Politiker können mit Fug und Recht vom gemeinen Volk Respekt und Ehrfurcht erwarten
Ein Kommentar von Rainer Rupp.
Im „besten Deutschland aller Zeiten“ ist man ja schon einiges gewöhnt. Das trifft auch auf die Presse- und Redefreiheit zu und das sonstige freiheitsrechtliche „Gedöns“, das von unserem Grundgesetz garantiert ist und vom „Rechtsstaat“ angeblich geschützt wird. Aber man soll niemals glauben, dass es in Absurdistan nicht mehr schlimmer kommen kann. Davon hat mich vor wenigen Tagen ein Beitrag von Bernhard Loyen belehrt, in dem er auf das vorweihnachtliche Geschenk des Bundesjustizministeriums in Form von "Rechtsstaat-Beuteln" an das brave Publikum berichtet. Damit werden bei der Verhohnepipelung der Bürger neue Maßstäbe gesetzt.
Die „Rechtsstaat Beutel“ sind Teil der Rechtsstaat Kampagne (1) des Bundesministeriums für Justiz (BMJ). In dem offiziellen Video dazu (2) auf X hält eine kopflose BMJ-Mitarbeiterin handgemalte Schilder in die Kamera, die sie aus ihrem Rechtsstaatbeutel gezogen hat. Auf denen kann man unter anderem lesen: "Auf unseren Rechtsstaat können wir stolz sein". Dazu ertönt die Melodie von "Stille Nacht! Heilige Nacht". Kann man Bürger noch mehr verhöhnen, die im Kampf gegen Übergriffe staatlicher Institutionen und willkürlicher Missachtung fundamentaler Freiheitsrechte individuelle Wege des Martyriums durchlebt haben und immer noch durchleben. Und es sind nicht nur die von staatlicher Willkür direkt Betroffenen, deren Vertrauen in den Rechtsstaat in den letzten Jahren zutiefst erschüttert wurde.
Aber lustig und froh lautet die Botschaft vom BMJ:
"Wir verlosen 100 unserer Rechtsstaat-Beutel. Mit dem Beutel kannst auch du zeigen, dass du stolz auf unseren Rechtsstaat bist. Denn: Der Rechtsstaat ist das Fundament unserer Gesellschaft – er sichert unsere Freiheit und schützt unsere Rechte."
"Er (der Rechtsstaat) ist der Garant für Frieden, Demokratie und die Wahrung unserer Grundrechte. Nur im Rechtsstaat können wir sicher sein, dass niemand über dem Gesetz steht und dass wir in einem Umfeld leben, in dem Gerechtigkeit herrscht. Es liegt an uns allen, dieses wertvolle Gut zu schützen."
Liebe Leser, haben Sie beim Lesen dieser Zeilen bemerkt, wie auch Sie ein Würgen in der Kehle verspürt haben. Bitte erst einmal tief durchatmen, bevor wir weiter machen. Dieser Hohn geschieht vor dem Hintergrund der letzten Tage des Jahres 2024. Die Aussichten für das nächste Jahr sind düsterer als vor 12 Monaten die Prognosen für 2024, die bereits schlimm genug waren. Und so geht es schon seit 2020. Deutschland befindet sich in einem Sinkflug, der immer schneller wird. Dabei ist nicht nur die Wirtschaft betroffen, sondern auf allen gesellschaftlichen Ebenen kann man zunehmend Verfall beobachten, der teilweise bereits in Fäulnis übergegangen ist.
Derweil dröhnen Politik und Medien uns täglich die Ohren voll, dass alles bestens bestellt sei. Der Alltag mit seinem wachsenden Sorgen, Firmenschließungen, Angst um Arbeitsplatz, sinkende Kaufkraft und vieles Mehr beweisen das Gegenteil. Das einst pulsierende Straßenbild in den Städten wird heute zunehmend von geschlossenen Läden bestimmt. Zugleich hat die von oben gesteuerte Polarisierung des gesellschaftlichen Gegeneinanders einen grauen Schleier über unser Land gelegt.
Deutschland, das Sommermärchen, war gestern. Schluss mit Lustig ist angesagt. Stattdessen soll die ganze Gesellschaft „kriegstüchtig“ werden und wir sollen lernen die Bombe zu lieben, anstatt uns vor ihr zu fürchten. Und 2025 wird nicht besser werden. Die Zeichen dafür sind nicht zu übersehen. Ein TikTok-Post hat für einen 14-Jährigen in Bayern Anfang Dezember ernste Konsequenzen: Am Nikolaustag durchsuchte die Polizei das Zuhause seiner Familie. Der Jugendliche soll den Hashtag (3) „Alles für Deutschland“ genutzt haben.
