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Es ist kein Kampf gegen eine Religion | Von Jochen Mitschka

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Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.   

Dass es kein Kampf der Kulturen, oder Kampf der Religionen war, welche in Palästina auch noch Ende Mai 2025 stattfand, wurde immer wieder bewiesen, weil keine Religion oder Kultur vor der Zerstörung durch Israels Besatzungsmacht sicher war. Am 21. Mai konnte man sehen, wie Israel den gepflegten Park in der christlichen Stadt Beit Sahour bei Bethlehem zerstörte. Aber schauen wir uns an, was in der zweiten Mai-Hälfte rund um den Krieg Israels für ein Eretz-Israel passierte. Tatsächlich ging es um die rechtsextremistische Expansionspolitik einerseits, und die politische Überlebensstrategie eines Ministerpräsidenten, der Korruptionsverfahren aus dem Weg ging. 

In den letzten Monaten zeigten mehrere neue Meinungsumfragen, wie sehr Israel die Unterstützung der Amerikaner Ende Mai verloren hatte  – und dass die Unnachgiebigkeit der Democrat Party der USA in der Gaza-Frage die Wahlbeteiligung bei den Wahlen am 5. November stark reduziert hatte. Doch Halah Ahmad argumentierte in einem Artikel in +972, dass die Demokraten die Lage immer noch nicht verstanden, und dies für die Partei noch größere Folgen haben könnte.

Die Völkermordgesellschaft

Max Blumenthal, ein kritischer jüdischer Journalist veröffentlichte am 26. Mai die Zusammenfassung von schockierenden Ergebnissen einer Umfrage der Pennsylvania State Universität. Er schrieb, dass die jüdisch-israelische Gesellschaft durch und durch faschistisch, völlig unrettbar und eine ernste Bedrohung für die Menschheit sei:

  • 82 % befürworteten die Zwangsvertreibung der Bewohner des Gazastreifens. 
  • 56 % befürworteten die Zwangsvertreibung arabischer Bürger Israels. 
  • 47 % waren der Meinung, die israelische Armee solle „wie die biblischen Israeliten unter Josua in Jericho handeln – alle Bewohner einer eroberten Stadt töten“. 
  • 65 % glaubten an eine moderne Inkarnation Amaleks, eines biblischen Feindes der Juden. 
  • 93 % derjenigen, die an „Amalek“ glaubten, meinten, dass das biblische Gebot, Amalek auszulöschen, auch zu dem Zeitpunkt der Umfrage noch galt. 
  • 69 % der säkularen Israelis befürworteten die Vertreibung der Bevölkerung des Gazastreifens, und 
  • 31 % befürworteten die Nachahmung der biblischen Zerstörung Jerichos. 
  • Nur 9 % der Männer unter 40 lehnten alle Völkermordszenarien an den Palästinensern ab.

Diese Entwicklung war absehbar. David Sheen hatte schon 2018 in einem Vortrag an der Universität Charles in Prag vor genau dieser Entwicklung gewarnt. Jeder deutsche Politiker hätte es wissen MÜSSEN. Eine letzte Warnung hatte ich 2021 in meinem Buch mit einem Transkript des Videos ausgesprochen. Nachdem E-Mails an alle Abgeordneten des deutschen Bundestages unbeachtet gebliebe, oder (nur in Einzelfällen) mit dem Beweis vollständigen Unwissens beantwortet waren. 

Am 26. Mai wurde berichtet, dass über 1000 Siedler, darunter Minister, Rabbis, Mitglieder des Knesset die Al-Aqsa Moschee unter Polizeischutz gestürmt hatten. Es geschah zum Jahrestag der Besatzung der eigentlich laut UNO-Resolution internationalen Stadt durch israel. Es war eine eindeutige Provokation der christlichen und muslimischen Bevölkerungsteile. 

Das Ziel der Extremisten unter den Zionisten ist, die Al Aqsa-Moschee, eine der heiligsten Stätten der Muslime, "leider" zum Einsturz zu bringen, als, um an dieser Stelle, den 3. Tempel zu erreichten. Die roten Kühe für die Reinigungszeremonie werden schon gezüchtet. Es ist eine politische Ideologie, welche Siedlerkolonialismus mit extremistischer Auslegung von uralten biblischen Texten begründet. 

„Netanjahu veröffentlichte ein Video zum Jahrestag der vollständigen Besetzung Jerusalems durch Israel. Das Video wurde aus einem Tunnel unter der Al-Aqsa-Moschee gefilmt, der von Silwan bis direkt unter die Moschee führt. Der Tunnel droht die Al-Aqsa einzustürzen, da jahrelange Ausgrabungen darunter – auf der Suche nach Beweisen für den angeblichen Tempel – ergebnislos blieben. Tatsächlich bestätigen alle Funde dessen Abwesenheit. Quelle: @tamerqdh“

Aber es gibt auch eine entgegengesetzte Strömung. Seit Israel Anfang März den Waffenstillstand einseitig brach, war das Bewusstsein für die Kriegsverbrechen der Armee in Gaza über die radikale Linke und die palästinensische Gemeinschaft hinaus in den breiteren israelischen Mainstream-Diskurs vorgedrungen. Dies allein könne den Krieg zwar nicht beenden, meinte Meron Rapoport, aber es bedeute einen langsamen Bewusstseinswandel.

„Doch die Tatsache, dass dieser Bewusstseinswandel überhaupt stattfindet, ist von großer Bedeutung – insbesondere, da er sich trotz des Schweigens der Medien und der Politik – oder vielleicht gerade deswegen – ausbreitet. Dieses Erwachen könnte den aktuellen politischen Diskurs neu gestalten, Persönlichkeiten wie Golan dazu drängen, ihr Schweigen künftig zu brechen, und in der Debatte über Gaza „am Tag danach“ eine Rolle spielen. Für die Zukunft dieses Landes ist diese Auseinandersetzung von grundlegender Bedeutung.“.

Rechenschaft ablegen

Mehrere Aktivisten organisierten im Mai 2025 Datenbanken, in denen die Kriegsverbrechen der israelischen Armee dokumentiert wurden, damit die Verantwortlichen, auch auf dem Niveau der Ausführenden, also die einfachen Soldaten, zur Verantwortung gezogen werden konnten. Es durfte erwartet werden, dass schon bald in westlichen Ländern Gesetze erlassen oder genutzt würden, um solche Datenbanken zu verbieten. 

Ein Beispiel für eine Solche Datenbank behandelte die Beiträge von kanadischen Soldaten zum Völkermord in Gaza. 

„Den größten Teil des vergangenen Jahrhunderts reisten einige Juden aus Kanada nach Israel, um an der Seite anderer jüdischer Zionisten aus aller Welt zu kämpfen. Anfangs kämpften diese Kanadier zusammen mit einigen Nichtjuden mit zionistischen Milizen für die Gründung des Staates Israel, was durch die ethnische Säuberung der Palästinenser von ihrem Land geschah. In den Jahrzehnten danach schlossen sich mindestens Hunderte jüdischer Kanadier freiwillig dem israelischen Militär an und unterstützten den Staat in seinen Kriegen und der Besetzung benachbarter Gebiete.

Im Laufe dieser Zeit wurde das israelische Militär von und/oder vor wichtigen internationalen Gremien glaubhaft der ethnischen Säuberung, Kriegsverbrechen, Apartheid und nun des Völkermords beschuldigt. Israelische Soldaten stellten zudem die notwendige physische Gewalt bereit, um Praktiken aufrechtzuerhalten, die die kanadische Regierung verurteilt hat, wie die Besetzung des Westjordanlands und die Gründung neuer Siedlungen.

Trotzdem hat die kanadische Regierung kein Interesse daran gezeigt, ihren Bürgern den Beitritt zum israelischen Militär zu verbieten, sie daran zu hindern oder sie gar zu verfolgen. Tatsächlich hat die Regierung manchmal das Gegenteil getan. So veranstaltete beispielsweise Deborah Lyons, damals kanadische Botschafterin in Israel und heute Antisemitismusbeauftragte der kanadischen Bundesregierung, 2020 eine Pizzaparty für Kanadier beim israelischen Militär und sagte ihnen: ‚Wir in der Botschaft sind sehr stolz auf das, was Sie tun. Es ist wirklich unglaublich‘.“

So die einleitenden Erklärungen der Seite findidfsoldiers.net. Sie identifiziert Soldaten, welche an den Kriegsverbrechen beteiligt waren, zum größten Teil aus deren eigenen Angaben, die sie im Internet verbreitet hatten. Die Datenbank enthielt im Mai die Namen von 163 Soldaten. Der letzte Eintrag z.B. identifizierte den Soldaten auf Grund seines LinkedIn Eintrages. Der erste und zweite Eintrag in der Liste wurde durch einen Auftritt im Fernsehen bekannt. 

Diese Soldaten und Soldatinnen, weil auch Frauen dabei waren, sollten sich zukünftig erklären müssen, inwieweit sie bei Kriegsverbrechen beteiligt waren oder nicht, und warum sie ein System als Soldat unterstützten, das für jeden erkennbar Kriegsverbrechen systematisch einsetzte.

Aber Israels Handlungen in Gaza waren vollkommen unbeeindruckt von der weltweiten Kritik. Am 22. Mai wurde bekannt, dass die IDF über Gaza Flugblätter im psychologischen Krieg gegen die Zivilbevölkerung abwarf, in dem man las: „Rafah ist erst der Anfang“. Es war die Ankündigung des Beginns der Endlösung, also der Vertreibung des größten Teils der Palästinenser aus ihrer Heimat.

Niemand in Israel und in den Reihen der Unterstützer verschwendete nur einen Augenblick an den Gedanken, dass sie eines Tages wegen Völkermord zur Verantwortung gezogen werden könnten. So wie die Siedler der USA, die deutschen Soldaten in Namibia oder andere Unterstützer von Völkermorden in der Geschichte. Klar wurde das, als ein US-Kongressabgeordneter erklärte: „Wir haben zwei Atombomben auf Japan geworfen, um ihre bedingungslose Kapitulation zu erzwingen, das muss man hier auch [in Gaza] machen“. Sollte das alles wirklich ungestraft bleiben, wie so viele Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Vergangenheit?

In Israel ging die Gesellschaft offensichtlich davon aus. Dort wurden Touristenreisen an die Front organisiert, damit die israelischen Besucher ein bisschen Kitzeln spüren konnten, wenn die Bomben die letzten Ruinen komplett platt machten, und die Menschen verhungerten. Allerdings war diese Attraktion schon seit Jahrzehnten eine beliebte Freizeitbeschäftigung von Israelis.

Selbst die nicht zimperlichen Vereinigten Arabischen Emirate verurteilten Israel dafür, dass Hilfstransporter durch „Rote Zonen“ fahren mussten, in denen von Israel unterstützte, mit dem IS verbundene kriminelle Banden und Drogendealer unter dem Schutz der IDF Hilfsgüter plündern konnten. Die VAE gaben an, dass von 103 zugesagten (statt die benötigten 600) Transporten, welche die VAE geschickt hatten, nur 24 zugelassen worden waren. Aber nur ein einziger Transport hatte das Ziel erreicht. „Rote Zonen“ waren Israels „Vernichtungszonen“, wie z.B. in Rafah, in denen Gaza-Bewohner keinen Zutritt haben, und jeder der sie betritt, sofort getötet, oder im besten Fall inhaftiert wurde. 

Kriminelle Banden, die oft aus Gruppen bestanden, welche früher gegen Assad in Syrien gekämpft hatten, operierten ungestört von der IDF und griffen auch Polizisten an, welche Plünderungen verhindern wollten.

