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Europas doppelter Irrsinn | Von Janine Beicht

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Kreml-Gelder kassieren und die Energieversorgung ruinieren

Brüssel koppelt Finanzmanöver und Gasverbote zu einer Strategie, die die Versorgungssicherheit und Preisstabilität der Mitgliedstaaten strapaziert. Der Versuch, Russland zu schwächen, könnte Europa selbst in eine kritische Abhängigkeit treiben.

Ein Kommentar von Janine Beicht.

Die Europäische Union plant, eingefrorene russische Vermögenswerte in Höhe von bis zu 210 Milliarden (1) Euro zu nutzen, um der Ukraine Kredite zu gewähren, die nur zurückgezahlt werden müssen, wenn Russland Reparationen leistet. Dieser Plan, der als Reparationsdarlehen getarnt ist, zielt darauf ab, den Finanzbedarf der Ukraine für 2026 und 2027 in Höhe von 135,7 Milliarden Euro zu decken, basierend auf den Prognosen des Internationalen Währungsfonds.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat diesen Vorschlag vorgelegt, der alternativ neue EU-Schulden vorsieht, was jedoch von Ländern wie Deutschland abgelehnt wird. Der Großteil der Vermögen, etwa 180 Milliarden Euro, liegt bei Euroclear in Belgien, was das Land in eine zentrale, aber ungewollte Rolle drängt. Belgien wehrt sich vehement gegen diesen Schritt, da es rechtliche Risiken fürchtet, einschließlich Klagen Russlands, die zu Rückzahlungen plus Strafen führen könnten (1). Der belgische Premierminister Bart De Wever hatte in einem Brief betont, dass der Plan in eine illegale Enteignung münden würde:

Wenn es aussieht wie Enteignung, wenn es riecht wie eine Enteignung, dann ist es vielleicht auch eine Enteignung. De Wever | DIE ZEIT (2)

Deutsche Politiker wie Bundeskanzler Friedrich Merz unterstützen den Plan und sehen darin ein Mittel zur Beendigung des Krieges, indem Russland für Schäden im Voraus zahlt. Merz hat in einem Gastbeitrag (3) für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) argumentiert, dass die Nutzung der Vermögen in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht stehe und Europa Souveränität demonstriere. Er betont, dass Risiken proportional zur wirtschaftlichen Leistung geteilt werden müssen, und zeigt Verständnis für Belgiens Position, ohne jedoch konkrete Garantien zu nennen. 

Russland bereitet sich militärisch auf einen Konflikt mit dem Westen vor und bedroht die europäische Freiheit und Sicherheit. Es liegt in unserer Hand, ein unmissverständliches Signal an Moskau zu senden. Die Europäische Kommission hat nun ihren konkreten Vorschlag vorgelegt […] Um dieses Signal zu geben, müssen wir die immobilisierten russischen Vermögenswerte nutzen. […] Wir haben als Europäer gemeinsam beschlossen, dass die Vermögenswerte der russischen Zentralbank eingefroren bleiben, bis Russland die Ukraine für die Schäden des Krieges entschädigt. Genauso wollen wir es handhaben. Wir beschlagnahmen nicht, und wir rühren russische Forderungen nicht an. Friedrich Merz | FAZ (3)

Außenminister Johann Wadephul hält die belgischen Bedenken für lösbar und mahnt zur Solidarität (4). Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas unterstreicht, dass die EU auf der Seite des Opfers stehe und der Plan eine dreifache Botschaft sende: Unterstützung für die Ukraine, Ausdauer gegenüber Moskau und Verantwortung gegenüber Washington (2). Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis versichert, der Vorschlag sei rechtlich robust und erhöhe die Kosten für Russlands Krieg (1). Dennoch scheiterte ein ähnlicher Plan Ende Oktober auf dem EU-Gipfel, bei dem nur Optionen geprüft werden sollten, aufgrund juristischer Bedenken und Warnungen deutscher Wirtschaftsvertreter vor Vergeltungsmaßnahmen gegen deutsche Investitionen in Russland, die über 100 Milliarden Euro betragen. Matthias Schepp von der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer warnt vor Enteignungen deutscher Firmenvermögen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj drängt auf Entschlossenheit und warnt, dass Verzögerungen Europas Glaubwürdigkeit schwächen würden (5).

Umgekehrtes Inferno: Wenn Europa zum Opfer würde

Stellen Sie sich vor, die Rollen kehren sich um, und die EU wird zum hilflosen Opfer, dessen eigene Milliarden im Ausland eingefroren und dann gnadenlos gegen sie selbst in einem militärischen Konflikt eingesetzt werden. Dieser brutale Schlag würde Europas politische Stabilität in Fetzen reißen, mit Ländern wie Belgien, das schon jetzt verzweifelt Garantien fordert (6), plötzlich allein vor internationalen Gerichten um Rückzahlungen ringen müsste und unter der Last zusammenbrechen könnte, die sie nie stemmen könnten.

