er mit der Abschaffung der Sklaverei einen schweren Fehler begangen hat. Er entschuldigt sich vor dem Süden, bedauert die Schäden, die den Weißen im Süden durch eine Gleichberechtigung der „Neger“ entstanden ist, und gelobt Besserung.
Das Medium dieser – im Großen und Ganzen kostengünstigen – Hereinnahme der Südstaaten in die Volksgemeinschaft ist ein für damalige Zeiten außerordentlich aufwendiger und experimenteller Spielfilm: der dreistündige Monumentalschinken „The Birth of a Nation“. Regie führte David Wark Griffith, der später mit Charles Chaplin und Mary Pickford die Filmgesellschaft United Artists gründen sollte. „Birth of a Nation“ blieb bis 1937 der kommerziell erfolgreichste Kinofilm weltweit. Er fand unzählige Nachahmer.
„Birth of a Nation“ ist einer der infamsten Propagandafilme, die je veröffentlicht worden sind <1>.
Um seine Niedertracht beschreiben zu können, haben manche Filmkritiker Vergleiche zu Leni Riefenstahl-Filmen herzustellen versucht. Aber der Vergleich ist völlig unpassend. Denn die Infamie der Riefenstahl-Filme liegt gerade im Verschweigen von Grausamkeiten, die die Kehrseite der von ihr gezeigten Harmonie und Perfektion darstellen. Demgegenüber propagiert und verherrlicht „Birth of a Nation“ die Erniedrigung und Ermordung von Menschen, denen man das Menschsein abspricht. Damit steht „Birth of a Nation“ eher in einer Reihe mit dem 1940 produzierten Nazifilm „Jud Süß“ von Veit Harlan.
Der Film „Birth of a Nation“ kam am 8. Februar 1915 in die Kinos der USA. Aus Furcht vor Randale durfte der Film zunächst nicht in Chicago, im Bundesstaat Ohio, in Denver, Pittsburgh, San Louis, Kansas City und Minneapolis gezeigt werden. Das sind genau die Orte, in denen es zuvor bereits ganz real zu Pogromen gegen ethnische Minderheiten gekommen war. In Lafayette/Indiana brachte ein weißer Kinobesucher von „Birth of a Nation“ den nächsten Schwarzen um, der ihm auf der Straße begegnete. Bis auf die Organisationen der Afroamerikaner empfand niemand in den USA diesen Film als anstößig. Präsident Woodrow Wilson soll stattdessen begeistert gewesen sein.
Und weil „Birth of a Nation“ so tiefgreifende Folgen zeitigte; weil dieser menschenverachtende Propagandastreifen so nachhaltig mithalf, die Position der Afroamerikaner als Bürger und Menschen zweiter Klasse in den USA bis in die Mitte der Sechziger Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts festzuschreiben; darum schauen wir uns diesen Schinken etwas genauer an. Der Film spielt in der Zeit vor, in und nach dem amerikanischen Bürgerkrieg.
Im Mittelpunkt der Handlung stehen zwei Familien: die Familie Stoneman aus Washington und die Familie Cameron aus einer Kleinstadt in den Südstaaten. Zunächst also der „vorher“-Effekt: vor dem Bürgerkrieg besuchen die drei Söhne des Senators Austin Stoneman die Familie Cameron. Die puppenartigen Akteure scherzen und posieren herum, wie es in Stummfilmen üblich ist. Gemeinsam besichtigt man die glücklichen Negersklaven aus dem Privatbesitz der Camerons. Die sind natürlich sehr erfreut, ihre Master zu sehen, und diese kreatürlichen Äffchen führen auch gleich einen ihrer typischen Tänze auf. Es bahnen sich währenddessen schon Liebesaffären in Nord-Süd-Achse zwischen Camerons und Stonemans an.
