
Ein Standpunkt von Norbert Häring.
Die erfolgreiche Einstimmung der Bevölkerung auf Krieg hat eine gemeinsame Basis mit der breiten Akzeptanz der Corona- und Klima-Maßnahmen und der Verlotterung der parlamentarischen Sitten: unsere Bereitschaft, Politik als Kampf gegen einen Feind, gegen das Böse, zu verstehen – egal ob der Feind Covid, CO2, AfD, Putin oder Habeck heißt.
Die Corona-Maßnahmen sollten ein Gesundheitsproblem „bekämpfen“. Der Umgang mit dem Problem war von Anfang an geradezu militant eindimensional. Der Feind war ein Virus. Er wurde in seiner Gefährlichkeit und Bösartigkeit so weit überhöht, dass kein Mittel zu radikal, kein Opfer zu groß erschien, wenn es helfen konnte, den Feind zu eliminieren. Wer auf weitere Ursachen des Problems hinwies, wie Mängel des Gesundheitssystems und geschwächte Abwehrkräfte, und Maßnahmen vorschlug, die auf die Behebung dieser Ursachen abzielten, wurde fast ebenso entschlossen bekämpft wie das Virus. Dass man einen Atemwegsvirus nach aller bisheriger Erfahrung gar nicht eliminieren kann, spielte keine Rolle. Auch diesen Gedanken zu äußern, grenzte an Gotteslästerung.
Die Klima-Maßnahmen, von der drastischen Verteuerung der Energie für Haushalte, Industrie und Handwerk, über Förderung der Elektromobilität und Verbrennerverbot bis zum Verbot, eine neue Gasheizung einzubauen, richten sich gegen den Bösewicht Kohlendioxid. Auch hier ist der Umgang mit dem Problem militant eindimensional. Wer am Dogma zweifelt, dass allein das CO2 an der Klimaerwärmung schuld ist, wird als „Klimaleugner“ mitbekämpft. Auch hier wird die Gefährlichkeit des Feindes so stark dramatisiert, dass radikalste Maßnahmen und größte Opfer gerechtfertigt werden können. Dem drohenden Untergang der menschlichen Rasse steht – im Fall eines erfolgreichen Kampfes – die Verheißung gegenüber, dass wir das Klima unter Kontrolle gebracht haben werden.
Dass der Mensch offenkundig mindestens in den nächsten 100 Jahren nicht in der Lage sein wird, das Weltklima zu kontrollieren, spielt keine Rolle. Auch dass in der Vergangenheit CO2 offenkundig nicht der alleinige Treiber von massiven Klimaveränderungen war, darf keine Rolle spielen. Wer darauf hinweist, dass die vordergründig CO2-vermindernden Maßnahmen in einem auf MEHR geeichten, hyperglobalisiert-kapitalistischen Wirtschaftssystem nicht zum gewünschten Erfolg führen können, wenn sich am System nichts ändert, dem hilft selbst ein fester Glaube an das Klimanarrativ nicht. Er wird ignoriert oder bekämpft.
Auch der „Kampf“ gegen „Rechts“ speist sich aus dem Bedürfnis nach einem als extern gedachten Feind, den man mit Mitteln des Kampfes besiegen kann. So böse ist der Feind und so schlimm wäre eine Niederlage, dass fast jedes Mittel recht ist, um ihn zu besiegen und das Problem damit vermeintlich zu beseitigen. Da werden Wahlen annulliert und aussichtsreiche Kandidaten juristisch verfolgt, um ihnen die Möglichkeit der Kandidatur zu entziehen. Althergebrachte parlamentarische Gepflogenheiten werden missachtet oder zielgerichtet geändert, damit der Feind nicht normal am parlamentarischen Betrieb teilhaben kann und dabei vielleicht seinen bedrohlichen Charakter verlieren könnte.
