
Das Kriegsende 1945 sollte Anlass zum umfassenden Gedenken sein, vor allem da Europa nach zwei Weltkriegen kurz vor der Vernichtung steht.
Teil 2/4: Am 1. Juli 1945 mit deutschen Truppen Angriff auf die Rote Armee
Ein Standpunkt von Wolfgang Effenberger.
Am 25. April 1945, 13 Tage vor dem endgültigen Ende des 2. Weltkriegs, kam es auf der zerstörten Elbbrücke in Torgau zur historischen Begegnung von russischen und amerikanischen Truppen – das Bild vom Handschlag wurde einen Tag später nachgestellt:

Es war ein Symbol für das bevorstehende Kriegsende und die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft und hatte auch den Verfasser des Artikels als Schüler sehr bewegt.
Wie in jedem Jahr, so erinnerten auch 2023 Bürgerinitiativen in Torgau zusammen mit Initiativen aus Mitteldeutschland am sowjetischen Denkmal in Torgau an diesen bewegenden Handschlag 2023 unter dem Motto "Macht es nochmal!"

Als Redner wurde 2023 Eugen Drewermann mit einer Videobotschaft zugeschaltet:
„Wir denken des Tages 1945, als die russische Rote Armee und die Alliierten bei Torgau sich die Hände reichten. Das Hitler-Regime war besiegt. Man hätte denken können, es sei die Überwindung von Krieg, Gewalt, Diktatur und Unrecht gewesen. Das war es nicht. Schon damals trug Churchill den Plan, dass man nach Hitler Stalin angreifen müsste, und die Deutschen das verstehen würden“.
Wie Eugen Drewermann hatte auch Wolfgang Effenberger den zu diesem Zeitpunkt bereits vor Churchills Augen stehenden Kriegsplan zum Thema:
„Heute wird mit dem Bild das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verbunden; es vereint Erinnerung und Gedenken mit der Mahnung, den Frieden zu bewahren. Leider war die vor 78 Jahren mit dem Bild verbundene Hoffnung nur ein Trugbild. Denn während sich hier in Torgau amerikanische wie russische Soldaten an dem aufziehenden Frieden begeisterten, arbeiteten britische Generalstabsoffiziere bereits an dem von Winston Churchill in Auftrag gegebenen Kriegsplan "Operation Unthinkable", der die damalige Sowjetunion zurückwerfen und ein unabhängiges Polen wiederherstellen sollte. Angriffstermin mit über 100 Divisionen, darunter auch Wehrmachtsverbände, die man nicht in die Kriegsgefangenschaft überführt hatte, war der 1. Juli 1945: Keine 10 Wochen nach dem Handschlag. Zu diesem Angriff kam es nicht, da Stalin rechtzeitig ultimativ forderte, die neben dem britischen Hauptquartier in Flensburg-Mürwik einquartierte deutsche Nachfolgeregierung unter Dönitz zu verhaften und die deutschen Soldaten in die Gefangenschaft zu überführen. Das geschah dann auch am 23. Mai 1945. (2)
Churchills geheimer Kriegsplan "Operation Unthinkable" vom Frühjahr 1945
Churchill erteilte unter strengster Geheimhaltung (3) den Auftrag für die "Operation Unthinkable" im Mai 1945, kurz nach der deutschen Kapitulation am 8. Mai (VE-Day). Der ausgearbeitete Plan wurde ihm am 22. Mai 1945 vom Chief of Staff, Lt. Gen. Sir Hastings Lionel Ismay (der spätere 1. Generalssekretär der NATO), zwei Wochen nach der deutschen Kapitulation übergeben, (4) Ziel war es, die Rote Armee aus Osteuropa, insbesondere aus Polen und Ostdeutschland, zurückzuwerfen.