Die Zeitung Haaretz hatte schon am 11. November 2024 darüber berichtet, deshalb war es nichts Neues:

„Die Quellen berichteten Haaretz, dass bewaffnete Männer, die zwei Clans aus dem Bezirk Rafah angehören, einen Großteil der Hilfslieferungen blockiert haben, die über den israelischen Grenzübergang Kerem Shalom nach Gaza gelangen. Die Plünderungen seien systematisch, doch die israelischen Streitkräfte hätten ein Auge zugedrückt. Da einige Hilfsorganisationen sich weigern, Schutzgelder zu zahlen, landen die Hilfsgüter oft in Lagerhäusern, die unter der Kontrolle der israelischen Armee stehen.“

Aber im Mai 2025 hatte sich das als so erfolgreich dargestellt, der Welt vorzuspiegeln, man lasse Hilfslieferungen zu, nur um sie den Banden zu überlassen, die dann viel Geld auf dem Schwarzmarkt verdienten, während diejenigen, welche die Hilfe am nötigsten gehabt hätten, leer ausgingen, dass man das Vorgehen perfektionierte. Die palästinensischen Widerstandsgruppen, allen voran die Hamas kämpften nicht nur gegen die IDF, sondern auch mit kriminellen Banden, welche mit der IDF offensichtlich kooperierten. Sogar die Washington Post, ebenso wie NPR, hatten sich schon des Themas angenommen, ohne jedoch dadurch politische Wirkung zu erzielen. Und so stellte Suppressed News am 24. Mai fest:

„Israel bewaffnet und schützt kriminelle Banden und Drogendealer, darunter auch den Kriegsherrn Yasser Abu Shabab, der nun offen in Rafah unter dem Namen ‚Anti-Terror-Einheit‘ operiert. In neuer Militärausrüstung und unter israelischem Schutz an Kontrollpunkten plündern Abu Shabab und seine Bande humanitäre Hilfsgüter – oft nur wenige Meter von israelischen Streitkräften entfernt, die sogar auf die örtliche Polizei schießen, um sie aufzuhalten. (…)

Diese bewaffneten Banden werden von Israel eingesetzt und wurden in den letzten Monaten dazu benutzt, Chaos zu stiften und die humanitäre Lage zu verschlechtern. Wenn diese Banden Wohltätigkeitsküchen oder Hilfsgüterlager angreifen, wird jeder, der versucht, sie zu konfrontieren oder aufzuhalten, von Israel angegriffen und bombardiert. Es handelt sich um dieselben Banden, denen die Arrow Unit von Al-Qassam entgegentritt und die sie zu vernichten versucht.“

Während man in Deutschland immer noch von Verteidigung und Einhaltung der Menschenrechte und des Völkerrechtes faselte, waren selbst hartgesottene israelische Zionisten bereits ernüchtert. So erklärte der ehemalige Ministerpräsident (2006 bis 2009) Ehud Olmert, der für die Tötung von 500 Kindern während eines Angriffes auf Gaza mit dem Namen Gegossenes Blei verantwortlich war, in dramatischer Weise, was deutsche Politiker nicht wagen auszusprechen:

„Was wir in Gaza tun, ist ein Vernichtungskrieg: Wahllos, ungezügelt, brutal und kriminell gegenüber Zivilisten. Wir tun dies nicht wegen eines versehentlichen Kontrollverlusts in einem bestimmten Sektor, nicht wegen eines unverhältnismäßigen Ausbruchs von Kämpfern in irgendeiner Einheit – sondern als Ergebnis einer von der Regierung diktierten Politik, wissentlich, absichtlich, bösartig, vorsätzlich, rücksichtslos. Ja wir begehen Kriegsverbrechen“.

Aber der Vernichtungsfeldzug der Zionisten ging weiter. Am 19. Mai erließ die israelische Armee Evakuierungsbefehle für weite Teile des südlichen Gazastreifens – darunter auch für Ruwaida Amers Heimatstadt Al-Fukhari. Sie und ihre Familie waren so lange wie möglich in Al-Fukhari geblieben, bis ihnen ein Luftangriff in der Nähe ihres Hauses die Flucht als einzige Lösung erschien.

Innerhalb der palästinensischen Gemeinschaft gab es auch Selbstreflexion. 2015 war den vier Parteien mit palästinensischer Mehrheit in Israel ein beispielloser politischer Durchbruch mit der Gründung der Gemeinsamen Liste gelungen, einem Wahlbündnis, das die ideologischen Gräben und zwischenmenschlichen Rivalitäten innerhalb der zersplitterten Führung der Gemeinschaft überbrücken sollte. Rida Abu Rass argumentierte, dieses Experiment palästinensischer Einheit innerhalb Israels war immer noch wichtig, auch wenn es schließlich doch zunächst gescheitert war.

Und der Wille und die Widerstandskraft von Palästinensern wurde noch einmal in einem neuen Film deutlich gemacht: „Severed“ erzählte die Geschichte des 18-jährigen Mohamad Saleh, der fünf Kriege gegen Gaza überlebte, sein Bein durch einen israelischen Scharfschützen verlor und mehrere weitere Operationen über sich ergehen lassen musste. Regisseurin Jen Marlowe schrieb über ihre Freundschaft mit Mohamad, die erschütternden Monate, die er nach dem 7. Oktober mit seiner Familie in Gaza verbrachte, seine knappe Flucht nach Kairo und die Entstehungsgeschichte des Films.

Und schließlich waren es nicht „Juden“, welche diesen Völkermord zu verantworten hatten. Darüber berichtete Dikla Taylor-Sheiman und über die sechste jährlich gemeinsamen israelisch-palästinensischen Gedenkfeier zur Nakba, die von Combatants for Peace organisiert und in der Stadt Beit Jala im Westjordanland abgehalten wurde. Rund 300 Israelis und Palästinenser sowie Tausende weitere Personen versammelten sich persönlich, um nicht nur der Katastrophe von 1948 zu gedenken, sondern auch, um inmitten eines anhaltenden Völkermords lebendige palästinensische und jüdischen Widerstand zu demonstrieren.

Rechenschaft ablegen? Nun am 1. Juni zerstörte die IDF das einzige Dialyse-Zentrum in Gaza, das erstaunlicherweise immer noch 160 Patienten betreute, die nun aber dem sicheren Tod geweiht waren.  Das Zentrum war erst kurz vorher unter großen Opfern renoviert worden. 

Baker Zoubi schrieb über die epidemische Bandengewalt, die palästinensische Gemeinden in Israel erfasste, wobei die Mordrate in den letzten Jahren ein beispielloses Ausmaß erreicht hat. Viele palästinensische Bürger glaubten im Mai 2025, dass Kriminalität ein „strategisches Projekt des Staates“ sei, bei dem Israels bewusste Untätigkeit Teil einer Kampagne zur Zerschlagung der palästinensischen Gesellschaft von innen heraus sei. Auch ein Punkt zu dem eines Tages Rechenschaft abgelegt werden müsste.

Israel drohte mit Annexion

Am 26. Mai drohte ein Vertrauter Netanjahus mit der Annexion der Westbank durch Israel, sollten Großbritannien und Frankreich tatsächlich Palästina als Staat anerkennen. Die Zeitung Haaretz berichtete, dass laut einem ausländischen Diplomaten, der anonym bleiben wollte, Dermer erklärte, solche Schritte könnten die Legalisierung nicht genehmigter Siedleraußenposten nach israelischem Recht und die Annexion von Teilen des C-Gebiets im Westjordanland umfassen. Davor hatte die israelische Tageszeitung Israel Hayom berichtet. Außenminister Gideon Sa'ar habe ähnliche Warnungen an seine britischen und französischen Amtskollegen sowie an Vertreter anderer Länder gerichtet. Der Außenminister habe auch während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem deutschen Außenminister Johann Wadephul von solchen Schritten gesprochen.

Wadephul habe darauf geantwortet, Deutschland unterstütze eine Zweistaatenlösung und betrachte die Palästinensische Autonomiebehörde als einzigen legitimen Verhandlungspartner Israels, lehne aber die von ihm als „vorzeitige Anerkennung eines palästinensischen Staates“ bezeichnete Lösung ab. Im Juni 2025 sollte in New York eine französisch-saudische Konferenz zur Zweistaatenlösung stattfinden, auf der Frankreich gemeinsam mit anderen Ländern die Anerkennung eines palästinensischen Staates bekannt geben könnten. Der britische Außenminister, so Haaretz, habe das bestätigt. Es habe auch bereits eine Vorbereitungskonferenz stattgefunden.

Aber gleichzeitig sollte über die vollständige Entmilitarisierung der Hamas und die „Integration Israels in eine regionale Sicherheitsarchitektur“ gesprochen werden. Was bedeutete, dass die Forderungen des IGH und der Generalversammlung in keiner Weise Thema sein würden, sondern in erste Linie die Interessen Israels.

Aber immerhin hatten die Staats- und Regierungschefs Großbritanniens, Frankreichs und Kanadas Israel eine seltene gemeinsame Rüge zukommen lassen und gewarnt, dass dessen „unverhältnismäßige“ Militärkampagne im Gazastreifen und die Behinderung humanitärer Hilfe Verstöße gegen das Völkerrecht darstellen „könnten“. Sie drohten mit konkreten Maßnahmen, falls die Offensive nicht gestoppt und die Hilfslieferungen nicht wieder aufgenommen würden. Was auch immer mit „konkreten Maßnahmen“ tatsächlich gemeint war.

Die Drohung mit Annexion war eigentlich eine leere Drohung, denn de facto fand sie schon statt. Am Morgen des 18. Mai errichteten israelische Siedler einen illegalen Außenposten in der palästinensischen Hirtengemeinde Maghayer Al-Dir in Gebiet C des Westjordanlands. Nachdem sie ihr Land bebaut hatten, berichtete Oren Ziv, griffen israelische Siedler alle verbliebenen Bewohner des Dorfes an und vertrieben es – eines der letzten im südlichen Jordantal.

Chef des GHF wirft hin

Am 26. Mai wurde bekannt, dass Jake Wood, der Geschäftsführer der Gaza Humanitarian Foundation (GHF), zurückgetreten war. Er hatte erklärt, die Organisation könne die „humanitären Prinzipien der Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit“ nicht länger aufrechterhalten. Die GHF war eine umstrittene Hilfsorganisation, die von den USA und Israel dazu eingesetzt werden sollte, Hilfsgüter in einem minimalen, gerade zum Überleben notwendigen Maße an Menschen in eingezäunten und bewachten Bereichen zu verteilen. Nur wenige Stunden nach seinem Rücktritt erklärte die Organisation, mit dem Beginn der Verteilung, die von US-Söldnern überwacht werden sollte, beginnen zu wollen. 

Die UN und andere Hilfsorganisationen meinten, der GHF-Plan sei nicht neutral, verstoße gegen humanitäre Grundsätze und könne Zivilisten gefährden. Die Anschubfinanzierung soll mit Hilfe des Mossad und der israelischen Regierung vorgenommen worden sein. Sie warnten zudem, das Modell würde die Zahl der Zwangsvertreibungen in Gaza erhöhen. Die UN lehnten deshalb eine Beteiligung an dem Plan ab. Eine Untersuchung von Haaretz hatte ergeben, dass mehrere israelische Geschäftsleute die GHF kontrollierten. Auch der israelische Botschafter in den USA war an der Gründung beteiligt. Offensichtlich ging es darum, eine als Hilfsorganisation getarnte Organisation zur Zerstörung der Hamas als einzige „erlaubte“ Hilfsorganisation in Gaza zum Einsatz zu bringen.

Hier endet das Format des Podcast. Wen interessiert, wie es weiterging mit der „humanitären Hilfe“ durch GHF, wie Vernichtung als Verhandlung verkauft wurde, wie ein neuer Waffenstillstandsplan aussah, und welche Gründe ein US-Comedian als Zeichen für den Niedergang Israels ausmachte, warum weißer Rassismus sich so gut mit Zionismus vertrug, was in Deutschland passierte in Bezug auf Israel, was im Iran, und was im Libanon, der liest sicher noch den Text im Anhang.

Quellen und Anmerkungen

Der Autor twittert zu tagesaktuellen Themen unter https://x.com/jochen_mitschka 

Fortsetzung von „Chef des GHF wirft hin“

Bis zu seinem Rücktritt hatte Wood betont, unabhängig von Israel und dessen Interessen zu agieren, und in einem Interview mit der New York Times versichert, sich nicht an einem Programm zu beteiligen, das die Vertreibung von Zivilisten ermöglichte. Durch seinen Rücktritt dürfte nun klar geworden sein, dass er diese Organisation falsch eingeschätzt hatte, und genau das das Ziel der „Menschenrechtsorganisation“ war, nämlich die ethnische Säuberung zu unterstützen.

Eine Organisation in der Schweiz, die TRIAL, welche „falsche NGOs“ entlarvt, hatte ihrerseits bekannt gegeben, zwei Anträge bei Behörden der Schweiz eingereicht zu haben, in denen die Aktivitäten und der Rechtsstatus der GHF in der Schweiz untersucht werden sollen. 

Am 29. Mai wurde berichtet, dass die israelische Armee und die US-Sicherheitskräfte, welche angeblich 1000 Dollar pro Tag verdienten, die Palästinenser aufforderten, zur Abholung der humanitären Hilfe zu kommen, dann aber auf sie schossen. Als Beweis wurden Videos veröffentlicht.

Und am 31. Mai wurde deutlich, warum Wood zurückgetreten war. Mondoweiß berichtete, was nach wochenlangem Hunger und ersten Toten wegen Mangelernährung passierte, als die von den USA geführte „Gaza Humanitarian Foundation“ angeblich mit humanitärer Hilfe begann. Statt Hilfe stiftete die GHF weiteres Chaos im Gazastreifen. Mindestens drei Palästinenser wurden getötet, weitere werden vermisst, nachdem sie die Verteilungsstellen der GHF aufgesucht hatten. Die Karikatur von Latuff brachte es auf den Punkt.

