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Frieden im 21. Jahrhundert | Von Rüdiger Lenz

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"Die Bergpredigt ist kein fundamentalistischer Unfug, kein Aberglaube, nicht irgendein irrationaler Wahn. Sie ist die Bedingung der Möglichkeit, dass wir Menschen bleiben oder mindestens Menschen werden." Eugen Drewermann

Ein Standpunkt von Rüdiger Lenz.

Überall Krieg

Die Angst untereinander lässt Staaten und Menschen die Machbarkeit des Bösen in einer Spirale der Rüstung aufblühen. Das ist nichts Neues. Wir haben uns damit abgefunden, dass der Böse mit böseren Mitteln besiegt werden muss. Nur dann können wir ruhig schlafen, wenn wir die Mittel dazu besitzen, jederzeit das Böse auszumerzen. Im Wahn fast aller Zivilisationen steht nicht die Verständigung, sondern die Angst vor dem anderen im Mittelpunkt politischen Handelns. Man rüstet auf, die Atombombe, die Wasserstoffbombe sowie die Neutronenbombe sind die Beruhigungspillen der Staaten untereinander geworden. Nicht jeder darf sie besitzen. Man achtet peinlich darauf, wer sie denn im Regal liegen haben will, um sodann mit aller Härte gegen diese Schurkenstaaten aufzubegehren. Das ist alles bloße Show zum Machterhalt derjenigen, die sich als Hegemon der anderen in Position gebracht haben. Man will Rohstoffe, Geld und Macht über die Menschen und den gesamten Planeten haben.

Dann gibt es da die Götter. Sie müssen allesamt herhalten für die Minderwertigkeitsgefühle derer, die sich zwar zu Gott bekennen, nicht aber wissen, wie man zu Gott gelangt. Im Glauben, dass mein Gott alles gut findet, zu welchen Zweck ich ihn missbrauche, gehorcht eine große Schar durch geschickte Verdrehungen seiner gütigen Deutungen. Alle dem abrahamitischen Glauben sich Bekennende überdehnen die Güte ihres Gottes. In der Tora finden wir den strafenden und zu Gehorsam bietenden Gott eines ausgewählten Volkes. In der Bibel ist das, was Jesus deutete, die Liebe und der gütige Gott, die erweckende Botschaft Gottes. Im Islam ist es der zusammenfassende Gott, der Ordnung und Einigkeit unter den Stämmen gebietende Gott, der die arabischen Stämme zusammenführende Gott. Alles Söhne und Töchter des Urvater Abraham und doch so zerstritten.

Angriff ist die beste Verteidigung

Während ich dies schreibe, morden sich die Ukrainer und Russen, Armenier und Aserbaidschaner, Israelis und Palästinenser durch die Hamas gegenseitig. Wir nennen das Krieg, wo Morden auf Befehl rechtlich in Ordnung geht. Der US-Präsident Joe Biden bezeichnet den Hamas-Angriff als tödlichsten Tag seit dem Holocaust. Biden ruft Israel dazu auf, nach den Regeln des Krieges zu handeln (1).

Was für die Ukraine vor während und nach dem Krieg mit Russland galt, die Freiheit und Selbstbestimmung der ukrainischen Nation zu schützen, mittels Krieg, das gilt und es galt nie für Palästina. Kriege werden geostrategisch genutzt, seit jeher. Dass man den oder das Böse durch einen Krieg besiegen will, ist in den allermeisten Fällen Propaganda und ein billiger Trick, mit dem man ebenfalls seit jeher die Unwissenden kriegswillig machen konnte. Das Prinzip der Bewältigung eines bösen Machthabers, ihn zur Strecke zu bringen, mittels eines Krieges, ist dieselbe Strategie, die sich in der Selbstverteidigung mittels des Schlägers, den man zur Strecke bringen muss, Anwendung findet: Angriff ist die beste Selbstverteidigung. Sie sind Verteidigungsaxiome, Lehrsätze, aus denen alle weiteren Annahmen und Techniken erfolgen. Doch was wäre, wenn die Annahmen, also das dem alles zugrundeliegenden Axiom auf einer falschen Deutung beruht?