Angeblich fühlte sich Churchill moralisch verpflichtet, Polen zu helfen, da es durch die Sowjets unter Kontrolle geraten war. (5) Zugleich galt es, die Ausbreitung des kommunistischen Einflusses in Europa zu stoppen. Zunächst sah die Operation einen Angriff durch britische, amerikanische und polnische Streitkräfte sowie die Wiederbewaffnung von etwa 100.000 Wehrmachtssoldaten vor, (6) die in Norddeutschland von den Briten nicht in die Gefangenschaft überführt worden waren. Der Angriff sollte am 1. Juli 1945 beginnen. (7)

Zusammenfassung:

31.We conclude that:
(a) If we are to embark on war with Russia, we must be prepared to be committed. To a total war, which will be both lang and obstly.
31. Wir kommen zu dem Schluss:
(a) Wenn wir einen Krieg mit Russland beginnen wollen, müssen wir bereit sein, uns auf einen totalen Krieg einzulassen, der sowohl langwierig als auch hartnäckig sein wird.(8)
Die vorliegenden britischen Dokumente tragen das Datum 22. Mai 1945. Einen Tag später war der Plan weitgehend Makulatur: Auf Druck Stalins verhaftete die britische Regierung die geschäftsführende Reichsregierung unter Großadmiral Karl Dönitz, er war von Hitler testamentarisch zum Nachfolger ernannt worden, im Sonderbereich Mürwik bei Flensburg, wo auch das britische Hauptquartier residierte. Parallel dazu wurden die für den Einsatz Unthinkable vorgehaltenen deutschen Truppen in Kriegsgefangenschaft überführt. (9)Stalin drängte auf die vollständige Entmachtung aller NS-Strukturen. Die Westalliierten zögerten zunächst, da sie die Dönitz-Regierung offiziell zur Koordination der Kapitulation und Entwaffnung nutzen wollten. Die Verhaftung wurde dann medienwirksam inszeniert: (10) Britische Soldaten umstellten das Gelände der Marinesportschule Mürwik, verhafteten Dönitz, seinen Kabinettschef Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk sowie Generäle wie Alfred Jodl und Albert Speer. Die Aktion diente auch der symbolischen Zerschlagung des NS-Regimes (z. B. Entfernung von Orden und Marschallstäben). (11) Mit der bedingungslosen Kapitulation am 8./9. Mai 1945 galten alle deutschen Soldaten offiziell als Kriegsgefangene. Die Überführung in alliierte Lager erfolgte schrittweise, wobei die Briten erst nach dem 23. Mai 1945 Hunderttausende entwaffneten und internierten. (12)
Der ausgearbeitete Plan wurde am 8. Juni 1945 ergänzt. Als Termin für den Angriff auf die Sowjetunion wurde der 1. Juli 1945 zugrunde gelegt. (13) Geplant war der Einsatz von britischen und US-Truppen. Circa 47 Divisionen der Westalliierten (ungefähr 50 % der im Deutschen Reich stationierten Truppen) sollten gegen die Rote Armee im Bereich Dresden vorrücken. (14)Wegen der hohen zahlenmäßigen Überlegenheit der Roten Armee beabsichtigte man außerdem die Wiederbewaffnung von ca. 100.000 Soldaten der besiegten deutschen Wehrmacht. (15)
Der Zweite Weltkrieg war erst am 2. September 1945 nach der Kapitulation Japans beendet. Nach den beiden Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki kapitulierte Japan auf dem US-Schlachtschiff Missouri in der Bucht von Tokio. US-Präsident Harry Truman hatte bis dahin jede Konfrontation mit der Sowjetunion abgelehnt – Moskau hätte sich ja mit Tokio verbünden können, was eine globale Eskalation des Konflikts bedeutet hätte. (16)
Stalins Reaktion legt die Vermutung nahe, dass es ein Leck in der britischen Regierung gab. Die genauen Details, die Guy Burgess als Mitglied des Spionagerings "Cambridge Five"(17) an die Sowjets über Operation UNTHINKABLE weitergab, sind historisch nicht vollständig dokumentiert. Zweifelsfrei steht aber fest, dass diese Gruppe im Zweiten Weltkrieg und bis in die frühen 1950er Jahre hinein die Sowjetunion mit wichtigen Informationen versorgten. Der als streng geheim eingestufte Plan wurde erst 1998 durch das britische Nationalarchiv in London (18) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. (19)
Die erstaunliche Aktualität von Unthinkable in Polen
Für Piotr Wloczyks Artikel über Churchills Plan "Operation UNTHINKABLE" wurde auf der Titelseite der Aprilausgabe 2024 des polnischen Magazins HISTORIA mit der Schlagzeile "Supergeheimer Angriffsplan auf die UdSSR" geworben.