Es könnte ja alles so schön sein, wenn nicht der böse Senator Austin Stoneman sich in den Kopf gesetzt hätte, in „Negern“ Menschen zu sehen, und ihnen sogar in den harmonischen Südstaaten gleiche Rechte wie allen anderen Bürgern erkämpfen zu wollen. Stoneman ist natürlich ein eitler Fatzke, dem die Perücke immer wegrutscht, wenn er sich ereifert – und er ereifert sich oft – um die Perücke dann wieder affektiert zurechtzurücken. Natürlich hat Stoneman kein Eheweib mehr. Dafür steht er unter dem Pantoffel einer mulattischen Haushälterin, die durch das Schlüsselloch beobachtet, ob Stoneman auch alles so macht, wie sie es haben will. Sein engster Assistent ist der Mulatte Silas Lynch. Die „Mulatten“ und „Neger“ mit zentralen Rollen im Film sind übrigens schwarz angemalte Weiße, in Minstrel-Manier.
Bürgerkrieg. Sexualangst-Motiv, wie so oft. Die wehrlosen Cameron-Frauen verstecken sich vor dem Ansturm einer Schwarzen-Miliz. In letzter Sekunde verjagen Conföderierte, also Soldaten der Südstaaten, die untermenschlichen Frauenschänder in spe. Während dessen wird Ben Cameron, der tapfere aber verwundete Little Colonel, in einem Nordstaaten-Hospital von Stonemans Tochter Elsie, die freiwillig als Krankenschwester dient, aufopferungsvoll versorgt. Und Ben zeigt ihr ein Medaillon, das er an der Halskette trägt: es zeigt ihr Konterfei! Die Liebe ist natürlich sofort beiderseits.
Präsident Lincoln tritt auch auf. Er unterschreibt ein Gnadendekret für Ben Cameron, auf Bitten von Mama Cameron und Elsie Stoneman, die das Treffen eingefädelt hat. Dann wird Lincoln im Theater erschossen. Große Trauer auch bei den Camerons: „Ein großer Beschützer ist von uns gegangen!“ Und in der Tat: jetzt hat Austin Stoneman in Washington das Sagen!
Und dann: Teil Zwei des Historienschinkens. Zum Einstimmen gleich als Untertitel ein Wort des amtierenden Präsidenten der USA:
„Die weißen Männer waren erweckt durch den reinen Instinkt der Selbsterhaltung ... bis schließlich ein großartiger Ku Klux Klan ins Leben gerufen wurde, ein wahrhaftiges Reich des Südens, um das Land des Südens zu beschützen.“
Dem Untertitel entnimmt man, dass diese Weisheit ein Zitat aus dem Buch „Geschichte des amerikanischen Volkes“ des Geschichtsprofessors Woodrow Wilson ist. Und der ist jetzt Präsident. Man kann also dem Spannungsablauf mit präsidentiellem Segen entgegenfiebern. Und weiter wird der Kinozuschauer von dem weisen Professor-Präsidenten belehrt:
„Die Politik der Kongressführer erzwang ... einen wahren Umsturz der Zivilisation im Süden ... in ihrer Entschlossenheit, den ‚weißen Süden unter die Stiefelabsätze des schwarzen Südens’ zu zwingen ... Abenteurer schwärmten aus dem Norden, gleichermaßen Feinde der einen wie der anderen Rasse, um die Neger zu streicheln, zu betören und zu benutzen ... In den Dörfern übten nun die Neger die Ämter aus, Männer, die nichts mit den Amtsbefugnissen anzufangen wussten, außer sie für Unverschämtheiten zu missbrauchen.“ Woodrow Wilson
Und nun sehen wir mit eigenen Augen, was die Worte des weisen Präsidenten-Professors in der Praxis der Reconstruction-Periode bedeuteten. Die Reconstruction-Periode meint jene Zeit nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs, in der der nunmehr unterworfene Süden mit Geld aus den Nordstaaten wieder aufgebaut wurde. Und in dieser Zeit sehen wir jetzt diesen uns schon bekannten eitlen aufgeblasenen Senator Stoneman, umringt von unterwürfigen Senatorenkollegen, die erstmal genötigt werden, dem minderwertigen Mulatten Silas Lynch die Hand zu geben und mit ihm von gleich zu gleich zu parlieren. Die mulattische Haushälterin hinter dem Schlüsselloch führt Veitstänze vor Freude auf. Untertitel: „Der ungekrönte König“. Das ist Stoneman. Nächster Untertitel: „Das Haus der Exekutive ist übergegangen vom Weißen Haus zu diesem seltsamen Haus auf dem Capitolhügel.“ Soll heißen: regieren tun jetzt die Parlamentarier, und nicht Präsident Johnson. Und über Stoneman: „Der große Radikale verkündet sein Edikt, dass die Schwarzen zu voller Gleichheit mit den Weißen erhoben werden sollen.“