Eine andere Schlagzeile (4) zum Thema Migration lautete
„Geldstrafe für 74-Jährige in Düsseldorf wegen Volksverhetzung im Internet“
"7.950 Euro Geldbuße für Rentnerin wegen migrationskritischen Facebook-Kommentar."
Willkommen in der für Deutschland gar nicht so neuen Ära der Meinungsunterdrückung, mit der sich inzwischen auch immer mehr empfindsame Politiker, besonders die von der Grünen Art, gegen Kritik schützen wollen.
Politische Meinungsfreiheit scheint im besten Deutschland aller Zeiten inzwischen zu einem Relikt aus grauen Vorzeiten geworden zu sein, eine Zeit, in der Menschen noch ohne Angst die Mächtigen kritisieren konnten. Heute bleibt uns nichts anderes mehr übrig als zu bewundern, wie geschickt die Vertreter unseres Gemeinwesens die feinen Instrumente der Unterdrückung meistern, natürlich alles mit dem hehren Ziel, um Freiheit, Demokratie und den Rechtsstaat zu schützen.
Denn jeder muss heute einsehen, dass die Demokratie auf wackligen Beinen steht, wenn jemand wagt, einen Politiker einen „Schwachkopf“ zu nennen. Vollkommen verständlich fordert deshalb Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann mit ernster Miene die Verschärfung des Beleidigungsparagrafen. Offensichtlich hängt der Fortbestand des Staates davon ab, dass Politiker nur mit Blumen und Liebesbriefen kritisiert werden. Die alte Regel „Öffentliche Ämter, öffentliche Kritik“ gehört längst in die Mottenkiste aus den 1970er Jahren!
Die Politiker unserer Tage sind nämlich keine gewöhnlichen Sterblichen, sondern ganz besondere Menschen, die sich ohne Eigennutz 24/7 für Demokratie und Rechtsstaat einsetzen und dafür mit Fug und Recht vom gemeinen Volk Respekt und Ehrfurcht erwarten können. Warum sollten sie Kritik ertragen, wenn sie doch für das „Gemeinwohl“ arbeiten – wie Robert Habeck, der mit seinen grandiosen Ideen zur Deindustrialisierung das Weltklima für unsere Enkel retten will.
Und da ist auch noch Annalena Baerbock mit ihrer mutigen Aussage: „Es ist mir egal, was meine Wähler denken“, denn sie weiß mit ihrer unglaublichen 360-Grad Intelligenz viel besser, was gut für unser Land ist als wir alle zusammen. Das verdient Lob, denn schließlich kann nicht jeder ein großes Land wie Deutschland in so kurzer Zeit ruinieren. Das ist harte Arbeit. Aber mit diesen von uns erbrachten Opfern sind die Grünen der Verwirklichung ihres Traums bereits ganz nah gekommen, nämlich das ganze deutsche Volk zum einfachen und gesunden Leben zurück auf die Scholle zu führen, wo jeder ein Stück Land und seine eigene Kuh haben darf. Ach nein, Kuh geht nicht, die pupsen zu viel Methan.
Um auch noch das Endziel zu erreichen, reicht es nicht, die Meinungsfreiheit reaktiv zu unterdrücken. Nein, sie muss pro-aktiv bekämpft werden, und zwar mit dem noblen Ziel, „Hass und Hetze“ zu unterbinden. Denn „Hass und Hetze“ führen zu Weimarer Verhältnissen und zur Zerstörung der Demokratie. Denn die Weimarer Republik ist schließlich nicht wegen sozialer Ungleichheit und politischer Unfähigkeit und wegen der groß-bürgerlichen Steigbügelhalter für Hitlers Machtergreifung untergegangen, sondern wegen verbalem „Hass und Hetze“-Gezänk.