Piotr Wloczyk, polnischer Journalist mit einem Abschluss in Amerikanistik, , begann bei Tageszeitungen („Dziennik Gazeta Prawna“, ‚Rzeczpospolita‘) und schrieb später für Wochenzeitschriften („Uważam Rze“, „Tygodnik Powszechny“) und historische Monatszeitschriften („Uważam Rze. Historia“). Er bearbeitet schwerpunktmäßig die Geschichtsthemen des 20. Jahrhunderts und hier die Zeit des Kalten Krieges. Als Autor zahlreicher Reportagen führte er mit Autoren historischer Bücher sowie vergessener Zeugen der Geschichte Interviews. Besonders hoch im Kurs scheint bei Wloczyk der Brite Jonathan Walker, Mitglied der Britischen Kommission für Militärgeschichte und Ehrenmitglied für Kriegsforschung an der Universität Birmingham. ist. Zudem war Walker mit seinen über 7 Büchern Vizepräsident der West Country Writers Association. (20)
Walker hat sich besonders verdient gemacht in der Beleuchtung der fragilen Situation am Ende des 2. Weltkrieg in Europa gemacht, als die Welt am Rand eines Dritten Weltkriegs stand. Während die sowjetischen Streitkräfte in Berlin einmarschierten, befahl Churchill den britischen Militärplanern, die streng geheime Operation „Unthinkable“ vorzubereiten – den Plan für eine alliierte Invasion der Sowjetunion am 1. Juli 1945. Walker skizziert die Beweggründe hinter Churchills Plan, die Logistik eines groß angelegten Angriffs gegen einen Feind, der Hitler besiegt hatte und geht auf die Erfolgschancen von Unthinkable ein, wobei seine Primärquellen ausschließlich anglo-amerikanisch bzw. polnisch sind. (21)So fällt eine polnische Ausgabe auf fruchtbaren Boden. Walker bietet einen faszinierenden Einblick in die Unruhen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs und das Misstrauen der Alliierten gegenüber der Sowjetunion, das zum Kalten Krieg führen sollte.
Ein Teil der polnischen Bürger hat den 8. Mai nie als Tag der Befreiung feiern können.
Mit der Feststellung, „als Westeuropa im Mai 1945 seinen Sieg über das Dritte Reich feierte, hatten die Polen wenig Grund zur Freude“ leitet Wloczyk seinen mehrseitigen Artikel ein. Zwar sei der braune deutsche Feind, der die völlige Vernichtung Polens zum Ziel hatte, besiegt worden, aber es sei lediglich eine Besatzung durch eine andere ersetzt worden.
Das hatte der britische Premier wohl genauso gesehen. So schrieb Winston Churchill am 12. Mai 1945 an den neuen US-Präsidenten Harry Truman:
„Wie werden wir in diesem Jahr oder in einigen Jahren dastehen, wenn die britische und die amerikanische Armee zusammenschmelzen und die französische Armee noch nicht ausreichend ausgebildet ist, wenn wir nur eine Handvoll Divisionen haben, während die Russen vielleicht zwei- oder dreihundert Divisionen unterhalten?“(22)
Während der neue amerikanische Präsident diese Worte las, arbeiteten die britischen Planer - in einem sehr kleinen Kreis eifrig an den Einzelheiten der Operation, die ihrem Premierminister vorschwebte.
