Standpunkte

Deutschland, eine Identitätskrise | Von Felix Feistel

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Ein Standpunkt von Felix Feistel.

Ein wiederkehrendes Thema in der deutschen Öffentlichkeit und in politischen Bewegungen und Parteien ist die Identifikation mit diesem Land, mit Deutschland. Diese Identifikation wird vom gesamten politischen Spektrum immer wieder in die Debatte gebracht, und scheint daher ein ungelöstes Thema darzustellen. So lehnt die eine Seite eine Identifikation mit Deutschland rundheraus ab – immerhin ist aus dieser in der Vergangenheit das größte Menschheitsverbrechen erwachsen – und verteufelt jeden, der sich in irgend einer Weise mit diesem Land identifiziert. Nationalstolz ist in dieser Weltsicht etwas, das den Keim des absolut Bösen in sich trägt. Denn Rassismus und Antisemitismus, und letztlich auch der zweite Weltkrieg seien, so die Argumentation, aus diesem Nationalstolz hervorgegangen. Diese Haltung ist mittlerweile sogar in der Klasse der politischen Vertreter dominierend. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an jene Szene, als die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einer erfolgreichen Wiederwahl einem ihrer Parteikollegen die deutsche Fahne aus der Hand nahm, um sie wegzulegen.

Andere, etwa aus den Reihen der Grünen haben ihre Ablehnung gegenüber Deutschland klar und deutlich zum Ausdruck gebracht. Sie könnten eigenem Bekunden zufolge mit Deutschland nichts anfangen, und verschreiben sich daher eher einem Internationalismus, das unter dem Slogan „No border, no nations“ den unbegrenzten Zustrom von Menschen aus aller Herren Länder organisiert und jede Identifikation mit Deutschland und jedes Bewahren-Wollen der deutschen Sprache und Kultur sogar als Wiederauferstehung des Nationalsozialismus bekämpft. Hätten diese politischen Vertreter beispielsweise mal Hannah Arendt gelesen dann wüssten sie, dass diese Gleichsetzung zwischen deutschem Nationalstolz und Nationalsozialismus nicht richtig ist. Denn Hannah Arendt zufolge ist der Totalitarismus in seinem Wesen eine internationalistische Bewegung, die darauf zielt, die ganze Welt zu unterwerfen. Dabei nutzte der deutsche Nationalsozialismus Deutschland lediglich als Ausgangspunkt, von dem aus das Ziel der Unterwerfung der ganzen Welt organisiert werden sollte. Dennoch findet eine Gleichsetzung jeder Form der Identifikation mit diesem Land mit der dunklen Vergangenheit statt.

Dem gegenüber steht genau diese andere Seite, die sich für einen deutschen Nationalstolz einsetzt, und die Ablehnung der Identifikation mit Deutschland stark kritisiert. Nicht ganz zu Unrecht wird in diesen Kreisen die erstere Bewegung als Wegbereiter einer Weltregierung bekämpft, welche die Menschen durch totale Gleichmacherei beherrschbar zu halten wünscht. Die Nationale Identifikation abzuschaffen ist tatsächlich ein wesentlicher Aspekt der Etablierung einer totalen, technokratischen Herrschaft, ebenso, wie die Zerstörung der Familien. Denn erst dann sind die Menschen hinreichend ungebunden und orientierungslos, sodass sie in eine Herrschaftsstruktur und das dazu passende Narrativ eingebunden werden können, eine Bewegung, die bereits weit fortgeschritten ist.

Dagegen sprechen sich jene, die gerne als „rechts“ und „Nazis“ beschimpft werden zu Recht aus, und fordern einen neuen Nationalstolz, eine Identifikation mit Deutschland. Im Bundestag wird diese Bewegung zumindest scheinbar mit jeder Wahl vermehrt vertreten, und zwar durch die AfD. Daran kann man sehen: Der Wunsch nach nationaler Identifikation wird lauter. Immer mehr Deutsche wollen sich für ihre Zugehörigkeit zu diesem Land nicht mehr dauerhaft schuldig fühlen für Verbrechen, die sie gar nicht verübt haben. Denn es ist dieser Schuldkomplex, an den die Zerstörung der Identifikation mit Deutschland andockt, und den sie instrumentalisiert.

