Enthüllungen von Menschenverachtung im Kalten Krieg
Ein Meinungsbeitrag von Sabiene Jahn.
Ein flüchtiger Blick auf einen Screenshot, gepostet vom US-Journalisten Benjamin Norton am 21. März 2025 auf X, genügt, um nicht nur meine Welt in Aufruhr zu versetzen. Die neu veröffentlichten JFK-Akten – 80.000 Seiten geheimer Dokumente – enthüllen erschütternde Details über die CIA: Norton postet Nachweise in den Akten für ein Gift im Zucker für die Sowjetunion und erinnert an Nazis, die in der DDR Kühe vergifteten und Seife ins Milchpulver für Schulkinder in Ost-Berlin mixten. Doch das ist nur die Spitze eines Eisbergs aus Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von Kuba über Ostdeutschland bis hin zu anderen Ländern reichen. Diese Enthüllungen, gepaart mit historischen Forschungen und aktuelleren Erkenntnissen – etwa über Biolabore in der Ukraine – zeichnen ein Bild von skrupelloser Macht und Abartigkeit, die Fragen aufwerfen und Annahmen bestätigen. Wie tief reicht der Abgrund der CIA, und was bedeutet das für unsere Welt im Jahr 2025?
Die JFK-Akten: Ein Tor zur dunklen Geschichte
Die Veröffentlichung der JFK-Akten am 19. März 2025 unter dem „JFK Records Act“ ist ein historischer Moment. Donald Trump hat die Freigabe der JFK-Akten maßgeblich vorangetrieben, ein Prozess, der tief in der US-amerikanischen Geschichte und Politik verwurzelt ist. Die Grundlage dafür bildet der „President John F. Kennedy Assassination Records Collection Act“ von 1992, der vorschreibt, dass alle Dokumente zum Attentat auf John F. Kennedy bis spätestens 25 Jahre nach Verabschiedung des Gesetzes – also bis 2017 – freigegeben werden mussten, es sei denn, es gibt zwingende Gründe für eine Verzögerung, wie etwa nationale Sicherheitsbedenken. Trump hat diesen Prozess während seiner ersten Präsidentschaft aktiv unterstützt, was sowohl politische als auch persönliche Motive hatte.
Trump kündigte am 21. Oktober 2017 an, die verbliebenen JFK-Akten freizugeben, und setzte dies am 26. Oktober 2017 teilweise um, indem er die Veröffentlichung von etwa 2.800 Dokumenten genehmigte. Allerdings wurden auf Druck von CIA und FBI einige Dokumente zurückgehalten, da diese Behörden um eine Fristverlängerung baten, um sensible Informationen zu prüfen. Trump genehmigte eine Frist von 180 Tagen für die Überprüfung, was die vollständige Freigabe verzögerte. In einer Erklärung betonte er:
„Ich habe keine andere Wahl, als weitere Zurückhaltungen zu akzeptieren, anstatt die nationale Sicherheit zu gefährden.“
Dennoch betonte er sein Ziel, „so viel wie möglich“ freizugeben, und setzte den Prozess fort. Am 26. April 2018 wurden weitere 19.000 Dokumente veröffentlicht, allerdings mit Schwärzungen. Bis 2021 waren etwa 15.000 Dokumente noch teilweise oder vollständig zurückgehalten, oft mit der Begründung, dass sie Quellen und Methoden der Geheimdienste gefährden könnten.
Die neuesten Veröffentlichungen, die am 19. März 2025 stattfanden, umfassen 80.000 Seiten und schließen die letzten noch verbleibenden Dokumente ein, die unter Trump freigegeben wurden. Diese Akten enthüllen unter anderem schockierende Details über CIA-Operationen.
Giftstoffe und Sabotage: Kuba und Ostdeutschland im Visier
Historiker Peter Kornbluh vom National Security Archive beschreibt sie als Beweis für CIA-Operationen, die „Wahlen manipulierten, Wirtschaften sabotierten und Regierungen stürzten“ – alles „in unserem Namen, aber ohne unser Wissen“. Besonders alarmierend sind die Pläne für biologische Kriegsführung gegen Kuba. Ein Memo der Joint Chiefs of Staff vom 30. Oktober 1964 für Projekt SQUARE DANCE schlug vor, die Zuckerproduktion mit Bunga (Aeginetia Indica) um 30 Prozent zu senken und innerhalb von 3 bis 6 Jahren zu ruinieren, während Maul- und Klauenseuche unter Zugtieren verbreitet werden sollte. Kongressmitarbeiter Loch Johnson nannte dies „moralisch und rechtlich verwerflich“, da es die Zivilbevölkerung in eine Hungersnot gestürzt hätte.