Das Böse kommt von außen
Keine Rolle spielen darf dabei, dass der politische Gegner offenkundig kein außenstehender Feind ist, der mit einem Kampf bis aufs Messer beseitigt werden kann. Die AfD ist in Deutschland auf dem Weg zur Partei mit dem größten Rückhalt unter den Wählern. Ganz offenkundig würden die Probleme, die hierzu geführt haben, nicht weggehen, wenn man die AfD verbieten würde oder sonstwie von der Erdoberfläche schubsen könnte. Hätte der juristische Feldzug gegen Donald Trump diesen als Präsident verhindert, hätte dies nichts daran geändert, dass eine Mehrheit der US-Amerikaner so enttäuscht von der bisherigen Politik ist, dass sie sich einen wie Donald Trump wünscht. Gleiches gilt für die Franzosen, wenn Marine Le Pen mit juristischen Mitteln an einer Präsidentschaftskandidatur gehindert werden sollte.
Donald Trump beweist seit seiner Machtübernahme sehr nachdrücklich, dass unterkomplexes Denken in Freund und Feind, Gut und Böse, zur Rechtfertigung radikaler Maßnahmen keinesfalls nur eine Schwäche der Linken ist. Man muss durchaus Ähnliches auch in Deutschland befürchten, wenn die AfD an die Macht kommen sollte.
Wladimir Putin und Russland eignen sich nur vordergründig besser als externer Feind, den man bekämpfen kann. Selbst wenn Putin gewaltsam beseitigt würde, so wie der libysche Präsident Muammar al-Gaddafi oder der irakische Präsident Saddam Hussein: Russland und die Russen kann man ebensowenig von der Erdoberfläche schubsen wie Libyen und die Libyer oder Irak und die Iraker. Die Welt ist durch die Siege der vermeintlich Guten über die vermeintlichen Teufel Gaddafi und Hussein nicht wie verheißen zu einem besseren Ort geworden, sondern für viele Millionen Menschen zu einem viel schlechteren. Das betrifft auch uns vermeintliche Sieger in diesem Kampf gegen das Böse, die wir nun mit Millionen Flüchtlingen zu tun haben, die aus Irak und Syrien oder über Libyen zu uns gekommen sind.
Dass die Erzählung von der akuten Bedrohung des Westens durch Russland, gegen die wir uns durch massive Aufrüstung und gesamtgesellschaftliche Kriegsbereitschaft verteidigen müssen, eine Mär ist, sollte jedem offensichtlich sein, der die Militärausgaben von Russland und der NATO oder auch nur der EU vergleicht und sich die Geschichten vergegenwärtigt, die uns über die strategischen Schwächen und den Mangel an Soldaten und Material der Russen im Krieg gegen die Ukraine erzählt wurden. Wollen wir wirklich glauben, dass ein Land, das in jahrelangem, verlustreichem Krieg nur mit Ach und Krach ein viel kleineres Nachbarland niederringen kann, darauf brennt und sich darauf vorbereitet, einen viel größeren, in fast jeder Hinsicht überlegenen Militärblock anzugreifen?
Aber wie bei Corona, beim CO2 und bei der AfD verfängt die Erzählung vom brandgefährlichen externen Feind, der mit allen Mitteln zu besiegen ist, damit alles wieder gut wird. Zu groß ist unsere Bereitschaft, Politik als Vernichtungskampf gegen externe Feinde aufzufassen, statt als kooperativ-kompetitives Spiel, bei dem das Ziel nicht sein kann, den Gegner zu vernichten, sondern vorläufige Siege zu erringen, die die Welt und die eigene Lage nach eigenem Dafürhalten besser machen. Die falsche Verheißung, dass das Spiel zu Ende sei, wenn ein Virus besiegt, ein CO2-Ziel erreicht oder eine bestimmte Partei oder ein bestimmter Politiker unschädlich gemacht ist, hat in einer solchen, viel realistischeren Sichtweise keinen Platz. Dasselbe gilt in der Geopolitik. Zu viele Bösewichte und Teufel sind schon ausgerufen und vernichtet worden, zu viele feindliche Länder besiegt worden, nur um von den nächsten Bösewichten, den nächsten feindlichen Ländern oder einfach nur Gesetzlosigkeit und Chaos abgelöst zu werden.
