
Ein Standpunkt von Felix Feistel.
Wenn wir in Deutschland von Versailles sprechen, ist das mit einer ganzen Reihe politischer Implikationen verbunden. Denn der Vertrag von Versailles, den Deutschland nach dem ersten Weltkrieg mit den Siegermächten USA, Großbritannien und Frankreich geschlossen hat, ist auch heute, über einhundert Jahre danach, noch ein umkämpftes Thema. Mittlerweile ist anerkannt, dass dieser Vertrag die Bewegung des Nationalsozialismus groß gemacht und letztlich zur Macht verholfen hat. Diese griff den Vertrag in ihrer Propaganda als die „Schande von Versailles“ direkt an, und nutzte ihn zur Etablierung der Dolchstoßlegende, derzufolge Deutschland den Krieg nicht aufgrund militärischer Unterlegenheit verloren habe, sondern durch den Verrat von Sozialdemokraten und Kommunisten, und ja, letztlich auch der Juden. Auf dieser rhetorischen Welle konnten Hitler und seine Gefolgsleute bis an die Spitze des deutschen Staates reiten, und damit den zweiten Weltkrieg vom Zaun brechen. Damit gilt der Vertrag von Versailles als eine wichtige Ursache des zweiten Weltkrieges und der Vernichtung von Millionen von Juden, Slawen, Sozialdemokraten und Kommunisten.
Die Rhetorik der „Schande von Versailles“ ist durchaus nachvollziehbar, wenn man sich ansieht, welche harten Bedingungen dieser Vertrag Deutschland aufzwang. Dazu zählte nicht nur die Entmilitarisierung des Rheinlandes, die Abtretung einiger Gebiete vor allem im Osten des ehemaligen deutschen Reiches und die strikte Begrenzung des deutschen Militärs auf maximal 100.000 Soldaten, sondern auch umfangreiche Reparationszahlungen, die sogar nie auf eine bestimmte Summe festgelegt wurden, sondern einer eigens dafür eingerichteten Kommission überlassen wurden, die unter Ausschluss Deutschlands eingerichtet wurde. (1) (2) Allerdings forderten die Alliierten zunächst 269 Milliarden Goldmark in 42 Jahresraten, also eine enorme Summe.
Der Vertrag von Versailles sah also eine ökonomische und militärische Strangulation Deutschlands vor. Das erklärte Ziel war, dass Deutschland, dem die alleinige Kriegsschuld zugesprochen wurde, nie wieder in der Lage sein würde, einen großen Krieg zu beginnen. Allerdings erweckten die Bestimmungen des Vertrages in der deutschen Bevölkerung einen weit verbreiteten Revanchismus, der auf Rache an den Siegermächten sann. Dieser fand Anklang vor allem an den erstarkenden nationalistischen Bewegungen, zu einem großen Teil bestehend aus ehemaligen Soldaten, die als nationalistische Kampfverbände und Freischärler weiter agierten, und unter Anderem Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordeten – beauftragt und abgesegnet übrigens durch die SPD. Sie waren besonders empfänglich für die Dolchstoßlegende, da sie sich bei ihrem Einsatz an der Front – an die nicht wenige von ihnen mit großem Enthusiasmus freiwillig gezogen sind – durch die Heimatfront verraten fühlten.
Der Vertrag von Versailles strangulierte also Deutschland militärisch und wirtschaftlich, demütigte die Bevölkerung und erweckte Nationalismus, der in den Nationalsozialismus überführt werden konnte. All das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn nun in Bezug auf die Verhandlungen zwischen dem US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Bezug auf die Ukraine von einem Vertrag die Rede ist, der manchen Stimmen zufolge schlimmer sei als Versailles. Das neue Abkommen, das Trump mit dem Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selensky schließen wollte, das aber bei dem Treffen im Weißen Haus am Freitag noch nicht geschlossen wurde, ist eine überarbeitete Version eines Entwurfes, den der ukrainische Präsident Selensky zunächst abgelehnt hatte. Denn dieser hatte eine Bestimmung enthalten, derzufolge die USA bis zu 500 Milliarden US-Dollar an Einnahmen aus dem Verkauf ukrainischer Rohstoffe erhalten hätten.