Die wirtschaftliche Tragfähigkeit würde kollabieren, da der Verlust von 210 Milliarden Euro, vergleichbar mit den russischen Reserven, die Haushalte der Mitgliedstaaten aushöhlen und Investoren fluchtartig das Vertrauen in die europäischen Finanzsysteme aufkündigen würde, was zu explodierenden Anleihekosten durch eine unvermeidbare Risikoprämie führt (7). In der Realität würde dies Europa in eine Spirale aus enormen Zinsen und Schuldenfesseln stürzen, die kleine Volkswirtschaften wie Belgien als Hauptverwahrer in den Ruin treiben und tiefe Risse zwischen den EU-Partnern aufreißen würden.

Deutsche Konzerne, mit ihren Milliardeninvestitionen im Ausland, würden durch rücksichtslose Vergeltungsenteignungen bluten, genau wie sie es jetzt bei der Umsetzung des Plans gegen Russland befürchten, und Regierungen wie die von Merz müssten ihre Bürger mit brutalen Steuererhöhungen knebeln, was in Zeiten ohnehin knapper Kassen zu massiven inneren Unruhen und Regierungsstürzen führen könnte.

Die politische Tragfähigkeit würde implodieren, da die EU, die sich derzeit als moralischer Wächter aufspielt, enttarnt als schwaches Gebilde dasteht, unfähig, ihre eigenen Interessen zu schützen, und Länder wie Ungarn würden sich endgültig von Brüssel lossagen, um Allianzen mit rivalisierenden Mächten zu schmieden. Strukturell würde dieser Präzedenzfall das internationale Recht zu Makulatur machen, Staaten davon abbringen, Reserven in Europa zu parken, und einen Dominoeffekt auslösen, bei dem andere Großmächte EU-Vermögen plündern, was den Euro als Reservewährung entthront und globale Finanzströme dauerhaft umlenkt.

Juristen warnen bereits vor Völkerrechtsverstößen, die genau diesen Bumerang-Effekt provozieren könnten, wenn Europa seinen Plan gegen Russland durchzieht (8). Die EU-Kommission, die jetzt mit fadenscheinigen Schutzmechanismen wedelt, würde in diesem umgekehrten Szenario nackt und hilflos dastehen, da ihre Garantien im Angesicht aggressiver Gegner wertlos verpuffen würden, und Europa würde nicht nur finanziell, sondern auch strategisch in die Knie gezwungen, wobei seine Verteidigungsfähigkeit gelähmt und seine Souveränität zu einem Witz degradiert würde.

Energiechaos: Der Preis der Arroganz

Die Auswirkungen auf Europas Energieversorgung sind jetzt schon vernichtend. Die EU plant bereits, russisches Gas bis Ende 2027 komplett zu verbieten, um Druck auf Moskau auszuüben und die wirtschaftliche Unterstützung für den Krieg zu unterbinden. (8) Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte, dass dieser Beschluss einen Meilenstein für die EU bedeute:

„Heute ist ein historischer Tag für unsere Union. Letzte Nacht haben wir eine vorläufige Einigung über den Vorschlag der Kommission für den Komplettausstieg aus fossilen Brennstoffen aus Russland erzielt. Wir schlagen ein neues Kapitel auf und lassen das alte hinter uns. Das ist der Beginn einer neuen Ära. Einer Ära der vollständigen Energieunabhängigkeit Europas von Russland. […] Heute ist ein großer Tag für Europa und für unsere Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland. Denn so machen wir Europa widerstandsfähig.“ Ursula von der Leyen | Europäische Kommission (9)

Dieser rücksichtslose Ausstieg umfasst ein schrittweises Verbot: Ab Januar 2027 für LNG-Importe auf Basis langfristiger Verträge und ab November für Pipelinegas, mit notdürftigen Ausnahmen nur für extreme Notfälle, in denen Staaten den Ausnahmezustand ausrufen müssen. Derzeit decken russische Gasimporte noch einen Teil der EU-Importe ab, mit einem Wert von 15,6 Milliarden Euro im Jahr 2023, und Russland kassiert im dritten Kriegsjahr satte 22 Milliarden Euro durch fossile Exporte an die EU, mehr als die gesamten Hilfen an Kiew. Deutschland hat seit 2022 kein Pipelinegas mehr aus Russland bezogen, doch staatliche Konzerne wie Sefe saugen weiter LNG über Altverträge auf und jammern über anhaltende Zahlungspflichten, die bei Nichtabnahme Russland nur fett machen würden (10). Abhängige Länder wie Ungarn und die Slowakei, die auch russisches Öl schlucken, drohen mit Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof, da sie den Plan als Todesstoß für ihre Energiesicherheit verfluchen (11). Auf der Plattform 𝕏 äußert Ungarns Außenminister Péter Szijjártó:

„Mit der Slowakei haben wir das 18. Sanktionspaket blockiert, da Brüssel den REPowerEU-Plan vorantreibt, der den Mitgliedstaaten den Kauf von russischem Gas & Öl verbieten würde. Dies würde die Energiesicherheit Ungarns untergraben & den Beschluss des Rates verletzen, der uns eine Ausnahme vom russischen Ölsanktionsverbot gewährt.“ Péter Szijjártó | 𝕏 (12)

Die EU-Kommission prahlt indes mit minimalen Preissteigerungen durch Diversifizierung zu Quellen wie den USA, Norwegen, Katar, Algerien und Aserbaidschan, gepaart mit dem Ausbau erneuerbarer Energien, Effizienzmaßnahmen und neuen LNG-Terminals, die 2024 die Speicher rasanter füllten als je zuvor (10). Sogenannte Experten orakeln über sinkende Preise ab 2026/2027 durch ein explodierendes globales LNG-Angebot und schrumpfenden Verbrauch in Industrie und Haushalten, was die Energiewende ankurbeln soll, etwa durch Wärmepumpen, Sanierungen und Nahwärmenetze.