Die Instrumentalisierung der Angst
Die Angst vor externen Feinden ist durchaus rational. Die Menschheitsgeschichte hat uns über Tausende Generationen beigebracht, den Angehörigen der eigenen Sippe zu trauen und Fremden gegenüber misstrauisch zu sein. Denn diese könnten die eigene Sippe überfallen wollen. Sie hat auch den Anführern beigebracht, dass sie diese Furcht für sich instrumentalisieren können, wenn ihnen entweder die Kontrolle zu entgleiten droht oder sie ihre Kontrolle über die Gemeinschaft auf eine höhere Stufe heben wollen. Dann genügt es, dem Volk eine äußere Bedrohung einzureden oder einen Missstand Bösewichten zuzuschreiben, und schon versammelt es sich hinter den Anführern. Kritiker werden dann zu Vaterlandsverrätern, die mit zu bekämpfen sind, wenn das Böse nicht siegen soll.
In den Hintergrund treten dagegen die Sorgen und Ängste der Menschen, um die sich die Regierenden entweder nicht kümmern wollen, oder nicht können. Die alle zwei Jahre durchgeführte IPSOS-Umfrage „What worries the world?“ zeigt, wie das funktioniert. 2021 verdrängte die Angst vor dem Coronavirus weltweit die Sorgen über Arbeitslosigkeit, Armut und Ungleichheit, Korruption und Kriminalität auf die Plätze. In Deutschland gelang das allerdings nicht ganz. Dort behauptete Armut und Ungleichheit 2021 noch knapp vor Corona und der Klimaangst den ersten Platz der Sorgen.
2023 war keine gute Zeit, was Ablenkung durch Angst vor einem externen Bösewicht angeht. Weltweit und in Deutschland war 2023 die Coronaangst weitgehend verschwunden. Die Klimaangst hatte in allen entwickelten Nationen ihren Gipfel überschritten. Selbst in Deutschland, wo die Angst noch am stärksten war, reichte es nicht, um Inflation und Armut und Ungleichheit von den Plätzen eins und zwei der Sorgen der Bevölkerung zu verdrängen. Aber immerhin wurde die wachsende Angst vor der steigenden Kriminalität auf Rang vier verdrängt. Die Angst vor Krieg schaffte es damals noch nicht auf die vorderen Plätze. Wenn die Umfrage für 2025 veröffentlicht wird, dürfte sich zeigen, dass die Kriegsangst mit Armut und Ungleichheit um den ersten Platz konkurriert.
Wie sehr die Erzeugung von Angst vor externen Bösewichten propgandistisch herbeigeführt wird, zeigt sich daran, dass das Ausmaß der Klimaangst umgekehrt proportional zum regionalen Klima ist. 2023 machten sich in den sehr warmen Ländern Indien, Kolumbien und Brasilien weniger als zehn Prozent der Menschen Sorgen um die Erderwärmung, in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden dagegen ein drei mal so hoher Anteil einer Bevölkerung, die im Urlaub massenhaft vor dem heimischen kühlen Klima in den Süden flieht.
Es fällt auf, dass in allen hier aufgezählten Fällen, Corona, CO2, Kampf gegen Rechts und gegen Putin, Maßnahmen durchgesetzt wurden oder diskutiert werden, die die Kontrolle der Regierenden über das Tun und Lassen der Bevölkerung massiv steigern und proportional dazu die Freiheitsrechte einschränken. Lockdowns, Ausgangssperren und Impfpflicht, CO2-Budgetierung, Heizungsgesetz und öffentliche Lebensstilbewertung, Meinungskontrolle, Zensur und Hausdurchsuchungen, „Freiheitsdienst“ oder Wehrpflicht, und natürlich in jedem Fall sehr viel Steuergeld für den Kampf gegen das jeweilige Böse, das die Bürger berappen sollen.
