
US-Präsident Trump hat sich innen- und außenpolitisch ehrgeizige Ziele gesetzt und steht quasi in einem Kampf an allen Fronten. Wenn er sich dabei verkalkuliert hat, wird das gefährlich nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt.
Ein Kommentar von Thomas Röper.
Donald Trump hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt, als er wieder ins Weiße Haus eingezogen ist. Außenpolitisch stößt er die Vasallen der USA, die sich selbst als „Verbündete“ der USA bezeichnen, vor den Kopf. Mit der EU gibt es auch Monate nach Trumps Einzug ins Weiße Haus keine hochrangigen Kontakte. In der Ukraine-Frage scheint er sich von der EU und Kiew ab- und Russland zuzuwenden, im Nahen Osten fördert er mit seiner bedingungslosen Unterstützung für Israel den Völkermord an den Palästinensern, der die islamische Welt gegen die USA aufbringen könnte. Und mit seiner Politik gegenüber dem Iran riskiert er einen weiteren Krieg im Nahen Osten.
Mit seinen Zöllen ist er gegen Freund und Feind vorgegangen und droht der ganzen Welt mit einem Wirtschaftskrieg, bei dem es keine Gewinner geben dürfte und der sogar das heute bekannte Finanz- und Wirtschaftssystem sprengen könnte (was möglicherweise sogar Trumps Ziel ist). Vor allem gegen China hat Trump einen Wirtschaftskrieg ausgerufen, wie es ihn in der Geschichte kaum zuvor gegeben hat, wobei keineswegs klar ist, wer dabei die stärkere Konfliktpartei ist.
Innenpolitisch geht Trump gegen das vor, was gemeinhin als „Deep State“ bezeichnet wird und die ersten Monate von Trump im Amt waren von einer Schockstarre seiner Gegner gekennzeichnet, die jedoch langsam wieder zu sich zu kommen scheinen.
Hier soll es nicht um das Richtig oder Falsch von Trumps Politik gehen, auch nicht um die Frage, was Trump damit möglicherweise erreichen will. Ich will in diesem Artikel auf die Gefahr hinweisen, die von Trumps Politik ausgeht – und zwar unabhängig davon, wie man zu Trumps Politik steht.
Dass Trump sich in wirklich allen Themenfeldern gleichzeitig in einen großen Kampf gestürzt hat, zeigt, dass er sich ehrgeizige Ziele gesetzt und es eilig mit ihrer Umsetzung hat. Aber das birgt auch eine große Gefahr, denn de facto hat Trump sich fast die ganze Welt zum Gegner gemacht und innenpolitisch geht er gegen diejenigen vor, die es in den letzten Jahrzehnten gewohnt waren, in den USA die Macht zu haben und hinter den Kulissen die wichtigsten Strippen zu ziehen, unabhängig davon, wer gerade im Weißen Haus sitzen durfte.
Sollte Trumps Plan nicht aufgehen, könnte das für die USA selbst sehr schmerzhaft werden und die ganze Welt ins Chaos stürzen. Darum geht es in einem Artikel, den ich in der South China Morning Post gefunden und den ich übersetzt habe.
BEGINN DER ÜBERSETZUNG:
Trumps Unberechenbarkeit und ein gespaltenes Amerika ergeben eine gefährliche Mischung
Während Trump die Spannungen im Welthandel mit China und dem Globalen Süden unberechenbar eskalieren lässt, trägt sein innenpolitisches Verhalten ebenfalls zur geopolitischen Unsicherheit bei.
von Peter T. C. Chang – South China Morning Post (1)
Im April verklagte die Harvard University die Administration von Donald Trump wegen der Drohung, Forschungsgelder einzufrieren. Während sich die Columbia University den Forderungen aus dem Weißen Haus beugte, wehrt sich Harvard mit einer trotzigen Haltung in der Verteidigung der akademischen Freiheit.