Die Stabschefs wurden Ende Mai mit dem Konzept der Operation „Unthinkable“ vertraut gemacht. Die Ausarbeitung eines Plans für einen Angriff auf die Rote Armee muss laut Wloczyk etwa vier Wochen gedauert haben, daher die Vermutung, dass Churchill Ende April beschloss, ein Konzept für einen Krieg gegen die Sowjets zu erstellen. Der Krieg sollte am 1. Juli 1945 auf breiter Front die Rote Armee überraschen, wird Jonathan Walker zitiert.
Für viele seiner polnischen Landsleute schien die sowjetische Besatzung jedoch nur eine vorübergehende Situation zu sein, da ist sich Wloczyk sicher. Das Bündnis zwischen den Briten, den Amerikanern und den Sowjets musste zerbrechen, da der gemeinsame Feind - so verstanden es laut Wloczyk die Polen - besiegt worden war. Doch genau zu dem Zeitpunkt, als sich der Westen über den Fall Berlins freute und die Polen die Errichtung der kommunistischen Ordnung im Land mit großer Sorge beobachteten, führte ein Team der erfahrensten britischen Planer einen streng geheimen Auftrag von Winston Churchill aus. Der britische Premierminister wollte die Rote Armee aus Mittel- und Osteuropa vertreiben. Es ging ihm nach Wloczyk nicht nur darum, den unterdrückten Polen zu helfen. Churchill, so der polnische Journalist, wollte mit der geplanten Operation den Sowjets zeigen, dass ihr Platz weit im Osten war. An dem Krieg gegen die Sowjets würden natürlich auch die Amerikaner beteiligt sein - sie würden eine Schlüsselrolle spielen - sowie die Soldaten der polnischen Streitkräfte im Westen und Deutsche. Der Abschnitt über den Einsatz von deutschen Soldaten wurde mit „Dobry“ (gute)Wehrmacht überschrieben. Letztere wären auch hoch motiviert gewesen, an der Operation „Unthinkable“, wie sie genannt wird, teilzunehmen. Da der Überraschungsangriff aus dem Westen eine Demonstration der Stärke und Entschlossenheit des Westens sein sollte, wurde er unter höchster Geheimhaltung geplant.
Der Kreis der Eingeweihten endete mit Feldmarschall Bernard Montgomery, der vom Premierminister den Auftrag erhielt, die deutsche Beteiligung zu sichern. Stalin bekam Wind davon und wies Marschall Georgi Zukov an, die Angelegenheit zur Klärung vor dem Alliierten Kontrollrat zu bringen. Die britischen Vertreter bestritten vehement, dass es sich um einen Plan zur Auslösung eines neuen Krieges handelte, aber bei den Sowjets saß der Stachel. Laut Churchill bestand eines der Hauptziele der Operation Unthinkable darin,
„Russland den Willen der Vereinigten Staaten und des Britischen Empire aufzuzwingen, faire Bedingungen für Polen zu sichern“.
Aber das war nicht das einzige Ziel. - Die Zukunft Polens war eine Frage, aber es ging darum, Stalin davon zu überzeugen, dass der Westen sich nicht ausbeuten lassen würde. Die Operation Undenkbar war als Machtdemonstration gedacht.
1998 wurde zwar eine Vielzahl von Unterlagen über die Operation „Unthinkable“ veröffentlicht, aber bis heute bleiben detaillierte Karten des geplanten Angriffs auf die Sowjets geheim, wie Walker betont.

Die Operation Unthinkable hatte zwei Varianten: "Schneller Erfolg" und "totaler Krieg" Die britischen Generalstabsoffiziere hielten beide für gleich wahrscheinlich. Der ursprüngliche Plan sah vor, Ostdeutschland zu durchbrechen und die Rote Armee über die Verbindungslinie zwischen Danzig und Breslau zurückzudrängen. Dies mag nicht sehr ehrgeizig erscheinen, aber die Planer fürchteten die in der Tschechoslowakei stationierten sowjetischen Streitkräfte. Wenn die Offensive nach Polen vordringen würde, könne ein Schlag aus dem Süden die alliierten Streitkräfte abschneiden.
