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Die soziale Axt nach der Bundestagswahl | Von Thomas Röper

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Operation Ablenkungsmanöver

Wie Politik und Medien davon ablenken, dass nach der Bundestagswahl beim Sozialen die Axt angesetzt wird.

Es ist bereits absehbar, dass nach der Bundestagswahl bei Sozialem und vor allem bei den Renten die Axt angesetzt wird, um die weitere Aufrüstung zu bezahlen. Aber davon wird im Wahlkampf abgelenkt, indem wieder mal "gegen rechts" demonstriert wird.

Ein Kommentar von Thomas Röper.

Es ist faszinierend, wie die Blockparteien CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne von dem Hauptthema des aktuellen Wahlkampfes ablenken. Die größten Sorgen der Deutschen sind gemäß Umfragen zwei Themen. Erstens ist das der Bereich Soziales und Wirtschaft (in Umfragen meist unterteilt in „Inflation“ und „Armut und soziale Ungerechtigkeit“) und zweitens ist das Thema Migration (in Umfragen meist unterteilt in „Einwanderung“ und „Kriminalität und Gewalt“).

Und bevor hier jemand aus der „politisch korrekten Ecke“ aufschreit: Ja, das Problem von „Kriminalität und Gewalt“ ist eine direkte Folge der Migration, wie jeder in der Kriminalstatistik nachlesen kann, denn es ist nun einmal die Kriminalität der „nicht Deutschen“, die überproportional vertreten ist, wobei eingebürgerte Migranten in der Kategorie nicht einmal erfasst werden. Nach der letzten Kriminalstatistik waren etwa 1,6 Millionen Deutsche und etwa 600.000 Ausländer Tatverdächtige bei Straftaten, sprich knapp ein Viertel der Tatverdächtigen waren Ausländer, während der Ausländeranteil in Deutschland aktuell bei etwa 15 Prozent liegt.

Dass Ausländer überproportional in der Kriminalstatistik vertreten sind, ist leider eine Tatsache. Zu leugnen, dass die Kriminalität auch eine Folge der massenhaften Einwanderung ist, bedeutet daher nur, die Augen vor einem bestehenden Problem zu verschießen.

Und um das klar zu sagen, ich bin nicht gegen Migration, im Gegenteil, aber Migration muss gesteuert werden und es sollten die Leute ins Land eingeladen werden, die dem Land und der Gesellschaft nutzen. Die Kriminalität geht ja nicht von jenen aus, die nach Deutschland kommen, um sich im Land zu integrieren und zu arbeiten.

Aber darum soll es hier nicht gehen.

Es sind also die beiden Themenkomplexe „Soziales und Wirtschaft“ und „Migration“, die den Menschen in Deutschland am meisten Sorgen machen. Laut den meisten Umfragen macht der Themenkomplex „Soziales und Wirtschaft“ den Menschen in Deutschland sogar mehr Sorgen als der Themenkomplex „Migration“. Man müsste annehmen, dass Politik und Medien den Themenkomplex, der den Menschen in Deutschland die meisten Sorgen bereitet, im Wahlkampf am Intensivsten behandeln. Aber das ist nicht so.

Interessanterweise sprechen weder die Parteien noch die Medien allzu viel über die Themen „Soziales und Wirtschaft“, sondern fokussieren sich alle auf das Thema Migration. Der aktuelle Streit um die AfD und die Bundestagsdebatte von letzter Woche zeigen das anschaulich. Die Medienberichte werden vom Streit über den „Tabubruch“ von Friedrich Merz und über die „Brandmauer“ zur AfD dominiert, und die Menschen haben am Wochenende offenbar zu zehntausenden gegen Merz demonstriert.

Geht es nur mir so, dass ich da das Gefühl bekomme, dass bewusst von dem anderen Thema, das die Menschen in Deutschland sogar mehr bewegt als die Migrationsfrage, abgelenkt werden soll?

Dafür gäbe es gute Gründe, denn wenn die Medien ihren Job machen und fragen würden, was die Parteien denn im Bereich „Soziales und Wirtschaft“ vorhaben, und wenn sie dann auch fragen würden, wie realistisch diese Pläne eigentlich sind, dann würde das für die etablierten Parteien eine ziemlich peinliche Angelegenheit werden.

Schauen wir uns einmal an, was zu dem Thema erklärt wird und worüber die deutschen Mainstream-Medien nur sehr ungern berichten.

Aufrüstung um jeden Preis

Medien und Politik erklären uns, dass die Sicherheit in Deutschland und Europa durch Russland bedroht sei, deshalb müssten Deutschland und Europa dringend aufrüsten. Eine Aussage, die dabei in diesen Tagen international, aber eben nicht von deutschen Medien, immer wieder und sehr laut zu hören ist, ist, dass die europäischen Staaten im sozialen Bereich sparen müssen, um die Aufrüstung zu bezahlen.

Ich werde das gleich mit Zitaten belegen, denn die deutschen Medien verschweigen diese Forderungen geflissentlich, weil sie im Wahlkampf dazu führen könnten, dass die Menschen nicht die Parteien wählen, die sie wählen sollen.

