Ein Meinungsbeitrag von Dirk C. Fleck.
Es gibt Tage, die einem den Atem nehmen. Vom feinen dichten Sprühregen verklebte Dezembertage. Und so schnappen wir nach Luft wie Ertrinkende, die sich kurz an die Wasseroberfläche gekämpft haben. Unsere hektischen Atemzüge hören sich nicht nur komisch an, sie sehen auch komisch aus. Man sieht und hört sie überall: beim Bäcker, im Bus, auf der Straße, beim Friseur, im Café. Die Menschen sind schon ganz blaustichig im Gesicht … Oder bilde ich mir das ein? Bin ich etwa der Einzige, der sich gezwungen sieht, extrem tief zu atmen, um meine Lunge jedenfalls ahnen zu lassen, was sie mit Sauerstoff alles anstellen kann.
Dass sich Blutleere im Gehirn breit macht, bleibt nicht aus. Die Welt stellt sich mir plötzlich anders vor. Sie scheint aus der Zeit gefallen, als hätte sie sich das Raum-Zeit-Kontinuum abgestreift wie ein Kleid. Die Bilder der Außenwelt passieren meine Sinne wie am Fließband, keine nimmt sich wichtiger als die andere. Ich sehe mich außerstande, eine Bewertung vorzunehmen, als sei mir von höherer Warte ein Urteil nicht mehr gestattet.
„Blues ist, wenn sich ein guter Mensch schlecht fühlt.“ Der Satz tritt aus den Kulissen meines Unterbewusstseins und zieht wie eine Leuchtschrift an mir vorüber, aber ich fühle ihn nicht. Vielleicht bin ich schon tot. Ich kneife mich und fühle Schmerz. Von wegen tot. Gleich 18 Uhr. Zeit für die Sportschau. Oh, nein! Nicht schon wieder das HSV-Desaster. Ein verschossener Elfmeter dieser Gurkentruppe ist doch tatsächlich in der Lage, mein spirituelles Fundament kurzfristig zu erschüttern. Und wenn ich laut „SCHEIßE! “ schreie, wissen auch meine Nachbarn, dass der Hamburger Sport Verein es wieder einmal verkackt hat.
Gottseidank kommen sie nicht gerannt, um mich zu trösten. Ich liebe es nämlich allein zu sein. Allein zu sein bedeutet, dass der Geist nicht unnötig kontaminiert wird. Ich muss mich nicht unterhalten. Unterhaltungen sind für mich eine Qual, ich brauche jedes Mal Tage des Schweigens, um mich von der Sinnlosigkeit meiner Worte zu erholen. Die Einsamkeit ist ein Heilmittel, ehrlich. In ihr geht man den vielen Energieräubern aus dem Weg, die einen umlauern.
Hier drei Aussagen zum Thema Einsamkeit, vor der die meisten Menschen so viel Angst haben. Völlig unnötig, wie diese Worte beweisen:
„Sei ein Einzelgänger. Das gibt dir Zeit, dich zu wundern und nach der Wahrheit zu suchen. Habe eine heilige Neugierde. Mach‘ dein Leben lebenswert. “ - Albert Einstein
„Ich habe die Einsamkeit gewählt, um mich zu verteidigen. Ich halte mich fern von der Menschheit, die mich umgibt, von dieser lauten und arroganten Menschheit. Ich fühle mich der Natur und den Tieren viel näher als den Menschen. Ich bin mit der Sache der Tiere verheiratet, um endlich meine Existenz hier zu verstehen.“ - Brigitte Bardot
„Ich verstand die Stille des Äthers. Der Menschen Worte verstand ich nie.“ - Friedrich Hölderlin
Die Luft fühlt sich wieder undurchdringlich und klebrig an. Ich drücke drei Finger der rechten Hand aufs Herz. Es schlägt noch. Dann atme ich so tief durch wie irgend möglich. Dabei schlage ich ein Buch der US-amerikanischen Schriftstellerin Djuna Barnes (1892-1982) auf, das schon länger auf dem Glastisch liegt. Titel: „Solange es Frauen gibt, wie sollte da etwas vor die Hunde gehen?“ Mir wird schwindlig und weit und breit keine Frau in Sicht …
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: Toan Nguyen Canh / shutterstock
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