Am gleichen Tag wurde bekannt, wie der „Verteilungsmechanismus von Hilfsgütern“ in Gaza nun unter GHF funktionierte. Diesmal wurde nicht auf die Hilfesuchenden geschossen, sondern, nachdem ihnen gesagt worden war, sie müssten sich unter Sonne und 30°C über Kilometer zu Fuß zu einer Stelle begeben, hörten sie dort von den Söldnern, dass es an dem Tag doch keine Hilfe gab.

Aber am 1. Juni wurden wieder 26 bis 30 Menschen getötet und 80 bis 115 verwundet, je nach Quelle, als Menschen versuchten humanitäre Hilfe abzuholen. 

„Bei einem israelischen Angriff in der Nähe einer Hilfsgüterverteilungsstelle der Gaza Humanitarian Foundation (GHF) in Rafah wurden mindestens 30 Menschen getötet, berichteten die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA und Hamas-nahe Medien am Sonntag. Von Israel gab es zunächst keine Stellungnahme zu dem gemeldeten Angriff, bei dem laut WAFA mehr als 115 Menschen verletzt wurden.“

Die Opferzahlen waren am Abend auf 31 Tote und ca. 200 Verwundete erhöht worden. Man musste feststellen: Menschen, welche sich nicht mehr bewegen konnten, um humanitäre Hilfe zu holen, blieb unversorgt, oder musste sich die Mindestrationen mit denen teilen, welche noch gehen konnten. Und Israel nützte biometrische Methoden, um systematisch Menschen zu identifizieren, die irgendeine Verbindung zur „Hamas“ hatten, um sie zu internieren. Wobei es natürlich war, dass viele Menschen eine Verbindung zu der kommunalen Hamas-Verwaltung hatten, welche Gesundheitsversorgung, Bildung und soziale Leistungen organisierte.

Am 1. Juni berichtete das Quds News Network über die Antworten des israelischen Militärs mit dem Titel: „‘Wählen Sie eine Lüge, irgendeine Lüge‘: Israels fünf Versionen des Witkoff-Massakers. Insgesamt gab es fünf verschiedene Versionen der Leugnung: 1. Nichts passiert, 2. Es war was passiert, aber nicht in der Nähe des humanitären Zentrums, 3. Soldaten hätten nur in die Luft geschossen, 4. Niemand sei verletzt worden, 5. Hamas war verantwortlich. Einen Tag später verbreitete sich die Meldung, dass ein Panzer auf eine Menschenmenge schoss und 200 Palästinenser tötete und verletzte, die auf Nahrungsmittelhilfe warteten. 

Was man beobachtete passt eigentlich zu einem Artikel in The New Arab vom 28. Mai, in dem enthüllt wurde, dass die neue „humanitäre Hilfsorganisation“ vom Mossad erschaffen worden war. Verraten wurde es von Avigdor Liebermann, einem früheren Finanzminister, wodurch nun auch klar wurde, warum Israel und seine Verbündeten so vehement die UN-Hilfsorganisationen verleumdet hatten. Wobei Liebermann das nicht enthüllte, um die perfide Art der Vernichtung von Palästinensern anzuprangern, sondern weil Israel dafür so viel Geld ausgegeben hatte.

Und folgerichtig berichtete die Organisation Euro-Med Monitor am 3. Juni, dass die israelische Armee über 600 Palästinenser töteten oder verletzten, welche in der vorausgegangenen Woche versucht hatten von den ausgewiesenen neuen „humanitären Zentren“ Lebensmittel zu erhalten.

Vernichtung als Verhandlung verkaufen

Israel verfügte über keine einheitliche große Strategie für Gaza, nutzte aber die Möglichkeit von Vernichtung und Eindämmung, um den Krieg zu verlängern. Schrieb Abdal Jawad Omar am 23. Mai in Mondoweiss. Er erklärte im Prinzip einen Vorschlag der arabischen Diktaturen zur Beendigung des Krieges als Versuch, sich vor der eigenen Bevölkerung zu rechtfertigen, aber gleichzeitig die Möglichkeit zu eröffnen, mit Israel gute Beziehungen zu unterhalten. Die Rechte der Palästinenser spielten dabei keine Rolle.

„In den Wochen seit der Enthüllung der ‚Operation Gideons Streitwagen‘, der erneuten israelischen Offensive zur dauerhaften ‚Eroberung‘ des gesamten Gazastreifens, ist zunehmend deutlich geworden, dass Israels interne Entscheidungsfindung nicht auf ein einzelnes strategisches Endspiel, sondern auf eine rekursive Logik der Erschöpfung ausgerichtet ist. Israel wählt nicht zwischen totaler Eroberung und technokratischer Eindämmung durch einen von den Arabern vermittelten Waffenstillstandsplan. Stattdessen setzt es diese Optionen als Mittel ein, um den Krieg zu verlängern und seine Dauer zu instrumentalisieren, anstatt ihn zu beenden. Keines von beiden ist eine tatsächliche Alternative zum anderen.

Das ist kein Paradoxon, sondern eine Methode. ‚Gideons Streitwagen‘, mit dem Ziel, über zwei Millionen Palästinenser in Rafah zu konzentrieren und den Rest des Gazastreifens zu ‚säubern‘, ist nicht nur ein Eroberungsplan. Es ist eine Sterilisationsfantasie, die in logistische Rationalität gekleidet ist. Ihre Brutalität liegt nicht nur in ihren Absichten – militärisch und demografisch –, sondern auch in ihrem offenen Ausgang, denn es wird eine Besatzung ohne Kontrolle und Verantwortung sein.“

Der Autor berichtete, wie die Vernichtung hinter dem Schleier einer humanitären Logistik stattfand. Doch genau das sei der Punkt: Während Israel seinen Plan verkünde und viele seiner Konturen preisgebe und so dafür sorge, dass das Endspiel der Vernichtung offengelegt wurde, verzögerte es gleichzeitig dessen Umsetzung.

Die Ablehnung des ägyptischen Vorschlags für die Nachkriegsverwaltung Gazas fungiere weniger als strategische Widerlegung, sondern vielmehr als zeitlich begrenztes Manöver: Sie verschob die Stabilisierung Gazas, setzte die Möglichkeit einer Nachkriegsarchitektur außer Kraft und sicherte Israels Rolle als alleinigen Schiedsrichter über Bewegungsfreiheit, Hilfe, Wiederaufbau und Überleben. Der Vorschlag – der die Unterstützung der Arabischen Liga sicherte – bot einen Waffenstillstand, die Freilassung von Gefangenen und die Schaffung einer palästinensischen technokratischen Verwaltung in Gaza unter regionaler und internationaler Schirmherrschaft. Die Regierungsgewalt wäre zivil, nicht der Hamas zugehörig und möglicherweise mit der Palästinensischen Autonomiebehörde verbunden. Arabische Sicherheitskräfte, vor allem aus Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten, würden die öffentliche Ordnung aufrechterhalten. Israel hätte theoretisch die Möglichkeit zuzuschlagen, sollte die Hamas wieder aufrüsten, doch die Kernlogik war eine befriedete Regierungsführung und ein extern überwachter Wiederaufbau.

Doch diese Alternative, so der Autor, obwohl als pragmatische Eindämmung vermarktet, offenbarte ihre eigene Kontrollstruktur. Sie bot den Palästinensern weder Befreiung noch Souveränität. Sie stellte das palästinensische politische Leben nicht wieder her. Stattdessen „imaginierte“ sie einen entpolitisierten Gazastreifen, verwaltet von ausländischen Technokraten, in dem Regierungsführung auf Management reduziert und Widerstand in Sicherheitsbedrohungen umgewandelt würde.

Ja, meint der Autor, es würde die Massaker beenden, aber den Prozess der Zerstörung der palästinensischen Identität fortsetzen, wenn auch mit anderen Mitteln. Es würde die ethnische Säuberung aufhalten, insbesondere den Völkermord, bot aber nur eine minimale Atempause.

„In diesem Szenario werden die Palästinenser zwar verwaltbar, aber nicht repräsentierbar – sichtbar in Tabellenkalkulationen und Überwachungssystemen, aber unsichtbar als Subjekt der Geschichte. Wo ‚Gideons Streitwagen‘ die Eliminierung des Gesprächspartners vorschlägt, bietet der ägyptische Plan dessen Neutralisierung an. Wo ersterer die Auslöschung anstrebt, garantiert letzterer Eindämmung.

Auf diese Weise bekämpft Israel nicht einfach nur die Hamas. Es managt die Zeit des Zusammenbruchs der Infrastruktur Gazas, der regionalen Diplomatie und seiner eigenen internen Widersprüche. Die sogenannten ‚Pläne‘, die es verbreitet, sind keine Handlungsanweisungen, sondern Instrumente der Desorientierung. Durch den Wechsel zwischen militärischer Eskalation und diplomatischer Zurückhaltung hält Israel Gegner wie Verbündete gleichermaßen in einem Theater endloser Erwartung gefangen.“

Diese Pläne, so Omar weiter, würden nicht zu Lösungen, sondern zu buchstäblichen Fallen: Sie würden die einen ermutigen, aber die Palästinenser demütigen. Doch Israel bleibe Ende Mai in einem Schwebezustand zwischen den beiden Plänen, Vernichtung einerseits und Vertreibung und Verwaltung durch ausländische arabische Technokraten. 

Im Prinzip versuchte die israelische Regierungen Zeit zu gewinnen und Ultimaten der Golfstaaten zu verhindern, während gleichzeitig immer mehr Menschen an Krankheiten, Hunger und Bomben starben. Die Aussicht auf einen neugestalteten Gazastreifen unter arabischer Aufsicht wurde als hypothetische, ferne Möglichkeit dargestellt, während vor Ort unumkehrbare Tatsachen konstruiert wurden: Ganze Stadtteile waren ausgelöscht, Bevölkerungen vertrieben, Infrastruktur zu Staub zerfallen.

In der Sprache der israelischen Regierung könne man eine Vision von Gaza als Auffanglager für eine Endlösung erkennen, meint der Autor. Und immer mehr Berichte sickerten durch, welche von Zwangsumsiedlungen nach Libyen oder anderswohin sprachen. Aber, so muss man hinzufügen, jeder Mensch in Gaza, der in den Ruinen und Bombardierungen lebt hatte nicht wirklich eine freie Entscheidung, ob er Gaza verlassen wollte oder nicht, sondern wurde durch die Fakten gezwungen, seine Heimat aufzugeben. Was den Begriff „freiwillige Migration“ lächerlich machte.

Zurück zum Artikel, der beschrieb, dass das ständige Lavieren Israels zwischen Verhandlungen und Fakten schaffen Ermüdungserscheinungen zeigte. Die Reservisten Israels waren erschöpft. Die einst so starke öffentliche Unterstützung war zersplittert, insbesondere aufgrund der Unfähigkeit der Regierung, israelische Gefangene zu befreien, auch die Missachtung ihres Lebens empörte Israelis. Die politische Elite mochte Einigkeit vortäuschen, doch der gesellschaftliche Zusammenhalt bröckelte. 

Doch die Regierung änderte nicht ihren Kurs und hoffte, die globale Empörung so zu erschöpfen, wie es den palästinensischen Widerstand zu erschöpfen hoffte: durch Verzögerung, Verwirrung, die Normalisierung des Zusammenbruchs und natürlich durch Zwang durch den Einsatz von Antisemitismus als Waffe.

Dann beschrieb der Autor Waffenstillstandsverhandlungen als „Verhörmethode“.

„Die Art und Weise, wie Israel die Waffenstillstandsverhandlungen geführt hat – gefangen in einem ewigen Kreislauf aus Vorschlägen, Ablehnungen, Wiederaufnahme der Feindseligkeiten und dem Beharren auf nicht machbaren Lösungen – ähnelt der Dynamik zwischen den israelischen Verhörern des Shin Bet und den palästinensischen Gefangenen, die ihren Drucktaktiken ausgesetzt sind.

In den Räumen des Shin Bet wird die Manipulation der Zeit zur Waffe und die Sprache zum Werkzeug der Desorientierung. Wahrheit wird nicht durch Klarheit oder Dialog ans Licht gebracht, sondern durch Erschöpfung gewonnen: durch körperliche Folter, Psychospielchen, den Schein von Freundschaft und leicht zu brechende Versprechen. Das Ziel ist nicht, das Thema zu verstehen, sondern es aufzulösen – nicht nur ein Geständnis, sondern ein Zusammenbruch.