Und während wir noch vor Empörung schäumen, dass den Schwarzen Menschenrechte zugesprochen wurden, müssen wir schon wieder mit ansehen, wie in der Heimatstadt der gequälten Camerons Stonemans Stoßtruppen die schwarzen Sklaven zwingen, ihre heißgeliebte Sklavenarbeit aufzugeben. Und dann dürfen „Neger“ sogar auf demselben Bürgersteig spazieren wie die Weißen! Gewählt wird auch wieder, aber die schwarzen Wahlhelfer verjagen die tapferen Weißen, die wählen wollen. Und wir werfen einen Blick in das neugewählte Parlament. Da flegeln „Neger“ als Abgeordnete herum, Füße auf den Tischen des ehrwürdigen Hauses, und packen ihre Klappstullen aus. Selbst dem schwarzen Parlamentspräsidenten wird das zu viel, und er ermahnt die geborenen Faulpelze, jetzt endlich an die Parlamentsarbeit zu gehen. Ben Cameron ist wieder zuhause, und als ihm Silas Lynch die Hand geben will, verschränkt Ben die Arme vor der Brust und schaut stolz an dem Mulatten vorbei.
Sexualangst, die Zweite. Flora Cameron flieht vor einem lausigen „Neger“, der sie vergewaltigen will, bis in den Wald. Weit aufgerissener Mund. Expressionistische Gesten. Der Schrei. Um der Schande der Vergewaltigung zu entgehen, stürzt sich Flora vom Felsen. Ben hatte den Braten gerochen, war zu Hilfe geeilt, kann aber nur noch ihre dekorativen Trümmer beklagen. Untertitel:
„Um sie, die die harte Lektion der Ehre erfahren hat, sollten wir nicht trauern, dass sie süßer fand die opalverzierten Tore des Todes.“
Für Ben steht jetzt fest, während er auf einem Felsen dumpf brütet und auf das schöne, nun herrenlose Land schaut: der Ku Klux Klan muss gegründet werden! Und da sieht er, wie zwei weiße Kindlein spielen. Als sie Negerkindlein sehen, stülpen sie sich weiße Laken über den Kopf und schlagen die dummen Negerkindlein in die Flucht, die meinen, Geister gesehen zu haben. Ben weiß: das ist es! Das ist unsere neue Kluft für nächtliche Auftritte.
Nun geht alles ganz schnell. In einem Initiationsritual wird Rache für Flora gelobt, und dann geht’s los, dem bösen „Neger“ ein „fair trial“, einen fairen Prozess, zu besorgen. Erst kloppt ein Weißer in einer Kneipe nach Westernmanier alle dort herumlümmelnden „Neger“ K.O., um dann doch von so einem hinterlistigen Schwarzen hinterrücks erschossen zu werden. Aber Ben und seine Mannen packen den gescheiterten Flora-Vergewaltiger, machen ihm nachts den Prozess. Dann scheint eine Sequenz herausgeschnitten worden zu sein <2>. In der nächsten Szene nämlich wird bereits der leblose Körper des Verurteilten vor die Tür des Quartiers von Silas Lynch geworfen.
Nun geht es hoch her im Ort. Die Camerons, mit Ausnahme von Ben, verkrümeln sich in eine einsame Hütte. Dort leben zwei Kriegsveteranen, die im Bürgerkrieg aufseiten der Nordstaaten gekämpft haben. Die nehmen sofort warmherzig die Camerons auf und wollen nun alle gemeinsam die herannahenden Angreifer abwehren, oder gemeinsam sterben. Untertitel:
„Die ehemaligen Feinde aus dem Norden und dem Süden wieder vereint in der gemeinsamen Verteidigung ihres arischen Geburtsrechts.“ <Birth, 2:33:37>
Es kommt zu einer aberwitzigen Endschlacht, wobei in Kreuzschnitt die bösen „Neger“banden ihr Unwesen treiben, und den Camerons und ihren nordstaatlichen Beschützern ans Leben wollen, und die heranreitenden Ku Klu Klan-Truppen gezeigt werden. Eine technische Neuerung der Filmkunst, lange vor Eisenstein. Natürlich behaupten die Guten ihr arisches Geburtsrecht. Die bösen Nichtarier sind niedergerungen. In einem Parallelstrang wollte derweil der Mulatte Silas Lynch die Senatorentochter Elsie Stoneman zur Heirat mit ihm zwingen, und auch der unvermutet herbeigeeilte Senator kann ihn nicht aufhalten. Alle atmen erleichtert auf, als der Ku Klux Klan auch Elsie und ihren Papa aus den Klauen der Bestien befreien. Na, da wird der aufgeblasene Senator wohl in Zukunft ganz klein mit Hut sein!