Doch die Forderung nach Identifikation mit Deutschland, die Floskel von einem „deutschen Volk“ ist, bei näherer Betrachtung, sehr schwammig bis vollkommen hohl. Denn auch, wenn eine Identifikation mit seinesgleichen durchaus die Grundlage für die Verwurzelung der Persönlichkeit darstellt, die einem einen festen Stand in der Welt ermöglichen kann, und auch, wenn die verschiedenen Völker dieser Welt durchaus sehr unterschiedlich sind – in Aussehen, Glaubens- und Weltvorstellungen sowie Mentalität – so wirft die Berufung auf das deutsche Volk doch einige Fragen auf.

Denn dazu muss man zunächst feststellen: Deutschland war die meiste Zeit seiner Existenz überhaupt kein geeintes Land. Tatsächlich bestand Germania Magna, wie die Römer das Gebiet rechts des Rheins nannten, schon immer aus einer Vielzahl verschiedener Völker, die in ihrem jeweiligen Siedlungsgebiet lebten, dabei zwar in Kontakt miteinander standen, sich aber wohl kaum als eine Einheit betrachtet haben. Auch später konstituierte sich das Heilige Römische Reich deutscher Nation aus einer Vielzahl von Königreichen und Fürstentümern mit unterschiedlichen Regeln, unterschiedlichen Herrschern und unterschiedlichen Sprachen, die heute noch in den verschiedenen Dialekten ihr Echo finden. Geeint wurden sie lediglich durch den Kaiser und ein eher übergestülptes Christentum, das diese Region mehr erobert denn von sich überzeugt hat. Erst mit der Reichsgründung im Jahr 1871 wurde so etwas wie eine Einheit geschaffen, die aber auch erst einmal nur eine politische, und damit den Menschen aufgezwungene Einheit darstellte. Ein einheitliches Volk gibt es daher nicht.

Zudem haben sich auch die äußeren Grenzen dieses Deutschlands immer wieder verschoben. Die Berufung auf das deutsche Volk wirft daher die Frage auf, ob dieses auch Teile des heutigen Polens und Tschechiens, die mal zu Preußen und Ostpreußen gehört haben, mit einbezieht. Sind also die Einwohner des heutigen Kaliningrads, die nicht nach dem zweiten Weltkrieg vertrieben wurden, Deutsche? Und wie viel haben etwa die Bayern, die eher eine kulturelle Nähe zu Österreich haben, mit den Norddeutschen tatsächlich gemein?

Und wie sieht es mit den vielen Zugewanderten aus, etwa die Nachfahren der Gastarbeiter aus der Türkei und Italien? Wie mit den Jugoslawen und russischen Spätaussiedlern? Gehören die zum deutschen Volk? Ist damit der Döner bereits Teil des deutschen Kulturgutes? Und die Pizza? Natürlich könnte man diese Frage einfach beantworten, wie es das deutsche Recht tut, und sagen: Jeder, der einen deutschen Pass hat, ist deutscher. Und dann muss auch jeder mit deutschem Pass Nationalstolz empfinden. Damit zwänge man aber auch jedem eingebürgerten Deutschen einen Nationalstolz auf, den er vielleicht gar nicht nachvollziehen kann, und zwängt ihn in das enge Korsett einer deutschen Identifikation.