‚Wenn du sprichst, gebe ich dir eine Zigarette. Wenn du einen Namen nennst, kannst du dich ausruhen. Wenn du uns eine Person nennst – nur eine –, bringen wir vielleicht Essen, eine Decke oder etwas gegen die Kälte.‘ Jede Geste tarnt sich als Gnade, jede Handlung ist an die Logik des Deals gebunden. Es ist Regieren durch Erschöpfung.“ 

Wenn israelische Verhandlungen als eine Form des Verhörs funktionierten, so führt der Artikel aus, dann sei es ebenso wichtig, sich daran zu erinnern, dass die Palästinenser diese Struktur auch wiederholt sabotiert hatten. Tatsächlich sei die Geschichte des palästinensischen Kampfes eine Geschichte der Verweigerung der vom Besatzer auferlegten Lesbarkeitsbedingungen: des Sprechens ohne Erlaubnis, der Verweigerung der Rede, wenn sie gezwungen wurde, des Überlebens, ohne nach Anerkennung zu streben. Das war kein romantischer Trotz. Es war Klarheit, die unter Druck geschmiedet wurde. Eine politische List, die in der Gefängniszelle, im Verhörraum, im zerstörten Haus und am Verhandlungstisch gleichermaßen geformt wurde.

Von den Palästinensern wurde seit langem erwartet, ihre Niederlage zu inszenieren, Zurückhaltung zu verkörpern, während sie Mäßigung übten und Gewalt selektiv anprangerten, erklärt der Autor. Doch immer wieder wurden diese Rollen abgelehnt. Der Gefangene, der Schweigen dem Geständnis vorzog; der Hungerstreikende, der die Zeitlichkeit der Herrschaft verdrängte, indem er seinen Körper der Zeit selbst unterwarf; die Mutter, die darauf bestand, ihr totes Kind nicht als Opfer, sondern als Märtyrerin zu bezeichnen; das Lager, das sich weigerte, sich im Staub der Humanität aufzulösen – all das waren nicht nur Akte des Widerstands, sondern die Verweigerung der Gefangennahme.

Genau diese Weigerung habe die falsche Zweiteilung aufgebrochen, die Israel der Welt nun präsentierte: zwischen Ausrottung und Eindämmung – „Gideons Streitwagen“ und dem ägyptischen Plan.

„Sie waren keine Alternativen zueinander, sondern strukturelle Mitverschwörer. Die eine wollte Palästinenser als Untertanen durch militärische Sterilisation eliminieren, die andere wollte sie durch internationale Bürokratie entwaffnen und verwalten. Die eine war offener Völkermord, die andere ein gesteuertes Verschwindenlassen.“

Diese Zweiteilung selbst werde instabil, meinte Omar, weil die Brüche nun die moralische Architektur der internationalen Ordnung durchzogen und täglich in ihrer Komplizenschaft und selektiven Trauer entlarvt wurden. Sie durchzogen Israels eigene Fundamente: ein überlastetes Militär, eine inkohärente politische Führung und eine Gesellschaft, die unter der Last des nicht enden wollenden Krieges und der Erwartung der Wiederkunft des Messias zerbrach. Die Brüche durchzogen jeden Ort, an dem die Dualität von Ausrottung oder Eindämmung abgelehnt wurde und eine dritte, flüchtige Möglichkeit aufblitzte.

„Dieser dritte Weg, obwohl schwer zu benennen, wird bereits gelebt. Er pulsiert durch globale Solidaritätsnetzwerke, die nicht mehr um Erlaubnis bitten, sondern Rechenschaft fordern. Er wächst in jedem Gerichtssaal, in dem das Wort Völkermord fällt – nicht als Metapher, sondern als juristischer Vorwurf. Er lebt in der Erkenntnis, dass Palästina keine humanitäre Krise ist, die es zu bewältigen gilt, sondern eine politische Sache, die es zurückzuerobern gilt. Er lebt im Wissen, dass Palästina die Ansprüche der liberalen Ordnung ausgehöhlt, ihre Grundlagen freigelegt und ihren Wortschatz gesättigt hat – und dennoch auf seiner Präsenz beharrt.“

Kluge Worte, die jeden von uns anspornen sollten, seinen Beitrag zu diesem dritten Weg zu leisten.

Am 28. Mai wurde bekannt, dass die Hamas bekannt gab, dass mit dem US-Verhandlungsführer Witkoff eine neue Vereinbarung geschlossen worden wäre, nach der eine permanente Waffenruhe, der Rückzug Israels aus dem Gaza-Streifen, die Zulassung von humanitären Lieferungen, und die Übergabe der Veraltung von der Hamas an ein technokratisches Komitee vereinbart wurde.

Aber nachdem noch unklar war, ob denn Witkoff seine angeblichen Versprechungen nach der Freilassung des US-israelischen Soldaten gebrochen hatte, konnte man auch nicht sicher sein, dass es diesmal anders enden würde. Außerdem stand dagegen die Aussage des israelischen Ministers Smotrich, dass Israel nicht einmal im Tausch gegen alle Geiseln Gaza wieder verlassen werde. Weshalb die Annahme durch Israel den Bruch der Regierung und die vermutliche Verhaftung Netanjahus wegen Korruption bedeuten würde. Was sowohl Netanjahu als auch die rechtsextremsten Kräfte der Regierung tunlichst vermeiden sollten.

Neuer Waffenstillstand

Ende Mai sickerten dann Bedingungen eines Waffenstillstandes durch, den angeblich der US-Verhandler Witkoff mit der Hamas hinter dem Rücken der israelischen Regierung ausgehandelt hatten. Die bekannt gewordenen Bedingungen betrafen einen 60-tägigen Waffenstillstand, keinen endgültigen.

1. Dauer

Ein 60-tägiger Waffenstillstand.

  • Präsident Donald Trump garantiert Israels uneingeschränktes Engagement während dieses Zeitraums.

2. Freilassung der Geiseln

  • 28 israelische Geiseln (10 lebend, 18 tot) von der „Liste der 58“ werden in zwei Schritten freigelassen:

Tag 1: 5 lebend + 9 tot

Tag 7: 5 lebend + 9 tot

    • 3. Humanitäre Hilfe
    • Die Hilfslieferungen nach Gaza erfolgen unmittelbar nach Zustimmung der Hamas zum Waffenstillstand.
  • Die Verteilung der Hilfsgüter wird über vereinbarte Kanäle, darunter die UN und den Roten Halbmond, überwacht und während der gesamten Dauer des Waffenstillstands eingehalten.

4. Israelische Militäraktivitäten

  • Alle offensiven israelischen Operationen in Gaza werden mit Beginn des Waffenstillstands eingestellt.
  • Luftoperationen (Militär und Überwachung) werden täglich für 10 Stunden und an Tagen mit Geiselaustausch für 12 Stunden unterbrochen.

5. IDF-Umgruppierung

  • Tag 1: Die IDF zieht nach der Freilassung der ersten Geisel aus dem nördlichen Gazastreifen und dem Netzarim-Korridor ab.
  • Tag 7: Die IDF zieht nach der Freilassung der zweiten Geisel aus dem südlichen Gazastreifen ab.
  • Die endgültigen Grenzen der Umgruppierung werden von technischen Teams im Rahmen der „Korbi D“-Verhandlungen festgelegt.

6. Verhandlungen über einen dauerhaften Waffenstillstand

  • Beginn am 1. Tag unter Aufsicht von Vermittlern (USA, Ägypten, Katar).

Themen sind:

  • Vollständige Freilassung der verbleibenden israelischen Geiseln im Austausch gegen eine vereinbarte Anzahl palästinensischer Gefangener
    • Vollständiger Abzug der israelischen Streitkräfte und langfristige Sicherheitsvorkehrungen

Gazas Nachkriegsregierung

    • Ankündigung eines dauerhaften Waffenstillstands
    • 7. Verpflichtung des Präsidenten
  • Präsident Trump bekennt sich uneingeschränkt zur Durchsetzung des Waffenstillstands und zur Gewährleistung ernsthafter Verhandlungen.
  • Sollte der vorübergehende Waffenstillstand mit einer Einigung enden, wird er zu einer dauerhaften Lösung des Konflikts führen.

Zusätzliche Bestimmungen

8. Austausch palästinensischer Gefangener

  • Im Gegenzug für die 10 lebenden israelischen Geiseln wird Israel folgende Personen freilassen:

125 Gefangene mit lebenslanger Haft

  • 1.111 Häftlinge aus Gaza, die nach dem 7. Oktober 2023 festgenommen wurden
  • Im Gegenzug für die 18 verstorbenen israelischen Geiseln wird Israel folgende Personen freigeben:
  • 180 Leichen von Palästinensern, die sich in israelischer Gewahrsam befinden
  • Alle Freilassungen erfolgen gleichzeitig und ohne öffentliche Zeremonien. Die Hälfte der Freilassungen an Tag 1, die verbleibende Hälfte an Tag 7

9. Offenlegung des Geisel- und Gefangenenstatus

An Tag 10:

  • Die Hamas muss vollständige Beweise für Leben oder Tod sowie medizinische Gutachten für alle verbleibenden Geiseln vorlegen.
  • Israel muss vollständige Listen der seit dem 7. Oktober aus Gaza inhaftierten palästinensischen Gefangenen sowie die Anzahl der verstorbenen und von Israel festgehaltenen Palästinenser vorlegen.
  • Die Hamas muss die Sicherheit und Gesundheit der Geiseln während des Waffenstillstands garantieren.

10. Endgültige Freilassung der Geiseln

  • Wird innerhalb von 60 Tagen ein dauerhaftes Waffenstillstandsabkommen erzielt, werden alle verbleibenden Geiseln (lebend oder verstorben) auf der „Liste der 58“ freigelassen.
  • Wird keine Einigung erzielt, kann der vorübergehende Waffenstillstand im gegenseitigen Einvernehmen verlängert werden, solange die Gespräche in gutem Glauben fortgesetzt werden.

Garantierte Parteien und Aufsicht

  • Garantiegeber: Die Vereinigten Staaten, Ägypten und Katar werden:
    • den 60-tägigen Waffenstillstand und etwaige Verlängerungen sicherstellen
    • ernsthafte Verhandlungen über dauerhafte Vereinbarungen überwachen
  • Verhandlungsführer: Der US-Sondergesandte Botschafter Steve Witkoff wird die Verhandlungen vor Ort leiten.
  • Trumps Rolle: Präsident Donald Trump wird das Waffenstillstandsabkommen persönlich bekannt geben und sich für den Erfolg der Gespräche einsetzen.

Quelle: @InesHajj9“

Da Israel den letzten von den USA ausgehandelten Waffenstillstand gebrochen hatten, und die rechtsextremsten Minister im Kabinett Netanjahus erklärten, mit keinem Waffenstillstand einverstanden zu sein, war zu diesem Zeitpunkt vollkommen offen, ob dies den Weg zu einer Beendigung des Völkermords ebnen würde. Aber es war ein Hoffnungsschimmer.

Am 31. Mai wurde berichtet, dass die Hamas dem Waffenstillstand zugestimmt habe, allerdings mit einigen Änderungen, die garantieren sollten, dass Israel ihn nicht wie den vorherigen brach. Zu den Bedingungen gehörten der vollständige Abzug der israelischen Streitkräfte aus Gaza, ein Ende des Völkermords und uneingeschränkter Zugang für humanitäre Hilfe. Im Gegenzug bot sie die Freilassung von zehn israelischen Gefangenen und den sterblichen Überresten von 18 weiteren Personen im Austausch gegen palästinensische Geiseln an. 

Der Gegenvorschlag sah die Freilassung von vier Gefangenen am ersten Tag, zwei am 30. Tag und vier am 60. Tag vor. Die Leichen der Toten sollten in drei Schritten freigegeben werden: am 10., 30. und 50. Tag. Die Antwort enthielt die Forderung, Verhandlungen über einen dauerhaften Waffenstillstand aufzunehmen. Nun lag der Ball wieder in Israels Feld. Die Vorschläge wurden später angeblich von Witkoff als „unannehmbar“ bezeichnet. Und wieder schien erst mal alles von Vorne zu beginnen.

