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Droht Trumps rechtes Lager am Israel-Kurs zu zerbrechen?

Droht Trumps rechtes Lager am Israel-Kurs zu zerbrechen?

MAGA im Zwiespalt

Ein Meinungsbeitrag von Sabiene Jahn.

Ein wachsender Riss durchzieht das konservative Lager in den USA – nicht zwischen Republikanern und Demokraten, sondern innerhalb der „Make America Great Again“-Bewegung selbst. Während Donald Trump sich immer offener auf die Seite Israels im eskalierenden Konflikt mit dem Iran stellt, formiert sich unter seinen einst engsten Weggefährten eine Gegenbewegung, die die Rolle Israels in der US-Außenpolitik scharf infrage stellt. Der Historiker Tarik Cyril Amar, Professor an der Koç-Universität in Istanbul, legt in seinem aktuellen Essay („MAGA’s Civil War: Who dares to take on the Israel lobby?“) dar, wie zentrale konservative Stimmen wie Steve Bannon, Tucker Carlson und Marjorie Taylor Greene gegen die aktuelle Kriegspolitik Position beziehen – und dabei ein Tabu berühren: den Einfluss der Israel-Lobby auf Washington.

Ein ideologisches Schlachtfeld

Steve Bannon, ehemals Chefstratege im Weißen Haus und einflussreicher Vordenker der amerikanischen Rechten, schlägt Alarm. Nicht, weil er sich plötzlich moralisch über Israels Politik empört hätte – Bannon selbst bleibt erklärter Unterstützer des israelischen Staats. Sondern weil er den amerikanischen Nationalinteressen eine gefährliche Unterordnung unter die außenpolitischen Prioritäten Israels attestiert. In Bannons Worten verfolgt Israel eine kompromisslos eigennützige „Israel First“-Politik – in Analogie zum historischen „Germany First“ der Jahre 1933 bis 1945. Wer eine echte „America First“-Strategie anstrebe, so Bannon, dürfe sich diesem Kurs nicht unterwerfen. Die militärische Unterstützung Israels im aktuellen Krieg gegen den Iran gefährde Amerikas eigene strategische Stabilität – insbesondere angesichts der Eskalation in der Ukraine und der sich abzeichnenden Konfrontation mit China. Dabei ist es gerade das Kalkül, mit dem Bannon argumentiert, das seinem Vorstoß politische Sprengkraft verleiht. Nicht humanitäre Gründe, sondern die knallharte Interessenlage der USA stehen im Zentrum: Wer den Nahen Osten militärisch destabilisiere, handele nicht im amerikanischen Interesse, sondern treibe die Nation in einen ungewollten Flächenbrand.

Der Riss im MAGA-Mythos

Die Brisanz dieses Angriffs auf Trumps Linie liegt darin, dass Bannon nicht von außen kommt. Er gehört zum Gründungsmythos der MAGA-Bewegung, war Taktgeber, Ideengeber und Netzwerker des erfolgreichen 2016er-Wahlkampfs. Und nun? Nun stellt er offen infrage, ob Trump den Willen – oder überhaupt die Freiheit – hat, sich gegen den Einfluss der pro-israelischen Lobby zu behaupten. Trump selbst hat nach anfänglichem Lavieren die amerikanische Beteiligung an Israels Angriffen auf iranische Nuklearanlagen längst nicht mehr dementiert. Seine Rhetorik – etwa eine kaum verhüllte Drohung gegenüber der Millionenstadt Teheran – verschärft das Bild eines Präsidenten, der sich nicht von außen in einen Krieg ziehen lässt, sondern bereitwillig mitzieht. Tarik Amar beschreibt diesen Bruch als eine „gefährliche Spaltung“ innerhalb von MAGA – zwischen jenen, die auf ein Ende der „ewigen Kriege“ setzen, und jenen, die bereit sind, außenpolitische Treue zu Israel über innenpolitische Stabilität zu stellen.

Wer sind die Kriegshetzer?