An der Ostseeküste sollte laut Jonathan Walker eine Reihe von durch die Royal Navy unterstützten Landungen stattfinden. Vor der Linie Danzig-Breslau sollte die Macht der sowjetischen Panzertruppen gebrochen werden. Die britischen Planer gingen davon aus, dass es in der Nähe von Pila zu einer großen Panzerschlacht kommen würde - viel größer als das Gefecht 1943 an der Kursker Lücke.
Dies war die erste Option - ein schneller Sieg in einer großen Schlacht. Die zweite Variante sah jedoch bereits vor, die Westalliierten in Ermangelung einer klaren Entscheidung in Westpolen viel tiefer in den Osten zu ziehen. Dies hätte de facto einen totalen Krieg mit den Sowjets bedeutet - einen Zermürbungskrieg.
Jedenfalls bleibt die Operation Unthinkable ein faszinierendes Beispiel für die geopolitischen Spannungen am Ende des Zweiten Weltkriegs und den Beginn des Kalten Krieges.(23)
Nach Churchill gibt US-Präsident Truman Kriegspläne gegen die Sowjetunion in Auftrag
In den USA ließ US-Präsident Harry Truman nur wenige Wochen nach der Kapitulation Japans Kriegspläne gegen die Sowjetunion entwickeln, die ständig unter neuem Code-Namen weiterentwickelt wurden: »TOTALITY« 12/45 (20-30 Atombomben auf 20sowjetische Städte), »PINCHER« 06/46 (50 Atombomben auf sowjetische 20 Städte), »Broiler« 1947 (34 Atombomben auf 24 Städte, Zerstörung von 40% der sowjetischer Industriekapazität) (24), »Halfmoon 1948 (70 sowjetische Städte mit 133 Atomwaffen angreifen, von denen acht auf Moskau und sieben auf Leningrad abgeworfen werden sollten) (25), »Offtackle« 1949 (Kombinierte Atom-/Konventionalschläge mit 104 Bomben), »Dropshot« (19. Dezember 1949) (Umfassendster Plan mit 300 Atomangriffen auf 200 Ziele (Kernziele: 75-100 Atombomben gegen sowjetische Luftwaffenbasen, Auslöschung von 85% der industriellen Kapazität. (26) Begleitende Landoffensive mit 6 Mio. Soldaten ab 1957)
Schon 1947 war Libyen für diese Angriffe auf die Sowjetunion zum US-Flugzeugträger ausgebaut worden.
Bis 1946 entwickelten sich konfliktreiche Spannungen zwischen den von den Alliierten und den von der Sowjetunion besetzten Gebieten Europas. Im Zentrum die Julianische Mark (ein Gebiet Südosteuropas, das im Kalten Krieg zwischen Kroatien, Slowenien und Italien aufgeteilt war). Am 30. August 1946 kam es zu informellen Gesprächen zwischen den britischen und den amerikanischen Generalstabschefs über die Entwicklung des Konflikts in einen Krieg. Es wurde die beste Strategie für die Führung eines europäischen Krieges sowie die Frage der Beibehaltung eines Brückenkopfes auf dem Kontinent diskutiert. (27) Dwight D. Eisenhower bevorzugte wegen ihrer Nähe zum Vereinigten Königreich einen Rückzug in die Niederlande und nicht nach Italien.
Diese Fehlentscheidungen Eisenhowers im und nach dem 2. Weltkrieg wurden dann im Zuge des am 24. März 1999 von USA und NATO begonnen völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen Restjugoslawien (Serbien und Montenegro) bereinigt.