11 Gründe für Israels Niedergang

Ein US-Comedien, der auch für Russia Today gearbeitet hatte, veröffentlichte ein Video Ende Mai, in dem er 11 Gründe anführte, warum Israel angeblich vor dem Zusammenbruch stand, was ja bekannterweise unmöglich war, weil die USA das nicht zugelassen hätten. Aber hier sind die 11 Signale, die Lee Camp identifiziert:

  1. Über 100.000 Reservisten waren nicht zum Dienst erschienen. Und der Autor behauptete, dass dies wohl nur die offiziellen Zahlen waren, und tatsächlich die Verweigerung viel größer sei.
  2. Israels Wirtschaft breche zusammen. Durch die wegbrechenden Steuereinnahme hatten Ratingagenturen bereits begonnen den Status von Israel abzuwerten. Das Staatsdefizit hatte sich von 4,1% des BIP auf 7,8% erhöht. 
  3. 45.000 Unternehmungen mussten schließen, und trotzdem blieben viele Arbeitsstellen unbesetzt. Geschätzt wurde aber, dass sogar 60.000 Unternehmungen Ende 2024 den Betrieb beendet hatten. Und da man nun bereits im Mai 2025 sei, meinte Lee Camp, müssten die Zahlen wohl eher bei 80.000 liegen. 140.000 Palästinenser, die von der Westbank als Arbeitnehmer nach Israel gependelt waren, hatten nach dem 7. Oktober keine Arbeitserlaubnis mehr erhalten, was die Situation verschärfte, dass viele Soldaten an ihren normalen Arbeitsstellen fehlten. Der Versuch, Arbeiter aus Indien und Sri Lanka einzufliegen sei nur bedingt erfolgreich gewesen.
  4. Die Partnerschaft mit den USA sei gestört. Trump hatte Saudi-Arabien zum engsten Partner in der Region ernannt, und Israel die kalte Schulter gezeigt.
  5. Die Partnerschaft mit der EU sei gestört. Man habe unglaublicherweise begonnen Israel ein bisschen zu kritisieren, und die Niederlande hatten sogar gefordert, die für Israel so vorteilhafte Wirtschaftspartnerschaft aufzukündigen.
  6. Das Verfahren gegen Israel vor dem IGH. Südafrika hatte ein Dokument mit über 5000 Seiten eingereicht, welches den Beweis für Völkermordabsichten und einen Völkermord enthielten.
  7. Haftbefehle des IStGH, die trotz Trumps Druck aufrechterhalten wurden, und die Resolution der UN-Generalversammlung gegen die illegale Besatzung Palästinas.
  8. Flucht von Israelis aus dem Land. Über 550.000 Bewohner hatten Israel seit dem 7. Oktober den Rücken gekehrt. Die meisten „Geflüchteten“ hätten sich für dauerhafte Migration entschieden. Aber die Daten stammten aus 2024, so dass die Zahl noch einmal viel höher sein dürfte. D.h. bald könnten 10% der Einwohner das Land verlassen haben. Darunter waren 8300 High-Tech Angestellte, die zwischen Oktober 2023 und Juli 2024 einen Job im Ausland annahmen. (Eine Geschichte erzählt +972: Wie viele amerikanische Juden wuchs Sam Stein in der Überzeugung auf, Israel sei unfehlbar. Doch sechs Monate unter Palästinensern im Westjordanland machten eine lebenslange zionistische Indoktrination zunichte und lehrten ihn wichtige Wahrheiten über die harte Realität der Besatzung.
  9. Das Image Israels im Ausland sei zerstört. Sogar in den USA sahen inzwischen trotz der dramatischen Zensur und Propaganda 53% der Bevölkerung Israel in einem negativen Licht. Global sank der Teil der Bevölkerung, welche Israel positiv beurteilten auf unglaubliche 18,5%. Und im gleichen Atemzug war die Zustimmungsrate der Menschen zur Politik der USA dramatisch gefallen, besonders in den arabischen Ländern.
  10. BDS, „Boycott, Deinvest, Sanction“, die weltweite gewaltfreie Menschenrechts-Bewegung zum Schutz der Rechte der Palästinenser, die in Deutschland als „antisemitisch“ verleumdet wurde, hatte eine immer größere Wirkung.
  11. Der psychologische Zusammenbruch. Es gebe keine Doktrin, sondern ein Kollaps der israelischen Gesellschaft, sozial und psychologisch. Die Gesellschaft habe den Sinn für die Realität verloren. Israel werde niemals zurückkehren zur Situation einer ruhigen Apartheidgesellschaft, dessen Apartheid von der Welt ignoriert wird.

Warum sind weiße Rassisten Zionisten?

Ein Video von Mondoweiss ging in der zweiten Hälfte des Mai der Frage nach, warum offensichtlich weißer Rassismus und Zionismus wie siamesische Zwillinge erschienen. Daher hier ein Transkript, übersetzt ins Deutsche:

Warum lieben weiße Rassisten, die von Natur aus antisemitisch sind, den Zionismus?

„Der größte Feind des israelischen Volkes sind amerikanische Juden, die weder Israel noch MAGA unterstützen“. (Steve Bannon)

Die Antwort liegt im Zionismus selbst. Denn die zionistische Ideologie hat im Kern viel mehr mit weißer Vorherrschaft gemeinsam, als die meisten Menschen denken. Zionismus und weiße Vorherrschaft sind aus demselben Holz geschnitzt. Sie teilen eine suprematistische Ideologie und haben viel gemeinsam.

Um die Beziehung zwischen Zionismus und weißer Vorherrschaft zu verstehen, müssen wir zunächst über den Siedlerkolonialismus sprechen. Denn die Gründe für die Vorherrschaft liegen viel tiefer, als wir denken.

Was neu ist und sich zur Zeit des Kreuzzugs, dem Höhepunkt des europäischen Kolonialismus, herauskristallisiert, ist, dass Europa durch den transatlantischen Sklavenhandel und all seine kolonialen Außenposten weltweit eine Weltordnung schafft, die auf dem Konzept der Vorherrschaft aufbaut. Diese Hierarchie der Menschheit entsteht, und so entsteht die weiße Vorherrschaft aufgrund dieser Weltordnung.

In den frühen Tagen der Kolonialisierung brauchten europäische Siedler eine Rechtfertigung für Völkermord, Vertreibung und Versklavung der indigenen Bevölkerung. Die weiße Vorherrschaft lieferte ihnen diese. Weißsein war nicht nur eine Frage der Hautfarbe. Es war ein Machtinstrument. Es definierte, wer Land besitzen, Zugang zum Recht haben und wer einfach nur Mensch sein konnte.

Die Zivilisierten und die Unzivilisierten, die Wilden und die Barbaren. Mit den weißen Europäern an der Spitze. Religion, Rassenwissenschaft und Kapitalismus verstärkten und legitimierten die weiße Vorherrschaft. Siedlerkolonialismus war also das Ziel und die weiße Vorherrschaft die Ideologie, die ihn rechtfertigte. Was hat das mit Zionismus zu tun?

Nun, mit allem. „Was sie vorfanden, war ein feindliches Land voller Sümpfe, Schlangen, Skorpione und Araber.“ Wie andere Siedlerprojekte erforderte es eine rassistische Logik, die die Umsiedlung der einheimischen Bevölkerung rechtfertigen konnte, um Platz für eine ausgewählte oder zivilisierte Bevölkerung zu schaffen. Im Wesentlichen bedienten sie sich derselben Strategie wie die weiße Vorherrschaft. Frühe zionistische Führer verfolgten selbst ein siedlerkolonialistisches Konzept und strebten die Errichtung einer jüdischen Heimat in Palästina an.

„Gab es hier ein altes Dorf?“ „Nun, gestern wurde mir das gesagt.“ „Ich habe hier keine Araber gesehen.“

Palästinenser wurden als Barbaren dargestellt, um ihre Vertreibung und den Diebstahl ihres Landes zu rechtfertigen. Der Zionismus brachte dieselbe weiße Vorherrschaftsweltanschauung nach Palästina, die den globalen Kolonialismus befeuerte: göttlichen Anspruch, rassische Überlegenheit und die Mission, die sogenannten Unzivilisierten zu zivilisieren. Das Bündnis zwischen weißen Rassisten und dem israelischen Staat ist kein Widerspruch, wie die meisten denken. Es basiert vielmehr auf gemeinsamer Ideologie und politischem Nutzen.

Was man am Zionismus des 19. Jahrhunderts erkennen kann, ist, dass die Elite, vor allem westeuropäische Juden, Palästina – eine Art Mechanismus des Kolonialismus, dessen Modell – als Möglichkeit betrachtete, sich für das Weißsein zu entscheiden. Von Anfang an verbündeten sich zionistische Führer mit den Kolonialmächten und stellten ihr Projekt in Palästina als Teil der umfassenden europäischen Zivilisierungsmission dar. Dieses Bündnis hat sich im Laufe der Zeit nur noch vertieft. Heute gehören zu Israels stärksten Verbündeten weiße, faschistische Rassisten, die selbst Juden verfolgten.

Rechtsextreme Politiker in Europa und evangelikale Christen in den USA – dieselben Leute, die antisemitische Verschwörungstheorien verbreiten – preisen Israel stolz als Leuchtturm der Demokratie, als „einzige Demokratie“ im Nahen Osten. Auf der Weltbühne präsentiert sich Israel als westlich, weiß und zivilisiert, als Bollwerk der Moderne in einer vermeintlich rückständigen Region.

Zionistische Organisationen wie die ADL, die angeblich Antisemitismus bekämpfen, schützen diese weißen Rassisten aktiv vor Kritik, solange sie Israel unterstützen. Für Israel und seine Unterstützer ist die Botschaft klar: Weiße Vorherrschaft und Antisemitismus sind in Ordnung und entschuldbar, solange die Täter den Zionismus unterstützen.

Deutschland

Am 21. Mai twitterte der Politiker Jürgen Todenhöfer:

„Die Bundesregierung ist nun engster europäischer Komplize von Netanjahus Völkermord. Sie stimmte gegen eine EU-Resolution, die eine Überprüfung der Handelsbeziehungen zu Israel forderte. Deutschlands Ja zum Existenzrecht Israels darf nicht zum Ja zu Netanjahus Völkermord werden.“

Am gleichen Tag twitterte das Auswärtige Amt eine Beschwerde über den Beschuss von Diplomaten durch die IDF in Jenin. „Diesen unprovozierten Beschuss verurteilen wir scharf“. Etwas das normal war für die IDF traf plötzlich deutsche Diplomaten? Etwas das seit Jahrzehnten, insbesondere seit dem 7. Oktober 2023 ohne jeden kleinen Zweifel bedingungslos verteidigt wurde? Plötzlich bemerkte man, dass die moralischste Armee der Demokratie Israel so was machte? War das nun auch für das deutsche Außenministerium der Beginn des Versuchs, sich von dem Makel der Beihilfe des Völkermord zu reinigen?

Immerhin schrieb auch die Zeit nun plötzlich auch von Demonstrationen in Israel gegen den Krieg, was bisher eigentlich eher ein Tabuthema war. „Proteste in Israel: Auch die Mossad-Leute sind gegen diesen Krieg“. Plötzlich las man, dass sich ein ehemaliger Mossad Chef und Soldaten beginnen zu distanzieren, dass frei gelassene Geiseln sich gegen die Regierung stellen, dass sie die Länge und Härte der Gefangenschaft Netanjahu anrechneten. Ganz neue Töne. 

Am gleichen Tag meldete die Tagesschau, dass die EU wegen „der Lage im Gazastreifen“ das Abkommen mit Israel infrage stelle. Mit anderen Worten: Bisher war ja alles Verteidigung, aber langsam wird es schwierig, das sogar den Tagesschau-Sehern zu erklären.

Am 23. Mai wurde eine Umfrage von ZDF-Heute bekannt. Schon die Frage versuchte die Antwort vorzuformen. „Militärisches Vorgehen Israels gegen die Hamas im Gazastreifen gerechtfertigt“? Trotz der offensichtlich voreingenommenen Frage lautete die Antwort in 80% NEIN, nur in 12% JA.

Während in Deutschland die ersten Medien und Politiker angesichts des unübersehbar gewordenen Völkermordes in Gaza „ihre Uniformen wegwarfen“, wie internationale Kritiker erwähnten, also begannen, Israel vorsichtig zu kritisieren, veröffentlichte am 30. Mai der deutsche Verfassungsblog einen für sie bedrohlichen Artikel. Der Titel des Artikels von Kai Ambos und Maxim Bönnemann lautete „Deutsche Beamte könnten strafrechtlich haftbar sein“. Nach einer Ausführung, welche darauf hinweisen, dass nun sogar ein ehemaliger israelischer Premierminister von Kriegsverbrechen in Gaza sprach, und einer Einführung, aus der klar wurde, dass der Militäreinsatz Israel in keiner Weise auch nur noch annähernd gerechtfertigt war, wurde Kai Ambos zu vier Hauptthesen befragt. 

