
Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Der Krieg gegen den Iran
Am 13. Juni 2025 wurde der Lauf der Geschichte der Welt wieder einmal dramatisch verändert. Israel griff den Iran an. Ein offensichtlich unprovozierter Angriffskrieg, so abgenutzt der Begriff wegen der Ukraine auch sein mag, sollte die Welt verändern. Aber er lenkte auch von dem furchtbaren Völkermord in Gaza ab. Allerdings sind Völkermord und Angriffskrieg als Einheit zu betrachten, als Teil von Israels Expansionskriegen zur Realisierung von Eretz-Israel.
Der letzte große Krieg, den die USA mit seiner Marionette Saddam Hussein und dem Irak gegen den Iran geführt hatte, dauerte 8 Jahre. Während dessen hatten die USA sogar noch Waffen an den Iran verkauft. Teile und herrsche in Perfektion. Aber der Iran hatte es überstanden, trotz der scheinbaren Überlegenheit der irakischen Streitkräfte und der Hilfe der USA, welche die Bomber des Iraks auf Ziele im Iran einwiesen. Damals war der Iran sehr geschwächt, weil die neue revolutionäre Regierung noch gar nicht fest installiert war. Die Hoffnung, nach mehreren gescheiterten Versuchen in den letzten Jahrzehnten, im Jahr 2025 aber einen RegimeChange durchführen zu können, waren schlechter als 1980. Damals war ein beträchtlicher Teil der repressiven Militärführung während der Revolution 1979 aus dem Land geflüchtet, und das Militär nur noch ein Schatten des ehemaligen Glanzes, mit großen Problemen, weil die USA Waffen wegen Sanktionen nicht repariert werden konnten.
Der neue Krieg 2025 gegen den Iran, der eigentlich nur der Übergang aus einem Wirtschaftskrieg in einen Bombenkrieg war, zeigte nun alle Merkmale eines großen Krieges des Imperiums gegen die aufsteigende Gewichtung der BRICS-Länder. Sowohl in Russland als auch im Iran wurden die gleichen Techniken benutzt, um die strategischen Bomber bzw. die Flugabwehranlagen im Iran anzugreifen. Aber das waren nur die technischen Ähnlichkeiten.
In beiden Fällen agierten Stellvertreter für die westlichen Interessen, um den Aufstieg des Globalen Südens einzudämmen und eine globale Hegemonie zu bewahren. In beiden Fällen versuchte Trump mit einer Politik „guter Cop / böser Cop“ den Verhandlungspartner einzuschläfern. Aber das war nur die Oberfläche.
Im Fall der Ukraine träumte der Westen davon, Russland zu „dekolonialisieren“, also zu balkanisieren, wie einst Jugoslawien, um wieder, wie einst unter Jelzin, über die Bodenschätze des riesigen Landes bestimmen zu können. Im Fall des Iran ging es darum, das koloniale Projekt Israel, welches verhinderte, dass sich der Nahe und Mittlere Osten zu einem riesigen gemeinsamen Markt entwickelte, zu stärken, und die aggressive und expansive Politik der rechtsextremen Regierungen in Richtung Eretz Israel abzusichern. Auch wenn dieses Ziel noch so utopisch war.
Aber spätestens jetzt hatte der Globale Süden verstanden, dass es keinen Sinn machte, mit dem Westen zu verhandeln, wenn man ein souveränes Land sein wollte, außer um selbst Zeit zu gewinnen, wenn man für eine Konfrontation noch nicht bereit war. Und China konnte sich ausrechnen, dass die nächste Front, diesmal zur „Eindämmung“ Chinas, sich in Taiwan darstellen wird. Deutschland, so schien es, war bereit, als Produzent von Kriegsmitteln für diese Kriege einzuspringen. So konnte man zumindest die Jahrhundertverschuldung durch Blackrock-Merz interpretieren.
