Der 18. Dezember ist Tag X. – Da der Streit um den Raub der in der EU eingefrorenen russischen Vermögenswerte im Dezember die Schlagzeilen beherrschen wird, will ich hier die Chronologie des Streits aufzeigen, denn die liest sich wirklich wie ein Thriller.
Ein Standpunkt von Thomas Röper.
Die EU denkt schon seit dem Beginn der Eskalation in der Ukraine darüber nach, wie sie die in der EU eingefrorenen russischen Vermögenswerte klauen kann. Da das jedoch unter keinen Umständen völkerrechtlich legal ist und auch nicht einmal als legal dargestellt werden kann, waren diese Versuche fast vier Jahre lang erfolglos, auch wenn die EU irgendwann begonnen hat, zumindest die Zinsen auf der Gelder zu klauen und sie zur Finanzierung eines 50-Miliardenkredites genommen hat, den sie unter dem Vorwand, Kiew zu helfen, aufgenommen hat.
Die Vorgeschichte des aktuellen Streits
Ende September hat Kanzler Merz dann in der Financial Times den Vorschlag gemacht, die russischen Gelder nicht zu klauen, sondern als Sicherheit für einen „Reparationskredit“ zu nehmen, den Russland, wenn es den Krieg verloren hat, zurückzahlen soll.
Die EU-Kommission hat die Idee aufgegriffen und damit begann der Streit, denn Belgien, wo etwa 180 Milliarden russischer Staatsgelder liegen, weigerte sich von Beginn an, bei dem Spiel mitzuspielen, denn auch dieser Trick macht den Raub nicht legaler und Belgien fürchtet, völlig zu Recht, dass Russland danach weltweit über Gerichte belgische Vermögen einziehen wird, um den Schaden zu ersetzen.
Belgien erklärte daher, es sei dazu nur bereit, wenn alle EU-Staaten rechtsverbindlich erklären, dass sie das Risiko mit Belgien teilen. Dazu aber waren die EU-Staaten wiederum nicht bereit.
Übrigens begannen zeitgleich mit der Veröffentlichung des Artikels von Merz in der Financial Times die angeblichen Drohnenvorfälle, zunächst in Dänemark und Norwegen, danach auch in anderen Ländern. Und als Belgien sich hartnäckig weigerte, den Merz-Plan mit dem Reparationskredit zu unterstützen, gab es in Belgien plötzlich die meisten Drohnenvorfälle und die Medien erhöhten den Druck auf die belgische Regierung.
Aber die belgische Regierung blieb stur und es begann das Tauziehen um die russischen Gelder.
Allerdings drängte die Zeit, denn der Ukraine geht im Februar oder März das Geld aus, und wenn die EU bis dahin keine frischen Gelder schickt, ist die Ukraine pleite und der Krieg ist verloren.
Die EU hat keine freien Gelder und kann nur mit Erlaubnis der Mitgliedsstaaten Kredite aufnehmen. Die EU-Kommission schlug daher zwei Alternativen vor: Entweder die EU-Staaten nehmen Kredite in Höhe von fast 100 Milliarden auf, um Kiew damit in 2026 zu finanzieren, oder sie erlauben der EU-Kommission, diese Kredite aufzunehmen, wobei dafür natürlich letztlich auch wieder die EU-Staaten haften würden.
Von beidem waren die EU-Staaten nicht begeistert, weil sie ohnehin schon überschuldet sind und genug finanzielle Probleme haben.
Ende November
Ende November legte Trump seinen Friedensplan vor, der den Druck auf die EU noch einmal erhöhte, denn im Falle eines Friedens ohne russische Niederlage wären all die Milliarden, die die EU in die Ukraine geschickt hat, weg, während man in Brüssel immer noch hofft, dass Russland der EU am Ende ihre „Auslagen“ für Kiew in Höhe von inzwischen fast 200 Milliarden Euro erstattet.
Wenn das nicht passiert und einfach ein Friedensabkommen in Kraft tritt, müssten die europäischen Politiker ihren Wählern erklären, warum sie den europäischen Wohlstand in der Ukraine versenkt haben, und das könnte für sie sehr unangenehm werden. Daher ist die EU um jeden Preis gegen einen Frieden und auch gegen Trumps Friedensplan.
Der belgische Ministerpräsident hingegen sah in Trumps Plan eine Rettung aus seiner misslichen Lage, in der der Druck der EU und der europäischen Falken auf ihn immer mehr wuchs. Also erklärte er Ende November, die Pläne der EU könnten Trumps Friedensverhandlungen zum Scheitern bringen. Er schrieb einen Brief an die EU und sprach darin von dem „sehr wahrscheinlichen Fall, dass Russland schließlich nicht zur offiziellen Verliererseite wird“. Er sagte also offen, dass Russland den Krieg nicht verlieren und den Reparationskredit daher auch nie zurückzahlen wird.
Diese Erklärung war natürlich auch an Trump gerichtet, denn die EU-Politiker wollen Trumps Plan ja zum Scheitern bringen. Der Belgier hoffte wohl, dass Trump ihm zur Seite springen und ihn gegen die EU-Kommission in Schutz nehmen würde.