Der neue Entwurf sieht stattdessen die Einrichtung eines Fonds vor, in den die Ukraine 50 Prozent ihrer Gewinne aus dem Rohstoffverkauf einzahlt, um aus diesem den Wiederaufbau der Ukraine zu finanzieren. Der Fonds soll von den USA und der Ukraine gemeinsam geleitet werden, was eine nicht alleinige rechtliche Zuständigkeit der Ukraine nahelegt. Einige Stimmen äußerten gar, dass der Fonds vollständig der US-amerikanischen Jurisdiktion unterworfen werden soll, Streitigkeiten also vor US-amerikanischen Schiedsgerichten beigelegt werden sollen. Grund dafür ist, dass die USA langfristige Investitionsverpflichtungen für die Ukraine übernehmen. Von dem Abkommen betroffen sind nicht nur die sogenannten kritischen Mineralien, wie etwa Lithium, Nickel, Erdgas und Kohle, sondern auch die ukrainische Infrastruktur, etwa Häfen, sowie der Transport der Rohstoffe. Hier ist die Rede von „Investitionen“, was zunächst nach einem großen Geldfluss klingt. Allerdings sind Investitionen in der Welt des Kapitals stets mit der Erwartung von Renditen verbunden. Das wird auch in dem Abkommen so erwähnt, indem betont wird, dass es sich um kommerzielle Interessen handelt, die dort durchgesetzt werden. Im Gegenzug geben die USA der Ukraine nicht einmal wirkliche Sicherheitsgarantien, wie sie von Selensky gefordert werden, sondern ein vages Versprechen darauf, die Ukraine bei ihren diesbezüglichen Bemühungen zu unetrstützen. Die USA sichern sich also langfristig den Zugriff auf die ukrainischen Mineralien und die Infrastruktur, die noch unter der Kontrolle Kiews stehen. (3)
Und dabei handelt es sich überhaupt nicht um die Mehrheit der Ressourcen des Landes. So wurde ein großer Teil wichtiger Rohstoffe, etwa die fruchtbaren Ackerländer, schon vor Jahren an westliche Großkonzerne verkauft. Formal befinden sie sich zwar noch in der Hand ukrainischer Holdings, diese werden aber nicht selten von westlichen Investoren wie BayerMonsanto, Cargill oder Vanguard gesteuert. Schon vor etwa zwei Jahren hat Selensky zudem mit Blackrock, Goldman Sachs und JPMorgan einen Vertrag unterzeichnet, der diese drei Finanzriesen mit dem Wiederaufbau der Ukraine betraut. Sie managen den Ukraine Reconstruction Fund, also den Wiederaufbaufond der Ukraine, und sollen auf diese Weise westliche Investoren anlocken, das Kapital kanalisieren und damit die Investitionen steuern. Die drei verdienen dabei an jedem einzelnen Schritt und können, da sie das Kapital lenken, großen Einfluss auf die konkrete Art des Wiederaufbaus nehmen. Dabei bietet sich ihnen zudem der exklusive Zugang zu Investitionsmöglichkeiten in die Konzerne, die den Wiederaufbau betreiben, was langfristige Profite ermöglicht. Die Kosten des Wiederaufbaus der Ukraine werden irgendwo zwischen 524 Milliarden und eine Billionen US-Dollar angesiedelt. (4) (5) Die langfristigen Gewinne durch strategische Investitionen könnten noch deutlich höher sein. Denn der Wert der Rohstoffe der Ukraine beträgt verschiedenen Schätzungen zufolge etwa 2,6 Billionen US-Dollar – und da ist der nun russische Teil der ehemaligen Ost- und Südukraine noch gar nicht mit eingerechnet. Hier wird der Wert der Ressourcen auf etwa 12,4 Billionen US-Dollar geschätzt. (6) (7)