Der wohl folgenreichste Medienkommentar kam jedoch nicht von Bannon, sondern von Tucker Carlson, dem einflussreichsten konservativen TV-Kommentator der USA. Mit über 16 Millionen Followern auf X (ehemals Twitter) griff Carlson offen die medialen und finanziellen Treiber einer Ausweitung des Krieges an – und nannte Namen: Sean Hannity, Mark Levin, Rupert Murdoch, Ike Perlmutter, Miriam Adelson. Drei von ihnen sind jüdischer Herkunft, alle fünf jedoch erklärte Zionisten – teils mit jahrzehntelanger Nähe zu Israels politischem Establishment. Carlson unterscheidet nicht entlang ethnischer Linien, sondern entlang ideologischer: Zwischen „Kriegshetzern und Friedensstiftern“, zwischen denen, die Gewalt fordern, und jenen, die sie verhindern wollen. Die Reaktion auf diese Aussage blieb nicht aus. Der unausgesprochene Vorwurf des Antisemitismus stand im Raum – Carlson selbst wies diesen Vorwurf zurück, und auch die republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene stellte klar: Kritik an militärischem Interventionismus sei kein Antisemitismus, sondern gesunder Menschenverstand. In einem vielbeachteten Post schrieb sie:

"Wir sind mit mehr als 36 Billionen Dollar verschuldet und haben Berge von eigenen Problemen. Wir haben riesige Bretter, die aus unseren eigenen Augen ragen, während wir uns über Splitter in den Augen anderer beschweren. Jedes betroffene Land und die ganze Welt kann glücklich, erfolgreich und reich sein, wenn wir alle zusammenarbeiten und Frieden und Wohlstand anstreben."

Loyalität oder Selbstzerstörung

Wie tief die Verflechtung zwischen Trump und der pro-israelischen Lobby reicht, zeigen die Namen Sheldon und Miriam Adelson, die zu den größten privaten Geldgebern seiner Kampagnen gehören. Über 100 Millionen Dollar steuerte Miriam Adelson allein im Wahljahr 2024 bei. Ein Rückzug vom bedingungslosen Schulterschluss mit Israel erscheint unter solchen Bedingungen für Trump politisch wie finanziell kaum möglich. Und doch stellt sich Amar die Frage: Was, wenn Trump in seiner Loyalität zu weit geht? Die drohende Eskalation im Nahen Osten, ein möglicher Großkrieg mit dem Iran, wäre nicht nur ein außenpolitisches Desaster, sondern könnte das Rückgrat seiner eigenen Wählerschaft brechen – einer Basis, die ihn einst für das Versprechen wählte, keine neuen Kriege zu beginnen.

Eine Bewegung, zwei Seelen

Amars Essay führt den Leser zu einem beunruhigenden, aber präzise herausgearbeiteten Fazit: Der Mythos MAGA, der sich einst aus Isolationismus, Wirtschaftsprotektionismus und anti-elitärem Protest speiste, steht am Scheideweg. Ein Teil der Bewegung – angeführt von Bannon, Carlson und Greene – fordert die Rückbesinnung auf Amerikas eigenes Wohl, unabhängig von geopolitischen Loyalitäten. Der andere Teil – in Trumps Nähe, gebunden an massive Spendengelder und medialen Druck – scheint bereit, diesen Kurs aufzugeben. In dieser Gemengelage eröffnet sich eine neue Dynamik: Wenn sich neben der linken Kritik an Israels Politik nun auch eine starke rechte Ablehnung formiert, könnte die Vormachtstellung Israels in der US-Außenpolitik erstmals ernsthaft ins Wanken geraten.

Amar schließt mit einem Hinweis auf eine paradox anmutende Hoffnung:

„Israel mag diesmal wieder bekommen, was es will – aber es sollte sehr vorsichtig sein, was es sich wünscht.“

Quellen und Anmerkungen

Tarik Cyril Amar, MAGA’s Civil War: Who dares to take on the Israel lobby?, veröffentlicht auf Substack, 17.Juni 2025 Link: https://alethonews.com/2025/06/17/magas-civil-war-who-dares-to-take-on-the-israel-lobby/

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Wir danken der Autorin für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bild: Caps mit dem Schriftzug MAGA (Make America Great Again)
Bildquelle: John Arehart / shutterstock


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