Wobei sich hier die Frage anschließt, was das eigentlich sein soll, diese deutsche Identifikation? Was genau ist es, das Deutschland ausmacht? Hier berufen sich dann viele auf die „deutsche Kultur“. Doch wiederum stellt sich die Frage: Was soll das sein, die deutsche Kultur? Schlagwortartig wird dann der große Nationaldichter Goethe herangezogen. Goethe sei Inbegriff der deutschen Kultur. Mal abgesehen von der Frage, ob denn jeder, der sich solchermaßen auf Goethe bezieht, dessen Werke auch gelesen, und dann auch verstanden hat, ist das nicht nur ein reichlich dünner Inhalt einer Kultur. Es ist auch ein falsches Verständnis dessen, was eine Kultur ausmacht. Denn die Kultur besteht nicht aus den Kunstwerken und der Dichtung, auch, wenn sie von diesen durchaus beeinflusst werden kann. Kultur ist etwas viel tiefer liegendes, sozusagen der Humus, aus dem diese Kunst erwächst. Damit ist Goethe nicht die deutsche Kultur, sondern geht aus dieser hervor, übte aber einen für sie prägenden Einfluss auf sie aus.

Allerdings stellt sich auch die Frage, wie viel von dem, über das Goethe schrieb – und er sei hier nur stellvertretend für alle anderen deutschen Künstler genannt – für unsere heutige Zeit überhaupt noch aktuell ist. Der Grund dafür, dass die Dichtung und Kunst heute nicht mehr wirklich verstanden wird und ihre Interpretation immer wieder in der Schule und an Universitäten vermittelt werden muss ist der, dass die gesellschaftlichen Umstände, in denen die Werke entstanden sind, heute kaum noch so vorzufinden sind. Natürlich ist es auch das Wesen der Kunst, universelle Wahrheiten zu vermitteln, doch deren Ausdrucksform in der Kultur wandelt sich im Laufe der Zeit stark.

Und das führt zu der Frage, ob wir überhaupt noch so etwas wie eine deutsche Kultur haben. Oder sind wir nicht vielmehr vollkommen amerikanisiert? Denn Deutschland konsumiert nicht nur hauptsächlich US-amerikanische Filme, Musik und Literatur, sondern macht sich auch die darin vermittelte, US-amerikanische Mentalität zu eigen. Rigoroses Erfolgsstreben, Ökonomismus, der das Wohlergehen der Wirtschaft und des BIP in den Vordergrund rückt, schneller, oberflächlicher Erfolg und ein Machbarkeitswahn in einem ewigen Fortschrittsdenken sind heute vorherrschend. Das alles mündet in einer vollkommen durchamerikanisierten Leistungsgesellschaft, in der die Menschen mit ausgefahrenen Ellbogen gegeneinander konkurrieren und sich gegenseitig auszustechen versuchen. Überzogen wurde Deutschland mit US-amerikanisch inspirierten Denkschulen, etwa der Frankfurter Schule, dem Neoliberalismus oder den Transatlantikern, die politisch, kulturell und ökonomisch heute ausschlaggebend sind – ob wir wollen oder nicht.

Die Kultur ist zudem eine künstlich hergestellte. Sie wird in den Fabriken, den Film- und Tonstudios produziert, durch eine rigorose Marketingindustrie vermarktet und schließlich konsumiert. Dabei bedient sie lediglich die Anforderungen eines vollumfänglichen Verwertungssystems, das alles zu einer reinen Ware degradiert. Kultur ist heute etwas, das man kaufen kann und sogar muss. Sie wird kapitalisiert und industrialisiert, und die Geschmäcker der Menschen werden durch diese Industrie so geformt, dass sie die passenden „Kulturgüter“ in Massenproduktion herstellen und verkaufen kann. Kultur ist heute die Wiederkehr des ewig Gleichen in immer etwas anderer Verpackung. Sie wird künstlich hergestellt um die Menschen in einem Zustand konstanter Unzufriedenheit zu halten, der den Konsum immer neuer Waren ermöglicht. Ist diese Kultur, die dazu noch mindestens im ganzen sogenannten Westen vorzufinden ist, also eine deutsche Kultur? Was ist vor diesem Hintergrund denn überhaupt noch deutsche Kultur? Und was ist überhaupt noch Kultur, in Abgrenzung zu der ewigen, in Massenproduktion hergestellten Waren- und Contentflut und den damit verbundenen, von dieser erzeugten Wertvorstellungen und Glaubenssystemen? Die wenigen Volksfeste, die man noch als Ausdruck deutscher Kultur betrachten könnte – Karneval oder Oktoberfest – sind kaum mehr als inszenierte, ihrer ehemaligen Bedeutung vollkommen beraubte Anlässe für Saufgelage – die maximal noch touristisch in Szene gesetzt und daher heutzutage mehr von Touristen als von Einheimischen frequentiert werden.