Wer heute im ausgehenden Jahr 2024 die mit zunehmender Wucht von Politik und Medien den Bürgern eingetrichterte Behauptung aus dem Rechtsstaat Beutel hört: „Der Rechtsstaat ist das Fundament unserer Gesellschaft, er sichert unsere Freiheit und schützt unsere Rechte" hat zunehmend das Gefühl, im falschen Film zu sitzen, wie folgendes Beispiel zeigt:
Der YouTuber und Satiriker Tim Kellner aka "der Love Priest", von seinen 500.000 Fans für seine spitze Zunge geliebt und geschätzt, berichtet in einem aktuellen Video über seinen Kampf gegen den großartigen "Rechtsstaat"– in Verbindung mit einer Klagewelle gut dotierter politischer Vertreter mit riesengroßem Ego, jedoch mickrigem Charakter. Kellner schreibt:
"Sie haben ein System der Angst installiert! Bestrafe Einen und erziehe Hunderte! Sie durchsuchen Wohnungen von Rentnern und jetzt auch Kinderzimmer! Bundesminister jagen unschuldige und harmlose Bürger! Meine Revision wurde mit einem Satz kurz abgebügelt, obwohl es um höchste Grundrechte geht. Alice Weidel Nazi-Schlampe zu nennen ist für die Rechtsstaatler kein Problem. Öffentliche Hass- und Gewaltaufrufe wie „Alle AfDler gehören in die Gaskammer!“ halten die Rechtsstaatler für tolle „Satire“, weshalb das Strafverfahren eingestellt worden ist.
Die Recherche zum erwähnten "Gaskammer-Tweet"-Verfahren bestätigt:
"Gießener Amtsgericht und die Staatsanwaltschaft einigten sich im November vergangenen Jahres auf eine Einstellung des Verfahrens ohne Auflagen."
Kellner verlor demgegenüber jüngst sein Revisionsverfahren, da er Ministerin Faeser in seiner Youtube-Videosendung „eine aufgedunsene Dampfnudel" nannte. Ihm droht nun laut einem NZZ-Artikel eine Geldbuße über 11.000 Euro. Das Verfahren beinhaltete auch eine Klage seitens der "Rechtsstaatlerin" Annalena Baerbock. In einem Artikel des WDR, in dem Tim Kellner natürlich als „Rechter“ bezeichnet wird, denn er kritisiert schließlich die Regierung, heißt es dazu:
"Der rechte YouTuber Tim K. ist heute vom Amtsgericht Detmold zu 11.000 Euro Geldbuße verurteilt worden. Es ging um drei Fälle von Beleidigung, unter anderem gegen Annalena Baerbock. Der YouTuber hat nach Ansicht des Gerichts in Videoclips mehrere Politikerinnen – darunter Außenministerin Annalena Baerbock – verunglimpft."
Satire will bewusst verunglimpfen, aber "nigerianische Scheißhausexpertin" ist für deutsche Gerichte anscheinend nicht lustig, obwohl es schlicht zutrifft, wie aus der von Frau Baerbock vom März 2023 gehaltenen Rede anlässlich ihres Besuchs in einem nigerianischen Dorf hervorgeht. Im Rahmen ihrer "Vorstellung der Leitlinien zur Feministischen Außenpolitik" zeigte sich die Ministerin unerwartet als Expertin für Toilettenanlagen im ländlichen Afrika und teilte ihr Wissen mit den Bewohnern vor Ort und der anwesenden Presse. Sie sagte:
"Weil es natürlich für ein Kind, das zehn Jahre alt ist oder auch für eine Frau [in Nigeria], einen großen Unterschied macht, ob der Brunnen mitten im Dorf ist, ob die Toiletten mitten im Dorf sind oder ganz am Ende des Dorfes, wo man nach deutschen Hygienestandards und aus Geruchsgründen vielleicht gesagt hätte, die sollten wir lieber dort an den Rand bauen, der aber nicht beleuchtet ist."
Nein, der deutsche "Rechtsstaat", in dessen "Umfeld Gerechtigkeit herrscht", wollte in diesem Fall nicht schmunzeln, er wollte und will bewusst abmahnen, bestrafen, um die Masse der anderen einzuschüchtern. Das trifft Tim Kellner ebenso wie viele weitere ungenannte Angeklagte auf vielen Ebenen der Gesellschaft.
Das Team des Bundesministeriums für Justiz BMJ feiert derweil mit schwülstigen Worten seine tolle Idee des Rechtsstaat Beutels:
"Es liegt an uns allen, dieses wertvolle Gut zu schützen. Zeig auch du, dass du für unseren Rechtsstaat einstehst. Du willst einen Beutel gewinnen? Dann beantworte folgende Frage in den Kommentaren: Was ist für dich der wichtigste Artikel im Grundgesetz und warum?"