Aber schauen wir zunächst nach Gaza, denn jeden Tag wurden dort Menschen erschossen, die versuchten Nahrung durch eine so genannte „humanitäre NGO“ Israels und der USA zu bekommen, eine Organisation, die aber anscheinend der Köder war, um hungrige Menschen anzulocken und zu töten, um den Druck zur Migration zu erhöhen(1).
Die letzten Tage von Gaza
Einer der großen Journalisten der USA, Chris Hedges, veröffentlichte am 10. Juni einen Artikel mit dem Titel „Die letzten Tage von Gaza“(2). Ein Beitrag, der in seiner unerbittlichen Abrechnung so nicht in Massenmeiden erscheinen sollte. Aber er war wichtig und richtig. Dies war das letzte blutige Kapitel des Völkermords. Daher hier eine Zusammenfassung in Deutsch:
„Bald ist es vorbei. In Wochen. Höchstens. Zwei Millionen Menschen kampieren in den Trümmern oder unter freiem Himmel. Dutzende werden täglich durch israelische Granaten, Raketen, Drohnen, Bomben und Kugeln getötet und verwundet. Es fehlt ihnen an sauberem Wasser, Medikamenten und Lebensmitteln. Sie sind am Rande des Zusammenbruchs. Krank. Verletzt. Verängstigt. Gedemütigt. Verlassen. Mittellos. Hungernd. Hoffnungslos.
Auf den letzten Seiten dieser Horrorgeschichte ködert Israel hungernde Palästinenser sadistisch mit Nahrungsmittelversprechen und lockt sie in den schmalen und überfüllten 15 Kilometer langen Landstreifen an der Grenze zu Ägypten. Israel und seine zynisch benannte Gaza Humanitarian Foundation (GHF), die angeblich vom israelischen Verteidigungsministerium und dem Mossad finanziert wird, machen Hunger zu einer Waffe.“(3)
Der Autor erklärte, dass Israel Palästinenser nach Südgaza lockte, so wie die Nazis hungernde Juden im Warschauer Ghetto dazu verleiteten, Züge in die Todeslager zu besteigen. Ziel sei nicht, die Palästinenser zu ernähren. Niemand behauptete ernsthaft, es gäbe genug Lebensmittel oder Hilfszentren. Ziel war es, Palästinenser in schwer bewachte Lager zu pferchen und zu deportieren.
Er fragte, wie man das noch steigern könne, was wohl als nächstes komme? Aber er wollte selbst keine Antwort auf seine Frage geben. Nur müsse man davon ausgehen, „es wird eine letzte humanitäre Explosion im menschlichen Schlachthaus Gaza geben“. Man sähe das an den wachsenden Menschenmengen, die um Lebensmittelpakete kämpften. In den ersten acht Tagen der Hilfsverteilung hatten israelische und US-amerikanische Privatunternehmer mindestens 130 Menschen erschossen und über 700 weitere verletzt.
Man erkenne es auch daran, dass Netanjahu ISIS-Banden in Gaza bewaffne, die Lebensmittelvorräte plünderten. Israel, das Hunderte von Mitarbeitern des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) – Ärzte, Journalisten, Beamte und Polizisten – durch gezielte Attentate getötet hatte, war erfolgreich darin gewesen die Implosion der Zivilgesellschaft zu orchestrieren, meinte der Autor.
Und dann wagte er doch eine Vorhersage und erklärte, dass Israel vielleicht einen Durchbruch im Zaun entlang der ägyptischen Grenze ermöglichen werde. Verzweifelte Palästinenser würden dann in den ägyptischen Sinai stürmen. Entweder werden sie dann durch ägyptische Soldaten erschossen, oder sie werden einfach nicht mehr nach Gaza zurück gelassen, womit die Vertreibung teilweise abgeschlossen sein wird.
„Wir – vollwertige Teilnehmer an diesem Völkermord – werden unser wahnsinniges Ziel erreicht haben, Gaza zu leeren und Großisrael zu erweitern. Wir werden den Vorhang über dem live gestreamten Völkermord fallen lassen. Wir werden die allgegenwärtigen universitären Holocaust-Studiengänge verhöhnt haben, die, wie sich herausstellt, nicht dazu gedacht sind, uns auf die Beendigung von Völkermorden vorzubereiten, sondern Israel als ewiges Opfer zu vergöttern, das die Erlaubnis zum Massenmord hat.