Man kann über diesen Mangel an echter Kultur hinwegsehen und sich auch schlicht auf Deutschland in seinen heutigen Grenzen berufen. Darauf, was dieses Land leistet, könne und solle man stolz sein, wird gefordert. Doch was genau ist es, worauf man hier stolz sein soll? Auf eine politische Kaste, der das Volk egal ist, die sich nur selbst bereichert, dabei die Interessen der Auftraggeber in der US-amerikanischen Finanzindustrie und den Konzernen vertritt, Deutschland dabei vollkommen zerstört, in eine totalitäre Diktatur verwandelt hat und dieses Land in einen neuen, großen Krieg führt? Wohl eher nicht.

Doch sehen wir einmal von der politischen Klasse ab, die man ja nie mit dem Land oder dem Volk an sich identifizieren sollte – ein Fehler, den die Deutschen aber gerne zu begehen pflegen – worauf kann man stolz sein? Auf seine Mitmenschen, die sich durch chronisches Misstrauen, Missbilligung, Neid und oftmals offene Feindschaft auszeichnen? Auf die Blockwartmentalität der deutschen Überheblichkeit, die alle andere – ob nun die Griechen oder Chinesen in ihrer Gesamtheit, oder einfach nur die nächsten Mitmenschen stets zu belehren und zu missionieren sucht? Sollte man darauf stolz sein?

Oftmals wird auf die deutsche Industrie und ihren Erfindungsreichtum verwiesen. Doch was ist die Industrie anderes, als das Werkzeug des Kapitals zur Umverteilung? Die einfachen Arbeiter am Band unterworfen und ausgebeutet profitieren immer weniger – und haben es historisch eher in Ausnahmezeiten getan – während sich die Eigentümer eine goldene Nase verdienen. Die Industrie ist zudem ein wesentlicher Treiber nicht irgend eines Fortschrittes, sondern der Zerstörung von Natur, Kultur und Mensch. Die Ressourcen des Planeten ausbeutend, zu in der Regel sinnlosen Waren verarbeitend, und damit Abfälle, giftige Abwässer und Abgase produzierend, zerstört die Industrie letztlich auch die Seele der Menschen, die ihr ausgeliefert sind. Sie entfremdet mit ihrem unnatürlichen Takt von der Natur, zwingt den Menschen zur Anpassung und Unterwerfung und etabliert ein System, das als einzigen Akt der Freiheit die Wahl der eigenen Unterwerfung, sprich des Arbeitsplatzes, kennt. Das ganze menschliche Dasein wird reduziert auf die Eingliederung in die Gesamtmaschinerie und die eigene Tätigkeit in dieser. Der Mensch wird dadurch nichts anderes, als ein Teil der großen Maschine, welche die gesamte Gesellschaft vereinnahmt hat.

Das gilt übrigens auch für die klischeehafte, deutsche Verwaltung, die nichts anderes ist als eine bürokratische Maschinerie mit maschinellen Abläufen und Prozessen. Auch hier wird der Einzelne, ob Beamter oder Antragsteller, Teil dieser Maschine, und damit Opfer ihrer Logik. Die deutsche Industrie, die sich so viele Menschen als identitätsstiftendes Merkmal der angeblich deutschen Kultur ausgesucht haben, ist damit ein reines Zerstörungswerk und taugt nicht zur Grundlage einer deutschen Kultur und schon gar nicht zum Stolz. Die Industrie ist zudem keine originär deutsche Erscheinung  sie wurde nicht einmal in Deutschland erfunden. Hierzulande befindet sie sich zudem heutzutage im Niedergang, und wird zukünftig wegfallen müssen – ist damit als Konstante der deutschen Identität wenig verlässlich.