Die Gefahr besteht jedoch, dass viel der Rechtsstaat Beutel nach dem Studium von fraglichen rechtsstaatlichen „Gerichtsurteilen“ zur Einschüchterung kritischer Bürger zweckentfremdend benutzt werden, nämlich dann, wenn sich besagte Bürger spontan übergeben müssen. Böse rechtsradikale Zungen würden jetzt behaupten, dass es nur ein kurzer Weg vom Rechtsstaat Beutel zum Kotzbeutel ist. Dennoch können wir hoffen, dass die tiefe „Rechtsstaatsliebe" und der unerschütterliche Glaube an die Demokratie des Deutschen Michels über alle Widrigkeiten siegen und auch nach den Neuwahlen alles so weiter geht, wie bisher, rechtsstaatlich, demokratisch und freiheitlich, auch wenn viele dubiose Zeitgenossen behaupten, das seien Werte, die in unserem Land schlicht irreparabel abhandengekommen sind.
Manchmal hat man das Gefühl eines „Déjà Vu“, etwas, das man schon mal gesehen hat, man weiß nur nicht mehr wo. Heute sichert der Rechtsstaat angeblich unsere Freiheit und Demokratie. Aber wenn man sich die Freiheit nimmt, etwas zu sagen, was man denkt, kann man bereits mit einem Fuß vor Gericht oder gar im Gefängnis stehen. Nur noch die „Gedanken sind frei".
Das Volkslied aus vergangenen Zeiten wird seit dem Jahr 2020, als sich Covid-aufmüpfige Bürger verbotenerweise klammheimlich in "Flüsterkneipen" trafen, um ihre Sorgen und Gedanken auszutauschen, wieder öfter gesungen. Die Nötigungen jener Zeit sind bekannt, die willkürliche Aussetzung des "Rechtsstaats" und unserer fundamentalen Freiheitsrechte sind dokumentiert aber längst nicht aufgearbeitet. Vielen Opfern wird eine erwartbare Rechtsprechung samt Entschädigung weiterhin verweigert, die nachweislichen Täter haben nichts zu befürchten. Peter Hahne ist gewiss nicht allein, wenn er endlich „Handschellen klicken hören will“.
Die Straflosigkeit der Eliten springt nicht nur im Zusammenhang mit den Covid-Verbrechen ins Auge. Sie ist bei genauerem Hinsehen omnipräsent: Ursula von der Leyen? Statt vor Gericht zu landen, wurde sie zur „EU-Königin“ gekrönt. Olaf Scholz? Cum-Ex-Skandal? Ach, der arme Mann kann sich einfach an nicht mehr erinnern. Und wenn mal eine Flutkatastrophe mit 180 Toten im Ahrtal passiert, wer würde schon so kleinlich sein, Anklagen zu erheben? Aber wehe, ein Bürger wagt es, „Schwachkopf“ zu murmeln. Dann bekommt er die ganze Härte des Gesetzes zu spüren.
Dabei wird der Bürger immer mehr zum Störfaktor. Er ist der eigentliche Feind der Demokratie der Eliten, bzw. der Eliten-Demokratur. Das Volk soll pro Forma alle vier Jahre wählen, und sonst sein Maul halten. Sich das Recht herauszunehmen, Meinungen zu äußern und gar den wahren Souverän, nämlich die Politiker-Kaste, zu beleidigen, muss unter Strafe gestellt werden. Wenn nicht, werden die Politiker gezwungen sein, sich einen anders Volk zu wählen.
Nein, liebe Leser, das wahre Problem ist nicht, dass Politiker unfähig sind, das Gemeinwohl zu fördern, oder dass sie Entscheidungen treffen, die dem Land schaden. Das Problem ist, dass sie dafür kritisiert werden. Wenn die Meinungsfreiheit nicht endlich effizient unterdrückt wird, könnte am Ende noch jemand glauben, dass Demokratie bedeutet, die Mächtigen zur Rechenschaft zu ziehen. Und das wollen wir doch wirklich nicht, oder?
Quellen und Anmerkungen
(1) https://www.bmj.de/SharedDocs/Artikel/DE/X_2023/0808_Rechtsstaat_Kampagne.html
(2) https://twitter.com/i/status/1867477009724760295
(4) https://www.ksta.de/panorama/wegen-volksverhetzung-74-jaehrige-zu-geldstrafe-verurteilt-915420
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: fran_kie / Shutterstock.com
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