Das Mantra ‚Nie wieder‘ ist ein Witz. Die Auffassung, dass wir schuldig sind, wenn wir die Fähigkeit haben, Völkermord zu stoppen, es aber nicht tun, trifft auf uns nicht zu. Völkermord ist öffentliche Politik. Gebilligt und unterstützt von unseren beiden Regierungsparteien.“(4)
Aber es sind ja nicht nur die beiden großen US-Parteien. Es sind in Deutschland ALLE Parteien, die im Bundestag vertreten sind, die Blut an ihren Händen haben. Hedges fährt dann fort, dass es nichts mehr zu sagen gebe, und vielleicht sei das der Sinn, dass man die Massen sprachlos machten wollte. Er fragte, wer sich nicht gelähmt fühle, wer nicht traumatisiert sei, von den Bildern? Und meinte, dass vielleicht auch das geplant war. Nichts, was Menschen in den USA oder Deutschland taten, um die Politiker dazu zu bringen, den Völkermord zu verhindern oder wenigstens zu beenden hatte Erfolg gezeigt. Man fühle sich wehrlos, einem Völkermord als Spektakel ausgeliefert.
„Ich habe aufgehört, die Bilder anzuschauen. Die Reihen kleiner, in Leichentücher gehüllter Leichen. Die enthaupteten Männer und Frauen. Familien, die lebendig in ihren Zelten verbrannt wurden. Die Kinder, die Gliedmaßen verloren haben oder gelähmt sind. Die kreidebleichen Totenmasken derer, die unter den Trümmern hervorgezogen wurden. Die Klagen der Trauer. Die ausgemergelten Gesichter. Ich kann nicht. Dieser Völkermord wird uns verfolgen. Es wird mit der Wucht eines Tsunamis durch die Geschichte hallen. Es wird uns für immer entzweien. Es gibt kein Zurück. Und wie werden wir uns erinnern? Indem wir uns nicht erinnern.“(5)
Der Autor glaubte, dass, wenn es vorbei war, all jene, die den Völkermord aktiv unterstützten, oder einfach ignorierten und nichts taten, die Geschichte, auch die eigene, einfach neu schreiben werden. Er verglich die Situation mit der im Nachkriegsdeutschland, oder nach dem Ende der Rassentrennung im Süden der USA. Es würde wieder eine Nation von Unschuldigen sein. Ja man würde sich selbst zu Opfern umdeklarieren.
„Wir denken gerne, wir hätten Anne Frank gerettet. Die Wahrheit sieht anders aus. Die Wahrheit ist: Von Angst gelähmt, werden fast alle von uns nur sich selbst retten, selbst auf Kosten anderer. Doch dieser Wahrheit kann man nur schwer ins Auge sehen. Das ist die wahre Lehre aus dem Holocaust. Besser, sie wird ausgelöscht.“(6)
Es gibt ein Buch von Omar El Akkad auf das Hedges verwies, das schon im Titel klar machte, worum es ging: „Eines Tages werden alle immer dagegen gewesen sein“. Er zitiert daraus folgenden Teil:
„Sollte eine Drohne eine namenlose Seele am anderen Ende der Welt verdampfen, wer von uns will da schon Aufhebens machen? Was, wenn sich herausstellt, dass sie Terroristen waren? Was, wenn sich der Vorwurf bewahrheitet und wir implizit als Terroristensympathisanten abgestempelt, geächtet und angeschrien werden? Im Allgemeinen sind Menschen am eifrigsten vom Schlimmsten motiviert, das ihnen passieren könnte.