Die erste Frage bezog sich darauf, wie sich angesichts der Entwicklung die Meinung von Kai Ambos geändert habe, nachdem so viele renommierte Rechtswissenschaftler und das eingeleiteten IGH Verfahren gegen Israel die Kriegsverbrechen Israels unübersehbar gemacht hatten. Er antwortete:

„Im Januar 2024 habe ich diesen Vorwurf zurückgewiesen. Seitdem halten ihn immer mehr Wissenschaftler – darunter auch Völkerrechtsexperten – für berechtigt. Wie ich kürzlich gemeinsam mit Stefanie Bock darlegte, bleibe ich skeptisch, da es schwierig ist, die konkrete Völkermordabsicht nachzuweisen. Doch die Beweise dafür werden mit jedem Tag, an dem dieser brutale Krieg andauert, immer stärker.“

Maxim Bönnemann fragte dann nach den möglichen juristischen Folgen für Deutschland. Worauf die Antwort, nach ausführlichen Ausführungen zu internationalen Rechtsnormen, lautete:

„Entscheidend ist nicht, ob die jeweiligen Waffen letztendlich für Kriegsverbrechen oder schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht (HVR) eingesetzt werden, sondern ob zum Zeitpunkt der Exportgenehmigung ein solches „überwiegendes Risiko“ bestand. Ein solches Risiko besteht bereits, wenn ernsthafte und plausible Hinweise darauf vorliegen, dass die Waffen im Rahmen dokumentierter, systematischer Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht eingesetzt werden – auch wenn kein konkreter Einsatzfall vorhersehbar ist. Im Fall der besetzten palästinensischen Gebiete (Gaza und Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem) bestehen solche Hinweise seit Jahren – und im aktuellen Gaza-Krieg haben sie sich so weit verschärft, dass eindeutig von einem ‚überwiegenden Risiko‘ ausgegangen werden muss.“

Die Nichtbeachtung dieser internationalen Rechtsnormen stelle ein Verstoß gegen das Völkerrecht dar, und es sei unerheblich, ob die Waffen tatsächlich oder nicht in Gaza eingesetzt wurden. Die Antwort führte dann weiter aus, welche Dokumente und Rechtsnormen anzuwenden seien. Und kam dann zu einem entscheidenden Punkt:

„Der Beschluss des IGH vom 30. April 2024 lässt nicht darauf schließen, dass die deutschen Exportgenehmigungen als rechtmäßig erachtet wurden. Vielmehr erinnerte der Gerichtshof Deutschland an seine völkerrechtliche Verpflichtung, bei Rüstungsexporten das Risiko von Völkerrechtsverletzungen zu berücksichtigen und zu vermeiden. Erforderlich ist ein robustes Exportkontrollsystem – eines, das sich nicht allein auf Israels Zusicherungen verlässt, sein Verhalten sei völkerrechtskonform“.

Also bisher ging es immer nur um internationale Normen und Vertragsbrüche. Viel wichtiger aber erschien die mögliche individuelle strafrechtliche Verantwortung von Beamten oder Politikern. Auf die Frage diesbezüglich lautete die Antwort:

„Personen, die an solchen Waffenexporten beteiligt sind oder diese ermöglichen, könnten tatsächlich wegen Beihilfe zu internationalen Verbrechen strafrechtlich haftbar gemacht werden. Dazu gehören Manager von Rüstungsunternehmen, Regierungsbeamte, die am Genehmigungsverfahren beteiligt sind, und hochrangige Politiker, die über Rüstungsexporte entscheiden – beispielsweise Mitglieder des Bundessicherheitsrates.

Bei einem wirksamen Kontrollsystem könnten sich Unternehmensleitungen von Waffenexportfirmen in der Regel auf die offiziellen Exportgenehmigungen verlassen, sofern sie die Behörden im Antragsverfahren nicht getäuscht hatten. Eine ordnungsgemäß erteilte Genehmigung schütze sie grundsätzlich vor strafrechtlicher Haftung, da sie ein sogenanntes ‚erlaubtes Risiko‘ begründet, das eine strafrechtliche Verantwortlichkeit bereits auf der Tatebene (actus reus) ausschließt.

Bei Beamten hängt die Haftung vom Umfang und der Tiefe der Prüfung und insbesondere von der subjektiven Seite (mens rea) ihrer Beteiligung ab: Wussten sie, dass die Waffen zur Begehung internationaler Verbrechen eingesetzt werden könnten? Haben sie dies für möglich gehalten und das Risiko in Kauf genommen? Haben sie das Risiko verkannt oder bewusst ignoriert (Risikoverdrängung)? Oder könnte ihnen allenfalls fahrlässige Beihilfe (die weder nach internationalem noch nach deutschem Strafrecht strafbar wäre) vorgeworfen werden, insbesondere weil sie die Exportkriterien nicht sorgfältig genug geprüft haben? Gleiches gilt grundsätzlich für Politiker, die die Exporte genehmigt haben.“

Natürlich folgte als Frage die nach einer praktischen Auswirkung der Strafverfolgung, und wer davon betroffen sein könnte.

„Sollte der Internationale Strafgerichtshof zuständig sein – wie für Verbrechen im besetzten palästinensischen Gebiet –, könnte dort Anzeige wegen Beihilfe zu den mutmaßlichen Völkerrechtsverbrechen der betreffenden Personen erstattet werden. Eine Strafverfolgung könnte auch nach dem Völkerstrafgesetzbuch in Verbindung mit § 27 StGB erfolgen, wobei der Generalbundesanwalt für die Ermittlungen und die Strafverfolgung zuständig wäre. Auch Drittstaaten könnten Ermittlungen einleiten. Ihre Zuständigkeit könnte auf dem Weltrechtsprinzip oder einer klassischen Anbindung an einen Strafverfolgungsstaat beruhen – etwa an die Staatsangehörigkeit der Opfer (passives Personalitätsprinzip). Das Haupthindernis wäre die Sicherstellung der Haft der Verdächtigen. Im Falle deutscher Verdächtiger ist dies weitgehend durch Artikel 16 Absatz 2 des Grundgesetzes ausgeschlossen, der die Auslieferung deutscher Staatsangehöriger außer auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls oder an von Deutschland anerkannte internationale Gerichte (wie den IStGH) verbietet. Der Strafverfolgungsstaat könnte jedoch Verfahren in Abwesenheit zulassen.“

Eine Strafverfolgung innerhalb Deutschlands konnte sicher ausgeschlossen werden. Zu gut dürfte das Lavieren von politisch weisungsgebundenen Bundesanwälten in Erinnerung bleiben, die sogar zu hanebüchenen Argumenten führten, mit denen Strafverfolgungen abgelehnt worden waren. Die Hoffnung auf eine juristische Aufarbeitung lag also eindeutig auf internationalen Gerichten. Da der IStGH bereits durch die Sanktionen von Trump quasi handlungsunfähig gemacht worden war, als das Gericht Ermittlungen gegen die USA und zuletzt Israel beginnen wollte, musste man davon ausgehen, dass das Gericht keine lange Lebenserwartung mehr hatte. Andererseits könnten Gerichte in anderen Ländern die Rolle durchaus übernehmen. 

Aber einige Politiker hatten auch am Tag vor diesem Artikel noch nicht begriffen, dass sich der Wind änderte. Tony Wohlfarth, Kreisvorstand DIE LINKE im Ilm-Kreis, twitterte: „Die Menschen in #Gaza haben seit dem 7. Oktober 2023 mehr als 300.000 (!) Tonnen Hilfsgüter erhalten. Dies hätte also jetzt fast noch 200 Tage ausgereicht. Dass eine Hungerkatastrophe gedroht hat, ist dem systematischen Diebstahl der #Hamas geschuldet! #TheGazaYouDontSee“ Was darauf hindeutete, dass er zu der so genannten Fraktion der Antideutschen gehörte, welche das Gegenteil von linken Prinzipien hinter linken Wortklaubereien versteckten, imperialistische Angriffskriege der USA toll fand, und natürlich Israels Völkermord verteidigte. Ich hatte schon 2012 nicht begriffen, wie eine angeblich linke Partei solche Wendung nehmen konnte. 

Am gleichen Tag hatte der israelische Journalist in Haaretz ein für Deutschland vernichtendes Urteil gefällt. Er erklärte, dass Deutschland die Erinnerung an den Holocaust und seine Lehren verraten habe, was ich ausführlich bereits in meinem Buch von 2021 erklärte. Er meinte, ein Land, dass sich selbst sagte niemals zu schweigen, schwieg. Ein Land, das einst „Nie wieder“ sagte und tat jetzt „Wieder“ – mit Waffen, mit Geld, mit Schweigen. Eigentlich, so der Autor sollte kein Land besser als Deutschland begreifen, was „widerliche Prozesse“ seien. In Israel seien sie in vollem Gange, doch Deutschland hatte sie noch nicht als das erkannt, was sie waren. 

„Wenn Deutschland den Flaggenmarsch in Jerusalem sieht, muss es die Kristallnacht sehen. Wenn es die Ähnlichkeiten nicht sieht, verrät es die Erinnerung an den Holocaust. Wenn es Gaza sieht, muss es die Konzentrationslager und Ghettos sehen, die es errichtet hat. Wenn es die hungernden Menschen Gazas sieht, muss es die elenden Überlebenden der Lager sehen. Wenn Israel die faschistischen Reden israelischer Minister und anderer Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens über Tötung und Bevölkerungsumsiedlung, über die Nicht-Existenz ‚unschuldiger Menschen‘ und über das Töten von Babys hört, muss es die erschreckenden Stimmen aus seiner Vergangenheit hören, die dasselbe auf Deutsch sagten.

Es hat kein Recht zu schweigen. Es muss die Fahne des europäischen Widerstands gegen die Geschehnisse im Gazastreifen hochhalten. Dennoch hinkt es dem Rest Europas weiterhin hinterher, wenn auch unbequem, nicht nur aufgrund seiner Vergangenheit, sondern auch aufgrund seiner indirekten Verantwortung für die Nakba, die ohne den Holocaust wahrscheinlich nicht stattgefunden hätte. Deutschland steht auch dem palästinensischen Volk gegenüber in einer teilweisen moralischen Schuld.“

Der Autor erklärte, dass die israelische Besatzung ohne die Unterstützung der Vereinigten Staaten und Deutschlands nicht möglich gewesen wäre. Während dieser Zeit habe Deutschland als Israels zweitbester Freund gegolten. Es sei inklusiv und bedingungslos gewesen. Nun werde Deutschland für seine jahrelange, strenge Selbstzensur bezahlen, in der es verboten war, Israel, das heilige Opfer, zu kritisieren.

Jede Kritik an Israel, so der Artikel weiter, wurde als Antisemitismus gebrandmarkt. Der gerechte Kampf für die Rechte der Palästinenser wurde kriminalisiert. Dann spielte er auf den Springer-Konzern an, ohne ihn zu nennen, der „von seinen Journalisten immer noch verlangt, niemals Israels Existenzrecht als Bedingung für eine Anstellung infrage zu stellen“. Ein Land, dass dies dulde, könne nicht behaupten, die Meinungsfreiheit zu achten. Und er drückte seinen Glauben aus, dass man sogar die Verpflichtung gehabt hätte, Israel durch Kritik davor zu schützen, seine Existenz selbst in Frage zu stellen.

„In Deutschland ist es schwierig, wenn nicht unmöglich, Israel zu kritisieren, was auch immer es tut. Das ist keine Freundschaft, das ist Versklavung durch die Vergangenheit, und angesichts der Ereignisse in Gaza muss damit Schluss sein. Die ‚besondere Beziehung‘ darf nicht die Billigung von Kriegsverbrechen beinhalten. Deutschland hat kein Recht, den Internationalen Strafgerichtshof, der als Reaktion auf seine Verbrechen eingerichtet wurde, zu ignorieren, indem es darüber debattiert, wann es einen wegen Kriegsverbrechen gesuchten israelischen Premierminister einladen soll. Es hat kein Recht, die Klischees der Vergangenheit zu wiederholen und Blumen in Yad Vashem niederzulegen, 90 Autominuten von Khan Yunis entfernt.

Deutschland steht nun vor seiner härtesten moralischen Prüfung seit dem Holocaust. Wenige Wochen nach Wladimir Putins Einmarsch in die Ukraine war Deutschland federführend bei den Sanktionsbemühungen gegen Russland. Zwanzig Monate nach der Invasion Gazas hat Deutschland noch immer keine Schritte gegen Israel unternommen, abgesehen von den gleichen Lippenbekenntnissen wie andere europäische Länder.“

Gideon Levy sagte, Deutschland müsse sich ändern, nicht trotz seiner Vergangenheit, sondern gerade deswegen. Es reiche nicht, dass Bundeskanzler Friedrich Merz sagte, die Bombardierung Gazas sei nicht länger zu rechtfertigen. Er müsse Maßnahmen ergreifen, um sie zu stoppen. Es reichte nicht, dass Außenminister Johann Wadephul sagte, Deutschland werde sich nicht in eine Lage bringen lassen, in der Deutschland gezwungen sei, Solidarität zu zeigen.