Ab Anfang Dezember wurde es dann hektisch.
2. Dezember
An dem Tag berichtete Politico, die US-Regierung trete dafür ein, dass die russischen Vermögenswerte nach einer Friedensregelung für die Ukraine an Russland zurückgegeben werden.
Und das war nicht der einzige Tiefschlag für die EU, denn an dem Tag meldete die Financial Times, die EZB habe sich geweigert, den „Reparationskredit“ in Höhe von 140 Milliarden Euro abzusichern. Das war wichtig, weil die EU-Kommission wollte, dass die EU-Mitglieder staatliche Garantien für den Fall bereitstellen, dass Russland sich an belgischem Vermögen im Ausland schadlos hält. Da nicht klar ist, ob die EU-Länder die notwendigen Mittel im Notfall rechtzeitig aufbringen können, hatte die EU-Kommission sich an die EZB gewandt, damit sie das Risiko so lange vor der belgischen Clearinggesellschaft Euroclear absichert.
Mit der Absage der EZB war dieser Trick der Kommission geplatzt.
An dem Tag trafen sich auch die EU-Außenminister, um über das Thema zu sprechen und den Druck auf Belgien zu erhöhen.
3. Dezember
Der Tag begann mit der Meldung, dass die belgische Staatsanwaltschaft Federica Mogherini, die von 2014 bis 2019 das Amt der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik innehatte und nun das College of Europe leitete, zusammen mit dem ehemaligen Generalsekretär des Auswärtigen Dienstes der EU Stefano Sannino wegen Korruption und anderen Vergehen festgenommen und verhört hat.
Offenbar wehrte sich Belgien gegen den Druck der EU, denn dass das zeitliche Zusammentreffen der Festnahmen von hochrangigem EU-Personal durch die belgische Staatsanwaltschaft mit dem Streit über die in Belgien liegenden russischen Gelder ein Zufall war, und dass die verdächtigen Deals aus dem Jahr 2021 erst jetzt jemandem aufgefallen waren, ist nur schwer zu glauben.
Um Belgien entgegenzukommen, schlug die EU-Kommission laut der Financial Times an dem Tag vor, dass auch alle EU-Länder die bei sich eingefrorenen russischen Gelder für den Reparationskredit einziehen. Neben den russischen Staatsgeldern, die bei Euroclear in Belgien liegen, haben die anderen EU-Länder auch russische Gelder, vor allem private Vermögen, blockiert. Zusätzlich zu den etwa 180 Milliarden in Belgien sind noch weitere 30 bis 35 Milliarden in anderen EU-Staaten blockiert, so dass es insgesamt um etwa 215 Milliarden Euro geht.
Der belgische Außenminister nannte die Idee, die Ukraine mit der Konfiszierung der russischen Gelder zu finanzieren, an dem Tag am Rande eines NATO-Treffens „die schlechteste aller Ideen“, und der belgische Ministerpräsident wiederholte, dass die Idee, darauf zu hoffen, dass Russland nach seiner Niederlage Reparationen zahle, unrealistisch sei. Es sei „ein Märchen und eine Illusion“, dass Russland den Krieg verliert, sagte er.
Aber Ursula von der Leyen blieb bei der Idee und präsentierte an dem Tag die Idee, die Entscheidung über den Raub der russischen Gelder nicht im normalen Verfahren zu treffen, bei dem EU-Staaten ein Veto einlegen können, sondern dafür den „Notstandsartikel“ 122 im Vertrag über die Arbeitsweise der EU zu nutzen, nach dem die Entscheidung mit der sogenannten qualifizierten Mehrheit getroffen werden kann, bei der mindestens 15 der 27 Mitgliedstaaten dafür stimmen müssen, die zugleich mehr als 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren.
Außerdem kündigte von der Leyen an, für den „Reparationskredit“ eine Sonderregelung zu schaffen, nach der ausländische Forderungen in diesem Zusammenhang in der EU nicht vollstreckt werden dürfen, womit die EU sich in einem weiteren Punkt außerhalb des Völkerrechts und internationaler Verträge stellte.
4. Dezember
Russland werde auf die Verwendung seiner eingefrorenen Vermögenswerte durch die EU reagieren, erklärte Dmitri Medwedew in seiner gewohnt polterigen Art. Er warnte, dass die Beschlagnahme der Gelder als Casus Belli gedeutet werden könne und dass Russland sich sein Vermögen dann in Form von Reparationen von der EU zurückhole.
5. Dezember
Bloomberg berichtete, die USA hätten einige europäische Länder aufgefordert, den EU-Plan zur Verwendung des russischen Vermögens abzulehnen. Das Geld würde für Trumps Friedensdeal und Nachkriegsinvestitionen in der Ukraine gebraucht. An dem Tag wurde auch die neue nationale Sicherheitsstrategie der USA veröffentlicht, die für die in der EU eingefrorenen Vermögenswerte andere Pläne genannt hat, als sie so zu verwenden, wie die EU es will.