Dieser weitaus größere Teil ist für die Restukraine verloren. Denn mit einem Abkommen zwischen den USA und Russland wird diese Region Teil Russlands bleiben. Der russische Präsident Wladimir Putin hat bereits angedeutet, dass er sich vorstellen könnte, die Rohstoffe durch Joint-Ventures erschließen, und mit US-amerikanischen Konzernen gemeinsam ausbeuten zu lassen. Dies würde vollkommen ohne Beteiligung Kiews geschehen, womit der Ukraine der größte Teil ihrer ehemaligen Rohstoffe entzogen würde – und damit auch ein großer Teil potenzieller Einnahmen. Die neue US-Administration verteidigt den exklusiven Zugriff auf die ukrainischen Rohstoffe mit dem Argument, dass die USA die Ukraine seit 2022 mit bis zu 350 Milliarden US-Dollar unterstützt hätten, ohne etwas dafür zurück zu fordern. (8) Andere Schätzungen gehen von deutlich niedrigeren Zahlen aus. Allerdings muss man hier bedenken, dass nur die Regierung einen vollumfänglichen Einblick in solche Zahlen haben kann, da es sehr wahrscheinlich auch heimliche oder im Haushalt versteckte Ausgaben zugunsten der Ukraine gab.
Im Gegensatz zu den USA haben die europäischen Staaten der Ukraine größtenteils lediglich Kredite bereitgestellt – und können damit ihr Geld in Zukunft mitsamt Zinsen zurückfordern. (9) Damit hat die Ukraine große Zins- und Tilgungsverpflichtungen gegenüber europäischer Staaten – insgesamt 43 Milliarden Euro. Hinzu kommen Kredite, die Kiew bei der europäischen Investmentbank, sowie der europäischen Wiederaufbaubank aufgenommen hat, sodass sich die Schulden allein bei der EU und den EU-Staaten auf etwa 50 Milliarden Euro aufsummieren. Das sind schätzungsweise 44 Prozent der ukrainischen Auslandsschulden. Weitere Zusagen der EU in Höhe von 33 Milliarden Euro allein als rückzahlbare Kredite wurden im Rahmen des G7-Hilfspaketes gemacht. Zudem hat die Ukraine noch Schulden bei der Weltbank – etwa 18 Prozent der Auslandsschulden – sowie weitere 18 Prozent bei privaten Gläubigern wie Blackrock.
Auch Schulden des Internationalen Währungsfonds (IWF) müssen weiterhin bedient werden, und sind zudem mit bis zu 8 Prozent verzinst. Dafür verantwortlich ist das Land mit dominantem Einfluss auf den IWF, und das sind die USA. Die Kredite wurden zudem an enorm viele Bedingungen geknüpft – bis zu 325. Diese sehen Reformmaßnahmen vor, sprich neoliberale Privatisierung und Deregulierung, wie man sie bereits aus der Eurokrise kennt. Was passiert außerdem mit den Schulden bei einer eventuellen Zahlungsunfähigkeit der Ukraine? Kommt dann das Insolvenzverfahren, bei dem die Reichtümer des Landes an die Schuldner – also auch Blackrock – verkauft werden?