Worauf also kann man in Deutschland stolz sein? Womit sich identifizieren? Mit dem sagenumwobenen deutschen Wald, der längst schon den landwirtschaftlichen Monokulturen, Fabriken und Großstädten weichen musste, und heute kaum mehr 30 Prozent der Landesfläche ausmacht, von dem noch dazu ein guter Teil eher Nutzplantagen sind, als echter Wald? Auf die Autobahnen und Straßen, die dieses Land zersägen wie ein Zauberdarsteller seine Assistentin auf der Bühne? Autobahnen noch dazu, die mit dem Makel des Nationalsozialismus versehen sind? Auf das deutsche Auto, also einer todbringenden Höllenmaschine, die hauptsächlich Lärm und Abgase erzeugt, vor denen es in der modernen Welt gar kein Entkommen gibt?

Oder ist es der deutsche Intellekt, der in den vergangenen Jahren bewiesen hat, wie leicht er steuerbar und für faschistische Bewegungen instrumentalisierbar ist, und damit eher Ausdruck einer kollektiven Dummheit, geradezu Idiotie darstellt? Oder vielleicht die deutsche Geschichte, die Beweis für die Kontinuität dieser Idiotie über Jahrhunderte hinweg ist? Die vielen Kriege, die in Deutschland und mit deutscher Beteiligung geführt wurden? Nicht einmal mehr auf die Architektur kann man wirklich stolz sein. Alle historischen Überbleibsel sind längst zu Kitsch verkommen und zu einer Art Disneyland Deutschlands degradiert, das für den Tourismus noch stehen gelassen wird. Überall, wo diese Artefakte ohnehin nicht mehr existieren, dominieren Plattenbauten – ob sozialistisch oder kapitalistisch ist dabei vollkommen egal - Wohnbunker also, die abweisend, grau, monoton und lieblos in die Landschaft gekotzt, und dabei an gigantische Straßenzüge angeschlossen werden. Ansonsten dominieren die kalten, abweisenden Glasfassaden der internationalen Konzerne und Banken.

Es gibt auch kaum noch traditionelle deutsche Küche. Denn das, was dafür gehalten wird, ist eher ein Produkt der Nachkriegszeit, das mit viel Sahne, Mehl und anderen Füllstoffen darauf ausgelegt war, möglichst satt zu machen. Es gibt einen Grund, warum der Deutsche am liebsten zum Italiener oder Inder geht: Niemand weiß so wirklich, was deutsche Küche sein soll, und das, was man dafür hält, ist in der Regel wenig verlockend. Daher dominieren kulinarische Vorstellungen anderer Kulturen bis hin zum amerikanisierten Fertigfraß aus der Dose oder Tüte.

Die Forderung nach einer deutschen Identität scheitert daher an den realen Gegebenheiten. Sie ist kaum mehr als eine hohle Floskel ohne echten Inhalt. Das könnte der Grund für die weit verbreitete, deutsche Identitätskrise sein. Denn diese bestimmt die Diskussion auf allen Seiten. Die einen können sich nicht auf Deutschland beziehen weil sie in Verwirrung darüber sind, was dieses Deutschland denn eigentlich sein soll, und verbinden es daher reflexhaft mit dem Nationalsozialismus, mit dem sie sich aber verständlicherweise gar nicht identifizieren wollen. Aus dieser falschen Vorstellung heraus lehnen sie jede Identifikation und jeden Nationalstolz ab. Die anderen wiederum wollen sich gerne mit diesem Deutschland identifizieren, auch, um eine kulturelle Heimat zu finden und damit Wurzeln für die eigene Persönlichkeit, doch ihre Definition von Deutschland bleibt in der Regel vage und eindimensional. Sie liefert keine echte Grundlage für eine Identifikation mit diesem Land und Volk, die beide kaum wirklich definiert sind.

