Ein neuer Höhepunkt der Desinformation
Ein Meinungsbeitrag von Felix Abt.
Die Financial Times behauptet, dass das chinesische Unternehmertum praktisch verschwunden sei, da im letzten Jahr angeblich nur wenige neue Unternehmen gegründet wurden.
Ich schreibe diesen Artikel, um anhand aktueller Beispiele zu zeigen, woher das (manipulierte) Bild kommt, das viele Leser von China haben.
Ich war kürzlich in China und wollte von Chinesen wissen, wie es um die Jugendarbeitslosigkeit bestellt ist, die im Westen als katastrophal dargestellt wird. Ich hatte auch die Gelegenheit, junge Chinesen über die Beschäftigungssituation zu befragen. Mehr dazu erfahren Sie in meinem kurzen Videobericht hier.
Und nein, ich habe meine Reise nach China selbst bezahlt, keine Entschädigung oder Belohnung von irgendjemandem erhalten und konnte ohne Erlaubnis filmen und fotografieren, was ich wollte. Außerdem verfolge ich derzeit weder in Russland (das ich ebenfalls vor kurzem besucht und selbst bezahlt habe) noch in China irgendwelche geschäftlichen Interessen.
Hier ist ein brandneues Beispiel dafür, wie die wirtschaftliche Lage in China grotesk verzerrt wird, und zwar nicht von „BILD“ oder „Blick“, was verständlich wäre, sondern von der angesehenen „Financial Times“, die ich als Geschäftsmann abonniert habe, solange sie unvoreingenommene und zuverlässige Informationen geliefert hat. Selbst die einst ähnlich angesehenen Zeitungen wie das „Handelsblatt“ in Deutschland, „Les Échos“ in Frankreich oder die „NZZ“ in der Schweiz konnten ihr nie das Wasser reichen. Zur Erinnerung: Die NZZ, der Spiegel, die BBC und die amerikanischen Mainstream-Medien verbreiteten mit großem Tamtam die Fake News, Winnie Puuh sei in China verboten worden, weil er angeblich Präsident Xi Jinping ähnlich sehe und dieser Angst vor dem Kuschelbären habe. Ich habe diesen Propaganda-Unsinn hier mit Bildbeweisen widerlegt. Die Financial Times hat sich von ihnen abgehoben, indem sie diesen Unsinn damals nicht verbreitete.
(Inwieweit sind die Medien korrumpiert und werden von westlichen Regierungen ‚geführt‘?)
Allerdings ist die China-Berichterstattung der Financial Times in den letzten Jahren zunehmend einseitig, unfair und selektiv geworden und folgt damit einem allgemeinen Trend. Als Leser hatte man das Gefühl, dass die Journalisten zwanghaft nach negativen China-Geschichten suchten, um die Leser in der Geschäftswelt zu verunsichern oder zu verängstigen, anstatt sie objektiv und fair zu informieren.
Die Financial Times stürzt ins Bodenlose
Am vergangenen Donnerstag berichtete die Zeitung, dass das chinesische Unternehmertum fast ausgestorben ist, da im vergangenen Jahr nur 1.202 neue Unternehmen gegründet wurden. Als Beweis wurden Daten des chinesischen Monitoring Service IT-Juzi herangezogen. Der düstere Bericht und die auffällige Grafik der FT-Journalistin Eleanor Olcott (siehe unten) wurden über eine Million Mal auf X (ex-Twitter) aufgerufen. Sie schien den ultimativen Beweis dafür gefunden zu haben, dass Xi Jinping im Begriff ist, die Marktwirtschaft in China vollständig abzuschaffen.
(Financial Times-Autorin Eleanor Olcott)
Kritische Leser reagierten auf „X“ und wiesen darauf hin, dass, wenn man sich eine einzelne Branche, z. B. Restaurants, an einem einzigen Ort, z. B. einer Stadt, ansieht, man sofort erkennen kann, dass es eine große Anzahl neuer Unternehmen gibt. Multipliziert man dies mit einem Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern, so erhält man Millionen neuer Unternehmen - genau wie in den offiziellen chinesischen Statistiken angegeben.