Ein weiteres Dokument enthüllt die Kontamination von 800 Säcken kubanischen Zuckers im August 1962, der für die UdSSR bestimmt war. Mit einer Chemikalie, die den Geschmack verdarb, wurden 80.000 Säcke ungenießbar, was Verluste von 350.000 bis 400.000 Dollar und eine Handelsstörung verursachte. Ben Norton und die Washington Post bestätigen dies als Teil der CIA-Strategie, die sowjetisch-kubanische Allianz zu schwächen. In Ostdeutschland unterstützte die CIA die „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ (KgU), die 7.000 Kühe vergiftete, indem sie Gift in die Wachsbeschichtung von Ballendrähten mischte, und Seife in Milchpulver für Schulkinder in Ost-Berlin einarbeitete. Historiker Enrico Heitzer beschreibt dies als Teil einer CIA-gesteuerten Kampagne ab 1950, die die DDR-Wirtschaft und -Gesundheit treffen sollte.
Nazis und Stay-behind: Werkzeuge und dunkle Allianzen
Die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit wurde 1948 in West-Berlin gegründet und war ein komplexes Instrument der CIA. Mit etwa 500 Agenten in der DDR und über 600 V-Leuten auf ihrem Höhepunkt 1952 wurde sie ab 1951 fast vollständig von der CIA finanziert. Heitzer erklärt:
„Die CIA übernahm die Kontrolle nach der ‚Liberation Policy‘, die nach dem Korea-Krieg aggressiver wurde.“
Neben physischer Sabotage – Brandsätze, Säuren gegen Maschinen, Sand in Lagern – setzte die KgU auf „administrative Störungen“. 1955 verschickte sie 18.194 „Störbriefe“ mit gefälschten Dienstanweisungen, von denen das Ministerium für Staatssicherheit offenbar nur 3.000 erkannte. John Bross von der CIA lobte dies als „wirksamstes Instrument“ gegen die DDR. Doch dilettantische Pannen prägten ebenso das Bild: Ein V-Mann-Führer wurde von einer DDR-Agentin mit Rotwein betäubt und verlor seine komplette Kontaktliste von Spitzeln.
Die KgU war tief mit ehemaligen Nazis verwoben. Heitzer betont: „In den Anfangsjahren dominierten NS-Geheimdienstler wie Josef Didinger, ein Gestapo-Mann, der Flüchtlinge für Spionage zurückschickte.“ In geheimen Bereichen waren solche Figuren überrepräsentiert, während öffentlich Männer wie Ernst Tillich (ein Überlebender des KZ Sachsenhausen) das Image prägten. Gleichzeitig plante die KgU eine Untergrundarmee für den „X-Tag“. 1951/52 wurden Funkgeräte beschafft und Unterstände gebaut, etwa in Niederbarnim, doch viele Mitglieder wurden verhaftet und hingerichtet. Bis 1957 prüfte die CIA das „Stay-behind-Potenzial“. William Blum dokumentiert in seinem Buch „Killing Hope“, wie die CIA solche Netzwerke nutzte, oft mit ehemaligen Nazis als Werkzeugen.
Globale Angriffe: Von Vietnam bis Lateinamerika
In Thüringen hatte die KgU ein eigenes Netzwerk mit einem V-Mann-Führer und einer Kontaktstelle in Rodach. Aktivisten wie der Reichsbahninspektor „Hauke“ oder der Rechtspflegeanwärter „A 1“ sammelten Daten, während Schüler Flugblätter verteilten. 1955 verriet V-Mann-Führer Rupprecht Wagner 40 Thüringer Kontakte an die Stasi; Gerhard Benkowitz und Hans-Dietrich Kogel wurden in Schauprozessen hingerichtet. Insgesamt wurden etwa 1.100 KgU-Mitglieder in der DDR verhaftet, mindestens 126 hingerichtet.
Die CIA beschränkte sich nicht auf Kuba und Ostdeutschland. In Vietnam unterstützte sie während des Krieges die Operation Phoenix (1965–1972), bei der laut dem Pentagon bis zu 26.000 Zivilisten als vermeintliche Vietcong-Sympathisanten getötet wurden. Douglas Valentine dokumentiert in „The Phoenix Program“, wie Folter und Massaker Teil dieser Strategie waren. In Guatemala orchestrierte die CIA 1954 den Sturz von Jacobo Árbenz, was einen Bürgerkrieg auslöste, der 200.000 Todesopfer forderte, viele davon Indigene. Die „New York Times“ enthüllte 1999 CIA-Dokumente, die Mordlisten bestätigten. In Chile unterstützte die CIA den Putsch gegen Salvador Allende 1973, gefolgt von Pinochets Regime mit Tausenden Toten und Verschwundenen, wie die „Guardian“-Berichte zeigen.
Biolabore in der Ukraine: Echo der Vergangenheit?
Die Vergangenheit wirft Schatten auf die Gegenwart. Am 8. März 2022 bestätigte Victoria Nuland, damals US-Unterstaatssekretärin, vor dem Senat die Existenz von „biologischen Forschungseinrichtungen“ in der Ukraine, die nicht in russische Hände fallen sollten. Russland behauptet, etwa 40 solcher Labore entdeckt zu haben, finanziert vom US-Verteidigungsministerium. Ein Bericht der russischen Nachrichtenagentur TASS vom 2023 nennt konkrete Standorte wie Kiew und Charkiw, mit Beweisen für Forschung an Krankheitserregern wie Milzbrand. Während die USA dies als „Desinformation“ abtun und von „zivilen Gesundheitsprojekten“ sprechen, wird die Plausibilität durchsichtiger. Experten wie Jeffrey Kaye verweisen auf historische CIA-Programme wie MKUltra und die JFK-Pläne, die biologische Kriegsführung belegen, und sehen Parallelen. Dies nährt selbstverständlich weitere Spekulationen, ob und in welcher Weise die CIA auch heute noch gegen die Russische Föderation derartige Methoden einsetzt.