Durch den exklusiven Zugriff der USA auf die Rohstoffe der Ukraine fällt ein bedeutender Teil der staatlichen Einnahmen aus, und damit die Fähigkeit, die Schulden begleichen und gleichzeitig alle wesentlichen Funktionen des Staates erfüllen zu können. Hinzu kommt, dass die Regierung Selensky die Mengen und den Wert der Rohstoffe systematisch zu hoch angesetzt hat, um die Unterstützung von Donald Trump zu gewinnen. Das berichten zumindest Experten der Nachrichtenagentur Bloomberg. (10) Das bedeutet, dass in Wahrheit noch weniger Rohstoffe im Rest der Ukraine vorhanden sind – und damit die Einnahmen aus diesen bedeutend geringer ausfallen werden. Hoffnung bietet hier allenfalls die wachsende Rüstungsindustrie, in die auch westliche Konzerne – etwa Rheinmetall – investieren, sowie der Export von Ressourcen, an dem der ukrainische Staat teilweise auch verdient. Ob diese Einnahmen aber genügen werden, die Funktionsfähigkeit des Staates aufrechtzuerhalten und die Schulden zu bedienen, steht in den Sternen. Kritik an dem Rohstoffdeal kam daher nicht nur aus den eigenen Reihen, sondern sogar aus dem entfernten Ausland. So erklärte der kolumbianische Präsident Gustavo Petro, dass Selensky die ukrainischen Rohstoffe an die USA verschenke. (11)
Diese ökonomische Ausbeutung war indes abzusehen. Schon der Zugriff westlicher Konzerne auf das Agrarland der Ukraine und die Betrauung von Finanzgiganten wie Blackrock und JPMorgan mit dem Wiederaufbau, verknüpft mit der Forderung nach „Reformen“, die auf Privatisierung und Deregulierung abzielen, ließen erahnen, dass nach dem Krieg der große Ausverkauf des Landes beginnen würde. Die westlichen Investoren haben lange gewartet – und oftmals auch schon vom Krieg selbst profitiert – und wollen nun ihre Profite einfahren. Ein Grund für das Ende des Krieges könnte zudem sein, dass die Investoren nicht noch mehr Land und Ressourcen an Russland verlieren wollen, was bei einer Fortsetzung des Krieges garantiert wäre. Stattdessen wollen sie so viele Ressourcen wie nun noch möglich kapitalisieren.
Es ist abzusehen, dass durch diesen Vertrag die Ukraine sich ihrer Autonomie berauben lässt. Fraglich ist daher, ob die ukrainischen Nationalisten diesem Vertrag überhaupt zustimmen, oder nicht doch den Aufstand proben werden. Zudem gibt es Gerüchte, dass Selensky die ukrainischen Rohstoffe schon längst an die Briten verkauft hätte. (12) Auch sehen manche das Abkommen mit der Ukraine als eine Alternative zu dem russischen Angebot gemeinsamer Ausbeutung der Rohstoffe im Donbass, womit der Krieg tatsächlich nicht beendet, sondern fortgesetzt wird. Da die USA aber weiterhin mit Russland verhandeln ist das wohl eher nicht zu erwarten.
Wie man sieht nehmen die Friedensverhandlungen über die Ukraine versailler Züge an. Ökonomisch wird die Ukraine nun in die Hände westlicher Großkonzerne überführt, die schon von der Zerstörung des Landes durch Beteiligung an Rüstungsfirmen profitiert haben, und nun auch den Wiederaufbau kapitalisieren, sowie Land und Ressourcen aufkaufen, oder sich zumindest Rechte an der Ausbeutung sichern. Die Gewinne aus der wirtschaftlichen Erschließung der Ukraine bleiben auf lange Sicht für das Land selbst wenig ertragreich. Einerseits ist ein großer Teil der Energieinfrastruktur zerstört, Fabriken und Firmensitze sind entweder zerstört worden, gehören nun zu Russland, oder aber es fehlen schlicht die Arbeitskräfte, da sie entweder im Krieg hingeschlachtet wurden, oder das Land verlassen haben. Die ukrainische Bevölkerung wird von dem Deal wenig profitieren – schon allein, weil es für die Ausbeutung vieler Rohstoffe hoch spezialisierter Fachkräfte bedarf, die das Land zu einem großen Teil wohl schon verlassen haben.
