
Aber es hätte schlimmer kommen können, meint dennoch die europäische Presse
Ein Standpunkt von Hermann Ploppa.
„Es kann gefährlich sein, ein Feind Amerikas zu sein; aber Amerikas Freund zu sein ist tödlich.“ (Henry A. Kissinger) <1>
Es gab da mal einen Volldeppen mit Namen Hans. Dieser Hans hatte sieben Jahre geschuftet wie ein Ackergaul. Dann hörte er auf zu arbeiten und ließ sich auszahlen. Er bekam einen Goldklumpen in der Größe eines Kopfes als Lohn. Und wie er so des Weges geht, begegnet ihm ein Mann mit einem Pferd. Hans tauscht seinen Goldklumpen gegen das Pferd. An der nächsten Ecke steht ein Mann mit einer Kuh. Hans tauscht das Pferd gegen eine Kuh. Dann begegnet Hans einem Mann mit einem Schwein. Hans tauscht die Kuh gegen das Schwein. Dann tauscht Hans das Schwein gegen eine Gans. Schließlich und endlich tauscht Hans die Gans gegen einen Schleifstein plus einem gewöhnlichen Feldstein. Und als Hans sich über einen Brunnen beugt, fallen ihm die Steine in den Brunnen. Nun ist Hans froh, denn er muss ja keine Lasten mehr tragen. Und er ruft erfreut aus: „Ich besitze nichts. Ich habe keine Privatsphäre, und ich bin glücklich dabei!“
Ich weiß nicht, wie es Ihnen beim Anhören dieses Märchens der Gebrüder Grimm geht. Mir jedenfalls kräuseln sich die Fußnägel bei so viel Dummheit. Natürlich finden sich auch immer wieder Feingeister, die da etwas von „weiser buddhistischer Entsagung“ säuseln. Meine Meinung ist: Was hätte man mit dem kopfgroßen Goldklumpen nicht alles Gutes machen können!
Und das Schlimmste, meine Damen und Herren, ist: dieses Märchen vom bekloppten Hans im Glück ist jetzt grausige Realität geworden. Nur dass der Protagonist nicht Hans, sondern Ursula heißt. Und der in sieben Jahren mühsam erknechtete Goldklumpen gehört eigentlich den Bürgern der Europäischen Gemeinschaft und nicht der tumben Ursula.
Europas Demütigung im Golfressort Turnberry
Da pilgerten die europäischen Vasallenknechte zu ihrem Lehnsherren Donald. Den hatten sie jahrelang verachtet und bis zu seiner Amtseinführung auch oft geschmäht. Doch jetzt üben sie sich in der antiken Selbsterniedrigung, der Proskynese. In Proskynese steckt das Wort „Hund“ drin. Die Untertanen der antiken Despoten näherten sich ihrem Herrn am standesgemäßesten auf allen Vieren. Ursula und ihr Gefolge dackelten zu König Donald, und zwar zu dessen Golfklub Turnberry in Schottland.
Kurz und schlecht und zudem schon oft berichtet: die von keinem Volk gewählten selbsternannten Führer der Europäischen Gemeinheit stimmten zu, dass die USA ab dem 1. August dieses Jahres auf Importe aus der EU in den Schlüsselbranchen wie Automobil oder Chemie einen Zoll von 15 Prozent erheben. Aluminium und Stahl aus der EU werden weiterhin mit 50 Prozent Einfuhrzoll belegt. Zudem willigte Ursula im Glück ein, dass die EU in den nächsten fünf Jahren Öl und Fracking-Gas aus den USA im Wert von 750 Milliarden Dollar einkauft. 250 Milliarden Dollar für Umweltdreck in jedem Jahr. Bislang kaufte die EU jährlich „nur“ 76 Milliarden Euro Energierohstoffe aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Da müssen wir uns aber noch ganz schön anstrengen, um die Umwelt für 250 Milliarden Dollar zu ruinieren. Ja, und Ursula im Glück hat den USA vertraglich zugesichert, dass die EU Direktinvestitionen im Wert von 600 Milliarden Dollar in den USA versenken wird. Hallo, das sind 600 Milliarden Dollar aus den Steuergeldern der Europäer!