Bis 1949 hatten die USA Griechenland, Italien, Island, Irland, die Philippinen und die Schweiz in die Liste der Verbündeten aufgenommen, gleichzeitig wurde jedoch die Annahme fallen gelassen, dass arabische Länder auf der Seite der Alliierten stehen würden, da sich die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten infolge des Palästina-Israelischen Krieges von 1948 und der Gründung des Staates Israel verschlechtert hatten. (28)
Die hochbrisante Konferenz von Bratislava Ende April 2000
Ende April 2000 war in der slowakischen Hauptstadt Bratislava eine hochbrisante politische Konferenz vom US-Außenministerium und dem American Enterprise Institute (außenpolitisches Institut der republikanischen Partei) zu den Schwerpunktthemen Balkan und NATO- Ostexpansion einberufen worden. In dem handverlesenen Personenkreis befand sich auch der damalige Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der KSZE/OSZE, Willy Wimmer. In aller Offenheit sprachen die Konferenzteilnehmer über ihre Pläne für die Neuordnung Europas Klartext, was den Bundestagsabgeordneten Wimmer empörte und ihn veranlasste, unverzüglich Bundeskanzler Gerhard Schröder über die 11 wichtigsten Punkte dieser Konferenz zu informieren. In seinem vom 2.März 2000 datierten Brief an den Bundeskanzler – abgedruckt in "Wiederkehr der Hasardeure" Seiten 547/48 –wies der Abgeordnete Wimmer auf die politische Brisanz der Konferenz in Bratislava hin, auch weil sie „sehr hochrangig besetzt“ gewesen sei, „was sich schon aus der Anwesenheit zahlreicher Ministerpräsidenten sowie Außen- und Verteidigungsminister aus der Region“ ergeben hätte.
Als erstes verlangte der Veranstalter (US-Außenministerium und American Enterprise Institute), dass „im Kreise der Alliierten eine möglichst baldige völkerrechtliche Anerkennung eines unabhängigen Staates Kosovo vorzunehmen sei“. Damit war die Schlußakte von Helsinki über "Europäische Sicherheit und Zusammenarbeit" (OSZE) für die Vereinigten Staaten nicht einmal mehr das Papier wert ist, auf dem sie geschrieben stand. Die besondere zivilisatorische Errungenschaft dieser Schlußakte von Helsinki war die Verpflichtung aller Unterzeichnerstaaten, daß in Zukunft Staatsgrenzen in Europa nie wieder mit Gewalt verändert werden dürften. (29)
Die europäischen Verbündeten hätten beim Krieg gegen Jugoslawien deshalb mitgemacht, so der Veranstalter, „um de facto das Dilemma überwinden zu können, das sich aus dem im April 1999 verabschiedeten 'Neuen Strategischen Konzept' der Allianz und der Neigung der Europäer zu einem vorherigen Mandat der UN oder OSZE ergeben habe.“ (30)
Dieses "Neue Strategische Konzept" der NATO wurde mitten im Bombenkrieg gegen Jugoslawien am 28. April 1999 auf dem NATO-Gipfeltreffen in feierlicher Sitzung zum 50. Jahrestag der Gründung der NATO von den Staats- und Regierungschefs der NATO-Länder unterzeichnet. Für diesen Krieg gegen Jugoslawien hatten die USA zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte keine UN-Resolution. Das so ausgehebelte Völkerrecht und die UN-Charta wurden flugs durch neues US-Recht ersetzt: Die "regelbasierte internationale Ordnung", in der sich die USA die Kriege selbst mandatieren. Das ist so seit 1999 der Fall.
Auf diesem Boden des neuen Völkerrechts verteidigen nun die NATO-Staaten außer den territorialen Grenzen der Mitgliedsstaaten unscharf definierte Sicherheitsinteressen aller Art, die allerdings auch explizit "den Zugang zu Rohstoffen" umfassen. Nachzulesen im Artikel 24 des "Neuen Strategischen Konzepts". Der neue Interessenraum liegt nun auch weit außerhalb des traditionellen Zuständigkeitsbereichs der NATO – im euro-atlantischen Raum, der sich vom Kaspischen Meer über den Persischen Golf sowie über Nordafrika und den Atlantik erstreckt.
