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Natürlich wurden die Bundestagswahlen auch in Russland mit Interesse verfolgt. Hier zeige ich eine erste Reaktion aus dem russischen Fernsehen.
Ein Standpunkt von Thomas Röper.
Die Bundestagswahl wurde auch in Russland verfolgt und war am Sonntagabend natürlich Thema im wöchentlichen Nachrichtenrückblick des russischen Fernsehens. Der Deutschland-Korrespondent hat in seinem Bericht über die politische Woche in Europa auch schon über die ersten Hochrechnungen aus Deutschland berichtet. Ich habe seinen Bericht wie jeden Sonntag übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Trump stellt die alten westlichen Prinzipien in Frage und versetzt Europa in Panik
US-Präsident Trump hat Europa in Aufruhr versetzt. Noch vor kurzem war im Leben der europäischen Staats- und Regierungschefs alles klar und sie wussten, was sie zu tun und zu denken hatten. Aber jetzt ist ihr Weltbild zerbrochen. Noch vor kurzem war die Ukraine das Opfer und Selensky war der Kämpfer für die Demokratie und der Retter. Russland war der Feind und eine existenzielle Bedrohung für Europa. Die Ukraine musste in allem und immer unterstützt werden.
Und jetzt heißt es aus Washington, es sei Zeit, den Krieg zu beenden, und Russland sei kein „Aggressor“ und könne in die G7 zurückkehren, wie die Financial Times schrieb:
„Die USA sind dagegen, Russland in der G7-Erklärung zum dritten Jahrestag des Beginns seiner umfassenden Invasion als Aggressor zu bezeichnen. Damit, so sagen informierte Quellen in Regierungskreisen, könnte Washington die gesamte traditionelle Demonstration der Einigkeit gefährden, die die westlichen Länder über die Jahre hinweg gezeigt haben. Das Beharren der Trump-Administration, die Rhetorik abzuschwächen, spiegelt einen allgemeinen Wandel in der US-Politik und den Wunsch des Weißen Hauses wider, die Geschehnisse als nichts anderes als ‚den Ukraine-Konflikt‘ zu bezeichnen, erklärten zwei informierte Quellen.“
Und heute sind in Deutschland vorgezogene Bundestagswahlen. Zum ersten Mal in der Geschichte der deutschen Wahlen gibt es eine Situation, in der die Regierungsparteien den Kampf um die Macht nicht den Rivalen der Opposition aufzwingen können. Obwohl 27 Prozent der Deutschen erst heute entscheiden, wem sie ihre Stimme geben, läuft alles darauf hinaus, dass die derzeitige Linkskoalition aus SPD und Grünen mit der FDP, die sich im vergangenen November von ihnen abgespalten hat – die „Ampel“ -, klar gegen die konservative CDU verliert. Das ist Merkels ehemalige Partei, die jetzt von Friedrich Merz geführt wird, der aus der Sphäre des großen transnationalen Kapitals stammt. Er soll der neue, zehnte, Bundeskanzler Deutschlands werden. Und das ist sein Credo:
„Man muss nicht immer alles sagen, was man weiß, aber was man sagt, muss wahr sein.“
Dann wird er viel und oft nicht alles sagen können. Der Westen sieht ihn als entschlossener an als Olaf Scholz, dem von den Verbündeten vorgeworfen wird, zu vorsichtig zu sein, zum Beispiel in der Frage der Lieferung von deutsch-schwedischen Taurus-Marschflugkörpern an Kiew. Merz war im Gegenteil dafür. Aber wird er als Kanzler genauso entschlossen sein, wie er es als Kandidat war?
Während drei Monaten Wahlkampf wurde im Parlament, im Internet und in den Fernsehstudios darüber gestritten, wer die Schuld an Deutschlands Krisen trägt, wobei der Name Putin ebenso oft fiel wie der von Scholz oder Habeck, und eines hat sich gezeigt: Es gibt keine Parteienmehrheit mehr in Deutschland, die nicht durch grundlegende Meinungsverschiedenheiten gespalten ist.
Merz wird aus dem Brunnen trinken müssen, in den er gespuckt hat, und die SPD oder die Grünen werden entscheiden müssen, ob sie in den sauren Apfel beißen und in die Opposition gehen oder ob sie sich zusammenreißen und als Juniorpartner regieren. Im letzteren Fall müssen die Deutschen nur noch abwarten, ob die oben genannten Widersprüche auch ihre nächste Regierung zerreißen werden. Auch die AfD, mit der Merz die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit Schaum vor dem Mund ausschließt, wird zuschauen und abwarten. Aber sie ist bereits die zweitstärkste Partei im Land, im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 hat sich ihre Wählerschaft verdoppelt.
