
Ein Kommentar von Paul Clemente.
„Erfolg für Informationsfreiheit in Europa“ jubeln die „Reporter ohne Grenzen“. Ja, man begrüße die Einigung „zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union über den Europäischen Rechtsakt zur Medienfreiheit“. Auch Ursula von der Leyen ist happy: Als der „European Media Freedom Act“ am Freitag in Kraft trat, jubelte die EU-Kommissionspräsidentin auf X:
„Eine freie und unabhängige Presse ist eine wesentliche Säule unserer Demokratie. Mit unserem Europäischen Gesetz zur Medienfreiheit wollen wir ihren Schutz verbessern. So können Journalisten ihre wichtige Arbeit sicher und ohne Störungen oder Einschüchterungen fortsetzen.“
Seltsam: Seit wann müssen Journalisten vom Staat geschützt werden? Müssen Medienschaffende nicht eher VOR dem Staat geschützt werden? Vor seiner Zensur und Einflussnahme? Wird der Journalist zum Schützling des Staates, ist er nicht länger „frei“ - sondern abhängig von seinem Protektor. Das gilt auch für staatliche Subventionen: Geldspritzen, mit denen Machthaber ihre „Qualitätsmedien“ boostern, um deren Leserflucht zu kompensieren. Als kleine Aufstockung jener Millionen, mit denen Bill Gates & Co. ihre Propagandisten belohnen.
Der Prototyp staatlich geschützter und gestützter Berichterstattung ist das Zwangsgebühren-TV. Dessen Fortbestand schreibt der Brüsseler „Freedom Act“ natürlich groß. Schließlich müsse „Unabhängigkeit und Vielfalt der Medien” sicher gestellt werden. Natürlich meint „Vielfalt“ aus dem Munde des Mainstreams vor allem eins: Nämlich radikale Monokultur. Hatte von der Leyen nicht vor anderthalb Jahren beim Weltwirtschaftsforum in Davos zum Kampf gegen „Desinformation“ und Polarisierung aufgerufen? O-Ton:
„Die größte Gefahr der Welt ist Desinformation!"
Sie funktioniere wie ein Virus. Ja, dagegen müsse der Bürger geimpft werden.
Kein Wunder, dass laut dem „European Media Freedom Act“ die Öffentlich-Rechtlichen über „angemessene, nachhaltige und vorhersehbare finanzielle Mittel verfügen“ sollen. Schließlich kämpfen sie bei der geistigen Bürger-Impfung an vorderster Front. Die freiheitliche EU-Abgeordnete Petra Steger formuliert es auf den Punkt:
„Private, oft regierungskritische Anbieter werden ausgehungert, während staatliche Sender mit EU-Rückendeckung durchgefüttert werden. Das schafft keine Medienvielfalt – das schafft eine gleichgeschaltete Meinungselite.“
Aber wie steht es um den versprochenen Schutz der Journalisten? Welche Maßnahmen plant die EU? Nun, laut Artikel 4 des „Freedom-Acts“ darf man Journalisten nicht mehr zur Preisgabe ihrer Quellen drängen. Auch nicht durch Spionagesoftware, Verhaftungen oder Durchsuchung von Redaktionen. - Klingt gut! Das Problem ist nur: Die Vorschrift lässt Ausnahmen, lässt Hintertürchen offen. Mit deren Hilfe darf man Journalisten weiterhin einknasten oder bespitzeln. Sofern es „nach Unionsrecht oder nationalem Recht vorgesehen“ und „durch einen überwiegenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und (...) verhältnismäßig“ sei. Dann darf der Staat weiterhin loslegen.
Zur Aushebelung von Freiheiten sind Begriffe wie „Allgemeininteresse“ bestens geeignet. Sie sind dehnbar wie Kaugummi und öffnen das Tor zur Willkür. Zumal der „European Media Freedom Act“ keine Eingrenzung, keinerlei Definition für „Allgemeininteresse" vorlegt. Damit sind der phantasievollen Auslegung keine Grenzen gesetzt - und schon ist der Einsatz von „intrusiver Überwachungssoftware“ gerechtfertigt.
Im Vorfeld des „European Media Freedom Act“ hatten Organisationen wie der Chaos Computer Club bereits komplette Schnüffel-Verbote verlangt. Ohne Ausnahmen. Damit kamen sie nicht weit. So erklärte die CDU-Abgeordnete Sabine Verheyen:
„Wir können nicht jedem Individuum, was journalistische Arbeit macht, einen Blankoscheck in allen Lebenslagen und Situationen bezüglich Rechtsstaatlichkeit ausfüllen.“
2024 wurde in Frankreich ein bizarres Gesetz verabschiedet: Das richtet sich gegen Kritiker der staatlichen Corona-Maßnahmen. Widerstand gegen medizinische und prophylaktische Behandlungen gilt als „sektiererische Abweichung". Dazu zählen auch die Ablehnung von mRNA-LNP-Injektionen. Solch böse Sektierer erwartet künftig ein dreijähriger Knastbesuch. Oder eine Geldstrafe von 45.000 Euro. Frankreichs Politiker wie der Sozialist Arthur Delaporte feierten dieses Gesetz: Es sei eine notwendige Verteidigung der Wissenschaft und Abwehr von „inakzeptablen Dingen“ in sozialen Netzwerken. Ist dieses Gesetz kein Paradebeispiel für das oben zitierte „Allgemeininteresse“? Dazu passt, dass Frankreich bei den Verhandlungen zum „European Media Freedom Act“ beim Spyware-Verbots auf eine Ausnahme drängte: Die „nationale Sicherheit“. Damit kam Frankreich nicht durch. Aber Macron sollte nicht traurig sein: In dem Schwammi-Begriff „Allgemeininteresse“ lassen sich auch Fragen der nationalen Sicherheit unterbringen. Zumal Frankreich gerade so richtig in Schwung kommt: In diesem Sommer wurden bereits mehrere Räumlichkeiten französischer Journalisten durchsucht. Grund: Man wollte Quellen-Infos ergattern.
Die nächste Falle des „European Media Freedom Act“ wartet im Artikel 6. Der fordert eine radikale Offenlegungspflicht für Mediendiensteanbieter. Die müssen leicht zugängliche Infos über rechtliche Namen, Eigentümerstrukturen und wirtschaftliche Eigentümer bereitstellen. Das ist in Zeiten des Online-Prangers gefährlich: Lässt sich damit doch weitere Kontaktschuld konstruieren. Und noch mehr „Distanzierung“ zu fordern. Ob von Personen oder Gruppierungen. So lange eine Gesellschaft auf Kritik mit Ausgrenzung reagiert, ist Transparenz-Zwang ein steter Vorteil für die Machthaber.
Übrigens: Auch in dem Punkt ist von der Leyen mit gutem Beispiel vorangegangen: Laut Politico.eu haben die Kommissionspräsidentin und ihre politische Gruppe EVP schlappe 70.000 Euro für 17 Anzeigen hingeblättert. Aber im Transparenzregister von Google war dies nicht dokumentiert. Kurzum, die Promo-Aktion wurde verschleiert. Preisfrage: Wird der „European Media Freedom Act“ solches Verschweigen künftig verhindern?
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bild: Zeitgenössische Kunstcollage. Gruppe von Leuten mit Retro-TV Köpfen stehen wie Zombie. Desinformation. Konzept der Zensur, Einfluss der Massenmedien, Information, Fake News. Manipulation
Bildquelle: Anton Vierietin / shutterstock
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