Ein Axiom wird als absolut angesehen, als ein Absolutum, dass keines Beweises bedarf und aus dem man dann alles Weitere herleitet. So wehren sich Staaten oft mit dem Argument, dass das da ein neuer Hitler sei, und dem muss man mit allen Regeln des Krieges entgegentreten. Wir glauben in der Mehrheit, dass man Gewalt immer nur dann begegnen kann, wenn man zu größerer Gewalt fähig ist. Man braucht bessere Strategien, stärkere Bomben, einschlagendere Explosionswirkungen und technisch bessere Waffen.

Das, was dabei vollständig ausgeblendet wird, ist die Frage, was der andere wirklich will, was ihn antreibt und warum die Verzweiflung und die Angst ihn zu Angriffsmitteln oder strengen rigiden Sicherheitsstrategien treibt. Auf Putin hätte man schon vor gut zwanzig Jahren hören können. Man ignorierte ihn. Auf die Palästinenser, die ihr Selbstbestimmungsrecht seit 1948 einfordern, hätte man ebenfalls hören können. Man ignoriert beide, bis heute. Die Frage muss erlaubt sein: Ist der Angreifer der Angreifer?

Gewaltlosigkeit muss man zunächst erst einmal aushalten lernen

Eugen Drewermann, der klügste und ausgewiesenste Friedensaktivist Deutschlands meint, das die Lösung zum Frieden für alle Völker, für die gesamte Menschheit in der Bergpredigt zu finden ist. Die Bergpredigt ist das Fundament aller christlichen Werte. Sie ist derart umfassend, dass viele Philosophen des Abendlandes ihr nacheiferten und versuchten, sie tiefer und genauer zu interpretieren. Zum ewigen Frieden, eine kleine Schrift von Immanuel Kant, ist bis heute die meist zitierte Friedenspublikation, weltweit. In ihr steht im Grunde alles drin, was den Frieden ausmacht. Nicht aber, was den Frieden in uns begründet. Das sagte Jesus in der Bergpredigt.

Man muss den Begriff des Friedens in seinen Kategorien verstehen und nicht als einen universellen Begriff. Der politische Frieden beispielsweise unterscheidet sich vom sozialen Frieden oder dem psychologischen Frieden. Der menschliche Frieden unterscheidet sich wiederum vom kulturellen Frieden usw. Worum es mir in diesem Kommentar geht, das ist der menschliche Frieden, denn von ihm gehen alle weitere Deutungen aus. Zu welch einer Art von Frieden ist der Mensch überhaupt imstande? Wer sich dieser Frage stellt, muss tief in die Seele von uns Menschen eindringen. Schaut man in die Natur, so gibt es dort zwar Friedensmomente, aber keinen generellen Frieden, der das Leben ganz allgemein antreibt, zumindest die materielle Ebene des Lebens. Eher gilt dort die Devise, Fressen oder gefressen werden.

Ich habe 2002 damit begonnen, mir diese Frage in Bezug auf Gewaltstraftäter zu stellen, und bin dabei, bis heute, auf eine globale Friedenstheorie gestoßen, die ich Nichtkampf nenne. Der Begriff Nichtkampf bezieht sich auf mein Hauptargument, sich von allen Kämpfen im Leben komplett zu lösen, sich weder dazu verleiten zu lassen, noch sie selbst zu beginnen. Jetzt soll dieser Kommentar kein Diskurs für mein Nichtkampf-Prinzip werden. Eher will ich meine tiefen Eindrücke darüber hier verbreiten, was sein Wesenskern ist. Und dieser, das wusste ich bis vor einer Woche gar nicht, ist ein wichtiger Bestandteil der Bergpredigt. Ich erfuhr davon in einem Gespräch, das Walter van Rossum kürzlich mit Eugen Drewermann für das Magazin Manova führte (2).