Dabei ist die Frage der deutschen Identität durchaus wichtig. Denn so lange die Frage der deutschen Identität ungeklärt ist, gärt sie in den Tiefen der hiesigen Bevölkerung und explodiert immer wieder in Konflikten – etwa bei der Auseinandersetzung mit politischen Gegnern. Die Unklarheit führt nicht nur zu Orientierungslosigkeit, die sich etwa dadurch ausdrückt, dass massenweise Menschen aus allen Ländern zwanghaft hierher gebracht werden – sozusagen als umgekehrte Deportationen, die man auf diese Weise wiedergutzumachen meint – oder Deutschland überall in der Welt die Probleme der anderen zu lösen versucht – durch aufgezwungene Hilfe oder oberlehrerhafte Belehrungen – im eigenen Land aber der Berg der Probleme immer höher wächst.

Die mangelnde Identifikation mit dem eigenen Land vertieft auch die innere Spaltung in der Gesellschaft. Denn dadurch, dass der gemeinsame Bezugspunkt fehlt – nämlich den zur eigenen Heimat – gerät das Wohlergehen des Deutschen aus dem Fokus. Denn man identifiziert sich gar nicht mit seinesgleichen, also mit seinen Nachbarn, mit den Menschen in den Elendsvierteln Deutschlands, mit den Arbeitslosen oder den eher besser betuchten. Sie werden nicht zusammengehalten durch eine gemeinsame Identität, eine gemeinsame Verwurzelung in derselben Kultur, sondern in einen hemmungslosen Kampf aller gegen alle geworfen. Für die Reichen sind die anderen Menschen dadurch lediglich eine ausbeutbare Ressource, die zur Not mit Zwang in das Verwertungssystem hineingepresst werden muss – hier lässt auch die Sozialpolitik von Union und AfD grüßen, weshalb auch die AfD diese deutsche Identität nur zum Schein vertritt -, für diejenigen, denen an einer Identifikation mit Deutschland überhaupt nicht gelegen ist wiederum wird jeder zum Feind, der ökonomisch besser steht, oder andere Ansichten vertritt, und muss daher mit allen Mitteln bekämpft werden.

Es geht der Respekt vor dem Mitmenschen verloren, das Anerkenntnis, es mit gleichwertigen – wenn auch nicht gleichen – Menschen zu tun zu haben. Daraus geht ein Unverständnis für den Mitmenschen hervor und eine grundsätzliches Interesse an seinem Wohl. Letztlich geht dadurch die Menschlichkeit an sich verloren – und das wiederum ermöglicht totalitäre Ideologien und diktatorische Systeme, die andere Menschen nur in die Kategorien „Freund“ und „Feind“ einzuordnen in der Lage sind, und sie wahlweise zu eigenen, ideologischen Zwecken instrumentalisiert – was übrigens auch der kapitalistische Industrialismus tut – oder abgeschoben, ausgewiesen, deportiert oder gar vernichtet. Und wenn die Deutschen schon in ihrem eigenen Land unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung so entfremdet agieren, wie können sie es dann gegenüber anderen Ländern nicht tun, wie das diejenigen so fanatisch ablehnen, die mit Deutschland gerade nichts anfangen können? Interessanterweise wird also im Bestreben, sich vom gefühlten Ballast der deutschen Geschichte durch die Abkoppelung von allem Deutschen befreien zu wollen, die Grundlage für Entmenschlichung weltweit gelegt.

Fehlt die Identifikation mit dem Deutschen, dann wird auch die deutsche Kultur – was auch immer sie nun jetzt genau sei – zu etwas, das wahlweise erzwungen werden, oder abgeschafft werden muss. Denn während die einen eine ideologische Vorstellung von der deutschen Kultur mit sich herum tragen, und diese gerne allen anderen aufzwingen würden, haben die anderen eine ebenso ideologische Vorstellung, deren Verwirklichung sie aller Orten verhindern, und jede Ausprägung dessen vernichten wollen. Und das wiederum führt zu innergesellschaftlichen Auseinandersetzungen bis hin zu offenen Feindschaften – die sich immer stärker ausprägen und vehementer ausdrücken.

