E-Fuel: Mit dem grünen Holzgeist ist man auf dem Holzweg
Ein Standpunkt von Wilfried Schuler.
Jeder kennt den Weingeist, den flüchtigen Stoff aus dem Wein. Er wurde, beginnend um das Jahr 700, erstmals in Syrien von den Alchimisten gewonnen, als sie alkoholische Getränke destillierten. Die Alchimisten waren sehr kundige Leute, auch gute Glasbläser. Einer kam auf die Idee, eine Flasche am Hals heiß zu machen und umzubiegen. So entstand die Retorte. Re tortus. Das zurück gebogene Gefäß. Ihr Arbeitsgerät und noch heute das Symbol der Chemie.
Eine spätere Verbesserung der Retorte (Bild 1 oben) war ein helmartiger Aufsatz, mit einer Ableitung nach unten. Dieser „Alembik“ (Bild 2 rechts) wurde auf den Destillierkolben aufgesetzt. Wenn man in diesen Geräten Wein erhitzte, verflüchtigte sich „Al Khol“, der Geist. Als die letzten Mauren 1492 Spanien verlassen mussten, war ihr Wissen bereits einige Zeit vorher über die Pyrenäen gelangt. Die erste Stadt, in der die Destillationskunst heimisch wurde, war Armagnac. Das nördlicher gelegene Cognac folgte. Da die alchimistische Kunst zunächst in den Klöstern ausgeübt wurde, waren es irische Mönche, die sie weiter nach Irland und bis nach Schottland trugen. Mangels Wein stellte man dort aus geräuchertem Gerstenmalz eine bierartige Maische her und destillierte daraus das „Lebenswasser“, wie es in Irland genannt wurde.
So viel zum Weingeist, der auch heute als Bioethanol eine Rolle spielt. Vor allem in Ländern mit großer Landwirtschaft, wie USA und Brasilien. Zur Vermeidung von CO2 wird mit Hilfe der anaeroben Gärung Ethylalkohol aus Glukose erzeugt. Witzigerweise ist auch hier das Wunschprodukt nicht das Hauptprodukt. Etwa 50 % der Ausbeute ist Kohlendioxid. Ein weithin unbeachteter Punkt, der immer wieder Erstaunen hervorruft.
Methanol in Mengen ist nicht durch Gärung zugänglich. Es entsteht nur in kleinen Anteilen aus holzigen Teilen des Gärsubstrats. Deshalb wurde zu drastischen Mitteln gegriffen. Denn schon früh hatte man gelernt, dass es aus Holz gewonnen werden kann. Deshalb wurde das Retortenverfahren zur Herstellung von Holzkohle eingeführt.
Die moderne chemische Technik verdrängt die Köhler
Das althergebrachte Köhlerverfahren war sehr verlustreich und wurde Schritt für Schritt aufgegeben. Ab ca. 1900 erhitzte man das Holz in großen eisernen Retorten und konnte so zusätzlich noch Destillate gewinnen. Neben 20-30 % Kohle, entstanden 30-40% Holzessig, 15 % Holzteer und 15% Holzgas. Der Holzessig enthielt neben Essigsäure, Aceton, Essigsäuremethylester und etwa 3-5 % Holzgeist, das Methanol. Bezogen auf das Holz konnte man etwa 2% Methanol gewinnen. Der Rest der Ausbeute war das Holzgas, das zum Antrieb der legendären Holzvergaser diente. Da Methanol für die Reaktionen der organischen Chemie unverzichtbar war und sich auch als Lösungsmittel großer Nachfrage erfreute, wurden, vor allem in den USA, große Wälder abgeholzt. Deutschland dagegen konnte bald einen modernen Weg finden.
Matthias Pier, ein Chemiker der BASF, war der Pionier
Durch das Haber-Bosch-Verfahren war eine ganze Schule von Hochdruck Spezialisten in der Firma entstanden. Alwin Mittasch hatte mit der Verwendung von Kohlenmonoxid zur Synthese die Verbindung zur organischen Chemie hergestellt. Dazu kam sein Wissen über die Katalysatoren. Bergius, Fischer, Tropsch und viele andere begannen die Ära der synthetischen Treibstoffe, die später in den Leuna-Anlagen hergestellt wurden.
Matthias Pier startete 1923 das erste Verfahren zur Methanol-Synthese.
