Tagesdosis

Die 2,1%-Lüge – Wie der Staat uns arm rechnet | Von Julian Marius Plutz

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Tagesdosis 20250612 apolut
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Was wie eine harmlose Zahl klingt, ist der Schlüssel zur Täuschung: Eine Schönrechnung, die gezielt verschleiert, wie brutal die Lebenshaltungskosten wirklich steigen.

Ein Kommentar von Julian Marius Plutz.

2,1 Prozent", das ist die Zahl, mit der die EZB und die Politik uns dieser Tage einlullen. „Alles unter Kontrolle“, „Inflation fast wieder im Zielkorridor“, „Stabilität kehrt zurück“ – so der Tenor der üblichen Verdächtigen. Und weil man ja gute Nachrichten nicht allein feiern möchte, hat die Europäische Zentralbank nun auch gleich den Leitzins gesenkt. Als sei das Problem gelöst, als könnten wir zurück zur Normalität des billigen Geldes. Doch das Gegenteil ist der Fall: Diese „2,1 Prozent“ sind keine Beruhigung, sondern eine Verhöhnung. Sie sind eine bewusste statistische Täuschung, die verschleiert, wie tief die Geldentwertung in die Lebensrealität der Menschen einschlägt.

Wer wirklich glaubt, dass das Leben sich „nur um zwei Prozent“ verteuert hat, sollte vielleicht mal wieder selbst einkaufen gehen oder die Heizkostenabrechnung öffnen. Oder er sollte versuchen, eine Mietwohnung in der Stadt zu finden. Die Wahrheit sieht so aus:

  • Zucker: 70 Prozent Steigerung in nur vier Jahren
  • Speiseöl: knapp 35 Prozent Steigerung innerhalb eines Jahres
  • Butter: mehr als 40 Prozent in vier Jahren
  • Strompreise: fast 42 Prozent von 2020 bis 2024

Der Sparer zahlt die Zeche

Das sind keine Lifestyle-Produkte. Es sind Grundbedürfnisse und Dinge, die sich nicht einfach „wegverzichten“ lassen. Genau hier liegt die Perfidie: Die offizielle Inflationsrate ist ein Durchschnittswert über einen „Warenkorb“, in dem Fernseher, E-Bikes und Spotify-Abos genauso zählen wie Butter und Heizung. Das Ergebnis: Die Teuerung bei lebensnotwendigen Gütern wird kleingerechnet – und damit politisch entschärft. Für Statistikakrobaten eine hübsche Leistung, für alle anderen eine tägliche Zumutung.

Vor diesem Hintergrund ist die jüngste Leitzinssenkung der EZB nichts anderes als ein wirtschaftspolitisches Eigentor, und zwar mit Ansage. Zinsen sind schließlich nicht irgendein technisches Detail, sondern das Preisetikett fürs Geld. Wenn dieser Preis künstlich gedrückt wird, wird Geld billig, Kredite fließen, die Nachfrage steigt – und mit ihr die Preise. Das wäre in einer echten Deflationsphase vielleicht sinnvoll. Aber bei real zweistelligen Preissteigerungen in den entscheidenden Lebensbereichen wirkt es wie eine Einladung zur weiteren Geldentwertung.

Die Sparer zahlen den Preis, und der Staat profitiert. Genau darum geht es: Inflation ist die einzige Steuer, die sich der Staat nicht vom Parlament absegnen lassen muss. Sie wirkt still, zuverlässig und gnadenlos – und sie trifft genau jene, die keine Lobby haben: den Mittelstand, die Sparer, die Leute, die noch an das Leistungsversprechen dieser Republik glauben.

Die gesellschaftlichen Folgen sind verheerend

Ökonomisch betrachtet ist Inflation immer falsch – nicht nur, weil sie Kaufkraft frisst, sondern weil sie das zentrale Steuerungssystem der Marktwirtschaft zerstört, nämlich den Preis. Preise sind Informationen. Wenn sie durch künstliche Geldschwemmen verzerrt werden, verlieren Unternehmer wie Verbraucher die Orientierung. Es kommt zu Fehlinvestitionen, zur falschen Kapitalallokation und langfristig zur wirtschaftlichen Stagnation.

Doch politisch ist genau das gewollt. Eine Gesellschaft in Dauerverunsicherung – durch steigende Lebenshaltungskosten, durch die Angst vor Altersarmut, durch Unsicherheit über die Zukunft – ist leichter zu steuern. Und während die arbeitende Mitte spart, rechnet, verzichtet, feiert der Staat Rekordeinnahmen, und zwar dank kalter Progression, dank steigender Mehrwertsteuereinnahmen, dank Assetinflation. Die politische Klasse hat kein Interesse an stabiler Währung. Ihr Geschäftsmodell heißt Schuldenstaat – und der braucht Inflation wie der Süchtige den nächsten Schuss.

Der Politik dürften die 2,1 Prozent recht sein

Wer hat laut der Politik Schuld? Selbstverständlich nicht die expansive Geldpolitik der EZB, die den Euro täglich entwertet, sondern Wladimir Putin. Es handelt sich hierbei um ein durchaus praktisches sowie selbstgerechtes Unterfangen, die Verantwortung von sich zu weisen, um stattdessen die Schuld einem exogenen Faktor zu geben: Russland. Wahrer wird die Lüge dadurch nicht.

Die gesellschaftlichen Folgen dieser Politik sind verheerend. Wer heute Eigentum erwerben will, wird mit explodierenden Immobilienpreisen, Bauvorschriften und Steuerlasten systematisch ausgebremst. Wer sparen will, verliert jedes Jahr real an Kaufkraft. Und wer leistet, wird doppelt bestraft durch Steuerabzüge oben und Preissteigerungen unten. Die soziale Marktwirtschaft wird ausgehöhlt – nicht durch „den Markt“, sondern durch eine Politik, die sich den Markt unterwirft.

Es ist kein Zufall, dass die EZB sich in dieser Rolle gefällt. Längst ist sie nicht mehr unabhängiger Währungshüter, sie ist politischer Akteur. Ihre Zinspolitik ist kein nüchterner Ausgleich zwischen Inflation und Wachstum, sondern ein Werkzeug zur Stabilisierung der Schuldenpolitik der Eurostaaten. Zinssenkung bedeutet: Der Staat spart Milliarden an Zinskosten – auf Kosten der Bürger, die ihre Ersparnisse entwertet sehen. Dies ist keine Geldpolitik mehr. Es ist Transferpolitik durch die Hintertür.
Wer Inflation kleinredet, schützt nicht die Bürger – er schützt die Macht der Bürokratie. Es geht längst nicht mehr um Geldwertstabilität, sondern um Machterhalt. Und dieser Machterhalt basiert auf einer schleichenden Enteignung der produktiven Gesellschaft.

Die 2,1 Prozent Inflation sind eine Lüge – nicht im mathematischen, aber im moralischen Sinn. Es ist die Lüge vom „moderaten“ Preisauftrieb, während Millionen Menschen mit jedem Einkauf, jeder Nebenkostenabrechnung, jeder Mieterhöhung real ärmer werden. Es ist die Lüge einer geldpolitischen Kaste, die sich längst vom Bürgerinteresse entkoppelt hat. Und es ist die Lüge eines Staates, der uns nicht mehr schützt, sondern sich an uns bedient. Der Politik dürfte das recht sein, während die Bevölkerung darunter leidet.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Denys Kurbatov/ shutterstock

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Der Beitrag erschien zuerst am 12.06.25 auf dem Portal haintz.media


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