(Quelle: www.stats.gov.cn/english/PressRelease/202402/t20240228_1947918.html)
Während die Financial Times behauptet, dass im Jahr 2023 nur „1.202 neue Startups in China gegründet wurden“, zeigen chinesische Statistiken, dass im Jahr 2023 32,73 Millionen neue Unternehmen in China gegründet wurden. Fairerweise muss man sagen, dass nicht alle dieser 32 Millionen Unternehmen als „Startups“ (wie auch immer definiert) betrachtet werden können. Bei der überwiegenden Mehrheit dieser Unternehmen scheint es sich um Einzelunternehmen zu handeln, im Grunde um eine Art Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gleichzeitig ist auch festzuhalten, dass viele kleine Unternehmen, die als Einzelunternehmen geführt werden, nicht ein förmliches Registrierungsverfahren durchlaufen und daher statistisch nicht erfasst werden.
In der ersten Hälfte des Jahres 2024 wurden in China 237.000 neue KI-Unternehmen gegründet. Bei diesem Tempo dürfte China allein im Bereich der künstlichen Intelligenz in diesem Jahr eine halbe Million neuer Unternehmen gründen.
(Quelle: South China Morning Post, Hong Kong)
Abgesehen von den Daten, die die FT für ihre falsche Unterstellung verwendet, dass „Startups“ ausschließlich von privaten VCs (Risikokapitalfirmen) finanziert werden, sollte der Vollständigkeit halber hinzugefügt werden, dass die chinesische Regierung sechsmal mehr investiert, um Anreize für Innovationen in bestimmten strategischen Sektoren zu schaffen. Diese bewährte Methode hat dazu beigetragen, dass Chinas Industrie in den Bereichen Elektrofahrzeuge, Hochgeschwindigkeitszüge, alternative Energien, Telekommunikation und anderen Sektoren weltweit führend geworden ist. Die führenden Industrieunternehmen sind meist Privatunternehmen.
(Bericht des Centre on China's Economy and Institutions an der Stanford University, CA)
Die Debatte auf „X“ (ex-Twitter) nahm eine neue Wendung, als sich der Anlagespezialist Glenn Luk („Glenn“) zu Wort meldete und auf genau den Fehler hinwies, den die Financial Times gemacht hatte. Die Financial Times hatte ihre Zahlen aus einer engen Liste entnommen, die sich auf von institutionellen Anlegern finanzierte Start-ups beschränkte und auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt war. Laut Luk ist es unmöglich, auf der Grundlage dieser Daten zu ermitteln, wie viele neue Unternehmen in China gegründet wurden.
Die FT-Autorin Eleanor Olcott verteidigte sich mit einem Beitrag auf X: „IT Juzi ist Chinas führender Datenanbieter für Startups und verfolgt Unternehmen in praktisch allen denkbaren Bereichen, in die ein VC investieren würde“. Der für Meinungen und Leitartikel zuständige Redakteur der Financial Times in London, Tony Tassell, lobte die „großartige Berichterstattung“ seiner Kollegin darüber, „wie China seinen Privatsektor und seine Unternehmer erdrosselt hat“.
Schließlich meldete sich auch Wen Feixiang, der Chef des Unternehmens, dessen Daten von der Financial Times für ihre schockierende Grafik verwendet wurden, auf X zu Wort: „Hey, ich bin Feixiang, Gründer und CEO von ITJUZI, und das Zitat in diesem Artikel über die Anzahl der chinesischen Startup-Unternehmen von ITJUZI ist nicht korrekt“.
Er erklärte, dass die Liste seines Marktforschungsunternehmens in keiner Weise die Gesamtzahl der neuen Unternehmen in China widerspiegelt. Wenn selbst die Quelle, auf die sich die Financial Times beruft, die Behauptung der Zeitung widerlegt, wäre es dann nicht das Mindeste, den Artikel zurückzuziehen und sich bei den Lesern zu entschuldigen, die wieder einmal mit Propaganda statt mit Informationen verarscht wurden? Bislang ist das nicht geschehen.
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Felix Abt ist Mitbegründer des asiatischen Internetmagazins Eastern Angle und Reisevlogger und Youtuber auf Lixplore +++
Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: FOTOGRIN / shutterstock
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