CO + 2H2 >>>>>>>> CH3 OH
Dieses Verfahren entwickelte sich zu verschiedenen Varianten. Es läuft heute bei 200-300° C unter einem Druck von 150-200 bar ab. Zwar ist die Reaktion exotherm, erhält sich aber nicht selbst. Es muss Wärme von außen zugeführt werden. Die Ausgangsstoffe Wasserstoff und Kohlenmonoxid benötigen bedeutende Energiemengen zu ihrer Herstellung. Historisch und heute noch vereinzelt in Asien wird das Gemisch Wasserstoff/Kohlenmonoxid aus glühendem Koks und Wasserdampf gewonnen. Die modernen Verfahren arbeiten nach dem Steam Reforming Prozess. Als Ausgangsprodukt dient Methan, das zum Energieerhalt des Prozesses teilweise verbrannt wird. Bei 700-900 °C wird Wasser in den Reaktor eingeblasen. Das mit entstandene Kohlendioxid wird abgetrennt. Die Ermittlung der Ausbeute und des Energieverbrauchs ist bei diesem Verfahren auf einfache Art und Weise nicht möglich. Man muss zu theoretischen Überlegungen greifen. Aus dem sogenannten Boudouard-Gleichgewicht folgt, dass die Bildung von 1 kg Kohlenmonoxid 1,7 kWh erfordert. Dieser Betrag wird mit dem Faktor 28/32 = 0,88 in die Energiebilanz des Methanols übertragen. 1,7 kWh x 0,88 = 1,5 kWh
Gemäß seiner stöchiometrischen Formel enthält 1 kg Methanol 0,125 kg Wasserstoff. Dieser Wasserstoff muss, Verluste eingeschlossen, aus der sehr energiereichen Bindung mit Sauerstoff befreit werden, um ihn zur Herstellung des Methanols in die Hand zu bekommen. Da für 1 kg Wasserstoff 33,3 kWh benötigt werden, benötigt man für 0,125 kg, 4,2 k Wh. Rechnet man die benötigten Energien für den gesamten Herstellungsprozess auf ein kg erzeugtes Methanol um, so ergibt sich folgende Aufstellung: Werte auf ein kg normiert.
Energieaufwand zur Erzeugung des Kohlenmonoxids 1,5 kWh
Energieaufwand zur Erzeugung des Wasserstoffs 4,2kWh
Energieaufwand Prozessenergie Dampfreformer 0,5 kWh
Prozessenergie für den Methanol Prozess proper 0,5 kWh
Energie für Kompressoren und Pumpen 0,5 kWh
Das Total aller Prozessenergien für Industrie-Methanol beträgt:
7,2 kWh/kg für konventionelles Methanol
Diese Berechnung ist nicht exzessiv, sondern zurückhaltend und schließt keine Verluste ein.
Die Werte zur Erzeugung der Ausgangsprodukte sind belegt. Die beiden Werte für die Heizenergie sind konservativ geschätzt. Der Energiebedarf für Pumpen und Kompressoren ist berechnet.
Die oben angestellte Berechnung sollte zur Beurteilung der Methanol-Herstellung ausreichen. Praxiswerte behalten die Hersteller naturgemäß für sich. Da die Prozesse teilweise bei 800-900°C ablaufen ist leicht einzusehen, dass hier erhebliche Energien verbraucht werden müssen. Man kann mit spitzem Stift an diesem Wert rechnen. Es wird aber nicht gelingen, wesentlich tiefer zu gelangen. Damit führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass der Heizwert deutlich unter der verbrauchten Prozessenergie liegt.
Es ist energetisch gesehen nicht sinnvoll, mit erheblichem Aufwand erzeugte Chemikalien wie Methanol und darauf aufbauende Fischer-Tropsch-Folgeprodukte zu verbrennen.
Industriell hergestelltes Methanol ist kein Energieträger.
Man muss bedenken, dass Dr. Pier niemals daran gedacht hätte, sein Methanol zu verbrennen. Vielmehr hätte er jeden für verrückt erklärt, der das mühsam synthetisierte Produkt dafür missbrauchen wollte. Die Professoren Haber und Bosch wären ob der Idee, Ammoniak auf einem extrem defizitären Weg zur Wärmeerzeugung zu missbrauchen, an der menschlichen Vernunft verzweifelt. Man denke an das Verheizen von Ikea-Regalen. Damals heizte man mit Kohle und begann gerade erst, es auch mit Öl zu tun. Chemikalien waren dafür viel zu kostbar. Ein Sakrileg.
Vom Methanol zum Grünen Methanol.
Es liegt auf der Hand, dass der beschriebene Herstellungsprozess im Wesentlichen auch für E-Methanol zu gelten hat. Es gibt kein grünes Wunder. Zusätzlich muss ein Mindestbetrag von 1 kWh/kg für die Bereitstellung des Kohlendioxids angesetzt werden. Dieses muss mit Hilfe der inversen Wassergas-Shift-Reaktion bei 850°C in Kohlenmonoxid überführt werden, was weitere 3,0 kWh erfordert, da der Prozess sehr endotherm ist
Dazu kommt ein Betrag von 6,4 kWh/kg anstelle von 4,2 kWh/kg für die Erzeugung des solaren Wasserstoffs. Die Energie für den Methanol-Prozess und Energie für die Kompressoren. Als Summe aller Positionen folgt:
Prozessenergie 11,4 kWh/kg für E-Methanol
Anders gesagt, man muss die Energie für über 2 kg Methanol verbrauchen, um ein kg davon in die Hand zu bekommen. Das ist nicht ermutigend.
