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„Gebt uns Europa als erste Anzahlung auf eure Schulden“

„Gebt uns Europa als erste Anzahlung auf eure Schulden“

Ein Meinungsbeitrag von Dirk C. Fleck.

Um den finanzpolitischen Kamikaze-Flug unseres zukünftigen BlackRock-Kanzlers richtig einschätzen zu können, lohnt sich ein Blick zurück im Zorn. Vor 23 Jahren wurde der europäischen Räuberbande von einem Ureinwohner Südamerikas in schlichten Worten erklärt, was Schulden sind und was sie kommenden Generationen aufzubürden vermögen. Wenn die Loser-Koalition aus CDU/CSU/SPD und Grünen nun den Fuß von der Schuldenbremse nimmt, um ihr „Sondervermögen“ noch einmal um 500 Milliarden Euro aufzustocken, geschieht das in dem Bewusstsein, dass ihr die Folgen dieser durchgepeitschten Wahnsinnsoperation am Arsch vorbei gehen, um es für alle verständlich auszudrücken. Aber he, sie sind Europäer, sie können nicht anders. Auf riesigen Schuldenbergen zu sitzen, sind sie seit jeher gewohnt, es ist quasi ihre Berufung. Schauen Sie:

RUMMMS! Das hatte gesessen. Am 13. Dezember 2002 wurde dem alten Europa auf dem EU-Gipfel in Madrid, zu dem auch Vertreter Lateinamerikas und der Karibik geladen waren, so kräftig die Leviten gelesen, dass es den Teilnehmern noch heute in den Ohren klingen muss. Was war geschehen? Neben den Staats- und Regierungschefs der bedeutendsten Industriestaaten der westlichen Wellt, die zusammen gekommen waren, um Fragen der Weltwirtschaft zu erörtern, nahm plötzlich einer der indigenen Anführer das Wort. Es handelte sich um den Kaziken GUALCAIPURO CUATÉMOC.

Die Bezeichnung Kazike stammt aus der in der Karibik verbreiteten Sprache der Taino. Christoph Kolumbus erwähnte sie in seinem Bordbuch. Der entsprechende Eintrag vom 17. Dezember 1492 lautet:

„Ich sah, wie einer von ihnen, den die anderen Kazike nannten, und den ich für den Gouverneur der Provinz hielt, ein handgroßes Goldblatt in Händen hielt und so tat, als wolle er es gegen etwas anderes austauschen.“

Gegen Glasperlen vielleicht? Man weiß es nicht. Jedenfalls war die Ankunft der ersten Europäer im Land des Kaziken der Anfang jenes himmelschreienden Unrechts, das Cualcaipuro in seiner Madrider Brandrede den anwesenden eindringlich zu Bewusstsein brachte. So, und jetzt genießen wir die verbale von Zynismus und Humor geprägte Abrechnung, die hoffentlich so manchem von uns die Schamesröte ins Gesicht treiben wird.

Hierher komme ich, Nachkomme von denen, die Amerika vor 40.000 Jahren bevölkerten, um die zu treffen, die es vor nur 500 Jahren entdeckten. Hier also treffen wir uns. Wir wissen, wer wir sind, und das ist schon viel. Zu mehr wird es nie reichen.

Der europäische Bruder Zöllner verlangt von mir ein beschriftetes Papier mit Visum, um die entdecken zu können, die mich entdeckten. Der europäische Bruder Winkeladvokat erklärt mir, dass Schulden mit Zinsen zurückgezahlt werden, auch wenn es Menschen und ganze Länder sind, die verkauft werden. Auch ich kann Zahlungen und Zinsen einfordern. Im Hispanoamerika-Archiv* befindet sich der Beleg, Papier auf Papier, Quittung auf Quittung und Unterschrift auf Unterschrift belegen, dass allein in den Jahren 1503 bis 1660 rund 185.000 Kilo Gold und 16 Millionen Kilo Silber aus Amerika nach Spanien verschifft wurden.

Plünderung? Nein, das glaube ich nicht! Das hieße ja zu denken, dass die christlichen Brüder gegen ihr Siebtes Gebot verstoßen hätten. Völkermord? Bewahre mich Gott Tanatzin davor, mir vorzustellen, dass die Europäer töten. Das hieße ja, Verleumdern wie Bartoloméde las Casas Glauben zu schenken, die die Entdeckung als die Zerstörung Hispanoamerikas** bezeichnen, oder Ultra-Radikalen wie Arturo Uslar Pietri, der behauptet, dass die Entstehung des Kapitalismus und der gegenwärtigen europäischen Zivilisation durch die Edelmetall-Schwemme ausgelöst wurde!