Ich brauchte ein paar Tage, um mich davon emotional wieder zu erholen, denn ich war völlig ergriffen von Drewermanns dortiger Erklärung über den Umgang mit dem Bösen, den ich genau so in meinem Nichtkampf einführte. Ich führte Techniken zum Erlernen und Aushalten der dabei aufkommenden Emotionen ein, die dabei heftig und stark gegen das eigene gewaltauflösende Verhalten gerichtet sein können. Gewaltlosigkeit muss man erst einmal aushalten können. Das ist am Anfang schwierig, sind wir doch alle darauf gebürstet, einen Konter unverzüglich zu starten.

Leiste dem Bösen keinen Widerstand!

Ich hatte bis vor ein paar Tagen keine Kenntnis darüber, dass Jesus in seiner Bergpredigt den Kern des Nichtkampfes vorwegnahm, als Verhaltensangebot für einen selbstermächtigten Frieden im eigenen Leben. Für diese Kenntnis und Erklärung bin ich Eugen Drewermann zutiefst dankbar.

Es gibt meiner Kenntnis nach nur zwei Menschen, die Techniken dazu entwickelt haben, um dem anderen sein Tun augenblicklich in sich selbst zu spiegeln. Weil die Gewaltausübung durch das Erwidern ohne Gegenwehr des anderen nicht zustande kommen kann, ohne im Täter die eigene Hilflosigkeit zu spiegeln und ihn selbst als Verursacher der Gewalt zu outen. Das konnte Mahatma Gandhi und ich kann das noch immer. Sicher können das mehrere Menschen, doch mir sind die anderen bisher unbekannt. Ich meine damit nicht die Theorie von der Gewaltlosigkeit, sondern seine zur Selbstreflexion angehaltenen Techniken beim Täter.

Psychologisch betrachtet baut der Täter stets drei Barrieren mit seiner Tat aus, um die Tat vor sich selbst als richtig zu bewerten. Er wendet zunächst eine Bagatellisierung seiner Tatabsichten an, die einen Rechtfertigungsgrund für seine Legitimität, Gewalt anzuwenden begründen. Das ist im Grunde eine Propaganda für ihn selbst, eine Selbstlüge, an die er glaubt und an dieser er vehement festhalten wird. Egal ob eine Ohrfeige oder ein Bombenteppich. Sie alle wenden diese Strategie der Überwindung der Eigenhemmungen und der Legitimität an, wenn Gewalt angewendet wird.

Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin. (Mt 5,39)

Hier der gesamte Kontext aus der Bergpredigt:

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.

Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel.

Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm.

Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab.

Bemühe dich, die Absichten des anderen zu erkennen, das ist die Botschaft Jesu, zu der er uns aufrief.(Mt 5, 38 – 42.)

Die Lehre vom Überwinden des Zweikampfs

Man muss sich mit dem Text schon tief und umfassend beschäftigen, bevor man die Botschaft darin entziffern kann. Als ich in meinen jungen Jahren erfuhr, dass Jesus sagte, man soll die andere Wange hinhalten, dachte ich, der muss ja völlig von Sinnen gewesen sein, dieser Jesus. Genauso wie meine Kritiker in Bezug auf den Nichtkampf habe ich auf Jesus Nichtkampf reagiert, mit völliger Ablehnung. Man muss sich doch unverzüglich wehren, das schien mir völlig klar zu sein!

Als ich mein erstes Deeskalationstraining mit Dr. Michael Heilemann im Schlossgarten in Bad Pyrmont abhielt, fragte mich Michael Heilemann kurz vor Beginn, ob ich ihm kurz erläutern könne, wie mein Training aussehen würde. Ich erwiderte ihm, dass ich noch gar nicht weiß, was ich mit denen mache. Ich entscheide das spontan und wenn ich das nicht hinbekomme, dann bin ich nicht der Richtige dafür. Dabei lachte ich, wohlwissend, dass ich ja in der Regel nie Vorgaben mache oder mir je zuvor überlegt hatte, was ich wie zu machen habe, sobald ich ein Training einleite.