Für manche ist das Schlimmste, was ihnen passieren könnte, vielleicht das Ende ihrer Blutlinie durch einen Raketenangriff. Ihr ganzes Leben liegt in Trümmern, und all das wird präventiv gerechtfertigt im Namen des Kampfes gegen Terroristen, die aufgrund ihres Todes automatisch Terroristen sind. Für andere ist das Schlimmste, was ihnen passieren könnte, angeschrien zu werden.“(7)
Man könne nicht ein Volk dezimieren, 20 Monate lang Flächenbombardements durchführen, um seine Häuser, Dörfer und Städte zu zerstören, Zehntausende unschuldige Menschen massakrieren, eine Belagerung errichten, um Massenhunger zu verursachen, sie von ihrem Land vertreiben, in dem sie seit Jahrhunderten leben, ohne mit Gegenreaktionen zu rechnen.
Der Völkermord wird enden, meinte der Autor, aber die Reaktion auf die Herrschaft des Staatsterrors werde dann beginnen. Wer das nicht glaube, wisse nichts über die menschliche Natur oder Geschichte. Die Ermordung zweier israelischer Diplomaten in Washington und der Angriff auf Unterstützer Israels bei einer Demonstration in Boulder, Colorado, wären nur der Anfang gewesen.
„Chaim Engel, der am Aufstand im nationalsozialistischen Vernichtungslager Sobibor in Polen teilnahm, beschrieb, wie er mit einem Messer bewaffnet einen Lagerwächter angriff.
‚Es ist keine Entscheidung‘, erklärte Engel Jahre später. Man reagiert einfach, instinktiv, und ich dachte mir: ‚Lass es uns tun, und los geht‘s. Und ich ging. Ich ging mit dem Mann im Büro, und wir töteten diesen Deutschen. Bei jedem Stich sagte ich: ‚Das ist für meinen Vater, für meine Mutter, für all diese Menschen, für all die Juden, die ihr getötet habt.‘“(8)
Erwarte irgendjemand von den Palästinensern, dass sie anders handeln? Wie sollten sie reagieren, wenn Europa und die Vereinigten Staaten, die sich als Vorreiter der Zivilisation rühmten, einen Völkermord unterstützten, der ihre Eltern, ihre Kinder, ihre Gemeinden abschlachtete, ihr Land besetzte und ihre Städte und Häuser in Schutt und Asche legte? Wie könnten sie diejenigen nicht hassen, die ihnen das angetan haben? Fragt Hedges. Und weiter, welche Botschaft dieser Völkermord nicht nur den Palästinensern vermittle, sondern allen Menschen im Globalen Süden?
Es sei eindeutig, dass diese Menschen nicht zählten, dass das Völkerrecht für sie nicht gelte. Dass deren Leid, der Mord an ihren Kindern dem Westen egal sei. Ja dass sie Ungeziefer seien, wertlos, verdient, getötet zu werden, enteignet zu werden, verurteilt, vom Erdboden zu verschwinden.
„‘Um die Werte der zivilisierten Welt zu bewahren, muss man eine Bibliothek in Brand setzen‘, schreibt El Akkad. ‚Eine Moschee in die Luft sprengen. Olivenbäume verbrennen. Sich in die Unterwäsche geflohener Frauen kleiden und Fotos machen. Universitäten dem Erdboden gleichmachen. Schmuck, Kunst, Lebensmittel plündern. Banken. Kinder verhaften, weil sie Gemüse ernten. Kinder erschießen, weil sie Steine werfen. Die Gefangenen in Unterwäsche vorführen. Einem Mann die Zähne ausschlagen und ihm eine Toilettenbürste in den Mund stecken. Kampfhunde auf einen Mann mit Down-Syndrom hetzen und ihn sterben lassen. Sonst könnte die unzivilisierte Welt gewinnen.‘“(9)
Es gebe Menschen, so die Anklage weiter, die der Autor seit Jahren kenne, mit denen er nicht wieder sprechen werde. Sie wussten, was passierte. Und wer wusste es eigentlich nicht, war seine Frage. Diese Menschen riskierten nicht ihre Kollegen zu verprellen, als Antisemit verleumdet zu werden oder den Arbeitsplatz zu verlieren. Sie riskierten nicht den Tod, wie es die Palästinenser taten. Sie riskierten, die erbärmlichen Monumente des Status und Reichtums zu beschmutzen, die sie ihr Leben lang errichtet hatten. Sie verneigten sich vor diesen Götzen. Sie beteten diese Götzen an. Sie würden von ihnen versklavt. Und zu den Füßen dieser Götzen lägen zehntausende ermordete Palästinenser, war die eindringliche Botschaft des Artikels. Soweit also Hedges.