Nein! Diese 185.000 Kilo Gold und die 16 Millionen Kilo Silber müssen als der Beginn einer ganzen Reihe weiterer freundlicher Leihgaben Amerikas angesehen werden, die für die Entwicklung Europas bestimmt waren. Alles andere hieße, Kriegsverbrechen zu vermuten, was uns berechtigen würde, nicht nur ihre sofortige Rückgabe zu verlangen, sondern auch Entschädigungen für die Nachteile, die uns erwachsen sind und für die erlittenen Zerstörungen.

Ich ziehe es vor, von der weniger offensiven Annahme auszugehen. Solch fabelhafter Kapitalexport war nichts anderes als unsere Hilfe für den Wiederaufbau des barbarischen Europas, das wegen seiner bedauerlichen Kriege gegen die kultivierten Araber, die Begründer der Algebra, der Polygamie, des täglichen Bades und anderer hochwertiger Errungenschaften der Zivilisation ruiniert war.

Deswegen, und anlässlich der Fünfhundertjahrfeier dieser Leihgabe, fragen wir uns: Haben die europäischen Brüder von den Geldern, die ihnen so großzügig vom Internationalen Indo-Amerikanischen Fond zur Verfügung gestellt wurden, auf vernünftige, verantwortungsvolle oder zumindest produktive Weise Gebrauch gemacht?

Leider nicht.

Sie verschleuderten es in der Schlacht von Lepanto, investierten in <unbesiegbare> Armadas, in Dritte Reiche und andere Konstrukte der gegenseitigen Ausrottung, nur um von den Gringo-Truppen der NATO besetzt zu werden.

In finanzieller Hinsicht waren sie unfähig, nach 500 Jahren Moratorium das Kapital, geschweige denn dessen Zinsen zu tilgen. Sie sind bis heute nicht fähig, sich von den Rohstoffen und von der billigen Energie, die ihnen die gesamte Dritte Welt liefert, unabhängig zu machen.

Dieses bedauernswerte Bild bestätigt die Behauptung von Milton Friedman, dass eine bezuschusste Wirtschaft nie funktionieren wird, und es verpflichtet uns zu ihrem eigenen Besten, nun die Rückerstattung des Kapitals und der Zinsen zu verlangen, die wir in großzügiger Weise in Jahrhunderten nicht eingefordert haben. Dabei erklären wir, dass wir uns nicht als so schäbig erweisen werden, 20 oder gar 30 Prozent Wucherzinsen zu verlangen, wie sie unsere europäischen Brüder den Völkern der Dritten Welt abverlangen. Wir beschränken uns darauf, die Rückgabe der geliehenen Edelmetalle zu fordern sowie einen geringen festen Zinssatz von 10 Prozent, und die nur bezogen auf die letzten 300 Jahre. Die Zinsen für die verbleibenden 200 Jahre: geschenkt.

Auf dieser Grundlage und unter Anwendung der europäischen Zinseszinsformel informieren wir unsere Entdecker, dass sie uns für eine erste Rückzahlung 185.000 kg Gold und 16 Millionen kg Silber schulden, wobei beide Zahlen mit 300 potenziert werden müssen. Das ergibt eine Zahl mit über 300 Ziffern, die das Gewicht der Erde bei weitem überschreitet. Wieviel wöge die Schuld, würde sie in Blut aufgewogen?

Der Einwand, Europa habe in einem halben Jahrtausend nicht genügend Reichtum schaffen können, um diese geringfügigen Zinsen bezahlen zu können, kommt dem Eingeständnis seines völligen finanziellen Scheiterns gleich, sowie der wahnsinnigen Irrationalität, auf denen der Kapitalismus gründet.

Werden wir also rational. Wir verlangen nichts weiter, als die Unterzeichnung einer Absichtserklärung, die die verschuldeten Völker des Alten Kontinents zwingt, ihren Verpflichtungen durch eine baldige Privatisierung oder Umstellung Europas nachzukommen, welche es ihnen ermöglicht, uns ihren Kontinent als erste Zahlung der historischen Schuld komplett zu übergeben….“

* Das Archiv hat sich zum Ziel gesetzt, alle selbständigen Veröffentlichungen und heute verstreut vorhandenen Texte aus Anthologien, Zeitschriften und Zeitungen an einem Ort zusammenzuführen und öffentlich zugänglich zu machen. Zu diesem Zweck wird mit allen relevanten Bibliotheken, Universitäten und Instituten im In- und Ausland zusammengearbeitet.

** Unter Hispanoamerika oder Spanischamerika werden die Gebiete Lateinamerikas verstanden, in denen der überwiegende Teil der Bevölkerung Spanisch spricht und durch die spanische Kultur geprägt ist.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Joseph Sohm / shutterstock


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