An dem Tag entwickelte ich in zwanzig Minuten meine Lehre vom Überwinden des Zweikampfs. Ich begründete damit die erste Selbstverteidigung, die es zum Ziel hat, den Zweikampf aufzulösen und entwickelte in den nächsten Monaten Nichtkampf-Techniken, was heißt, Techniken, die mich aus dem Zweikampf rausnehmen und dem Angreifer psychologisch aufzeigen, dass er der Aggressor ist. Die seelisch-emotionalen Konsequenzen der Teilnehmer waren für mich damals atemberaubend. Ich war nicht darauf vorbereitet, was die Folgen waren und inwiefern sie als tiefenpsychologisches Mittel eingesetzt werden konnten.

Von Gandhi kannte ich damals nur den Kinofilm. Von der gewaltfreien Kommunikation kannte ich nichts und von Jesus nur das, was ich in Schule gelernt hatte und wieder vergaß. Ich war ein Entdecker, der nicht wusste, wohin ihn seine Entdeckung bringen wird. Mit Dr. Michael Heilemann, dem Begründer des Antiaggressivitäts-Training und seinem Team, bildete ich von nun an in Sozialberufen fort und war in der Teamleitung in der Jugendanstalt Hameln und Heimen für schwererziehbare oder emotional hoch belastete gewalttätige Jugendliche, um sie in Friedfertigkeit zu schulen.

Napoleon und der Nichtkampf

Das war die intensivste Zeit meines Lebens und mir wurde immer mehr bewusst, was ich da entwickelt hatte. Es ist eine menschlich globale Friedenstheorie und Friedenspraxis. Von überall her kamen psychologisch geschulte Leiter irgendwelcher Jugendeinrichtungen und wollten sehen, was ich da mache. Sie kamen aus Österreich, der Schweiz und aus allen Gebieten Deutschlands. Ich redete nicht darüber, ich zeigte es ihnen in der Praxis. Erst danach redete ich mit den jeweiligen Personen über mein Prinzip. Ich entwickelte eine echte gewaltlose Form der Deeskalation und wurde eingeladen, in die Forensik nach Lippstadt zu kommen, um dort zu referieren.

Ich hatte an dem Tag viele Techniken parat, im Umgang mit Gewaltstraftätern und einen kleinen Auszug aus meiner neuen Form der Deeskalation mitgebracht. Ich erwähnte in meinem Seminar kurz diese neue Art der Deeskalation und es entwickelte sich daraus ein intensives Gespräch mit den Teilnehmern, wie ich denn das herausgefunden habe. Ich kam mir an dem Tag vor, wie ein Professor, der am ersten Tag seine Studenten einweist. Ich begriff, wovor ich unvorbereitet war. Sie alle wissen nicht, wie man innerhalb eines Gewaltverhaltens die Situation befrieden kann. Das sich vorzustellen, war für sie ein Aha-Erlebniss. Das ließen sie mich spüren und ich erlebte es mehrfach bei anderen Seminaren, die ich abhielt.

Ein Nichtkampf-Schüler von mir, ein bekannter Wing Tsun-Lehrer, bildete in Frankfurt Sondereinsatzkommandos SEK mit meinem, Nichtkampf aus, wovon die Teilnehmer begeistert waren. Nichtkampf-Strategien gibt es schon länger als Militärstrategie. Der bekannteste Sieg in einem Krieg mittels einer ausgeklügelten Nichtkampf-Strategie war der Sieg Russlands über Napoleon, der Napoleons Ende markierte. Nichtkampf bedeutet, dass man selbst sein Verhalten nicht über ein Kampfmilieu herbeizwingen soll, sondern seine gesamten Fähigkeiten in entsprechende Potenziale zum Erfolg der eigenen Sache einbindet.