Und, was bekommt die EU im Gegenzug? Ähm, räusper … nichts! Nein, ohne Spaß: Nichts! Rein gar nichts. Die EU verzichtet stattdessen auf Einfuhrzölle auf US-Waren in die Europäische Wirtschaftszone. Aber das ist doch ein Super-Deal für Europa, verkünden die EU-Hofberichterstatter. Denn Trump hatte im Mai für europäische Auto-Exporte in die USA einen Zoll von 27,5 Prozent verordnet. Ja, dazu brauchte König Donald keine Zustimmung durch den Kongress. Er hat das einfach durch einen Erlass festgelegt. Vor dem Mai 2025 gab es allerdings lediglich einen Zollsatz von 2,5 Prozent. Da hat König Donald einfach 25 Prozent draufgeknallt. Und da haben wir doch jetzt immerhin 12,5 Prozent insgesamt eingespart! Das ist doch ein Verhandlungserfolg, oder etwa nicht?
Hinter den Kulissen hatte es wohl einen Kampf zweier Linien in der Europäischen Kommission gegeben. Die eine Fraktion meinte, man solle den USA durchaus die Gelbe Karte zeigen, gerade so wie es Kanada und China gemacht haben – nämlich europäischerseits mit harten Zöllen auf Importe aus den USA zu antworten. Doch die andere Fraktion scharte sich um Ursula von der Leyen und argumentierte: der große Bruder aus Übersee könnte bei harter EU-Position noch härter reagieren. Ursula im Glück argumentierte folgendermaßen:
„Wir werden auch unsere Energiezusammenarbeit intensivieren. Der Kauf amerikanischer Energieprodukte wird unsere Versorgungsquellen diversifizieren und zur Energiesicherheit Europas beitragen. Wir werden russisches Gas und Öl durch umfangreiche Käufe von amerikanischem Flüssigerdgas, Öl und Kernbrennstoffen ersetzen.“ <2>
Aha. Wir werden also diversifizieren, indem wir Energie nur noch und ausschließlich aus den USA beziehen. Bestechende Logik. Die Zollpolitik ist natürlich ein Schlag ins Gesicht der europäischen Wirtschaft. Als erste Folge wird für dieses Jahr mit einer Delle von von einem halben Prozent beim EU-Bruttoinlandsprodukt gerechnet. Doch mit diesem Deal wird nunmehr die Deindustrialisierung und Marginalisierung Europas rapide voranschreiten. Denn die europäischen Anbieter werden weniger Waren in den USA verkaufen können. Und die möglichen Ausweich-Märkte in Russland und China hat man ohne Not bereits jetzt verprellt durch freche Rhetorik gegen beide Länder. Also werden die Europäer auf ihren Waren sitzen bleiben.
Der Verband der deutschen Automobilindustrie gibt sich diplomatisch und dankt zunächst den europäischen Verhandlungsführern, um dann allerdings zur Sache zu kommen:
„Der Zollsatz der USA in Höhe von 15 Prozent auch für automobile Produkte wird die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie jährlich Milliarden kosten und belastet sie inmitten der Transformation. Auch angesichts der weitreichenden Zusagen für zusätzliche Investitionen in den USA, deren Ausgestaltung noch offen ist, ist die EU jetzt umso mehr und dringend aufgefordert, die Rahmenbedingungen in Europa für Investoren wie Unternehmen international wettbewerbsfähig auszugestalten, um als Investitionsstandort wieder interessanter und relevanter zu werden.“ <3>
Das ist die Haltung der europäischen Industrie: am Zollsatz kann man nichts mehr ändern. Dann muss man eben die inneren Faktoren anpassen. Soll heißen: Umweltauflagen weg. Löhne radikal runter. Nur so kann man die Kosten senken in einem mieser gewordenen internationalen Umfeld. Solche Einschnitte wiederum schwächen die Gesamtwirtschaft. Wenn die Leute in Europa sich nichts mehr leisten können, muss man sich aufs Geld drucken verlegen und in die Rüstung investieren. In der Hoffnung, nach gewonnenem Krieg endlich reale Werte erbeutet zu haben. Da gibt es noch viel zu tun. Denn die andere Vasallen-Organisation der USA, die NATO, hat von Europas Wirtschaft gefordert, die Waffensysteme „interoperabel“ zu machen. Soll heißen: unsere Waffen müssen ideal zu den amerikanischen Waffen passen. „Interoperabel“ wiederum sind aber am ehesten in den USA gefertigte Waffen.