Auch, wenn über die militärische Zukunft der Ukraine noch nicht allzu viel bekannt ist, so kann man schon jetzt einige Vermutungen anstellen. Klar ist, dass die Ukraine niemals Teil der NATO sein wird. Das hat US-Präsident Donald Trump nun endgültig so erklärt, und da die NATO dem Willen der USA unterworfen ist, hat er damit einen Beitritt der Ukraine faktisch sicher ausgeschlossen. (13) Damit hat die Ukraine eines ihrer wesentlichen Ziele verfehlt – Russland wiederum eines seiner wesentlichen Ziele erreicht. Zudem kann man davon ausgehen, dass Russland auf einer umfassenden Entmilitarisierung der Ukraine bestehen wird. Das war schließlich eines der Ziele, mit dem die russische Regierung am 24. Februar 2022 die Militärische Sonderoperation begonnen hat.
Die russische Regierung wird keine Wiederholung der Minsker Abkommen dulden, die, so wie die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel zugegeben hat, der Ukraine lediglich die Zeit und die Möglichkeit zur Aufrüstung geben sollten. (14) Ähnlich dem Versailler Vertrag wird Russland also eine strikte Begrenzung des ukrainischen Militärs fordern, ebenso wie eine Begrenzung der Rüstungskapazitäten des Landes. Wer die Sicherheitsgarantien für das Land übernehmen wird ist zurzeit noch vollkommen unklar. Allerdings wird Russland keine NATO-Soldaten oder EU-Soldaten auf ukrainischem Boden dulden, denn in diesem Falle befände sich Russland in derselben Situation, welche die Regierung durch den Einmarsch in die Ukraine hat verhindern wollen.
Die Verhandlungen zwischen den USA und Russland einerseits und den USA und der Ukraine andererseits umreißen derzeit also Vereinbarungen, die in Teilen mit Versailles vergleichbar sind. Die ökonomische Ausbeutung der Ukraine, die Rückzahlung von Schulden und Zinsen, zu denen sich nun auch möglicherweise noch Rückzahlungsforderungen von Finanzhilfen gesellen, die einige europäische Staaten nun bereits in Spiel bringen. So erwägt die slowakische Regierung Finanzhilfen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro von Kiew zurück zu fordern, Geld, das offenbar nicht als Kredit, sondern als Zuschuss gegeben wurde. (15) Auch militärisch wird die Ukraine zurechtgestutzt und stark beschränkt werden.
In der Ukraine gibt es schon jetzt eine starke nationalistische Bewegung. Neonazistische und nationalistische Kämpfer spielten bei dem Krieg eine große Rolle, und auch der ukrainische Staatsapparat ist durchzogen von faschistoiden und nationalsozialistischen Ideologen. (16) Die starke, nationalsozialistisch orientierte Bewegung treibt auch die Selensky-Regierung vor sich her. Immer wieder hat sie Drohungen in Richtung des Präsidenten ausgestoßen, um ihn davon abzuhalten, den Krieg vorzeitig zu beenden. Auch hat die ukrainische Regierung in den letzten Jahren Rassen- und Sprachengesetze verabschiedet, die andere Sprachen als das ukrainische und andere Ethnien als die Ukrainer diskriminieren. Dies war der zweite Grund, aus dem Russland den Einmarsch in die Ukraine unternommen hat. Die Militärische Sonderoperation zielte auch auf eine Entnazifizierung der Ukraine. Eine solche ist aber schon in Deutschland nach 1945 gescheitert. Damals sind viele Nazifunktionäre schnell wieder in Amt und Würden gekommen, und die Regierungen und Bundes- sowie Landtage der ersten Jahre der Bundesrepublik waren durchsetzt mit ehemaligen Nazis. Es war auch kaum anders möglich, da die vielen Stellen in der Verwaltung und der Justiz schnell wieder mit fähigem Personal besetzt werden mussten, um die Bundesrepublik funktionsfähig zu machen – und die einzigen, die dabei in Frage kamen waren jene Nazis, die diese Stellen schon zuvor besetzt hatten.