Gegen Napoleon, das wusste der russische General und spätere Feldmarschall Michail Ilarionowitsch Kutusow, kann man nicht auf dem Schlachtfeld gewinnen. Er zermürbte Napoleons Armee, indem er ständig Rückzugsstrategien anwendete, und schickte Napoleons Armee in den russischen Winter und ließ Moskau niederbrennen. Die meisten Soldaten erfroren oder verhungerten. So gewann Russland gegen Napoleons Armee, die danach nie wieder so stark wurde, wie zuvor. Das alles ist nachzulesen in dem bemerkenswerten Buch 1812, Napoleons Feldzug in Russland, von Adam Zamoyski

Normopathie und die transgenerative Traumagesellschaft

Sobald man sich auf einen Kampf einlässt, wirkt dieser für den Erfolg der Sache wie ein wahnhafter Magnetismus der Kontrahenten und Vernunfthandlungen werden als Kriegszersetzend wahrgenommen. Dies ist der Wahnsinn, der jeden Krieg und jede Gewalttat ausmacht. Hindert ein Gegner den anderen an seinen Kampf- und Treffererfolg, dann wirkt die Tat auf ihn selbst zurück, also rekursiv in seinen Konsequenzen. Das führt dazu, dass einem die eigenen seelischen Trümmerfelder immer bewusster werden und man selbst mit hohem Interesse daran arbeitet, diese zu bereinigen, zu lösen.

Man muss wissen, dass Menschen, die ständig Gewalt anwenden, dieses als ein völlig normatives Verhalten für sich abspeichern. Das verhärtet ihre Gefühle anderen gegenüber und macht sie unempathisch.

Wenn man ein entsprechendes Training mit ihnen macht, erkennen sie automatisch, wieso sie selbst bisher so engstirnig und mit hohem Eifer von der Außenwelt und ihren Außenbedingungen abhängig waren. Weil man dadurch nie einzig zu sich, sondern bloß zu den Dingen um einen herum, in Wechselbeziehung lebte. Dies kopiert man und denkt, man sei die Dinge und Zusammenhänge, die man durch kopieren und dann analysieren selbst sei. Das aber ist ein Selbstbetrug, der nur dem Ziel dient, seine eigenen Dämonen und Geister, die einen antreiben, nicht zu hinterfragen oder zu erkennen. Und aus diesen Dämonen und Geistern setzen sich fast alle Zivilisationen zusammen.

Der Arzt und Psychiater Dr. Hans-Joachim Maaz hat hierfür den Begriff der Normopathie geprägt. Der Psychologe und Psychologische Psychotherapeut Professor Dr. Franz Rupert erkannte, dass diese Normopathie ihre Ursachen in einer transgenerativen Traumakultur hat. Diese bringe Theorien, Wirklichkeiten und Wahrheiten hervor, die dazu dienen, von der eigenen Traumakultur abzulenken. Ergo, leben vor allem die westlichen Kulturen in einem gesellschaftlichen Wahn, sich selbst von dem Innersten unseres Menschseins abzulenken, nämlich unserer Menschlichkeit. Und jetzt sind wir wieder mitten drin, in der Bergpredigt Jesu, der Menschheitsfamilie. Ohne die Bergpredigt wäre der Begriff der Menschheitsfamilie sinnlos und wahrscheinlich nicht im Gebrauch der Friedensbewegung.

Der Friedensweg

Der Nichtkampf fragt dich, ob du den Frieden willst. Ist deine Antwort ja, so sagt er, wie die Bergpredigt im Ganzen zu dir, dann lebe dein Menschsein so, wie du gedacht warst, als du geboren wurdest. Sage Nein! Zu jedem Kampf und jeder Kampfaufforderung im Außen wie im Inneren deines selbst. Das Menschsein hat das Potenzial, ein Heiliger oder ein Zerstörer zu werden. Nur du allein triffst hier die Entscheidung. Verirrst du dich, kannst du jederzeit zurück.