Wie auch immer. Europa ist jetzt zum Blutspender der anämischen USA verkommen. Die Steuerzahler in der Europäischen Union müssen ab jetzt die Frischzellenkur der USA noch direkter als bisher bezahlen.
Kriegsstaat statt Wohlfahrtsstaat
Wir müssen schon mal unseren Erwartungshorizont ein wenig einschränken. So schlimm sind Lebensmittelkarten und wohltätige Suppenküchen für die Armen doch nun auch nicht, oder? Und wenn die Heizung in unserer Wohnung abgestellt wird, können wir doch auf der Straße Feuer machen, um wenigstens unsere Hände warm zu halten? So wie das in den sozialen Brennpunkten in den USA schon längst Gang und Gäbe ist.
Janan Ganesh ist Star-Kolumnist der in London erscheinenden Financial Times. Ganesh hat bereits im März dieses Jahres einen Artikel veröffentlicht mit dem Titel „Europa muss seinen Sozialstaat abbauen, um einen Kriegsstaat aufzubauen. Ohne Kürzungen der Sozialausgaben ist die Verteidigung des Kontinents nicht möglich“. Im Englischen klingt das etwas pointierter: die Metamorphose vom „Welfare State“ zum „Warfare State“ hat zu erfolgen. Einige Kostproben aus diesem Artikel gefällig?
„Die Mission besteht nun darin, das Leben Europas zu verteidigen. Wie, wenn nicht durch einen kleineren Wohlfahrtsstaat, soll ein besser bewaffneter Kontinent finanziert werden? Jedem unter 80, der sein Leben in Europa verbracht hat, kann man verzeihen, dass er einen riesigen Wohlfahrtsstaat als den natürlichen Lauf der Dinge betrachtet. In Wahrheit war er das Produkt seltsamer historischer Umstände, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorherrschten und heute nicht mehr herrschen. Die Renten- und Gesundheitskosten waren für die arbeitende Bevölkerung schon vor dem aktuellen Schock der Verteidigungsausgaben schwer zu tragen. Die Regierungen werden gegenüber den Alten knauseriger sein müssen. Oder, wenn das angesichts ihres Stimmgewichts undenkbar ist, wird man die Ausgaben in produktiveren Bereichen ansetzen müssen.“ <4>
Klingt bizarr. Erinnern Sie sich noch, wie bizarr sich das anhörte, als wir zum ersten Mal vernahmen, wir sollten unseren Anteil an Rüstungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts anheben? Na ja, da haben wir erst die Kröte mit den zwei Prozent geschluckt, und als das verdaut war, ging es an die fünf Prozent. Und warum sollten wir denn dann nicht auch noch die Kröte schlucken, dass wir unseren zivilisatorischen Standard auf die Zeiten von Charles Dickens im neunzehnten Jahrhundert zurückfahren?