Mit seiner Unterschrift vom 28. April 1999 unter das »Neue Strategische Konzept« hat Bundeskanzler Schröder nichts anderes getan, als den alten imperialistischen Raubkrieg auch in Deutschland wieder gesellschaftsfähig zu machen. (31)
Unter Punkt 7 hat Willy Wimmer einen Punkt aufgeführt, über dessen Inhalt rst einmal nachgedacht werden muss:
“Es gelte, bei der jetzt anstehenden NATO- Erweiterung die räumliche Situation zwischen der Ostsee und Anatolien so wiederherzustellen, wie es in der Hochzeit der römischen Ausdehnung gewesen sei.“
Willy Wimmer hatte in der Konferenz darauf hingewiesen, dass die NATO bei dem Angriff gegen die Bundesrepublik Jugoslawien gegen jede internationale Regel und vor allem einschlägige Bestimmungen des Völkerrechts verstoßen habe. Diese Feststellung stieß in der Konferenz nicht auf Widerspruch. Sie blieb aber - Ausdruck des zunehmenden Rechtsnihilismus der Supermacht in den internationalen Beziehungen - ohne eine US-Reaktion des Bedauerns oder anderer Folgen.
Zum Abschluss seines Briefs an Kanzler Schröder nahm Willy Wimmer eine Bewertung der auf der Konferenz in Bratislava gemachten Aussagen vor und schreibt:
„Die amerikanische Seite scheint im globalen Kontext und zur Durchsetzung ihrer Ziele bewußt und gewollt die als Ergebnis von zwei Kriegen im letzten Jahrhundert entwickelte internationale Rechtsordnung aushebeln zu wollen. Macht soll Recht vorgehen. Wo internationales Recht im Wege steht, wird es beseitigt. Als eine ähnliche Entwicklung den Völkerbund traf, war der 2.Weltkrieg nicht mehr fern. Ein Denken, das die eigenen Interessen so absolut sieht, kann nur totalitär genannt werden.“ (32)
Richard von Weizsäcker hat in seiner vielzitierten Rede vom 8. Mai 1985 diesen Tag der Befreiung zugleich auch als Tag der Erinnerung sehen wollen. Dazu gehört auch die Einbettung in die geschichtlichen Abläufe, frei von jeglicher Ideologie, nur vom Willen getragen, derartige Entwicklungen zu verkennen und zu verstehen, um dann Entscheidungen im Sinne der Menschen und des Rechts zu treffen.
Teil 3: Erster Weltkrieg und die Folgen: Europas Verhängnis 1914 bis 2025
Teil 4: "Wer aber den Frieden will, der rede vom Krieg" (Walter Benjamin):
Voraussetzungen für einen tragfähigen Frieden
Anmerkungen und Quellen
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete "atomare Gefechtsfeld" in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm „Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie "Die unterschätzte Macht" (2022)


1)http://www.tofff.de/info.html; http://www.tofff.de/toff-video.mp4
2)Antony Beevor: Der Zweite Weltkrieg. 1. Auflage. München 2014, S. 866 f.
3)https://greydynamics.com/operation-unthinkable/
4)Antony Beevor: Der Zweite Weltkrieg. 1. Auflage. München 2014, S. 866 f.
https://www.historyhit.com/operation-unthinkable-churchills-postwar-contingency-plan/
6)Ebda., http://american_almanac.tripod.com/church.htm
8)https://web.archive.org/web/20101116152301/http://www.history.neu.edu/PRO2/
14)David Reynolds: From World War to Cold War: Churchill, Roosevelt, and the International History of the 1940s. Oxford University Press, Oxford 2006, S. 250.
15)Churchill’s Plans For WWIII. Executive Intelligence Review, Oktober 1998.