Es sei Zeit für Deutschland, Solidarität mit den Opfern zu zeigen und sich von den Fesseln der Vergangenheit zu befreien, die es von den Lehren des Holocaust entfremden. Deutschland könne nicht weiterhin tatenlos zusehen und sich mit lauwarmen Verurteilungen zufrieden geben. Angesichts der schrecklichen Lage in Gaza sei dies wie Schweigen – Deutschlands beschämendes Schweigen.

Deutsche Beihilfe zum Völkermord

Auch in Mondoweiss, konnte man schon am 21. Mai lesen, welche Rolle wissenschaftliche Organisationen wie Universitäten, auch in Deutschland, bei der Ermöglichung des Völkermords spielten. 

„Der Völkermord im Gazastreifen nähert sich seiner letzten, brutalsten Phase, und israelische Universitäten leisten intellektuelle, logistische und technologische Unterstützung. Der akademische Boykott israelischer Institutionen ist das Mindeste, was die Gerechtigkeit verlangt.“

Der Artikel berichtete, dass jede Universität in Gaza in Schutt und Asche lag. „Tausende Studierende und Hunderte Lehrende“ waren getötet worden. Der Völkermord näherte sich seiner letzten, brutalsten Phase. Unterdessen entwickelten israelische Universitäten weiterhin die Waffen und Ideologien, die all dies ermöglicht haben, erklärten die anonymen Autoren. Und die Technische Universität Berlin (TU Berlin) weigerte sich auch acht Monate nach der Konfrontation mit den unwiderlegbaren Beweisen immer noch, die Beziehungen abzubrechen.

Der Aufruf zu einem akademischen Boykott israelischer Institutionen sei nicht nur symbolisch, meinte der Artikel. Diese Institutionen seien nie neutrale Zuschauer staatlicher Gewalt gewesen. Sie waren deren Initiatoren, eingebettet in den militärisch-industriellen Komplex, entwickelten Strategien für demografische Kriegsführung, rechtfertigten die Siedlerexpansion und verfolgten palästinensische Studierende und Lehrende. Sie stellten die intellektuelle, logistische und technologische Infrastruktur für Apartheid und Völkermord bereit.

„Das Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) der Universität Tel Aviv (TAU) bietet strategischen Schutz für Kollektivstrafen. In ihrem Papier vom April 2025 schlägt die TAU ‚anhaltenden militärischen Druck‘ und ‚freiwillige Auswanderung‘ vor – ein kaum verhüllter Vorschlag zur ethnischen Säuberung. Es handelt sich um dasselbe Institut, das die berüchtigte Dahiya-Doktrin entwickelte, die den Einsatz überwältigender Gewalt zur Zerstörung ziviler Infrastruktur als militärische Taktik befürwortet. Die TAU arbeitet mit Waffenherstellern wie Elbit Systems zusammen und integriert Soldaten aktiv in das akademische Leben. Studierende in Uniform können sich frei auf dem Campus bewegen, während palästinensische Studierende überwacht, schikaniert, ausgewiesen oder wegen abweichender Meinung verhaftet werden.“

Das Technion war tief in der israelischen Rüstungsindustrie verwurzelt. Es entwickelte unbemannte Bulldozer für den Hausabriss sowie Überwachungsdrohnen und Waffensysteme für den Einsatz gegen Zivilisten. Das Technion, so der Bericht weiter, arbeite direkt mit Elbit Systems und Rafael Defense Systems zusammen und integrierte den Militärdienst in das akademische Leben. Die Rolle des Technion bei ethnischen Säuberungen war historisch. Laut dem israelischen Historiker Ilan Pappé entwarfen führende Wissenschaftler der Universität einen Plan, der die „jüdische Übernahme“ Galiläas ausdrücklich als nationale Priorität bezeichnete. Der Artikel zitiert dann den Beginn des Dokumentes: 

„Entweder sie oder wir. Die Landprobleme in Galiläa haben gezeigt, dass jedes Gebiet, das nicht von zionistischen Elementen eingenommen wird, von Nichtzionisten begehrt wird.“ (Die vergessenen Palästinenser, S. 257)“

Die Ben-Gurion-Universität, so die Autoren weiter arbeitete eng mit Eliteeinheiten des militärischen Geheimdienstes zusammen, darunter der berüchtigten Einheit 8200, die für die Entwicklung von KI-Systemen wie „Lavender“ und „Gospel“ verantwortlich waren. Diese Systeme, darüber hatte ich schon berichtet, wurden beim Völkermord in Gaza aktiv eingesetzt, um Todeslisten zu erstellen und Zivilisten zu algorithmischen Zielen zu degradieren.

Weiter ging die Erklärung mit der Bar-Ilan-Universität, welche die Ariel-Universität in einer illegalen israelischen Siedlung gegründet hatte, und deren Begin-Sadat-Zentrum für Strategische Studien sich bereits zuvor offen für die zunehmende „Hoffnungslosigkeit“ unter Palästinensern ausgesprochen hatte. Die Hebräische Universität, die sich auf besetztem Gebiet in Ostjerusalem befand, arbeitete mit dem Shin Bet zusammen, dem israelischen Inlandsgeheimdienst, der für Folter und Massenüberwachung bekannt war.

„Nichts davon ist verborgen. Nichts davon ist neu. Und dennoch unterhält die Technische Universität Berlin weiterhin offizielle Partnerschaften mit allen fünf dieser Institutionen. Vor acht Monaten haben wir – ein Kollektiv von Studierenden und Mitarbeitern der TU Berlin – einen umfassenden Bericht vorgelegt, der die Mitschuld dieser israelischen Universitäten an Kriegsverbrechen und Apartheid detailliert darlegt. Wir forderten unsere Verwaltung auf, die Beweise zu prüfen und die Beziehungen zu ihnen abzubrechen – dieselbe Maßnahme, die sie unmittelbar nach der russischen Invasion in der Ukraine unter Berufung auf Verstöße gegen das Völkerrecht ergriffen hatte.

Wir haben keine sinnvolle Antwort erhalten. Keine Partnerschaften wurden suspendiert oder gar gestoppt. Keine Untersuchungen eingeleitet. Es gab keine einzige öffentliche Erklärung. Stattdessen wurden unsere Forderungen mit bürokratischen Ausflüchten und leeren Plattitüden über „akademische Freiheit“ und „Neutralität“ beantwortet. Diese hohle Rhetorik verbirgt eine klare politische Entscheidung: sich auf die Seite des Völkermords zu stellen.

Die TU Berlin habe dazu nicht nur nicht geantwortet, sondern habe noch einen draufgelegt, indem sie ihre Beziehungen zu israelischen Institutionen bekräftigte, selektive Solidarität mit israelischen Akademikern bekundete und Angriffe auf Israel verurteilte. Doch sie hatte die völlige Auslöschung des palästinensischen akademischen Lebens nicht ein einziges Mal anerkannt.

„Uns wird gesagt, akademische Freiheit sei heilig. Aber palästinensische Studierende haben keine akademische Freiheit, wenn sie wegen Social-Media-Posts inhaftiert werden. Wenn ihre Schulen bombardiert werden. Wenn ihre Professoren ermordet werden. Wenn israelische Panzer über den Campus rollen. Echte akademische Freiheit erfordert eine moralische Grundlinie. Eine Grenze, die wir nicht überschreiten. Die Weigerung, Institutionen zu normalisieren, die einem Siedlerkolonialregime dienen und ein Militär ermöglichen, dass Kinder zu ‚Zielscheiben‘ degradiert. Es geht um die Fähigkeit, Nein zur Mittäterschaft zu sagen. Die Fakten sind bekannt. Die Beweise sind erdrückend. Das Schweigen ist eine Entscheidung. Und wir sind hier, um es zu brechen.

Wir fordern die TU Berlin – und alle Universitäten weltweit – erneut auf, alle Verbindungen zu israelischen akademischen Institutionen abzubrechen, die an ethnischen Säuberungen, Besatzung und Völkermord beteiligt sind und diese ermöglichen. Alles andere ist Mittäterschaft. Dieser Boykott ist keine Option. In diesem Moment ist er das Mindeste, was die Gerechtigkeit verlangt.“

Leider blieb dieser verzweifelte Ruf einer Minderheit der deutschen Akademiker weitgehend ungehört, und Deutschlands Beihilfe zum Völkermord in Gaza lief ungebremst weiter.

Aber dann, am 26. Mai plötzlich eine Mitteilung, „Kanzler Merz kritisiert Israels Militäroperation im Gazastreifen“. Über 500 Tage hatte die deutsche Regierung Bomben und Waffen geliefert. Deutschland hatte sich neben Israel beim IGH auf die Anklagebank gesetzt, und Diplomaten alle Register gezogen, um IStGH und IGH dazu zu bringen, nicht härter gegen Israel vorzugehen. Alle Parteien im Konsens der staatstragenden Parteien Deutschlands hatten sich darin überboten, wer der beste Freund Israels sei. Und das, nachdem schon im Dezember 2024 führende Wissenschaftler für Völkermord erklärten, was Israel tat. Und nun, kurz nach einem Beschluss der SPD, sich zugunsten einer Anerkennung Palästinas als Staat auszusprechen, diese Kanzlerkritik. Etwas begann sich zu bewegen. Zu spät um den Völkermord zu verhindern, aber vielleicht nicht zu spät, um die ethnische Säuberung durch Israel zu stoppen. Vielleicht wurde „der Boden zu heiß“, auf dem die Bundesregierungen bisher standen. 

„Erfreulicherweise ist das deutsche Recht strikter. Nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen ist die Genehmigung u.a. zu versagen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Erteilung der Genehmigung völkerrechtliche Verpflichtungen der Bundesrepublik verletzen oder deren Erfüllung gefährden würde (§ 6 Abs. 3 Nr. 2). Dies ist bei Waffenlieferungen an Israel, sofern sie nicht rein defensiver Natur sind, der Fall. Starke Indizien sind insofern nicht nur die Eilentscheidungen des Internationalen Gerichtshofs in dem Verfahren Südafrika gegen Israel, sondern auch die Haftbefehle, die der Internationale Strafgerichtshof am 21.11.2024 gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu und den früheren israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant erlassen hat. Die zuständige Vorverfahrenskammer sah hinreichende Gründe für die Annahme, dass Netanyahu und Gallant mindestens ab dem 8. Oktober 2023 als Mittäter gemeinsam mit anderen die strafrechtliche Verantwortung für das Kriegsverbrechen des Aushungerns als Methode der Kriegsführung und die folgenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit tragen: Mord, Verfolgung und andere unmenschliche Handlungen. Die Kammer sah auch hinreichende Gründe für die Annahme, dass Netanyahu und Gallant in zwei Fällen als zivile Vorgesetzte jeweils die strafrechtliche Verantwortung für das Kriegsverbrechen der vorsätzlichen Lenkung eines Angriffs auf die Zivilbevölkerung tragen.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang kurz auf ein Argument eingehen, das von deutschen Politikern – und nicht nur von ihnen – immer wieder angeführt wird: Israel habe das Recht, sich zu verteidigen.

Mit diesem Argument hatte sich der Internationale Gerichtshof bereits in seinem sog. Mauergutachten vom 9.7.2004 befasst. Es ging es um die rechtlichen Konsequenzen des Baus einer Mauer auf dem besetzten palästinensischen Territorium. Der Gerichtshof gelangte zu dem Ergebnis, dass der Bau der Mauer völkerrechtswidrig sei; Israel müsse sie zurückbauen und Schadensersatz zahlen. Den Einwand Israels, dass es ein Recht auf Selbstverteidigung habe, wies der Gerichtshof mit folgender Begründung zurück (Rn. 139): Art. 51 der UN-Charta erkenne ein Recht auf Selbstverteidigung im Falle eines bewaffneten Angriffs eines Staates gegen einen anderen Staat an. Israel behaupte jedoch nicht, dass die Angriffe gegen das Land einem ausländischen Staat zuzuschreiben seien. Israel könne sich auch nicht auf Resolutionen des UN-Sicherheitsrats berufen, die im Zusammenhang mit dem Angriff auf die USA am 9.11.2001 gefasst worden waren; denn die Bedrohung komme nicht von außerhalb, sondern aus dem besetzten palästinensischen Gebiet, über das Israel die Kontrolle ausübe.