Die Visionen des Friedrich Merz
Die Führer der Mitgliedsstaaten der EU waschen die Hände in Unschuld. Nein, sie haben ja nichts zu tun mit dem schändlichen Ausverkauf Europas, ausgehandelt auf dem Trump-Golfplatz Turnberry. Denn die Staats- und Regierungschefs müssen sich im Gegensatz zur Königin Ursula der Glücklichen lästigerweise einstweilen noch dem Wählervotum stellen. Auch wenn da schon Abhilfe in Sicht sein sollte, muss man einstweilen noch die Demoskopiewerte berücksichtigen. Und so sieht der ehemalige Banker und Multimillionär Emmanuel Macron Europas Schwäche darin, dass der Rest der Welt unser Europa „nicht genug fürchtet“. Europa sähe sich selbst nicht genug als Weltmacht. Zunächst einmal fragt man sich bei so einer kokainesken Selbstüberhebung, ob wir nicht viel lieber geachtet als gefürchtet werden möchten. Und zudem: wer kann denn nach der Selbst-Verhundung der EU-Kommissare in Schottland noch anders als in bitteres Hohnlachen ausbrechen?
Da ist ausnahmsweise der von BlackRock eingesetzte deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz deutlich klarer im Kopf. Der schottische Golfplatz-Deal bringe für die deutsche Wirtschaft durchaus beachtlichen Schaden. Der transatlantischen Handel wird Einbußen erleiden, so Merz. Und im Gegensatz zu Macron schaut Merz auch auf den großen gütigen Hegemon in Warshington. Merz wörtlich:
„Wir werden auch in Amerika die Folgen dieser Handelspolitik sehen. Diese Zölle sind auch nach meiner festen Überzeugung nicht im Interesse der Vereinigten Staaten von Amerika.“ <5>
Da hat der Hüne aus dem Hochsauerland nicht ganz unrecht. Denn erstens müssen die erhöhten Zölle ja die Menschen draußen im Lande der USA bezahlen. Denn Zollerhöhungen sind nichts anderes als Steuererhöhungen für US-Bürger. Zweitens hat König Donald sich ins eigene Bein geschossen. Denn wenn er Autoimporte aus Kanada und Mexiko mit 25 Prozent Zoll belegt, die EU aber „nur“ mit 15 Prozent peinigt, haben die europäischen Autos gegenüber den Importautos aus Mexiko und Kanada immer noch einen Wettbewerbsvorteil von zehn Prozent. Denn merke: die Autos aus Mexiko und Kanada sind Produkte US-amerikanischer Konzerne.
Dass Trump und sein serviler Handelsminister Howard Lutnick die Wirtschaft der USA durch ihre Zölle in die Depression fahren werden, ist absehbar. Wenn es denn mal wieder so weit ist, stellt sich nur noch die Frage: wer wird von den USA als nächster unfreiwilliger Blutspender in die Mangel genommen?
Sie tun sich ja auch nicht zusammen, die unzähligen Trump-Geprellten. Ein namenlos bleiben wollender EU-Beamter raunte dem Reporter in die Feder: „Donald Trump ist der Schlägerkönig auf dem Schulhof, und wir haben uns nicht mit den anderen Schülern zusammengetan, um uns gegen ihn zu wehren. Wer nicht zusammenhält, wird einzeln gehängt.“ <6>
Es ist noch nicht zu spät, das Rad herumzureißen. Es ist doch so einfach, sich für die Angebote der BRICS-Länder zu öffnen. Allerdings müsste dazu erst einmal der Filz der USA-Hörigen Vasallen-Netzwerke aufgetrennt werden. Es ist unabdingbar, dass sich die Menschen in den Ländern der EU auf unterster Ebene vernetzen und Europa instand erobern.
Was besseres als den Tod findste immer!
Quellen und Anmerkungen
<1> https://www.goodreads.com/quotes/11331139-it-may-be-dangerous-to-be-america-s-enemy-but-to
<2> https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/statement_25_1915
<4> https://www.facebook.com/100064268366203/posts/europe-must-trim-its-welfare-state-to-build-a-warfare-statethere-is-no-way-of-de/1047938790691723/ Artikel hinter Bezahlschranke.
<6> https://x.com/FT/status/1949771876126847148
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bild: Ursula von der Leyen (Präsidentin der Europäischen Kommission)
Bildquelle: Frederic Legrand - COMEO / shutterstock
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