Innerhalb Großbritanniens war der Druck der Bevölkerung so groß geworden, dass die Regierung versuchte, sich etwas Erleichterung zu verschaffen, indem sie Sanktionen gegen zwei Minister der israelischen Regierung verhängte, welche durch nicht mehr wegzudiskutierende völkermörderische Aussagen aufgefallen waren(10). Aber Israel war darüber entsetzt und der israelische Außenminister weigerte sich, einen Anruf des britischen Amtskollegen anzunehmen.(11) Dabei waren die Sanktionen sicher nicht ernst gemeint. Denn als über 300 Mitarbeiter des Außenministeriums ihre Sorge gegenüber der Führung zum Ausdruck gebracht hatten, dass Großbritannien einen Völkermord in Gaza unterstützen könnte, schlug die Regierung den Mitarbeitern vor, zu kündigen.
Aber während in Gaza der Völkermord sich dem Ende zuneigte, und die Welt wegen des Angriffskriegs Israels gegen den Iran den Atem anhielt, ging die Tatsache verloren, dass Israel stillschweigend das Westjordanland zu einem riesigen Gefängnis umfunktionierte, ähnlich, wie sie es einst mit Gaza gemacht hatten.(12) Dazu später mehr.
Greta und der Blockadebruchversuch
Der symbolische Versuch, mit einem kleinen Segelboot, die Hungerblockade Israels über Gaza zu brechen, war erwartungsgemäß von der Besatzungsmacht unterbunden worden. Während Greta Thunberg und andere Mitglieder ein Dokument unterzeichneten, in dem Sie sich verpflichten keine Klagen gegen das Vorgehen der IDF einzureichen, und nie mehr zu versuchen „illegal einzureisen“, hatte sich die EU-Abgeordnete Rima Hassan geweigert, die weitreichenden Selbstverpflichtungen zu akzeptieren und hatte sie nicht unterschrieben.
Schauen wir noch einmal zurück: Israel hatte das Schiff mit einer unbekannten Chemikalie besprüht, es gerammt, geentert und die Besatzung gezwungen, ihre Mobiltelefone über Bord zu werfen. Immerhin hatten sie diesmal auf außergesetzliche Tötungen, wie die UN es diplomatisch nannte, verzichtet. Das Kommando verlangte diesmal nicht einmal, dass sich die Besatzung vollkommen nackt ausziehen musste.
Allerdings sollte die Besatzung dann gezwungen werden, sich Propagandaaufnahmen Israels über die „Verbrechen der Hamas am 7. Oktober“ anzuschauen. Als die Besatzung sich weigerte, verlangte Israel von ihnen die Unterzeichnung von Abschiebepapieren, in denen sie ihre illegale Einreise nach Israel anerkannten, obwohl sie sich in internationalen Gewässern befanden und Israel sie nach Israel gebracht hatte!
Rima Hassan wollte aber nichts gestehen, was sie nicht getan hatte, weil sie „Prinzipien“ hatte. Israel sagte daraufhin, es habe daher keine andere Wahl, als sie als Geisel zu behalten, bzw. als „Gefangene“.
Der Grund für die Spezialbehandlung könnte sein, dass Hassan eine Palästinenserin mit französischer Staatsbürgerschaft war und in das EU-Parlament gewählt worden war. Für Israel war es normal, Palästinenser so zu behandeln. So hatte Israel es schon immer gemacht. Und da auch die wertebasierten, feministischen Kommissionsmitglieder der EU nicht laut dazu Stellung nahmen, sollte das aus israelischer Sicht in Ordnung gehen.