Von Anfang an auf dem Holzweg
Damit wird klar, dass die Tankerflotten nicht über die Ozeane fahren werden und die grüne Methanol-Wirtschaft nicht kommen wird, jedenfalls nicht zur Energie-Gewinnung. Die nie gebauten Methanol-Tanker aus grünem Stahl werden auf einem fiktiven Schiffsfriedhof neben den nie gebauten Wasserstoff-Tankern leise vor sich hin rosten.
Wenn man abschließend die Frage stellt, wer die grüne Wasserstofffabrik in Brunsbüttel mit Prozessenergie beliefern soll, wird klar, dass keine einzige grüne Energieanlage autark arbeiten kann. Weder in Brunsbüttel noch in der Lüderitzbucht. Eine Erkenntnis, der sich auch Frau Professor Dr. Kemfert nur schwer entziehen kann. Wo ist sie eigentlich? Jetzt, wo solides Fachwissen gefragt ist, glänzt sie durch permanente und vollständige Abwesenheit von der Bühne.
Fazit für die E-Fuels generell
Da man sich die E-Fuels als eine aufsteigende Reihe von Kohlenwasserstoffen denken kann und Methanol der Ausgangspunkt dieser Reihe ist, signalisiert das völlige Versagen der Methanol-Hypothese einen Totalschaden für die Idee an sich. Da zur weiteren Entwicklung der Reihe konsekutive Reaktionen, aufbauend auf Methanol, nötig sind, ist eine Verbesserung nicht möglich. Im Gegenteil. Alle Arbeiten zu diesem Thema vergrößern das Energie-Defizit.
Wider die Vernunft
Man wird selbstverständlich weitermachen. Es werden weitere Kleinanlagen entstehen, die CO2 von einem Kraftwerk beziehen und grünen Wasserstoff von nirgendwo. Diese Anlagen werden ein tadelloses Fischer-Tropsch-Benzin liefern, CO2 neutral, nur auf grünen Wasserstoff aufgebaut. Auf der IAA wird ein Porsche ausgestellt sein, der auf 100 km weniger als 1 g nicht klimakonformes CO2 emittiert. Benzin, das mit Windkraft in Patagonien erzeugt wurde. All das ist sofort als purer Unfug zu erkennen. Eine Verschwendung von Ressourcen, die anderswo „entwendet“ werden, um die Fiktion aufrecht zu halten.
Leuna-Benzin war nur eine Notlösung
In einem Land, in dem es Kohle und Erdöl gibt, käme niemand auf die Idee, aus Kohle Benzin zu machen. Treibstoffe aus Erdöl sind einfacher und effizienter in der Herstellung. Leuna entstand, weil man aus militärischen Gründen autark sein wollte, aber kein eigenes Erdöl besaß. Aus dem gleichen Grund kaufte Südafrika die Bergius- und Fischer-Tropsch-Patente von Deutschland und baute schon in den 1930er Jahren mit SASOL eine bedeutende Treibstoffindustrie auf, die auf der einheimischen Kohle beruhte.
Synthese-Benzin erfordert deutlich mehr Prozessenergie als normales Benzin. Diese Lücke wird durch einen Mehrverbrauch an Kohle geschlossen. Neben höheren Kosten bedingt das aber auch einen höheren Ausstoß an Kohlendioxid. Der fällt aber an anderer Stelle an und wird verheimlicht. Ähnlich dem CO2, das die Wasserstoff Züge an anderer Stelle verursachen.
Der Mount Everest der E-Fuel Träumer
Chomo Lungma: Die Göttin Mutter der Welt in den lokalen Sprachen. Auf diesem Gipfel sind die Vordenker mittlerweile angekommen. Sie wollen 5 oder 10 Milliarden Tonnen CO2 jährlich aus der Luft „filtrieren“, daraus E- Methanol machen und den CO2 Gehalt der Luft auf das biblische Niveau zurückführen. So brilliant die Idee auch ist, würde banalerweise Kupfer und Eisen knapp, würde man all diese kühnen Ideen realisieren wollen.
Nach dem grünen Wasserstoff und dem grünen Ammoniak, kann man auch das grüne Methanol zu Grabe tragen.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 31. Oktober 2024 bei anderweltonline.com
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Bildquelle: Jim Parkin / shutterstock
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