Am 22. Januar hat die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas auf der Jahreskonferenz der Europäischen Verteidigungsagentur die Mitgliedstaaten der EU davor gewarnt, dem sozialen Wohlstand Vorrang vor der Verteidigung einzuräumen, und sie aufgefordert, die Waffenproduktion zu erhöhen, um der russischen „Bedrohung“ zu begegnen, angesichts derer die Europäer „aufwachen“ müssten:

„Wir geben Milliarden für unsere Schulen, Sozialleistungen und das Gesundheitswesen aus, aber wenn wir nicht mehr in die Verteidigung investieren, steht all dies auf dem Spiel.“

Dass Kallas, also de facto die EU-Kommission, fordert, die EU-Staaten sollten die Finanzierung von Schulen, Sozialleistungen und Gesundheitswesen zugunsten der Aufrüstung kürzen, habe ich in internationalen Nachrichtenagenturen, aber in Deutschland nur bei RT-DE gefunden. Wer im Spiegel-Archiv unter dem Suchbegriff „Kallas“ nach dieser Forderung vom 22. Januar sucht, der findet… nichts. Keine Meldung. Die Deutschen sollen das nicht erfahren.

Statt den Deutschen das zu erzählen, werden sie an den Gedanken gewöhnt, dass nun nicht mehr zwei Prozent des BIP für Aufrüstung ausgegeben werden müssten, sondern 3,5, das fordert beispielsweise Robert Habeck, oder gar fünf Prozent, wie Donald Trump fordert. Und fast täglich fordert NATO-Generalsekretär Rutte mehr Geld für die Aufrüstung, wobei er sich ungerne auf Zahlen festlegt, wie sein aktuelles Interview in der Bild zeigt. Es soll eben einfach nur viel mehr Geld sein.

Aber woher soll das Geld denn kommen, wenn nicht aus Einsparungen im Sozialbereich?

Was das konkret bedeutet

Diese Frage stellen die deutschen Medien nicht, wenn sie über die Forderungen nach noch mehr Geld für Aufrüstung berichten. Wir reden hier von Größenordnungen, die sich nicht mit irgendwelchen Buchungstricks oder Umschichtungen im Staatshaushalt erreichen lassen. Im Falle von Deutschland reden wir davon, dass 3,5 Prozent des BIP, die beispielsweise Habeck fordert, etwa 140 Milliarden Euro wären.

In 2025 will Bundesverteidigungsminister Pistorius für die Bundeswehr ein Budget von 53 Milliarden Euro, was nicht einmal die von der NATO aktuell geforderten zwei Prozent des BIP sind. Dass Deutschland trotzdem auf die zwei Prozent kommt, liegt an dem Sonderkredit von hundert Milliarden Euro für die Bundeswehr, der aber schon fast aufgebraucht ist.

Wenn Deutschland regulär auf die geforderten 3,5 Prozent kommen will, muss der Haushalt der Bundeswehr von etwa 50 Milliarden um 90 Milliarden Euro pro Jahr auf 140 Milliarden aufgestockt, also fast verdoppelt werden.

2024 betrug der Bundeshaushalt etwas über 470 Milliarden Euro, von denen etwa 50 Milliarden für die Bundeswehr waren. Damit blieben etwa 420 Milliarden für alle anderen Aufgaben des Staates. Um die 3,5 Prozent zu erreichen, müsste diese Zahl auf 330 Milliarden gesenkt werden, was nur mit massiven Einsparungen ginge, oder die Bundeswehr müsste, wie schon mit dem Sonderkredit von 100 Milliarden, auf Pump finanziert werden. Aber jedes Jahr etwa 90 Milliarden Schulden für die Bundeswehr aufzunehmen, ist keine sonderlich nachhaltige Strategie.

Man sieht daran, dass diese Aufrüstungspläne ohne Kürzungen gar nicht umsetzbar sind. Und wo würde wohl gekürzt werden? Kallas hat es ja schon offen gesagt: Bei Schulen, Sozialleistungen und dem Gesundheitswesen.

Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber wenn so massive Einschnitte in das Leben eines jeden Deutschen anstehen, dann wäre das ein Thema, das im Wahlkampf besprochen werden müsste, damit die Menschen entscheiden können, welche Partei ihnen die überzeugendste Idee für die anstehenden Probleme anbietet.

Aber das passiert nicht. Von diesem anstehenden Problem werden die Menschen in Deutschland durch die sinnlose Diskussion abgelenkt, ob die CDU nun mit der AfD abstimmen darf oder nicht.

Die Lügen der Parteien

Die Parteien vermeiden es, dieses Thema anzusprechen. CDU, Grüne und FDP fordern zwar mehr Geld für Aufrüstung, sprechen aber nicht an, woher sie das Geld nehmen wollen, was natürlich – auf Deutsch gesagt – eine Verarschung der Wähler ist.