Fast alle Menschen wollen in Frieden leben, doch für den Frieden muss sich ein Jeder stärker machen als für einen Krieg. In einem Krieg lerne ich, wie diese oder jene Waffe funktioniert. Das ist nicht schwer. Im Frieden hingegen lerne ich, wie ich bin und wer ich bin und damit automatisch, wer und wie der andere ist. Das ist schon schwieriger, da ich und der andere ständig über die Fehler stolpern, die unser beider Gewordensein bisher ausmachten, unsere Normopathie im jeweiligen Kulturhintergrund.

Wir bekämpfen nicht mehr die Symptome des anderen, wir verstehen und heilen uns gegenseitig, weil wir unsere Hintergründe verstehen lernen und so erfahren, dass wir gemeinsam keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung für den jeweils anderen sind. Das ist der Weg des Friedens, auf dem wir unsere unterschiedlichen Friedensfähigkeiten und Friedensfertigkeiten erlernen. Für einen Frieden auf Erden ist es unabdingbar, dass ich dich dafür brauche. Denn nur mit dir kann ich lernen, wer und was du bist, wer und was ich bin, damit meine Angst vor dir und deine vor mir vergeht. Liebe leben heißt annehmen können. Nur durch das Annehmen des anderen verschwindet die Angst vor dem Unbekannten. Der Rest ist Propaganda und Framing der politischen und neuerdings auch der medialen Klasse.

Menschlichkeit erlernen wir in der Überwindung unserer Ängste voreinander. Wird aber die Angst voreinander unser Herr, so wird die Faust, das Schwert und das Wort uns voneinander spalten. Da sind wir heute angelangt. Die Bergpredigt spricht zu dir, nicht zu den anderen. Dasselbe tut der Nichtkampf. Mit beiden kannst du keine Übermacht bewältigen. Doch beide helfen dir, die Übermacht deiner Ängste zu überwinden und dich davon zu befreien, dir deine eigene Falle zu werden für jedwede Normopathie, durch die du in vollkommener Fremdherrschaft herumgeschubst wirst zwischen allen Narrativen, die man dir vorgibt, für deine Zukunft wichtig zu sein.

Besiege Gewalt, Krieg und Unmenschlichkeit, nicht aber einen Menschen!

Es ist der gleich gerichtete Irrtum in Angst vor dem anderen, den wir nur überwinden können, wenn wir unsere gemeinsame Verbundenheit mit einer Kraft Ausdruck verleihen, die nicht nur uns, sondern alles mit allem verbindet und in Existenz setzt. Wir können diese Kraft Liebe, Gott, Schöpferkraft, Natur oder gleich das Universum nennen. Wichtig ist nur, dass wir sie erkennen, in uns und im anderen. Der Frieden ist kein sachliches Argument. Er ist ein miteinander teilen können von dem, was Menschsein ausmacht.

Frieden im 21. Jahrhundert meint, sich selbst keinen Raum für Unterdrückung und Fremdsein zu geben. Hierin aufzuklären scheint immer wichtiger zu werden in einer Zeit, in der die Zerstörung, der Krieg und die Ausbeutung im Westen sich wieder neue Denkmäler setzt. Wir müssen verstehen lernen, dass wir stets die Symptome eines anderen mit Gegengewalt beantworten. Das nennen wir Selbstverteidigung, Krieg oder einfacher erklärt, dass Böse zu bekämpfen. Deswegen wächst das Destruktive, wenn ich dem Bösen mit noch mehr Gewalt entgegenzutreten versuche.

Die Zerstörung des Lebendigen ist das Alpha-Problem der gesamten Menschheit, seine Sucht, das Destruktive in der Welt zu vermehren und nicht der Klimawandel.