Trumps Angriffe auf die Eliteuniversitäten der USA – darunter die Bestrebungen, Programme für Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion abzubauen – wurden als illegal und willkürlich kritisiert, insbesondere angesichts ihres unverhältnismäßigen Fokus auf diese Institutionen. Diese Angriffe werden durch ein Gefühl von Chaos noch verstärkt: Das an Harvard gerichtete Mahnschreiben wurde Berichten zufolge ohne ordnungsgemäße Genehmigung verfasst.
Eine ähnliche Planlosigkeit kennzeichnet Trumps Handelskrieg mit dem Rest der Welt. Er verhängte seine als „Tag der Befreiung“ bezeichneten Zölle ohne klare Begründung und setzte sie später teilweise wieder aus. Die nun aufgeschobenen Zölle wurden – zusätzlich zu einer Basiserhöhung von 10 Prozent, die weiterhin in Kraft ist – willkürlich sowohl Rivalen als auch Verbündeten auferlegt. Selbst Inseln, die hauptsächlich von Pinguinen bevölkert sind, blieben von Zöllen nicht verschont.
Trumps Wirtschaftskrieg wird zudem durch einen herablassenden Ton aus Washington angeheizt. US-Handelsminister Howard Lutnick stellte die Frage, warum Volkswirtschaften wie Südkorea und Taiwan in der Produktion von Haushaltsgeräten und Halbleitern – Branchen, die seiner Meinung nach zurück in die USA geholt werden sollten – führend sein sollten.
Unterdessen erklärte US-Vizepräsident J.D. Vance kürzlich, die Globalisierung sei dazu gedacht, dass wohlhabende Nationen in der Wertschöpfungskette weiter nach oben klettern können, während sich ärmere Länder auf einfachere Dinge konzentrieren sollten. Diese Sichtweise verstärkt zunehmend den Eindruck, dass die USA versuchen, ehemals kolonisierte Nationen des Globalen Südens am unteren Ende dieser Wertschöpfungskette festzunageln.
Während sich viele Länder Berichten zufolge für Verhandlungen entschieden haben, reagierte China mit dem Versprechen, „den Kampf bis zum Ende zu führen“. Peking antwortete auf die seit Februar verhängten Zölle mit gezielten Gegenmaßnahmen – unter anderem mit Abgaben auf US-Agrarprodukte, einem mutmaßlichen Stopp bei Bestellungen für Boeing-Flugzeuge und der Einschränkung des Exports Seltener Erden.
Vance kritisierte China mit den Worten: „Wir leihen uns Geld von chinesischen Bauern, um die Produkte zu kaufen, die diese chinesischen Bauern herstellen.“ Ironischerweise wurde der Markt für US-Anleihen in derselben Woche von der Befürchtung erschüttert, China könnte mit dem Verkauf von US-Staatsanleihen beginnen.
Die von Washington verhängten Zölle lösten an den Märkten Schockwellen aus und veranlassten Trump, diese – mit Ausnahme von China – für 90 Tage auszusetzen. Kürzlich räumte sogar die US-Regierung ein, dass ein Handelskrieg unhaltbar sei und die Spannungen deeskaliert werden müssten.
Trumps Zollkrieg entfaltet sich vor dem Hintergrund einer umfassenderen Neuordnung der globalen Wirtschaftslandschaft. Die Ausweitung des BRICS-Bündnisses spiegelt diesen Wandel wider und unterstreicht das Streben des Globalen Südens nach einer gerechteren Wirtschaftsordnung sowie seine Entschlossenheit, aus dem Schatten des Globalen Nordens herauszutreten.
Trump ist jedoch entschlossen, jede von China angeführte Neuausrichtung zu stören, wie die Unterstützung von US-Finanzminister Scott Bessent für die sogenannte „große Strategie der Einkreisung“ gegen China zeigt. Während andere Staaten Verhandlungen mit Washington anstreben, warnte Peking davor, Chinas Interessen zu untergraben, sonst drohe das Risiko von Vergeltungsmaßnahmen.