Die AfD-Vorsitzende Weidel sagte:
„Diese Bundestagswahl wird über den Grad der Eskalation und die Beteiligung Deutschlands am Krieg in der Ukraine entscheiden, wenn US-Präsident Trump und Putin diesen Krieg nicht beenden. Donald Trump setzt jetzt genau das um, was wir seit drei Jahren fordern, nämlich einen sofortigen Waffenstillstand und die Aufnahme von Friedensgesprächen. Friedrich Merz hat erneut die Lieferung von Taurus an die Ukraine gefordert. Ich halte das für einen eskalatorischen Ansatz, ich halte das für falsch. Deutschland sollte sich daran nicht weiter beteiligen, schon gar nicht mit Waffenlieferungen, Soldaten oder finanzieller Unterstützung.“
Die AfD liegt im Trend, denn das Pendel der Geschichte schwingt in die von ihr gewünschte Richtung. Selbst eine Wiederholung des österreichischen Szenarios könnte der AfD in die Hände spielen. Die Nachbarn der Deutschen leben fast 150 Tage nach den Wahlen ohne Regierung, denn die österreichische Freiheitliche Partei, eine Verwandte der AfD, die in Österreich gewonnen hat, konnte mit den Konservativen keine Koalition bilden. Böse Zungen behaupten jedoch, dass Merz persönlich zum Scheitern der Verhandlungen beigetragen hat, damit Österreich den Deutschen kein Beispiel für eine Zusammenarbeit mit expliziten Euroskeptikern gibt. Jedenfalls könnte auch Deutschland nach den Wahlen in so eine Sackgasse geraten.
Die deutschen Wahlen sind ein Spiegelbild der europäischen Politik. Der in der EU vorherrschende Linksliberalismus passt nicht in eine Zeit, in der die Globalisierung an ihre Grenzen stößt und im Hinterhof ein Nullsummenspiel auf dem Tisch liegt, bei dem es zwangsläufig einen Gewinner und einen Verlierer geben muss. Den national orientierten Parteien fehlen noch die politischen und propagandistischen Mittel, um die Gehirne der Mehrheit der Wähler nach ihrem Gusto einzustimmen. Aber sie versuchen es und Trump ist ihnen eine Hilfe. Der Widerstand der europäischen Eliten und Bürokratie wird ein verzweifelter.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sagte dazu:
„Die große internationale Verschwörung hat eines ihrer Beine verloren – in Washington -, aber sie hüpft auch auf einem Bein gut.“
In diesem Sinne ist die Ukraine nur eines der Felder im klassischen Spiel um die Welt. Was sie für Europa besonders wichtig macht, ist die Tatsache, dass es bereits mit all seiner Kraft und seinen Emotionen in sie investiert hat. Und bei jeder Andeutung der großen Jungs, dass es nicht mehr mitspielt, sind die Folge Eifersucht und Wutanfälle, wie EU-Außenpolitikchefin Kaja Kallas zeigte, als sie erklärte:
„Wenn man sich die Bilder aus Saudi-Arabien ansieht, sind die Russen die Sieger. Ihre Einstellung ist: ‚Jetzt kommt jeder zu uns und bietet uns das an, was wir wollen.‘ Die Amerikaner können sich treffen, mit wem sie wollen, aber wenn ein Friedensabkommen für die Ukraine funktionieren soll, müssen sowohl die Europäer als auch die Ukrainer daran beteiligt sein.“
Anfang der Woche, als klar wurde, dass sich der Vortrag in München über Demokratie nicht darauf beschränken und dass die Trump-Administration in den nächsten Stunden in einen direkten Dialog mit Moskau eintreten würde, versammelte der französische Präsident in Paris zunächst einen engen Kreis von NATO- und EU-Kollegen, und dann diejenigen, die er beim ersten Mal nicht eingeladen hatte, weil die verärgert waren.
Es ist klar, dass die maximale Aufgabe der europäischen Verbündeten der USA darin besteht, die Amerikaner im Konflikt mit Russland im Zaum zu halten, aber diese fieberhaften Konsultationen zielten auf das Mindeste ab: Überhaupt an den Verhandlungstisch zu kommen. Der britische Premierminister Starmer skizzierte seinen Plan: „Europa muss eine Rolle spielen. Und ich bin bereit, zusammen mit anderen die Entsendung britischer Truppen in Betracht zu ziehen, wenn ein dauerhaftes Friedensabkommen erreicht wird.“
Ob Großbritannien überhaupt Truppen hat oder nicht, wie Analysten meinen, ist jetzt unwichtig. Man muss jetzt einfach die eigenen Pläne so in Trumps Pläne einfügen, dass er nicht glaubt, dass es die USA etwas kosten wird. Da Starmer nächste Woche nach Washington reist, hat er versucht, um Unterstützung zu werben. Die Initiative wurde jedoch verhalten aufgenommen.