Wer Gewalt mit Gegengewalt, begrifflich getarnt als Selberstverteidigung, beantwortet, vergrößert damit die Destruktivität. Das, was seit 1948 in Palästina und Israel geschieht, ist Zeuge dieser Tatsache, die von vielen die die Kampf- und Kriegspille geschluckt haben, belächelt wird. Es gibt keinen Weg zum Frieden ohne die Zweistaatenlösung, die Israel, Palästina und der Westen bewerkstelligen müssen, im Namen des Friedens.

Wir erkennen nicht die Hintergründe und Auslöser der Gewalt, die wir aber verstehen müssten, wollen wir Gewalt, Krieg und Unmenschlichkeit besiegen und nicht den Gegner oder den vermeintlichen Verursacher. Denn die Ursachen dafür liegen nicht im Gegner, sie liegen in uns selbst und sind genau deswegen bis zum jüngsten Tag wiederholbar.

Besiegen wir den Krieg, nicht die Menschen, lernen wir über unser Gewaltpotenzial zu siegen, ohne dabei auch nur über einen einzigen Menschen zu siegen, so haben wir die Bergpredigt verstanden. Wir besiegen Gewalt und nicht den Gegner, war der Leitspruch des Nichtkampf-Prinzips ab 2002.

Im Frieden geht es nur um dich, erwarte ihn nicht vom anderen

Das ist das, was der Nichtkampf ist. Er lässt den Krieg, den Kampf bei dir nicht mehr zu. Du bist der Akteur, nicht der andere. Es geht um dich, nicht um den anderen, der nur eine Ablenkung ist für deine Angst, sobald du einzig am Gegner dein Verhalten legitimierst. Solange du Angst hast, wirst du glauben, dass du am anderen Herumdoktern musst, weil der andere schuld ist. Du wirst fragen, was mache ich, wenn eintausend Mörder kommen? Dann wirst du verloren sein. Aber darum geht es nicht. Es geht einzig darum, was du tun wirst, um in Frieden zu leben.

Professor Dr. Christian Schubert, ein Psychoneuroimmunologe, hat, wie ich finde, dazu erhellendes in seinem neuen Buch Die Geometrie der Seele beschrieben. Nach ihm sind es Fraktale, Selbstähnlichkeiten in unserer Psyche, die uns dazu anleiten, immer dieselben Fehler im Umgang mit uns selbst zu vollziehen. So kommen sie in die Familien und werden von dieser transgenerativ seelisch vererbt und verursachen so immer fortwährenderes Leiden, von Generation zu Generation.

Die Geometrie der Seele beschreibt ebenfalls Teile der Bergpredigt, indem wir unsere seelischen Fraktale in uns erblicken. Diese Feinfühligkeit, die Selbst- und Fremdempathie ist der Schlüssel zur Heilung der Menschen vor ihrer Normopathie, vor Krieg im Kleinen und Großen. Frieden im 21. Jahrhundert setzt ein hohes Maß an Selbsterkenntnis voraus, ohne das ein Frieden mit den anderen nicht möglich erscheint.

Doch nicht der andere, sondern du selbst bist es, der im Fokus deines Friedensgeschehens und Mitwirkens steht. Du bist es, an dem die Friedensarbeit vollzogen werden soll. Du bist es, der wirkt, egal wodurch und mit welchen Mitteln auch immer. Es ist nicht der andere, der dir sagt, wie oder was oder wo dein Frieden ist. Einzig du bist derjenige, der am Frieden arbeitet oder auch nicht. Du entscheidest, du hast die Wahl.

Quellen und Anmerkungen

(1) https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-10/joe-biden-israel-hamas-angriff-weisses-haus-antisemitismus-holocaust

(2) https://www.youtube.com/watch?v=Q59jxM_lj1o&t=171s

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: Denis---S/ shutterstock


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Adam Zamoyski Antiaggressivitäts-Training Bergpredigt biden Deeskalationstraining Dr. Christian Schubert Dr. Hans-Joachim Maaz Dr. Michael Heilemann eugen drewermann