Die SPD ist da nicht besser, denn Bundeskanzler Scholz versucht sich als Retter des Sozialsystems zu positionieren, wenn er den anderen Parteien unter die Nase reibt, sie würden die Deutschen belügen, wenn sie das Gefühl vermitteln, die Erhöhung der Rüstungsausgaben sei ohne soziale Einschnitte möglich.

Allerdings lügt auch Scholz, denn er sagt einfach, es werde mit der SPD keine Aufrüstung auf Kosten sozialer Einschnitte geben. Aber auf die Aufrüstung will „Olaf-Zeitenwende-Scholz“ ja auch nicht verzichten. Das ist mathematisch jedoch unmöglich, es sei denn, Scholz will die Aufrüstung auf Pump finanzieren und für die Bundeswehr knapp 100 Milliarden Euro neue Schulden pro Jahr aufnehmen.

Aber schon jetzt bezahlt Deutschland etwa 30 Milliarden pro Jahr für die bestehenden Schulden und wenn man die erhöht, werden auch die Kosten für die Kredite steigen. Und das Geld fehlt dann wieder an anderer Stelle im Haushalt. Und wo wird dann wohl gespart, um die höheren Kreditkosten gegen zu finanzieren?

Die Parteien haben alle Angst, den Wählern die Wahrheit über das zu sagen, was nach der Bundestagswahl kommt. Da trifft es sich doch hervorragend, dass ganz Deutschland nur noch über Migration und eine theoretische (aber in der Praxis natürlich nicht kommende) Zusammenarbeit der Merz-CDU mit der AfD streitet, anstatt über die zwangsläufig kommenden Einschnitte im Sozialbereich zu sprechen.

Es geht zuerst an die Renten

Deutsche Politiker berufen sich, wenn sie unpopuläre Entscheidungen treffen, gerne darauf, dass sie nur das umsetzen, was ihnen die „Experten“ geraten haben. Das suggeriert, dass es nicht anders geht, sonst hätten die „Experten“ ja etwas anderes vorgeschlagen.

Daher bringen sich die „Experten“ schon mal in Stellung. Am 8. Januar veröffentlichte der Spiegel unter der Überschrift „Debatte über höhere Verteidigungsausgaben – »Die Zeche sollten auch die Alten zahlen«“ ein Interview mit Moritz Schularick, dem Präsidenten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Das dürfte nicht der letzte Beitrag eines „Experten“ sein, der für Sozialabbau plädiert, um die Aufrüstung zu finanzieren. Und genau auf diese „Experten“ wird sich die neue Bundesregierung – egal, welche der Blockparteien CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne nach der Wahl Regierung spielen dürfen – berufen, wenn sie den Menschen in Deutschland erklärt, dass sie den Gürtel leider wieder enger schnallen müssen.

Der „Experte“ Schularick schlug daher folgendes vor (und ich bin bereit zu wetten, dass es von der nächsten Bundesregierung so oder so ähnlich umgesetzt wird):

„Länger arbeiten, Kapitaldeckung hochfahren und den Lebensstandard der Ruheständler durch einen Inflationsausgleich einfrieren. Man wird auch an den Rentenzuschuss des Bundes von über 100 Milliarden im Jahr herangehen müssen. Allein in diesem Jahr werden die Renten voraussichtlich um 3,5 Prozent steigen, das ist in einer stagnierenden Wirtschaft kaum noch zu rechtfertigen. Es war auch die ältere Generation, die es versäumt hat, in den vergangenen Jahrzehnten ausreichend in unsere Sicherheit zu investieren. Stattdessen hat sie die Friedensdividende konsumiert. Deshalb wäre es schwierig, wenn die Älteren nun ihren Beitrag zur Stärkung der Verteidigung verweigern würden. Zumal die Jüngeren ja schon die Kredite, die dafür jetzt notwendig werden, bedienen müssen.“

Operation Ablenkungsmanöver

Vor diesem Hintergrund kann man das, was Friedrich Merz getan hat, als er mit der AfD für ein Gesetz gestimmt hat, das dann ohnehin nicht angenommen wurde, als ein hervorragendes Ablenkungsmanöver bezeichnen. De facto ist nichts passiert, aber ganz Deutschland ist mit einem vollkommen anderen Thema beschäftigt.

Ob das Theater die CDU ein paar Stimmen kostet, oder ob die AfD dadurch noch ein paar Stimmen hinzugewinnt, ist vollkommen unwichtig. Wichtig ist, dass es nach der Bundestagswahl wieder eine Koalition aus den Blockparteien CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne geben wird, die den antirussischen Kurs weiterverfolgen und den Wohlstand in Europa weiter vernichten wird.

So funktioniert das alte Prinzip „Teile und Herrsche“: Das Volk ist mit sich und mit einem Thema beschäftigt, das nebensächlich ist, weil sich nichts Entscheidendes ändern wird, und ist von den eigentlich wichtigen Themen abgelenkt.

Das ist aber auch ein seltener Glücksfall für die Blockparteien CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne, oder nicht?

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 4. Februar 2025 auf anti-spiegel.ru.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: MrAhmad12 / shutterstock


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