Der künftige Bundeskanzler hat vielleicht eine andere Meinung, aber Scholz ging irritiert aus dem Treffen, wie er erklärte: „Es ist völlig verfrüht und völlig unzeitgemäß, jetzt diese Debatte zu führen. Ich bin sogar ein bisschen irritiert über diese Debatte, muss ich sagen. Sie ist in höchstem Maße unangemessen, um es ganz offen und ehrlich zu sagen. Wir wissen noch nicht einmal, was dabei herauskommt.“
Auch Italien, Spanien und Polen wollten nicht über Friedenstruppen sprechen. Frankreich war nicht dagegen, darüber zu sprechen, aber irgendwann später mal.
Macron konnte Starmer nicht allein zu Trump reisen lassen, denn er hat zu großen Appetit auf ukrainische Aktiva, die von Interesse sein könnten: zum Beispiel Häfen und Atomkraftwerke. Man würde Macron fragen: Warum nicht Frankreich?
Zunächst haben sie vereinbart, dass die beiden nach Washington reisen würden, doch dann wurde berichtet, dass sie das nicht tun, sondern getrennt reisen würden.
Die europäischen Medien begleiteten sie auf ihrer Mission mit Meldungen, eine haarsträubender als die andere, bis hin zur Meldung, dass Trump zum Tag des Sieges nach Moskau reist und droht, die amerikanischen Truppen von der Ostflanke der NATO abzuziehen, wenn Europa nicht innerhalb von drei Wochen den Mund hält. Macron seinerseits ist sich der Lage an den Fronten bewusst, aber trotzdem will er Trump eine Lektion erteilen, wie er in einem Video ankündigte:
„Ich werde ihm sagen: ‚Gegenüber Präsident Putin darf man nicht schwach sein.’“
Man kann sich im Voraus ausmalen, wie Donald Trump auf diesen Satz des Franzosen reagieren wird. Und danach kann man die Kommentare genießen, die Elon Musk loslassen wird. Es sei denn, Macron knickt ein, wie es bei ihm regelmäßig vorkommt, denn er ist strategisch unentschlossen. Damit haben sie es ja auch verspielt, denn es zeigt sich, dass sie sich selbst überlistet haben. Zumindest mit der Illusion, dass sie Russland auf dem Schlachtfeld besiegen können.
So unterschiedliche Persönlichkeiten wie der Chef des Rüstungskonzerns Rheinmetall und die Ministerpräsidenten der Slowakei und Ungarns, Fico und Orbán, sprechen davon gleichermaßen. Natürlich meinen und bedauern unterschiedliche Dinge. Das liegt daran, dass einer von ihnen an diesem Krieg verdient und die beiden anderen verlieren.
Orban sagte beispielsweise:
„Es ist besonders schmerzhaft, dass wir Europäer jetzt versuchen, aus der Zeitung davon zu erfahren, weil wir den Moment verpasst haben, weil die Führer der großen europäischen Länder den Moment verpasst haben, in dem sie in dieser Frage die Initiatoren hätten sein können. Sie haben sich auf die Seite des Krieges geschlagen, obwohl wir sie seit drei Jahren überreden, eine Friedenspolitik zu verfolgen, aber sie haben es nicht getan. Und nun werden wir von der Seitenlinie aus zusehen können, wie abhängig wir von anderen Großmächten sind und wie selbst die für uns wichtigsten Fragen ohne uns entschieden werden.“
Wenn in Deutschland keine Wahlen wären, würde Scholz wahrscheinlich jetzt zu Trump fahren. Und das erste, was Merz tun muss, wenn der Bundestag ihn als Kanzler bestätigt, ist, die Beziehungen zu Washington und zu Russland zu verbessern. Welches Opfer Deutschland bringen muss, um diese Aufgabe zu erfüllen, ist nicht klar, aber es wird sicherlich welche erfordern, und zwar mehr als eines.
Und das gilt auch für den Rest Europas. Trump braucht keinen von ihnen, um stark zu sein. Es ist der richtige Zeitpunkt, um die Frage zu stellen: Wer wird wen überleben: die neue deutsche Regierung, die EU oder umgekehrt.
Ende der Übersetzung
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 23. Februar 2025 auf anti-spiegel.ru.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: Roman Yanushevsky / shutterstock
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