Damit das so gut funktioniert wie wir das beim Kampf gegen Corona, CO2, die AfD und Russland gesehen haben und noch sehen, braucht es eine eingeübte Neigung der Menschen, die Welt in Gut und Böse einzuteilen. Die christliche Religion – und nicht nur diese – befördert das seit 2.000 Jahren in hervorragender Weise. Heutzutage wirksamer ist wahrscheinlich die unablässige Berieselung mit den Erzeugnissen aus Hollywood. Zu deren hervorstechenden Merkmalen gehört der bedrohliche Bösewicht, der von den Guten erst heldenhaft bekämpft und am Ende besiegt wird. Und danach ist das Böse weg und alles ist gut. Bei den Unmengen von Krimis aus europäischer Produktion, die unsere Fernsehabende daneben noch füllen, ist das Prinzip dasselbe, nur dass das Bedrohungsgefühl weniger intensiv ist, weil die Untat meistens schon geschehen ist. Der Bösewicht muss nur noch gefunden und neutralisiert werden.
Die Lehre für den Widerstand
Eine Problemdiagnose, die unsere Neigung zur Einteilung der Welt in Gut und Böse als das Grundproblem sieht, zusammen mit der Illusion, durch einen Sieg gegen das Böse die Welt besser machen zu können, führt zu einem Therapievorschlag, der für viele ungewohnt ist und naiv erscheinen mag. Die Maxime lautet: Wer für eine bessere Welt kämpft, indem er jemand oder etwas bekämpft, der hat den Kampf schon verloren. Wer das Feindbild AfD durch das Feindbild Grüne ersetzt, und diese bekämpft, wird die Welt kein bisschen besser machen. Wenn ein zuvor bekämpfter Trump an die Macht kommt und in den Krieg gegen die Woken und die Minderheiten zieht, die ihn vorher bekämpft haben, wird die Welt nicht besser. Wenn er aufhört Russland zu bekämpfen, um sich besser dem Kampf gegen China zuwenden zu können, auch nicht.
Das heißt nicht, dass man nicht kämpfen und sich nicht wehren sollte. Zur Selbstverteidigung, wenn man tatsächlich bedroht und angegriffen wird, sei es von einem externen Feind, sei es von einem übergriffigen Staat, sollte man sich durchaus wehren. Aber nicht um seinerseits ein paar Bösewichte zu bekämpfen und besiegen zu wollen, damit dadurch die Welt besser werde, heißen sie nun Habeck oder Weidel, Merz oder Wagenknecht, Trump, Macron oder Orban. Auch der Kampf gegen diejenigen, die vermeintlich im Hintergrund die Fäden ziehen, ist müßig. Jeder einzelne von diesen ist ein entbehrlicher Diener eines in langer Reifezeit gewachsenen und etablierten Systems, das die Ergebnisse hervorbringt, gegen die wir aufbegehren wollen. Es ist ein System, das von der Mehrheit unserer Mitbürger zwar vielleicht für mangelhaft, aber doch für das beste realistisch erreichbare gehalten wird. Solange das so ist, werden wir mit einem Kampf gegen die Exponenten dieses Systems nichts ausrichten.
Das System ist der Gegner
Wenn wir unseren Kampf gegen Repräsentanten des Systems richten, wenn wir ihnen moralische Verderbtheit und böse Absichten unterstellen, und damit indirekt so tun, als würde es etwas helfen, wenn wir sie besiegen würden, dann spielen wir ein Spiel mit, dessen Regeln darauf abzielen, das System, dem sie dienen, unsichtbar zu machen und aus der Schusslinie zu nehmen.