Anders kann das auch in der Ukraine nicht sein. Zudem gibt es hier einen starken rechten Sektor und verschiedene Nazi-Kampfbataillone, die den Friedensvertrag ablehnen werden. Auch in der Bevölkerung könnte die Demütigung des Landes zu einer Idee von Revanchismus führen, und damit den Wunsch, einen weiteren Krieg zu führen – jedoch ist noch nicht klar, gegen wen dieser sich richten würde. Als Ziel kommen dabei auch die Staaten der EU in Betracht, die sich allerdings gerade bemühen, die Friedensverhandlungen zu sabotieren und die Ukraine weiter aufzurüsten.
Dieser Revanchismus kann auch genau so gewünscht sein. Denn schon der Versailler Vertrag zielte, glaubt man dem Autor des Werkes „The Incubation of Nazism“, Guido Preparata, genau darauf. Bei der Aushandlung des Vertrages war der bekannte Ökonom John Maynard Keynes Teil der britischen Verhandlungsgruppe. Allerdings verließ er diese Gruppe vorzeitig, weil er der Ansicht war, der Vertrag fördere Revanchismus und Nationalismus und führe daher in den nächsten großen Krieg, was den Interessen Großbritanniens widerspreche. Preparata führt dagegen den damaligen Historiker Thorstein Veblen an, der Keynes widersprach und erklärte, dass dies genau das Ziel der Briten sei. Denn das britische Weltreich sah sich Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Gefahr konfrontiert, dass sich das aufstrebende Deutschland mit Russland verbünden könnte. Und so ersann die britische Regierung den Plan, Deutschland und Russland nicht nur zu spalten, sondern Deutschland in zwei großen Kriegen zu zerschlagen. Somit diente der Versailler Vertrag lediglich der Vorbereitung eines zweiten großen Krieges, indem er nationalistische Kräfte stärkte und den Wunsch nach Rache schürte.
Vor diesem Hintergrund könnte auch der Deal über die Ukraine genau diesen Zweck haben. Der sogenannte Rohstoffdeal kam zwar am vergangenen Freitag noch nicht zustande, weil Trump und sein Vize JD Vance die Ansicht äußerten, Selensky sei noch nicht bereit für Frieden, allerdings befindet sich Selensky in einer aussichtslosen Lage, sowohl was den Krieg angeht, als auch in Bezug auf die innenpolitische Situation. Es ist also abzusehen, dass er sich früher oder später den USA unterwerfen wird. Vor diesem Hintergrund könnte der Rauswurf Selenskys aus dem Weißen Haus auch lediglich ein Verhandlungsmanöver der amerikanischen Seite sein, um Selensky noch mehr in die Enge zu treiben. Daher ist davon auszugehen, dass der Deal früher oder später abgeschlossen werden wird. Durch die Bedingungen werden die nationalistischen Kräfte weiter gestärkt, die mithilfe der europäischen Staaten eine neue Aufrüstung in Gang setzen könnten, um dann einen weiteren Krieg gegen Russland vom Zaun zu brechen, ähnlich, wie sie den ersten Krieg bereits verschuldet haben. Ziel des ganzen könnte es weiterhin bleiben, auf diese Weise Russland zu zerschlagen, aber auch, Europa in diesen Krieg mit hinein zu ziehen, und Europa in diesem Zuge gleich mit zu zerschlagen, um damit die volle Verfügungsgewalt über Rohstoffe und Infrastruktur dieser Weltregion zu erlangen, und sich dabei einer lästigen, potenziellen Konkurrenz zu entledigen.