Unterdessen bleiben die Spannungen in der Straße von Taiwan und im Südchinesischen Meer hoch. Und genau hier liegt die Gefahr eines Handelskriegs: in der Erosion der gemeinsamen Wirtschaftsinteressen, die lange Zeit dazu dienten, die ansonsten angespannte Rivalität zwischen den Großmächten USA und China abzumildern. Wenn aber beide Länder ihren Weg der wirtschaftlichen Entkopplung fortsetzen, könnte sich dieser stabilisierende Puffer auflösen und das Risiko bergen, dass Spannungen in der Handelspolitik in einen offenen Konflikt eskalieren. Die Opiumkriege sind eine eindringliche Erinnerung daran, wie Handelsstreitigkeiten einen umfassenden heißen Krieg entfachen können.
Neben dem Zollkrieg, der für die USA die Gefahr einer Rezession in sich birgt, hat Trump auch eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die viele als Untergrabung der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Institutionen der USA ansehen. Trump drohte mit Angriffen auf Anwaltskanzleien, Hochschulen und Medien wie auf das nationale öffentliche Radio (NPR) – Maßnahmen, die allgemein als Schwächung der zentralen Säulen demokratischer Gewaltenteilung aufgefasst werden. Erst Ende April wurde ein Richter in Wisconsin wegen Behinderung des von der Administration Trump eingeschlagenen Weges in der Einwanderungspolitik verhaftet. Nachdem die Demokratische Partei in Unordnung geraten ist und die Republikanische Partei Trump weitgehend treu ergeben bleibt, scheint dieser eine uneingeschränkte Macht als Präsident ausüben zu können. Angesichts der Angriffe auf die Justiz warnen viele, dass die Machtkonzentration in der Exekutive die USA in Richtung Autoritarismus treibe.
Überall in den USA bilden sich Protestbewegungen zur Verteidigung der Demokratie. Während sich Harvard auf eine alles entscheidende Auseinandersetzung mit der Regierung von Donald Trump vorbereitet, schlug Universitätspräsident Alan Garber einen trotzigen Ton an: „Die Universität wird weder ihre Unabhängigkeit noch ihre verfassungsmäßigen Rechte aufgeben.“
Kürzlich wurden in Boston Botschaften auf die Fassade der Old North Church projiziert, darunter eine mit dem Text: „Lasst die Warnung erneut erstrahlen: Die Tyrannei steht vor unserer Tür.“ Im Geiste des legendären Freiheitskämpfers Paul Revere (1735–1818) rufen nicht wenige ihre Mitbürger dazu auf, sich für die Sache der Republik zu erheben – diesmal gegen eine Bedrohung von innen. Manche befürchten, das Land stehe am Rande eines erneuten Bürgerkriegs.
Hierin liegt die andere Gefahr der derzeitigen unruhigen Weltordnung: Neben der Unberechenbarkeit von Donald Trump kann auch eine polarisierte und zersplitterte USA unberechenbar werden. Wie ein verwundetes Tier könnte eine wankende Supermacht launisch und gefährlich um sich schlagen und die Volatilität in einer ohnehin fragilen Welt weiter erhöhen.
Die Unberechenbarkeit von Trump und sein Zollkrieg erschweren die anhaltende, angespannte Neuausrichtung des weltwirtschaftlichen Zentrums vom Globalen Norden zum Globalen Süden. Doch eine USA im Krieg mit sich selbst wird das Risiko nur noch erhöhen und diesen Übergang noch prekärer machen.
ENDE DER ÜBERSETZUNG
Quellen und Anmerkungen
(1) Peter T.C. Chang ist Gastwissenschaftler am ISEAS, dem Yusof Ishak Institut in Singapur, und wissenschaftlicher Mitarbeiter des malaysisch-chinesischen Freundschaftsvereins in Kuala Lumpur.
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 9. Mai 2025 auf anti-spiegel.ru.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bild: US-Präsident Donald Trump
Bildquelle: Rawpixel.com / shutterstock
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