The Cradle hatte am 11. Juni noch Details über die „Gefangennahme“ berichtet. Laut Aussage des kürzlich freigelassenen Al-Jazeera-Journalisten Omar Faiad übten israelische Streitkräfte Druck auf Aktivisten aus, die sich weigern, die „Papiere“ zu unterschreiben.
„Beispielsweise ist die Abgeordnete Rima Hassan immer noch dort“, sagte er. „Sie weigert sich, die Papiere zu unterschreiben, und wurde von einem Beamten direkt bedroht: ‚Ich schlage dir den Kopf gegen die Wand, wenn du nicht unterschreibst. Wir regeln das auf unsere Weise.‘“(13)
Später wurde bekannt, dass Rima Hassan in Einzelhaft verlegt wurde und gemeinsam mit anderen Besatzungsmitgliedern, welche die „Dokumente“ nicht unterschrieben hatten, in einen Hungerstreik eingetreten war.(14)
Und in Gaza gingen auch die täglichen Morde durch Drohnen, Scharfschützen und Bomben Israels weiter.(15)
Der Freiheitsmarsch
Der symbolische Versuch des Aufbrechens der illegalen israelischen Blockade von Gaza war aber 2025 nicht die einzige größere Aktion von Graswurzelaktivisten. Der Sumoud („Standhaftigkeit“ auf Arabisch) Marsch war ein Solidaritätsakt für Gaza, der in Nordafrika begann und nach Ägypten führen sollte. Der Sumoud-Konvoi oder -Marsch wollte die Führer der Länder Nordafrikas aufrütteln, und bewegen, endlich dem Völkermord in Gaza ein Ende zu setzen. Er bestand zunächst aus ca. 1000 Teilnehmern, die aus Algerien, Tunesien, Libyen und Marokko angereist waren, und zwar in ca. 100 Fahrzeugen, davon 12 Bussen. Sie hatten geplant, über Ägypten die Rafah-Grenzübergangsstelle zu erreichen, welche von Israel besetzt und geschlossen worden war. Insgesamt wurden über 10.000 Menschen aus 32 Ländern erwartet.
Der Plan war, zunächst über die tunesisch-libysche Grenze bei Ras Jedir, entlang der libyschen Küstenstraße, mit Zwischenstopps in Städten wie Tripolis, Misrata, Sirte, Benghazi und Tobruk zum ägyptischen Grenzübergang Saloum zu fahren, um von dort nach Kairo vorzustoßen. Von dort wollte man dann, durch ägyptische Aktivisten verstärkt, zum Grenzübergang nach Gaza weiterfahren.
In Algerien war ein separater Konvoi gestartet, der plante, bis zum 12. Juni den Grenzübergang Saloum nach Ägypten zu erreichen, und bis zum 15. Juni nach Rafah vorzudringen.
Als Hauptziele des Konvois wurde die Lieferung humanitärer Hilfe, die Sensibilisierung der Welt für die Krise in Gaza, die Welt über die 18-jährige illegale israelischen Blockade Gazas zu informieren, und die Forderung nach einem Ende des Krieges und der Belagerung genannt. Die Auslöser für die Aktion war, dass die Vereinten Nationen und UNICEF vor einer Hungersnot gewarnt hatten, und das bereits zu dem Zeitpunkt 92 % der Kinder unter zwei Jahren und stillende Mütter an schwerer Mangelernährung litten.(16)
Ägyptens Beihilfe zum Völkermord
Ägypten hatte im Vorfeld aber deutlich gemacht, dass es Maßnahmen ergreifen werde, um diesen Marsch innerhalb Ägyptens aufzuhalten. Aktivisten, die am 12. Juni 2025 in Kairo eintrafen, um sich dem Konvoi anzuschließen, wurden festgenommen, verhört und/oder deportiert. Insbesondere algerische Anwälte und andere Aktivisten wurden bei ihrer Ankunft am Kairoer Flughafen festgehalten.