Schon jetzt trommeln die Europäer, allen voran einmal mehr die Deutschen, für weitere Aufrüstung. Und auch an der Vorstellung, bis 2030 für einen Krieg gegen Russland bereit zu sein, halten sie nach wie vor fest. Der russisch-ukrainische Krieg von 2022 bis 2025 könnte daher gerade einmal das Vorspiel für eine noch viel größere Auseinandersetzung sein, die mit der Zerstörung ganz Europas einschließlich Russlands enden soll. Dies ist, zugegeben, Spekulation, allerdings gibt es viele Indizien, die genau darauf hinweisen. Denn selbst, wenn der zweite Weltkrieg tatsächlich nur eine unbeabsichtigte Folge des Versailler Vertrages gewesen sein sollte, wie es in der Regel dargestellt wird, so könnte man doch annehmen, dass die USA aus den historischen Ereignissen gelernt haben, und eine Wiederholung vermeiden würden, wenn sie es wollten. Dass sie der Ukraine ähnlich harsche Bedingungen aufzwingen deutet aber darauf hin, dass sie gerade das nicht verhindern wollen.
Es zeigt sich, dass die USA Europa und Russland weiterhin gegeneinander ausspielen, um beide Seiten zu schwächen oder ganz zu zerschlagen. Dabei spielt auch eine Rolle, dass das ganze politische Personal der EU-Staaten und der EU-Institutionen aus transatlantischen ThinkTanks und Foren wie dem WEF, dem Council on Foreign Relations, der Atlantikbrücke oder der Bilderberg-Konferenzen hervorgegangen ist. Sie mögen sich gegen die Regierung Trump stellen, bleiben aber weiterhin dem US-amerikanischen Tiefen Staat, der sie herangezüchtet hat, verpflichtet. Und wer garantiert, dass es sich bei der Opposition gegen die Trump-Administration nicht nur um ein weiteres Schauspiel handelt?
Alles in allem sind die Äußerungen eines ukrainischen Versailles in Bezug auf die Friedensverhandlungen durchaus ernst zu nehmen, und zwar mit allen Implikationen, die dieser Vergleich birgt. Es geht nicht allein um die Ausplünderung der Ukraine an sich, sondern auch um die Gefahr, dass aus diesen Bedingungen ein neuer, noch extremistischerer Nationalismus hervorgehen kann, der das Land in einen weiteren Krieg führt – und möglicherweise ganz Europa mit sich reißt. Insofern ist es durchaus möglich, dass der Friedensvertrag, den Russland und die USA innerhalb dieses Jahres schließen werden, nicht mehr ist als ein vorübergehendes Aufatmen, bevor es zum nächsten, großen Schlagabtausch kommt, der möglicherweise eine noch größere Dimension annehmen könnte.
Quellen und Anmerkungen
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Friedensvertrag_von_Versailles#Milit%C3%A4rische_Bestimmungen
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Reparationen_nach_dem_Ersten_Weltkrieg
(8) https://fullfact.org/news/us-assistance-ukraine/
(9) https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9886
(11) https://freedert.online/amerika/238036-petro-attestiert-selenskij-dummheit/
(14) https://tass.com/world/1547599
(15) https://freedert.online/international/238018-slowakei-koennte-ukraine-hilfen-in/
(16) https://www.manova.news/artikel/der-ukrainische-faschismus-2
+++
Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
+++
Bildquelle: Marianna Ianovska / shutterstock
+++
Ihnen gefällt unser Programm? Machen wir uns gemeinsam im Rahmen einer "digitalen finanziellen Selbstverteidigung" unabhängig vom Bankensystem und unterstützen Sie uns bitte mit Bitcoin: https://apolut.net/unterstuetzen#bitcoinzahlung
Informationen zu weiteren Unterstützungsmöglichkeiten finden Sie hier: https://apolut.net/unterstuetzen/
+++
Bitte empfehlen Sie uns weiter und teilen Sie gerne unsere Inhalte in den Sozialen Medien. Sie haben hiermit unser Einverständnis, unsere Beiträge in Ihren eigenen Kanälen auf Social-Media- und Video-Plattformen zu teilen bzw. hochzuladen und zu veröffentlichen.
+++
Abonnieren Sie jetzt den apolut-Newsletter: https://apolut.net/newsletter/
+++
Unterstützung für apolut kann auch als Kleidung getragen werden! Hier der Link zu unserem Fan-Shop: https://harlekinshop.com/pages/apolut