Ein neuer Kalter Krieg im Visier: Menschenverachtung ohne Grenzen
Die CIA-Geschichte ist eine Chronik der Skrupellosigkeit. In Kuba plante sie, die Lebensgrundlage der Bevölkerung zu zerstören, in der DDR trafen vergiftete Kühe und kontaminiertes Milchpulver Kinder und Bauern. In Vietnam, Guatemala und Chile hinterließ sie Leichenberge und Traumata. Die JFK-Akten enthüllen Operation Mongoose mit Giftattentaten gegen Castro und Pläne gegen Rafael Trujillo in der Dominikanischen Republik (1961), wie „Al Jazeera“ berichtet. Diese Muster – Sabotage, Mord, Chaos – zeigen eine Agentur, die Zivilisten als Kollateralschaden akzeptierte. Die Enthüllungen zwingen uns, die Gegenwart zu hinterfragen.
Die Enthüllungen aus den JFK-Akten und Heitzers Forschung werfen Fragen auf: Brauchen wir einen neuen Kalten Krieg, weitere solcher menschenverachtenden Methoden? Die CIA zielte auf Zivilisten – mit Gift, Sabotage und Chaos – und hinterließ Leid und Tod. Heute, angesichts der Spannungen mit Russland, bleibt unklar, ob ähnliche Taktiken im Verborgenen weiterleben. Die Skrupellosigkeit der CIA ist und bleibt alarmierend. Brauchen wir überhaupt eine Welt, in der Geheimdienste erneut solche Grenzen überschreiten und die Bandbreite bestialischen und tausendfachen Tötens von Menschen „nur“ noch ergänzen? Die globale Reichweite der CIA mahnen zur Wachsamkeit. Wenn Russland heute im Fokus steht, müssen wir fragen: Wiederholen sich die Abgründe der Geschichte?
Quellen und Anmerkungen
(1) US-Journalist Benjamin Norton: X-Post vom 21. März 2025 mit Screenshot eines JFK-Dokuments: https://x.com/BenjaminNorton/status/1902872474729189751
(2) JFK Assassination Records: National Archives, https://www.archives.gov/research/jfk/release-2023, insbesondere Memo vom 30. Oktober 1964, Projekt SQUARE DANCE, https://www.archives.gov/files/research/jfk/releases/2018/docid-32423484.pdf#page=179.
(3) Washington Post: „See the unredacted details from the JFK files“, https://www.washingtonpost.com/investigations/interactive/2025/jfk-files-assassination-documents/.
(4) RT: „JFK files: CIA contaminated sugar destined for USSR“, https://www.washingtonpost.com/investigations/interactive/2025/jfk-files-assassination-documents/
(5) Democracy Now!: „Declassified JFK Assassination Files Expose CIA Operations“, Interview mit Peter Kornbluh, https://www.democracynow.org/2025/3/21/cia_secrets.
(6) WhoWhatWhy: „JFK Files Reveal US Biological Warfare Plans Against Cuba“, https://whowhatwhy.org/politics/government-integrity/jfk-files-reveal-us-biological-warfare-plans-against-cuba/.
(7) Enrico Heitzer: Interview mit MDR Thüringen: https://web.archive.org/web/20150929144910/http://www.mdr.de/thueringen/thueringer-zeitgeschichte/interview-kgu-enrico-heitzer100_page-2_zc-ad1768d3.html.
(8) Heitzer, Enrico: Die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU), Böhlau Verlag, 2015.
(9) William Blum: Killing Hope: U.S. Military and CIA Interventions Since World War II, Kapitel „Germany 1950s“, https://archive.org/details/fp_Killing_Hope-US_Military_and_CIA_Interventions_Since_WWII-William_Blum.
(10) Wikipedia: „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“, https://en.wikipedia.org/wiki/Kampfgruppe_gegen_Unmenschlichkeit.
(11) Douglas Valentine: The Phoenix Program, 1990.
(12) New York Times: „CIA Documents on Guatemala Coup“, 1999.
(13) The Guardian: „Chile’s Coup and CIA Involvement“, diverse Berichte.
(14) Al Jazeera: „New JFK assassination files: What was revealed about Oswald and CIA plots?“, https://www.aljazeera.com/news/2025/3/20/new-jfk-files-what-was-revealed-about-oswald-cia-operations.
(15) Victoria Nuland: Senatsanhörung, 8. März 2022, Archivmaterial.
(16) TASS: „Russia claims discovery of 40 US-funded biolabs in Ukraine“, 2023.
(17) Jeffrey Kaye: Artikel zu MKUltra und biologischer Kriegsführung, diverse Veröffentlichungen.
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Wir danken der Autorin für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: Aleksandrkozak / shutterstock
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