Dieser radikale Verzicht auf russisches Gas wird Europas Energieversorgung in ein riskantes Abenteuer verwandeln, da er kurzfristig Preissprünge provozieren könnte, Lieferengpässe in vulnerablen Ländern wie Ungarn und der Slowakei schürt und die Industrie mit höheren Kosten knebelt, während der Ausbau alternativer Infrastrukturen Zeit und Milliarden verschlingt, die Brüssel leichtfertig unterschätzt. Der Preis ist eine Beschleunigung der Energiewende unter Druck, die energieintensive Branchen wie Chemie, Metall und Bauwirtschaft noch stärker stranguliert, ohne ausreichende Puffer, und zu Engpässen in kalten Wintern führt, wenn Speicher wie in Deutschland nur bei 45 Prozent stehen.

Neue Abhängigkeiten entstehen gnadenlos von US-LNG, das bereits 19,1 Milliarden Euro wert ist und Washington als neuen Erpresser etabliert, besonders wenn Trumps 28-Punkte-Plan russische Vermögen für US-Investitionen missbraucht und die Hälfte der Gewinne abschöpft, was Europa zum Lakaien macht (12). Pipelines wie die Trans-Adria aus Aserbaidschan oder rumänische Erweiterungen bieten einen scheinbaren Ausweg, ketten Europa aber an instabile Regionen mit eigenen geopolitischen Minenfeldern, während der Kreml seine Einnahmen umlenkt und Brüssel in teure Diversifizierungszwänge treibt, die letztlich die gewünschte Unabhängigkeit von Russland gegenüber anderen Lieferstaaten komplett untergraben.

Globale Falle: Neue Ketten und alte Illusionen

Aus all diesen Entscheidungen entstehen neue Abhängigkeiten, die Europa in eine erbärmliche Unterwerfung zwingen, während Brüssel mit seiner kriegerischen Haltung den Konflikt künstlich am Köcheln hält und Trumps Friedensvorschläge als Kapitulation brandmarkt, obwohl diese, so profitorientiert sie auch sein mögen, immerhin eine echte Verhandlungstür öffnen könnten, statt den Kontinent weiter in den Ruin zu treiben.

Die EU, die sich als moralischer Riese aufspielt, hat am 23. November 2025 einen eigenen Gegenplan zum US-Entwurf präsentiert, der Russlands Forderungen nach Territorialabtretungen ignoriert und stattdessen auf illusorische Garantien setzt, was nichts weiter als eine Verzögerungstaktik darstellt. Europa fühlt sich ausgeschlossen und sucht hektisch Einfluss, während es den US-Vorschlag als „keinen Plan“ verhöhnt. Stattdessen forciert die EU Sanktionen, die innere Spaltungen schüren und den Krieg verlängern, wodurch Putins Position gestärkt, Europas Wirtschaft ausgezehrt und der Kontinent zu einem bloßen Spielball US-amerikanischer und russischer Machtkämpfe wird, ohne dass Brüssel je die eigenen Grenzen der Einflussnahme anerkennt.

Quellen und Anmerkungen

(1) https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-russland-vermoegen-100.html

(2) https://www.zeit.de/wirtschaft/2025-12/russisches-vermoegen-eingefroren-ukraine-krieg-belgien

(3) https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/faz-gastbeitrag-von-friedrich-merz-russisches-vermoegen-fuer-die-ukraine-nutzen-110796208.html

(4) https://www.wiwo.de/politik/europa/eingefrorenes-russisches-vermoegen-streit-um-russischemilliarden/100180552.html

(5) https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/eu-scheitert-an-nutzung-russischen-vermoegens/

(6) https://www.wiwo.de/politik/europa/eingefrorenes-russisches-vermoegen-streit-um-russische-milliarden/100180552.html

(7) https://de.euronews.com/business/2025/11/29/wie-gefahrlich-ist-der-eu-plan-eingefrorene-gelder-russlands-fur-die-ukraine-zu-nutzen

(8) https://www.tagesschau.de/wirtschaft/energie/eu-gas-verzicht-russland-100.html

(9) https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/statement_25_2902

(10) https://www.tagesschau.de/wirtschaft/energie/gas-russland-eu-import-verbot-100.html

(11) https://www.tagesschau.de/wirtschaft/energie/eu-gas-verzicht-russland-100.html

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Dank an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bild: Berlin, Deutschland, 2019-11-08: Ursula von der Leyen bei einem Treffen in Berlin

Bildquelle: photocosmos1 / shutterstock


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