Der belgische Ministerpräsident De Wever sagte an dem Tag in einer Rede im belgischen Parlament, die EU-Kommission solle von Belgien nichts „Unmögliches verlangen“. Laut dem Ministerpräsidenten müssten alle EU-Länder rechtliche Garantien für die vollständige Übernahme von Belgiens finanziellen Risiken abgeben, damit Belgien dem Plan der EU-Kommission zustimme. Außerdem forderte er, dass alle in anderen EU-Ländern blockierten russischen Staatsvermögen unter denselben Bedingungen wie in Belgien enteignet würden, was die Abgeordneten des belgischen Parlaments mit stehenden Ovationen quittierten.
An dem Freitag, dem 5. Dezember, hatte Kanzler Merz seine Pläne geändert und eine Oslo-Reise abgesagt, um nach Brüssel zu fliegen und De Wever zusammen mit von der Leyen zu bearbeiten. Allerdings konnten sie ihn nicht umstimmen. Von der Leyen sprach von einem „konstruktiven Gespräch“, das man fortsetzen wolle.
7. Dezember
An dem Tag berichtete Politico, es habe Informationen darüber, in welcher Höhe die einzelnen EU-Länder gegenüber Belgien für die Risiken beim Raub der russischen Gelder haften solle. Deutschland solle für 52 Milliarden Euro haften und Kanzler Merz sei dazu auch bereit.
8. Dezember
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete die Enteignung russischer Vermögenswerte unter dem Vorwand des „Reparationskredits“ zur Finanzierung der Ukraine als „einen Schlüsselakt zur Verteidigung der EU“. Diese Aussage muss man auch in dem Zusammenhang sehen, dass von der Leyen die Nutzung des „Notstandsartikels“ 122 aus dem EU-Vertrag einsetzen will.
An dem Tag tanzte Frankreich aus der Reihe, denn die Idee, auch die in Frankreich blockierten russischen Gelder für den „Reparationskredit“ zu nutzen, wurde dort abgelehnt, wie die Financial Times unter Berufung auf informierte Quellen berichtete. Laut der Financial Times verfüge Frankreich nach Belgien über die zweitgrößte Summe russischer Vermögenswerte.
9. Dezember
An dem Tag erklärte EU-Ratspräsident António Costa auf einer Pressekonferenz in Dublin, die EU habe die erforderliche Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten für die Enteignung russischer Vermögenswerte fast erreicht. Die Abstimmung soll beim Gipfeltreffen am 18. Dezember stattfinden.
11. Dezember
Aus Belgien gab es erneut Widerspruch. Die Chefin von Euroclear erklärte, die Enteignung der russischen Vermögenswerte sei illegal und Euroclear werde daher juristisch gegen eine entsprechende Entscheidung der EU vorgehen. Und auch der belgische Ministerpräsident fand im Parlament wieder deutliche Worte:
„Es gibt bessere Lösungen, als die Vermögenswerte der russischen Zentralbank zu stehlen. Es handelt sich um Geld eines Landes, mit dem wir uns nicht einmal im Krieg befinden. Das wäre, als würde man in eine Botschaft einbrechen, die gesamte Einrichtung herausnehmen und verkaufen.“
An dem Tag fand auch ein Treffen der EU-Finanzminister zu dem Thema statt, vor dem Ratspräsident Costa erklärte, er wolle die EU-Staats- und Regierungschefs beim Gipfel am 18. Dezember notfalls tagelang verhandeln lassen, um eine Einigung über die Finanzierung der Ukraine zu erzielen. Er wird das Gipfeltreffen am 18. Dezember leiten. Er sei zuversichtlich, eine Lösung zu finden, die die Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der Mitgliedstaaten erhalte, aber sollte es nötig sein, werde der Gipfel bis zum 19. oder 20. Dezember verlängert, bis es ein positives Ergebnis gebe.
Offenbar fanden die Finanzminister bei ihrem Treffen keine Einigung, weshalb am Abend ein nicht geplantes Arbeitsessen angehängt wurde.
Eine Einigung scheint es aber gegeben zu haben. Bisher müssen die Russland-Sanktionen alle sechs Monate einstimmig verlängert werden. Da die EU die russischen Gelder nicht wieder hergeben will, soll für diese nun eine Sonderregelung gefunden werden: Sie sollen auf unbestimmte Zeit eingefroren werden.
Offenbar fürchtet man in der EU, dass ein einzelnes EU-Land bei einer späteren Verlängerung der Blockade der Gelder ausscheren und die Verlängerung der Blockade mit Veto verhindern könnte, um beispielsweise der US-Regierung zu gefallen, die bekanntlich andere Pläne mit den russischen Geldern hat.
Das dauerhafte Blockieren der Gelder löst zwar nicht das Problem des „Reparationskredites“, aber immerhin verhindert die EU so, dass das Geld überraschend freigegeben wird und dass Russland es nach Hause holt.
Bis zum EU-Gipfel ist es noch eine Woche. Und die dürfte sehr spannend werden.
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 12. Dezember 2025 auf anti-spiegel.ru.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bild: eingefrorene russische Münze
Bildquelle: Andrei Metelev / shutterstock
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