Endlich ist alles wie früher. Als nun wieder Wahltag ist, kriechen die „Neger“ aus ihren Hütten, um ihr Wahlrecht wahrzunehmen. Aber gottlob! Da kommen schon die Ku Klux Klan-Recken hoch zu Ross wie Jung-Siegfried und bleiben bedrohlich vor den Untermenschen stehen. Die trollen sich gebückt und kriecherisch, wie dreißig Jahre später die Juden in Goebbels Propagandafilmen, in ihre Erdlöcher zurück.
Großes Finale. Zunächst tummeln sich Gestalten um das Götzenbild des Kriegsgottes. Dann aber erscheint Jesus, und alle Menschen mit arischem Geburtsrecht fallen sich in die Arme. Untertitel:
„Freiheit und Einheit, eine Einheit und untrennbar, jetzt und für immer!“
Nun noch einige unerlässliche Zusatzinformationen zum Film.
Der Film hat als Grundlage seiner Handlung den Roman von Thomas Dixon „The Clansmen“. Dixon hat in seinem Leben als Prediger, Schauspieler, Jurist, Politiker und Schriftsteller gearbeitet. Bei seinem Studium an der Johns Hopkins Universität hatte sich Dixon mit Woodrow Wilson angefreundet. „The Clansmen“ ist der mittlere Teil einer Romantrilogie über die Südstaaten. Eine weitere Romantrilogie war dem Kampf gegen den Sozialismus gewidmet. Aber erst die Tantiemen für den Film machten Dixon reich.
Der Senator Stoneman ist nachgebildet dem real exixtierenden Senator Thaddeus Stevens, der im 19. Jahrhundert energisch und kompromißlos – und als einziger Senator – für die Gleichberechtigung der Schwarzen gekämpft hat. Ungefähr zeitgleich mit dem Film „Birth of a Nation“ begann ein Umdenken in der US-amerikanischen Historikerzunft. Der Historiker William Archibald Dunning von der New Yorker Columbia-Universität erklärte, dass der Ausgang des Bürgerkrieges und die Ergebnisse der Reconstruction-Periode eine schwere Fehlentwicklung bedeuteten. Besonders Senator Stevens wurde nunmehr als Negativgestalt herausgestellt. Stevens habe dem Kongress gegenüber dem Präsidenten viel zu viel Macht abgetrotzt. Die von Stevens erkämpften Bürgerrechte der Schwarzen in den Südstaaten seien eine verhängnisvolle Fehlentwicklung gewesen. „Neger“ dürften nach Dunnings Meinung nicht wählen und auch keine Waffen tragen. Sie sind, so verkündete der Historiker ex Kathedra, von Geburt an unfähig zur Selbstverwaltung.
Sehr nachdrücklich wird in „Birth of a Nation“ auf Daniel Webster als besonders vorbildliche Persönlichkeit hingewiesen. Daniel Webster war Mitte des 19. Jahrhunderts Kongressabgeordneter und Außenminister in Washington. In einer Rede vom 7. März 1850 macht Webster klar: Sklaverei ist kein Skandal, sondern schlicht eine historische Realität. Auch im alten Griechenland war Sklaverei gang und gäbe. Trotzdem wird niemand leugnen wollen, dass in Athen eine Demokratie herrschte. So verhält es sich auch mit den USA. Farbige sind keine Bürger der USA. Für sie hat die Verfassung keine Gültigkeit. Abolitionisten, also Leute, die Sklaverei verbieten wollen, zerstören damit nur die Einheit der Nation. Daniel Webster ist Schutzpatron der US-Handelskammer. Ein U-Boot trägt ihm zu Ehren den Namen „USS Daniel Webster“.