Der Kampf gegen „Rechts“ erlaubt es den maßgeblichen Organisationen der vorgeblich Linken und der angeblichen Mitte, die schon lange eine Politik betreiben, die nach traditionellen Maßstäben rechts und elitenfreundlich heißen würde, sich als Interessenwahrer des gemeinen Volkes darzustellen. So können sie weiter eine Politik im Sinne der Reichen und Mächtigen betreiben, gegen die es wirksame Kritik nur aus einer schmuddeligen und für die Reichen und Mächtigen eher ungefährlichen Ecke gibt. Es kann zwar sein, dass die Unzufriedenheit des einfachen Volkes so groß wird, dass die Rechten an die Macht kommen. Aber das hat den großen Konzernen noch selten geschadet. In den USA, wo es passiert ist, „drohen“ ihnen nun noch niedrigere Steuern.
Der Kampf gegen Putin treibt die Gewinne des militärisch-industriellen Komplexes, insbesondere der USA, einschließlich der IT-Branche und der Finanzbranche nach oben.
Der Kampf gegen das CO2 passt perfekt in die finanzialisierte Kontrollagenda des Systems. CO2 als Maßstab für alles hat große Ähnlichkeit und ergänzt sich hervorragend mit dem Geld als Maßstab für alles. Damit kann die Finanzbranche gut arbeiten, Geld verdienen und Kontrolle ausüben. Er lenkt ab von den vielen Umweltschäden und -zerstörungen, die das globale Wirtschaftssystem unnötigerweise produziert. Er erlaubt es mit jeder Menge Rechentricks, Erfolge vorzutäuschen, wo keine sind, zum Beispiel indem Elektroautos als emissionsfrei klassifiziert werden und dabei der hochproblematische Ressourcenverbrauch ignoriert wird, den sie mit sich bringen.
So kann ein System mit geringen Änderungen weitergeführt werden, das in jeder Hinsicht auf „immer mehr“ geeicht ist. Die Finanzbranche, die entscheiden darf, wer auf die gesellschaftlichen Ressourcen zugreifen darf, um zu investieren, kann weiter dafür sorgen, dass nur in nennenswertem Maßstab aktiv werden kann, wer „mehr“ verspricht. Eine riesige Werbebranche kann weiter dafür sorgen, dass immer neue, normierte Massenbedürfnisse geweckt werden, die eine globalisierte Industrie in Großserie „befriedigen“ kann.
Ein extremer Patentschutz für diejenigen, die sich gesellschaftliches Wissen durch kleine Hinzufügungen aneignen dürfen, kann weiterhin zusammen mit einem globalen Freihandels- und Finanzsystem dafür sorgen,
- dass die großen (amerikanischen) Konzerne immer größer und mächtiger werden,
- dass sich jede technische oder organisatorische Neuerung, mit der sich Geld verdienen lässt, global durchsetzt, unabhängig davon, was ihre gesellschaftlichen Folgen sind,
- dass sich technische und organisatorische Neuerungen, mit denen die Konzerne kein Geld verdienen, nirgends durchsetzen können, auch wenn sie gut für die Menschen und die Gemeinwesen wären,
- dass die Spaltung der Gesellschaft in Reich und Arm und die Konzentration von Geld und Macht in Großkonzernen immer extremer werden,
- dass der hohe Ressourcenverbrauch durch den extravaganten Lebensstil der Reichen und Superreichen weitergehen kann,
- dass die Pharmabranche mit ihren überteuerten und oft unnützen bis schädlichen Medikamenten und Impfstoffen die Gesundheitssysteme weiter ausbeuten und extrem hohe Gewinne einfahren kann, ohne die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern,
- dass der Kampf der Großmächte und ihrer Großkonzerne um die globale Vorherrschaft und um die knapper werdenden Ressourcen der Welt immer heißer wird.
