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Ein Kommentar von Paul Clemente.
Nein, die Bundestagswahl 2025 hat keinen Machtwechsel provoziert. Konnte sie auch gar nicht. Zu deutlich haben die Parteien im Vorfeld sogenannte Brandmauern errichtet. Umso vergnüglicher war der gestrige Wahltag. Wie weit, fragte man sich, wird der politische Mainstream seine Anti-Rechts-Hysterie noch treiben? Besonders witzig: Der konstruierte Schein-Gegensatz von AfD einerseits und CDU plus FDP anderseits. Selbst linke Mainstream-Publikationen versuchten, die Friedrich Merz-CDU und die Christian Lindner-FDP als demokratisch zu verkaufen, während die AfD knietief im Misanthropie und Menschenhass wate. Dabei besteht zwischen Merz, Weidel und Lindner in marktwirtschaftlicher Hinsicht kein Unterschied: Alle drei sind Libertäre, interessieren sich ausschließlich für Großverdiener. Horrende Mieterhöhung plus Inflation? Na und?!
Aber wie soll eine Demokratie funktionieren, die den finanziell schwachen Teil der Bevölkerung verwirft? Horror-Autor Stephen King sagte schon vor Jahren: Ein Patriot, der keine Solidarität mit sozial Schwachen zeigt, ist keiner. Der ist bloß ein Absahner. Einer, der die Gemeinschaft zu eigenen Zwecken missbraucht. Außerdem weiß King als Gruselfachmann: Prekäre Existenz ist wirklich ein Horrortrip. Eine ständige Quelle der Angst. Die Lebenserwartung der Abgehängten liegt ein Vielfaches unter dem Durchschnitt.
Weshalb soll man sich für diese Wahl interessieren? Die Gutbetuchten wissen ohnehin, dass ihre Zeit gekommen ist. Außer dem BSW stellt keine Partei sich dem entfesselten Markt entgegen. Und die Unterschichten? Die braucht die Wahl auch nicht zu interessieren. Denn sie wissen, egal, wer an die Macht kommt: ihr Absturz ist längst beschlossene Sache.
Auch die ausländische Mainstream-Medien beteiligten sich an dem Spiel der konstruierten Gegensätze. Laut Spiegel-Online seien sie über das Erstarken der AfD „besorgt“. So verkündet die New York Times,
„Geschockt über Trump, richtet Europa seine Hoffnungen auf die Wahl in Deutschland.“
Die ukrainische „Kviv Post“ hingegen fürchtet ein Erstarken der Fremdenfeindlichkeit nach dem AfD-Wahlsieg.
Und das spanische Blatt El Pais fordert von deutschen Spitzenpolitikern, sie müssten endlich unbequeme Wahrheiten aussprechen, die Bürger davor warnen, dass,
„es von nun an düster aussieht und dass wichtige kollektive Opfer gebracht werden müssen.“
Frage: Wer muss diese kollektiven Opfer bringen? Die Politiker und ihre Lobby? Oder wieder die Bürger?
Obwohl ein elementarer Wandel keine Chance hat, trieb es die Bürger in großen Mengen in die Wahllokale. Das Ergebnis war der blanke Horror im Sinne von Stephen King: CDU - 28 Prozent, gefolgt von der AfD mit 20 Prozent. An dritter Stelle die SPD mit 16 Prozent und die Grünen mit satten 11 Prozent. Die Linke schafft noch 8 Prozent. BSW und FDP liegen unter der fünf-Prozent-Hürde. Na also, klappt doch: Die Untertanen haben das „Weiter so!“ gewählt. Wieder mal. Motto: Stillstand ist machbar, Herr Nachbar. Die nächste GroKo aus schwarz, rot, grün ist vorprogrammiert. Das Ruinieren der Wirtschaft wird durch einen Krieg mit Russland angereichert.
Kurz nachdem CDU-Chef Friedrich Merz sich zum Wahlsieger erklärt hatte, mahnte eine Kommentatorin der Taz, „alles überragende Aufgabe“ sei es jetzt – genau: Den Aufstieg der Rechten zu verhindern. Die schmissen sich nämlich postwendend in die Arme des Siegers. O-Ton Alice Weidel:
„Wir haben uns als Volkspartei nun fest verankert. Unsere Hand wird immer ausgestreckt sein für eine Regierungsbeteiligung, um den Willen des Volkes umzusetzen.“
Natürlich weiß sie, dass die Altparteien mit ihr nicht koalieren werden. Also bleibt nur eins.
„Wir werden die anderen jagen, dass sie vernünftige Politik für unser Land machen.“
Dagegen ernennt sich Franziska Brantner, Vorsitzende der Grünen, sich gleich zum Statthalter der Demokratie. Als solcher bleibe man offen für Koalitionen.
„Ich finde es zu früh, jetzt das eine oder andere auszuschließen. Für uns ist wichtig, dass die Demokraten dafür zur Verfügung stehen."