Zu berücksichtigen ist auch, dass die UN-Generalversammlung in ihrer Resolution A/RES/38/17 vom 22.11.1983 die Rechtmäßigkeit des Kampfes von Völkern um Unabhängigkeit, territoriale Integrität, nationale Einheit und Befreiung von Kolonial- und Fremdherrschaft, Apartheid und fremder Besetzung mit allen verfügbaren Mitteln, einschließlich des bewaffneten Kampfes, bekräftigt hat (Ziff. 2). Sie nannte in diesem Zusammenhang ausdrücklich das palästinensische Volk (Ziff. 3). Natürlich müssen auch bei der Ausübung dieses Widerstandsrechts die Grenzen, die das humanitäre Völkerrecht setzt, beachtet werden.“

Dieser Vortrag von Prof. Dr. Ninon Colneric, aus dem der obige Text stammte enthielt noch viele weitere interessante Hinweise. Z.B. wurde darin auf Norman Paechs erschienene Buch „Völkermord in Gaza – Eine politische und rechtliche Analyse“ verwiesen. Darin konnte man lesen, ob die Taten, welche Hamas und anderen Akteuren am 7. Oktober 2023 gegen israelische militärische und zivile Einheiten ausführten, auch falls sie teilweise als Terrorakte gewertet werden, das Recht auf Widerstand gegen die Besatzung durch Israel löschten. Was nicht der Fall war. Spätestens durch die Resolution des Sicherheitsrates vom 25.03.2024 sei das von Israel beanspruchte Selbstverteidigungsrecht ERLOSCHEN. Nach Art. 51 der UN-Charta bestand ein Selbstverteidigungsrecht nur, bis der Sicherheitsrat die „zur Wahrung des Weltfriedens erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat“. Darüber hinaus habe es schon vorher gravierende Entwicklungen gegeben, die weit über einen Akt der Selbstverteidigung hinaus gegangen waren. Worauf sicher der Einsatz von Panzern und Kampfhubschrauber auf flüchtende Hamas-Kämpfer und ihre Opfer gemeint war. Der nicht nur Palästinenser, sondern auch viele Israelis tötete.

Die Analyse der rechtlichen Situation beschrieb auch, dass Deutschland alleine schon durch seine Erklärung, Netanjahu nicht festnehmen zu wollen, sollte er nach Deutschland kommen, seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen war. Was Deutschland im Falle Putins und der Mongolei selbst als Bruch des Völkerrechts festgestellt hatte. 

Es folgte dann noch eine ausführliche Beschreibung der rechtlichen Bedingungen hinsichtlich der israelischen Maßnahmen und des deutschen Verhaltens in Hinsicht auf das Westjordanland. Und der Verweis auf die Resolution der UN-Generalversammlung vom 13.09.2024, wonach Israel 12 Monate Zeit Hatte, die Forderungen des IGH nachzukommen. Während man aber im Mai 2025 erkennen konnte, dass Israel in die entgegengesetzte Richtung steuerte.

Nach einer Analyse des Verhaltens der deutschen Politik in der Vergangenheit, die im krassen Gegensatz zu seinen Verpflichtungen war, folgten Forderungen, welche sich aus der juristischen Situation für Deutschland ergaben. Wie 

Festnahme von Netanjahu, sollte er nach Deutschland kommen

Waffenembargo gegen Israel, 

  • Keine Unterstützung bei der Aufrechterhaltung der durch die illegale Anwesenheit Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten geschaffenen Situation
  • Maßnahmen zu Verhinderung der Einfuhr von Produkten mit Ursprung in den israelischen Siedlungen im besetzten palästinensischen Gebiet, 

Beendigung der Repression gegenüber der BDS-Bewegung. 

  • Ohne Erfüllung dieser Forderungen werde sich die Bundesregierung einer Reihe von Klagen vor deutschen und internationalen Gerichten ausgesetzt sehen. Wobei das gefährlichste Verfahren wohl das Nicaraguas gegen die Bundesregierung vor dem IGH sein dürfte. Auch wenn es möglicherweise noch Jahre dauern könnte, dürfte eine Reparationszahlung in Milliardenhöhe fällig werden. Und wie gesagt, aus dem IGH kann man nicht „austreten“. Urteile des IGH sind vollstreckbar, auch wenn das Gericht selbst dies nicht kann, so könnten es Staaten, welche die Urteile vollstrecken. D.h. Interessen Deutschlands im Ausland könnten dann zur Zahlung der Schadenersatzzahlungen herangezogen werden.

Iran

Wir wussten, die Bombardierung von in Betrieb befindlichen Atomanlagen auf oder unter der Erde kommt einem Angriff mit einer „Atombombe“ gleich. Genau das behaupteten US-Medien, würde Israel Mitte Mai vorbereiten. Und es gab einige Fakten, die tatsächlich darauf hindeuteten. So wurde die eigentlich für die Ausbildung von Langstreckenoperationen zuständige Luftwaffeneinheit Israels in den aktiven Dienst versetzt. Außerdem hatte Netanjahu schon in der Vergangenheit Eskalationen erfolgreich begonnen, um Kritiker im Inland zum Schweigen zu bringen. Nicht zuletzt zu vergessen die Ermittlungen des Inlandsgeheimdienstes gegen Netanjahu in verschiedenen Korruptionsfällen, und die Aussagen und Urteilen des höchsten israelischen Gerichtes, welchen sich Netanjahu öffentlich widersetzte.

Interessanterweise kommen diese Nachrichten aus den USA. Dem engsten Verbündeten. Wie kann es sein, dass die USA den Iran de facto warnen? 

Nachdem zuletzt Trump einmal konziliant geklungen hatte, sprach er zuletzt wieder über Verzicht auf Anreicherung von Uran, was für den Iran bekannterweise eine Rote Linie war, weil das Land nicht das Risiko eingehen wollte, für den Treibstoff der Atommeiler wegen erneuter Sanktionen keinen Brennstoff geliefert zu bekommen. Daher standen die Verhandlungen auf der Kippe. Am 21. Mai wurde dann bekannt, dass sich die USA und der Iran noch einmal in Rom treffen wollten. Es könnte das letzte Gespräch werden, falls die USA weiter auf dem Totalverzicht von Urananreicherung bestehen.

Und wieder einmal berichtete die CNN, dass „neue Geheimdienstinformationen“ die Vermutung nahe legten, dass Israel „einen möglichen Schlag gegen iranische Atomanlagen“ durchführen könnte. Worauf der Ölpreis von 62,20 USD pro Barrel auf 64,00 USD stieg.

Am 29. Mai berichtete Ynet, dass Netanjahu der IDF befohlen habe, sich auf einen Luftschlag gegen Irans Atomanlagen vorzubereiten. Angeblich sei Trump dagegen gewesen, weil es die Verhandlungen mit dem Iran störte. Aber Israel glaube, dass die USA eingreifen werde, sollte der Iran zurückschlagen. Und hohe Beamte seien gerade in Washington, um, offiziell, Angelegenheiten des Wetters zu besprechen.

Am 31. Mai wurde bekannt, dass der Iran seinen Luftraum für den 1. Juni gesperrt hat, mit der Begründung von Raketenstarts. Und Gerüchte verbreiten sich, dass Netanjahu Nahrungsmittel in Regierungsbunkern auffüllte, und angeblich Krankentransporte für 10 Tage auf Abruf bestellt hatte. Was als Zeichen interpretiert wurde, dass Israel den Iran Anfang Juni angreifen werde. Am Sonntag dem 1. Juni wenn im Iran die Schawuot-Feiertage beginnen, sollte angeblich der Angriff beginnen, sollte eine Quelle aus dem israelischen Parlament geleakt haben. An solchen Feiertagen eine Flugverbotszone einzurichten durch den Iran war ungewöhnlich, und deutete darauf hin, dass man verhindern wollte, dass bei der eventuellen Abwehr des Angriffs durch die Luftabwehr zivile Flugzeuge abgeschossen werden, da der Iran bereits einen traurigen Präzedenzfall zu betrauern hatte.

Libanon

Nochmal zur Erinnerung: Israel zerbombte den Libanon, ließ normale Haushaltsgegenstände, in denen Sprengsätze versteckt waren sprengen, zerstörte auf dem Rückweg die meisten Dörfer südlich des Flusses Litani. Der Westen, insbesondere die USA erpressten die Abgeordneten des Parlaments, entgegen der Verfassung, aber legal, weil mit ausreichender Mehrheit ohne Verfassungsänderung, den Militärchef zum Präsidenten zu ernennen. Ein Militärchef, der über Jahre mit seiner Armee von den USA finanziert wurde. Ein Armeechef, der nie einen Finger gegen Bombardierung Israels oder Besetzung des Landes gerührt hatte. Nun lieferte dieser Präsident Ende Mai. 

„WSJ: Libanon entwaffnet mit Hilfe des israelischen Geheimdienstes den Großteil der Hisbollah südlich des Litani-Gebirges - Hochrangige arabische Beamte erklärten, israelische Geheimdienste, die über die USA weitergeleitet wurden, hätten der libanesischen Armee geholfen, die verbleibenden Waffendepots und Militärstellungen der Hisbollah im Süden zu lokalisieren und zu zerstören. Die Armee berichtet, dass einige der beschlagnahmten Waffen vernichtet, andere jedoch zur Verstärkung ihrer eigenen begrenzten Vorräte einbehalten wurden. Laut Salam hat die Regierung rund 80 % ihrer Ziele bei der Entwaffnung der Milizen in den südlichsten Regionen des Libanon erreicht. ‚Im gesamten libanesischen Gebiet sollte der Staat ein Waffenmonopol haben‘, sagte der libanesische Premierminister Nawaf Salam und schlug mit den Fäusten auf einen Esstisch.“

Dagegen meldete die Hindustan Times zeitgleich, dass Israel vom Wahlerfolg der Hisbollah erschreckt wurde. Kurz nach den deutlichen Wahlsiegen der Hisbollah bei den Kommunalwahlen hatte demnach Israel eine neue Bodenoffensive im Südlibanon gestartet. Berichten zufolge rückten die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) in die Region Mays al-Jabal vor, während libanesische Truppen in der Nähe patrouillierten. Die Hisbollah, ermutigt durch den Wahlerfolg und den Tod ihres Anführers Hassan Nasrallah, warnte Israel vor weiteren Aggressionen und weigerte sich, abzurüsten, solange die israelischen Angriffe nicht aufhörten. Diese Nachrichten ließen vermuten, dass nun die IDF gemeinsam mit der libanesischen Armee gegen die Miliz der größten politischen Kraft des Landes vorgingen. Die einzige Kraft, welche das Land sowohl gegen die Horden von IS und al-Kaida als auch die Invasionen und Besatzungsversuche Israels wirkungsvoll verteidigt hatte. 

Wir erinnern uns, dass die Resolution 1701, auf die sich Israel bezog, selbst nicht erfüllte. Denn es gibt umstrittene Grenzgebiete, wie z. B. Teile des Dorfes Ghajar, das teilweise im Libanon liegt, dessen Kontrolle Israel nach der letzten Besatzung niemals aufgab, obwohl die Resolution 1701 den vollständigen Rückzug aus libanesischem Territorium forderte.

Außerdem dachte Israel nicht daran, die Wasserquellen und den Gemüseanbau auf den Shebaa-Farmen aufzugeben, wo man so schön auch Skilaufen konnte. Die Begründung lautete, dass ja angeblich nicht klar sei, ob es libanesisches oder syrisches Gebiet war, deshalb könne Israel es besetzen. Eine Haltung, welche die libanesische Regierung, möglicherweise bis zu diesem o.g. neuen Präsidenten von US-Gnaden bestritt, während Syrien unter Präsident Assad keine Einwände gegen die libanesischen Ansprüche erhoben hatte. Die UN verwies jedoch darauf, dass das Gebiet früher als Teil einer syrischen Provinz galt, und vertrat im Interesse der Kolonialstaaten die Auffassung, das Gebiet sei umstritten. Um die Besatzung und Nutzung durch Israel stillschweigend zu erlauben.

Nochmal: Der Libanon betrachtete die Shebaa-Farmen seit 2000 offiziell als libanesisches Territorium, gestützt auf historische Karten und Dokumente aus der französischen Mandatszeit, die das Gebiet dem Libanon zuschrieben. Die libanesische Regierung und die Hisbollah argumentierten, dass Israels Kontrolle über die Shebaa-Farmen eine fortgesetzte Besatzung libanesischen Territoriums darstellte. Die libanesische Position wurde durch die Unterstützung Syriens gestärkt. Ob Syrien nun, da der al Kaida Ableger HTS die Macht offensichtlich auch mit Hilfe Israels über Syrien übernommen hatte, die libanesischen Ansprüche im Interesse Israels bestreiten würde, war Ende Mai noch nicht bekannt, aber wahrscheinlich. Weil es zu dem normalen kolonialen Vorgehen gehörte, Vasallen im Interesse der Kolonialmächte handeln zu lassen. Und Syrien, unter der Kontrolle der ehemaligen Terrororganisation HTS war nun offensichtlich unter der totalen Kontrolle der Kolonialstaaten.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: MstudioG / shutterstock


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