Von all dem lenkt der Kampf gegen Covid, CO2, die AfD und Putin ab oder befördert es sogar noch. Von all dem lenkt es auch ab, wenn der Kampf gegen diejenigen, die zum Kampf gegen Covid, CO2, die AfD und Putin blasen, zum Selbstzweck wird. Jeder wird eine etwas andere oder ganz andere Sichtweise darauf haben, wie das System funktioniert und welche Aspekte für die großen Fehlentwicklungen verantwortlich sind. Aber jeder sollte sich vor der Illusion hüten, dass die Verderbtheit einzelner Parteien, Organisationen oder Exponenten des Systems verantwortlich für Missstände ist und es daher genügt, diese zu bekämpfen, um die Missstände zu beheben.
Trumps Handelskrieg als Chance
Indem er zum Teil sehr hohe Zölle auf Importe aus dem ganzen Rest der Welt verhängt, legt US-Präsident Donald Trump die Axt an das bisherige hyperglobalisierte System. Noch ist nicht klar, was genau er damit bezweckt, und ob er sich die Zölle bald wegverhandeln lässt. Sollten sie bleiben und zu dauerhaften Gegenmaßnahmen der betroffenen Länder einladen, bietet sich eine Chance, das System so umzugestalten, dass es die Bedürfnisse der Menschen und ihrer lokalen, regionalen und nationalen Gemeinschaften besser befriedigt, anstatt sie zu zwingen, sich an ein System anzupassen, auf das sie keinen Einfluss haben und das ihren Interessen nicht dient.
Wegen dieser möglichen aktuellen Gelegenheit zu echten Veränderungen ist es so wichtig, sich konzentriert Gedanken darüber zu machen, wie man Missstände bei den systemischen Ursachen statt bei den Symptomen angehen könnte. Für mich bestünden zielführende Gegenmaßnahmen darin, das von Trump de facto aufgekündigte Welthandelsabkommen auch de jure aufzukündigen, und mit ihm eine ganze Reihe weiterer Abkommen, insbesondere das Freihandelsabkommen für Dienstleistungen GATS, und die Anerkennung von US-Patenten und Urheberrechten mindestens so lange auszusetzen, wie die Zölle in Kraft sind. Das würde Konzerne wie Microsoft, Apple und Disney extrem viel Geld kosten und gleichzeitig den hiesigen Firmen und Konsumenten nutzen. Die amerikanischen Digitalkonzerne und Plattformen sollten darüber hinaus endlich genötigt werden, in vernünftigem Umfang Steuern zu zahlen und sich an europäisches Datenschutzrecht zu halten. In einem offenen Handelskrieg ist kein Platz mehr für serviles Verhalten gegenüber Rechtsbrüchen des großen Bruders. Der öffentlichen Hand sollte verboten werden, deren Produkte zu nutzen, wenn es brauchbare freie (open source) Alternativen dazu gibt, was meistens der Fall ist. Und natürlich sollten Käufe von amerikanischen Rüstungsgütern auf Ersatzteile und Ähnliches beschränkt werden. Das ist vielleicht nicht realistisch, aber schon die Forderung würde einiges offenlegen.
Das wären Veränderungen auf hoher Ebene, die die nötige Souveränität schaffen würden, um auf nationaler Ebene grundlegendere Reformen des Wirtschaftssystems anzugehen. Auf diese will ich hier nicht näher eingehen, da das den Rahmen sprengen würde. Hier wird auch jeder etwas andere Vorstellungen haben. Worum es mir mit diesem Aufsatz geht, ist die Mahnung an Kritiker der Politik der immer radikaleren Mitte, sich nicht allzusehr durch Scharmützel mit Leuten ohne echte Entscheidungshoheit ablenken zu lassen, und sich von Leuten und Organisationen wie Trump und der AfD vereinnahmen zu lassen, die nur oberflächlich Systemfeinde sind, mit denen sich das System aber in Wahrheit gut arrangieren kann.
Transparenzhinweis: Der Autor ist BSW-Mitglied.
Änderungshinweis: Die Passagen zur IPSOS-Umfrage wurden vom Autor nachträglich eingefügt.
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 9. April 2025 auf norberthaering.de.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: Pixelvario / shutterstock
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