Außerdem, so verriet Brantner dem ZDF, gebe es große geopolitische Herausforderungen. Ob sie damit eine Bombe auf Moskau meint, bleibt offen.
Natürlich wurde selbst das mieseste Ergebnis noch zum Erfolg umgedeutet. Dabei glänzte vor allem der grüne Co-Vorsitzende, Felix Banaszak. Der wertet den 11prozentigen Stimmanteil seiner Partei tatsächlich als Ausdruck eines großen Bedürfnisses nach gerechter und ökologischer Politik. Und netterweise sind die Grünen auch bereit, diesen Auftrag anzunehmen.
„Wir haben immer gesagt, wir sind weiter bereit, Verantwortung zu übernehmen, um genau diese Themen auch in eine nächste Regierung einzubringen."
Eine Hoffnung, der CSU-Chef Markus Söder eine Absage erteilte: Auch in einer künftigen GroKo gebe es keine Regierungsbeteiligung der Grünen. Söder wörtlich:
„Nach den derzeitigen Möglichkeiten scheint es auch eindeutig so zu sein, dass es entweder mit einem Partner oder möglicherweise mit zwei reicht. Relativ klar ist aber: Es geht ohne die Grünen.“
Die sollten sich auf eine Oppositionsrolle einstimmen.
Auch der der Kommentar von FDP-Chef Christian Lindner verdient die Diagnose eines weitreichenden Realitätsverlustes. Der räumt seine krachende Niederlage zwar ein. Aber die Watsche gelte nicht der marktliberalen Idee. Wie in einer Viagra-Werbung verspricht er ein baldiges Ende der politischen Erektionsstörung.
„Ab morgen wird die Fahne der freien Demokraten wieder aufgerichtet.“
Dann tröstet er die Wahlkämpfer. „An euch hat es nicht gelegen.“ Die gute Nachricht: Lindner will die Politik verlassen. Auf X schrieb er:
„Die Bundestagswahl brachte eine Niederlage für die FDP, aber hoffentlich einen Neuanfang für Deutschland. Dafür hatte ich gekämpft. Nun scheide ich aus der aktiven Politik aus. Mit nur einem Gefühl: Dankbarkeit für fast 25 intensive, herausfordernde Jahre voller Gestaltung und Debatte."
Auch der stellvertretende Vorsitzende, Wolfgang Kubicki, will dem Lindner-Abgang mit echter Nibelungentreue folgen. Während beide sich sich den Abschied schönreden, schnüffelt die dpa auf der FDP-Wahlparty. Dabei entdeckt sie, oh Graus, dass da,
„auffällig viele Vertreter rechter und verschwörungstheoretischer Medien unterwegs (sind), offenbar auch aus dem Ausland. Sie interviewen sich gegenseitig und bestätigen, dass in Deutschland viel zu viel zensiert werde.“
Da kann sich die FDP ja bald auf Antifa-Besuch gefasst machen.
Mehr Mut zum Desaster bewies die FDP-Rheinmetallerin Marie Agnes Strack-Zimmermann: Die bezeichnete das Wahlergebnis als „Klatsche“ und räumte ein,
„Es ist wirklich auf die 12 und zwar mit Anlauf. Ich glaube, Konsequenzen müssen vor allem thematisch gezogen werden, dass wir uns eben nicht nur reduzieren auf ein, zwei Themen.“
Auch um das „unschöne Thema“ Sicherheit soll künftig seinen Platz finden.
Derweil rief die Linke mit 80jähriger Verspätung zum Widerstand gegen den Faschismus auf:
„Wehrt euch / leistet Widerstand / gegen den Faschismus in diesem Land / Haltet fest zusammen.“
Getreu dem Motto: Nie gab es so viele Nazis wie heute.
Sahra Wagenknecht muss derweil noch zittern, ob ihr BSW die fünf Prozent-Hürde tatsächlich nimmt. Ansonsten hält sie es mit Lindner: Bedankt sich für die aufopfernde Arbeit ihrer Unterstützer. Dass das BSW nach einjährigem Bestehen fast fünf Prozent erreicht hat, gilt ihr als großer Erfolg. So gänzlich abnehmen kann man ihr das nicht. Der Zuspruch zum BSW war schon mal höher. Und zwar um ein Vielfaches! Das kann sie unmöglich vergessen haben.
Der Top-Verlierer des Abends war natürlich Bundeskanzler Olaf Scholz. Seine SPD erhielt ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949, also seit Bestehen der Bundesrepublik.
„Das ist ein bitteres Wahlergebnis für die Sozialdemokratische Partei, das ist auch eine Wahlniederlage.“
Klar, die Partei müsse weiter nach vorne gehen. An den Koalitionsverhandlungen mit der CDU, so fügt er hinzu, werde er sich nicht mehr beteiligen. Also noch ein Abgang. Den Bürgern hingegen bleibt der Notausgang versperrt. Sie müssen den Horrorfilm bis zum Schluss genießen.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: Kittyfly / shutterstock
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