Außerdem hatten ägyptische Sicherheitskräfte den Zugang zur Grenze blockiert, was jenen, die über die Grenze gekommen waren, oder aus Ägypten angereist waren, daran hinderte, das Ziel zu erreichen. Organisatoren bemerkten, dass Ägypten keine Durchreisepapiere ausgestellt hatte, und dass es erhebliche Koordinationsschwierigkeiten mit den ägyptischen Behörden gab. Die Strecke zwischen al-Arisch und Rafah sei als militärische Zone klassifiziert worden, in die kein Zutritt gewährt wurde, es sei denn, man war dort wohnhaft.
Am 12. Juni fanden am Kairoer Flughafen wütende Proteste statt, bei denen Aktivisten die ägyptische Regierung beschuldigten, Gaza "für Dollars verkauft" zu haben. Ein X-Post von warfareanalysis berichtete von Chören wie "Schande, Schande! Sie haben Gaza für Dollars verkauft“17. Ein weiterer Post von palinfoen18 berichtete, dass Aktivisten festgenommen, ihre Geräte konfisziert und die Teilnehmer deportiert wurden.
Der staatliche Fernsehsender behauptete, dass der Konvoi dazu gedacht gewesen sei, als „Manöver, um Ägypten in Verlegenheit zu bringen“.19 Also konnte man in Deutschland beruhigt feststellen, dass die ägyptische Militärdiktatur nicht anders reagierte wie die demokratische deutsche Bundesregierung.
Hier endet der PodCast in dieser Woche, der den Beginn des Endes des Völkermordes in Gaza dokumentiert.
Quellen und Anmerkungen
1 https://x.com/muhammadshehad2/status/1934166402698481685
2 https://scheerpost.com/2025/06/10/chris-hedges-the-last-days-of-gaza/ Quellen im verlinkten Originalartikel. Hier verzichtet, auch weil über die Themen bereits ausführlich berichtet wurde. Chris Hedges ist ein mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneter Journalist und war 15 Jahre lang Auslandskorrespondent der New York Times, wo er als Leiter des Nahost- und Balkan-Büros der Zeitung tätig war.
3 Ebd.
4 Ebd.
5 Ebd.
6 Ebd.
9 https://scheerpost.com/2025/06/10/chris-hedges-the-last-days-of-gaza/
10 https://www.ynetnews.com/article/rycv0qsqlg
11 https://www.ynetnews.com/article/bjs1cpiqel
12 https://x.com/QudsNen/status/1933901528714072166
13 https://x.com/TheCradleMedia/status/1932752928156123289
14 https://x.com/brucknerianer/status/1932843913720836241
15 https://x.com/QudsNen/status/1932810929718350130
16 https://www.aljazeera.com/news/2025/6/10/explainer-what-is-the-global-march-for-gaza-all-about
17 https://x.com/warfareanalysis/status/1933015645689450808
18 https://x.com/palinfoen/status/1932920784399352251
19 https://x.com/DisparatePanda/status/1932856811943813121
+++
Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
+++
Bildquelle: Anas-Mohammed/ shutterstock
+++
Ihnen gefällt unser Programm? Machen wir uns gemeinsam im Rahmen einer "digitalen finanziellen Selbstverteidigung" unabhängig vom Bankensystem und unterstützen Sie uns bitte mit Bitcoin: https://apolut.net/unterstuetzen#bitcoinzahlung
Informationen zu weiteren Unterstützungsmöglichkeiten finden Sie hier: https://apolut.net/unterstuetzen/
+++
Bitte empfehlen Sie uns weiter und teilen Sie gerne unsere Inhalte in den Sozialen Medien. Sie haben hiermit unser Einverständnis, unsere Beiträge in Ihren eigenen Kanälen auf Social-Media- und Video-Plattformen zu teilen bzw. hochzuladen und zu veröffentlichen.
+++
Abonnieren Sie jetzt den apolut-Newsletter: https://apolut.net/newsletter/
+++
Unterstützung für apolut kann auch als Kleidung getragen werden! Hier der Link zu unserem Fan-Shop: https://harlekinshop.com/pages/apolut