Diese deutsche Identitätskrise, die keine echte deutsche Identität und deutsche Kultur mehr kennt, ist letztlich auch der Grund für das Versagen aller politischen, juristischen und gesellschaftlichen Strukturen. Denn wenn es kein Fundament gibt, welches das Haus der Institutionen, der Gesellschaft trägt, dann gerät dieses Haus früher oder später in Schieflage und muss irgendwann in sich zusammenbrechen. Politiker, Juristen, Verwaltungsbeamte und zivilgesellschaftliche Organisationen werden sich aus persönlicher Neigung heraus der ein oder anderen Auffassung von der Bedeutung der deutschen Identität anschließen, und begeben sich damit in die gesellschaftlichen Schützengräben – aus denen auch die Ideologien hervorgehen, denen sie dann folgen. Von dem Augenblick an sind die Institutionen korrumpiert und die Gesellschaft ist gespalten und damit zerstört.

Damit ist die Frage der deutschen Identität keine reine Nebenbeschäftigung. Es ist eine tatsächlich dringend zu lösende Identitätskrise, die über Erfolg und Misserfolg der gesellschaftlichen Projekte, also des Zusammenlebens und sich Organisierens, entscheidet. Erst auf der Grundlage einer gefestigten Identität kann überhaupt die Frage nach Organisation angegangen, und damit langfristig Fremdherrschaft abgeschafft und die Selbstbestimmung der Menschen etabliert werden – was dann erstmalig eine echte Demokratie darstellen würde. Die Lösung dieser Identitätskrise ist für das gesamte politische Spektrum von Relevanz, ob sich die Akteure und Aktivisten dessen bewusst sind, oder nicht. Sie zu lösen erfordert, die Fremdeinflüsse zu identifizieren und zu diskutieren – sie müssen damit nicht notwendigerweise abgeschafft werden. Es erfordert aber auch einen offenen Austausch über alle gesellschaftlichen Schichten und das gesamte politische Spektrum hinweg – ein Austausch, der gar nicht mehr stattfindet. Diesen Austausch zu unterbinden ist eine Herrschaftsstrategie, die gerade die Herausbildung einer deutschen Identität und eines gemeinsamen Geistes innerhalb der Gesellschaft verhindern soll. Denn nur so bleiben die Menschen steuer- und regierbar, und damit in fremden Interesse einsetzbar.

Die Lösung der deutschen Identitätskrise wäre also auch ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Selbstbestimmung und der Abschüttelung der Fremdherrschaft, die in der deutschen Regierung schon seit Jahrzehnten ihren Ausdruck findet, die zwar formell von deutschen besetzt ist, die aber allesamt in US-amerikanischen Think-Tanks, Stiftungen und Konzernen indoktriniert wurden, und damit deren Interessen umsetzen.

Es bleibt uns also kaum etwas anderes übrig, als diese Identitätskrise zu lösen, wollen wir diese Welt ein Stück besser machen und an echter Freiheit interessiert sein. Dabei ist nur wichtig, dass nicht wieder eine bestimmter Auffassung von Deutschland zur Ideologie erhoben, und als Allheilmittel allen aufgezwungen wird. Es ist der offene Austausch, der erforderlich ist. Und dieser ist derzeit weiter entfernt, als wahrscheinlich jemals in der Bundesrepublik.

Anmerkungen

Felix Feistel, Jahrgang 1992, studierte Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Völker- und Europarecht. Schon während seines Studiums war er als Journalist tätig; seit seinem Staatsexamen arbeitet er hauptberuflich als freier Journalist und Autor. So schreibt er für manova.news, apolut.net, die freie Medienakademie sowie auf seinem eigenen Telegram-Kanal. Eine Ausbildung zum Traumatherapeuten nach der Identitätsorientierten Psychotraumatheorie und -therapie (IoPT), erweiterte sein Verständnis von den Hintergründen der Geschehnisse auf der Welt.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bild: Die Flagge der Bundesrepublik Deutschland windet sich vor dem deutschen Bundesrepublik Deutschland und vor dem deutschen Bundesrepublik Deutschland, Sitz des deutschen Bundestages, Berlin

Bildquelle: AR Pictures / Shutterstock.com


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