„Birth of a Nation“ ist ein extrem aufwendiger Historienfilm. In Vogelperspektive übersieht der Zuschauer Ebenen und Täler, in denen mit tausenden von Komparsen historische Schlachten nachgespielt werden. Die Militärakademie West Point half mit bei der Erstellung dieser Szenen durch fachliche Beratung, zeitgenössisches Kriegsgerät und vermutlich auch durch Komparsen. Die Kriegsszenen sind deutlich ausgedehnter, als es die Dramaturgie eigentlich erfordert. Offenkundig wird hier schon ein bisschen Werbung für das Heer gemacht, und das, obwohl kriegerische Handlungen zwischen weißen Herrenmenschen aus dem Süden und dem Norden von der Filmlogik her ein bedauerlicher Betriebsunfall gewesen sind.
„Birth of a Nation“ erfindet den Ku Klux Klan völlig neu. Der echte Ku Klux Klan war ja eine dezentrale Geheimorganisation, die sich gegen die Besatzung durch die Nordstaaten und die Verfassung der Nord-Union wandte. Nachts wurden heimlich in kleinen Gruppen aus dem Hinterhalt Überfälle auf Schwarze gestartet. Nach vollbrachter Tat verschwanden die Ku Klux Klan-Männer wieder im Unterholz. Der Griffith-Film zeigt nun Truppen, die quasi in offener Feldschlacht Boden für die gesamte arische Rasse zurückerobern. Dieser fiktive Ku Klu Klan überschreitet die Nord-Süd-Grenzen und ist kompatibel für die gesamte USA.
Rein zufällig gründet sich wenige Monate nach der Veröffentlichung des Films „Birth of a Nation“ ein völlig neuer Ku Klux Klan, der in seinem Selbstverständnis vollkommen der Linie im Film entspricht. Eingeschworen auf die Verfassung der – unionistischen – USA und offen für alle weißen angelsächsischen Protestanten. Diese neue synthetische Ku Klux Klan-Verkörperung soll bald eine wichtige Funktion in der Disziplinierung der Bevölkerung für die Kriegsziele der Wilson-Regierung übernehmen. Der Ku Klux Klan wurde zusammen mit der paramilitärischen Schocktruppe American Legion sowie später den Silver Shirts zum Vorbild für die SA der deutschen Nazis. Der Kinofilm „Birth of a Nation“ schuf handfeste Fakten, die bis heute, siehe Asow-Bataillon in der Ukraine, immer noch die Menschheit beschäftigen.
Wir lernen aus der Geschichte, wie wir die Zukunft besser machen.
Quellen und Anmerkungen
<1> Der Film kann fast zur Gänze im Internet angesehen werden unter: https://www.youtube.com/watch?v=GgRnoHlzfq0
<2> Für die Annahme, dass aus der Videoeinspielung eine Szene herausgeschnitten worden ist, in der der „Neger“ aufgehängt wird, spricht die Tatsache, dass im Internet ein Szenefoto kursiert, in welchen besagtem „Neger“ ein Strick um den Hals gelegt wird. Diese Sequenz findet sich im Videostream nicht. Im Vergleich mit dem NS-Film Jud Süß 25 Jahre später bestehen erstaunliche motivische Übereinstimmungen. Auch in Jud Süß ist der Umkehrpunkt der Handlung die Vergewaltigung (in diesem Fall tatsächlich vollzogen) einer „arischen“ Frau (Kristina Söderbaum als Dorothea) durch einen Menschen „niederer Rasse“ (Ferdinand Marian als Jud Süß). Auch hier besteht die Strafe in der öffentlichen Hängung des Rassenschänders. Im Gegensatz zu Birth of a Nation wird in Jud Süß der Feldzug gegen die „minderwertige Rasse“ allerdings nicht mehr inszeniert.
Bildquellen:
https://commons.wikimedia.org https://www.booklooker.de/B%C3%BCcher/Thomas-Dixon+The-Clansman/id/A02ypAm301ZZT
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