17)Die Cambridge Five waren ein Spionagering des NKWD und später des KGB innerhalb des britischen Inlandsgeheimdienst MI5 und teilweise auch in der CIA. Kim Philby, Donald Maclean, Guy Burgess, Anthony Blunt und John Cairncross gelten als die erfolgreichsten Agenten in westlichen Nachrichtendiensten
18)Als Churchill den „russischen Bären“ angreifen lassen wollte in Die Welt vom 24. März 2023, abgerufen am 25. Februar 2024
19)Vgl. Bob Fenton: The secret strategy to launch attack on Red Army. In: Daily Telegraph, Issue 1124, 1. Oktober 1998 (https://web.archive.org/web/20081220145730/http:/www.telegraph.co.uk:80/htmlContent.jhtml?html=/archive/1998/10/01/nwar101.html).
20)Zu seinen Büchern gehören „The Blue Beast – Power & Passion in the Great War“, „Poland Alone“, „Aden Insurgency“, „The Blood Tub“, „War letters to a Wife“ (Hrsg.) und „Churchill's Third World War“, „D-Day, Arnhem & The Rhine – A Glider Pilot's Story“, eine Neuerscheinung über die Heldentaten von Robert Ashby und seinen tapferen Kameraden im Zweiten Weltkrieg. Er hat außerdem an vier weiteren Büchern zur Militärgeschichte mitgewirkt.
21)Polish Underground Museum Study Trust, Sikorski-Instituts, National Archives und Imperial War Museum
22)Zitiert wie Piotr Wloczyk: "wojna swiatowa o polske", Aprilausgabe 2024 des polnischen Magazins HISTORIA mit der Schlagzeile "Supergeheimer Angriffsplan auf die UdSSR"
23)https://www.nationalarchives.gov.uk/education/resources/cold-war-on-file/operation-unthinkable/
24)Schnabel, James F. (1996). The Joint Chiefs of Staff and National Policy 1945–1947 (PDF). History of the Joint Chiefs of Staff. Vol. I. Washington, D.C.: Office of Joint History Office of the Chairman of the Joint Chiefs of Staff. OCLC 227843704S. 71-72
25)Condit, Kenneth W. (1996). The Joint Chiefs of Staff and National Policy, Volume II: 1947–1949 (PDF). History of the Joint Chiefs of Staff. Washington, D.C.: Office of Joint History Office of the Chairman of the Joint Chiefs of Staff. OCLC 4651413, 156-159
26)Bernd Greiner, Kurt Steinhaus: Auf dem Weg zum 3. Weltkrieg? Amerikanische Kriegspläne gegen die UdSSR. Köln 1981, S. 43 f.
27)https://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Unthinkable#cite_note-OpRep-35-17
28)Curatola, John M. (2016). Bigger Bombs for a Brighter Tomorrow: The Strategic Air Command and American War Plans at the Dawn of the Atomic Age, 1945–1950. Jefferson, North Carolina: McFarland. ISBN 978-0-7864-9419-4. OCLC 927620067, 11-112
29)http://www.ag-friedensforschung.de/themen/NATO-Krieg/wimmer-rupp.html
30)Ebda.
31)Ebda.
32)Ebda.
+++
Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
+++
Bildquelle: Gimas / shutterstock
+++
Ihnen gefällt unser Programm? Machen wir uns gemeinsam im Rahmen einer "digitalen finanziellen Selbstverteidigung" unabhängig vom Bankensystem und unterstützen Sie uns bitte mit Bitcoin: https://apolut.net/unterstuetzen#bitcoinzahlung
Informationen zu weiteren Unterstützungsmöglichkeiten finden Sie hier: https://apolut.net/unterstuetzen/
+++
Bitte empfehlen Sie uns weiter und teilen Sie gerne unsere Inhalte in den Sozialen Medien. Sie haben hiermit unser Einverständnis, unsere Beiträge in Ihren eigenen Kanälen auf Social-Media- und Video-Plattformen zu teilen bzw. hochzuladen und zu veröffentlichen.
+++
Abonnieren Sie jetzt den apolut-Newsletter: https://apolut.net/newsletter/
+++
Unterstützung für apolut kann auch als Kleidung getragen werden! Hier der Link zu unserem Fan-Shop: https://harlekinshop.com/pages/apolut