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Chinas Wirtschaft – an die Weltspitze

Chinas Wirtschaft – an die Weltspitze

Ein Meinungsbeitrag von Rüdiger Rauls.

Mit Zöllen hauptsächlich gegenüber China will Trump dem wirtschaftlichen Bedeutungsverlust der USA entgegen treten. Ob dadurch die Stärke der chinesischen Wirtschaft und ihre Bedeutung für den Welthandel rückgängig gemacht werden kann, ist unwahrscheinlich. 

Aufstieg

China ist nicht mehr die Werkbank der Welt, zu der westliche Unternehmen es hatten abstempeln wollen, als sie ab den 1980er Jahren immer mehr Produktion aus ihren Heimatländern dorthin verlagerten. Die chinesische Regierung hatte auf Technologietransfer bestanden. Das war eine der Voraussetzungen für die Marktzulassung westlicher Unternehmen. Die Chinesen lernten schnell und arbeiteten unermüdlich. Schließlich wollten sie raus aus Armut und Rückständigkeit. Sie wollten ein gutes Leben haben wie die Menschen in den entwickelten Staaten auch.

Schon bald kamen immer mehr Waren aus China auf die westlichen Märkte. Anfangs waren es Vorprodukte wie Stahl für die Weiterverarbeitung im Westen. Aber es wuchsen nicht nur die Produktionsmengen, es wuchsen auch die Fähigkeiten der chinesischen Arbeiter. Sie lernten nicht nur in den Fabriken der westlichen Unternehmen modernere Verfahren, sie studierten auch an den Universitäten im westlichen Ausland. Viele blieben dort, die Rückkehrer halfen, das Niveau chinesischer Produkte und Forschung zu heben.

Die Mengen der Produkte aus rein chinesischer Herstellung wuchsen, zuerst auf dem chinesischen Markt, zunehmend aber strebte man auch auf den Weltmarkt, denn hier waren die Gewinne höher. Anfangs waren die chinesischen Produkte auf den westlichen Märkten nicht konkurrenzfähig in Qualität und Design, wenn sie auch sehr billig waren. Chinesische Autos wurden belächelt und erhielten oftmals nicht die Straßenzulassung im Westen wegen mangelnder Sicherheit. Auf den Märkten der Dritten Welt sah das anders aus, da war der Preis schon eher kaufentscheidend.

Dennoch entwuchs die chinesische Produktion zunehmend der Abhängigkeit von westlichen Unternehmen. Heute ist die Entwicklung so weit, dass chinesische Autos nicht mehr belächelt werden sondern eine ernsthafte Konkurrenz geworden sind und im Bereich der Elektromobilität weltweit führend. In einem Beitrag der Frankfurter Allgemeine Zeitung über die ungarische Autoindustrie wird der Unterschied deutlich. Denn die Chinesen brachten „in der Batterieindustrie viele Experten mit, die es in Ungarn gar nicht gibt“ (1).

Neben Fleiß und Lernbereitschaft waren für den Aufstieg Chinas bedeutend die Besonnenheit und der Realitätssinn der politischen Führung. Im Gegensatz zum Westen überschätzten die Chinesen sich nicht selbst. Sie hatten ein gesundes Verhältnis zu den eigenen Fähigkeiten und Schwächen, und vor allem war man offen für pragmatische Lösungen. Anstatt wie Trump mit Erpressung und Biden mit gewaltigem finanziellen Aufwand Technologieführer zu Investitionen in den USA zu veranlassen, verlegten sich die Chinesen auf einfachere Lösungen, deren Umsetzung mit den eigenen Möglichkeiten erreichbar waren.

Umdenken

Hatte man zu Beginn der wirtschaftlichen Öffnung auf Technologieerwerb durch Joint Ventures mit westlichen Unternehmen bestanden, so ging man mit wachsenden Staatseinnahmen dazu über, westliche Technologie durch den Kauf von Unternehmen zu erwerben. Der erste große Coup war 2001 die Übernahme der deutschen Magnetschwebebahn Transrapid für 1,3 Milliarden D-Mark. Hier wurde der Grundstein gelegt für den Aufstieg der chinesischen Eisenbahntechnologie zum Weltmarktführer.

Besonders nach der großen Wirtschaftskrise von 2008/2009 gingen die Chinesen auf Einkaufstour. Um ihren Rückstand bei Technik und Design in der Automobilbranche aufzuholen, erwarben sie Unternehmen im Westen, die gegenüber den eigenen einen technologischen Vorsprung hatten wie Volvo, Lotus, MG und andere. Aber auch in anderen Industriebereichen strebte das Land an die Weltspitze.

„Vor zwei Jahrzehnten war der Schiffsbau in China eine Randerscheinung. Heute dominiert die Volksrepublik die Weltproduktion … China fertigt mehr als fünfzig Prozent aller Schiffstonnage der Welt“ (2).

Um in das Geschäft mit den Flüssiggastankern einzusteigen, die bisher in China noch nicht gebaut werden konnten, hatte im Jahre 2022 der chinesische Hengli-Konzern „die pleitegegangene Werft des südkoreanischen Herstellers STX für einen Bruchteil der Kosten übernommen. Mitsamt vollständiger Produktionslinie.“ (3). 2001 hatte die politische Führung der Volksrepublik die Weltführerschaft im Schiffsbau zum strategischen Ziel erklärt, zwanzig Jahre später ist sie Wirklichkeit. Die Rücklagen aus den chinesischen Staatseinnahmen machten solche Projekte und Ziele finanzierbar.

Ein solches Volumen an Schiffbaukapazitäten hat auch militärisch-strategische Auswirkungen. Wenn auch chinesische Kriegsschiffe denen der USA in manchen Bereichen noch unterlegen sind, so reichen deren Werftkapazitäten aber nicht aus, um einen Konflikt auf See oder gar die Versorgung über Tausende von Kilometern durchzustehen. „Schon jetzt besitzt China mehr Kriegsschiffe als jedes andere Land“(4), und angesichts der Werftkapazitäten ist es in der Lage, Verluste schneller auszugleichen. Denn „Chinas Industrie verfügt über 230-fache Schiffsbaukapazität der USA“ (5). Vor allem aber fehlen die Fachkräfte mit entsprechender Qualifikation in ausreichender Zahl.

Der letzte Aufsehen erregende Zukauf eines westlichen Technologieunternehmens durch Chinesen war der Erwerb des führenden Roboterherstellers Kuka. Danach wurden von den westlichen Regierungen der Ausverkauf technologisch bedeutender Unternehmen an China erschwert oder mit dem Hinweis auf die nationale Sicherheit ganz verboten. Man hatte erkannt, dass mit solchen Zukäufen sich die technologische Lücke zwischen dem Westen und China schneller schloss als erwartet und die führende Stellung des Westens in Gefahr geriet.

Für China bieten solche Aufkäufe eine günstige Gelegenheit, fortschrittliche Technologie zu erwerben, die in der Volksrepublik noch nicht auf diesem Niveau vorhanden ist. Damit erspart man sich hohe Entwicklungskosten und verfügt unter Umständen auch schon über ein wirtschaftliches Standbein auf diesem neuen Markt. Durch die Ergänzung mit eigenen Produktionskapazitäten erwarben sich chinesische Unternehmen durch solche Zukäufe auf einen Schlag sogar einen nicht unbedeutenden Anteil am Weltmarkt.

Umlenken

Hier zeigt sich einer der Vorteile der chinesischen Wirtschaftslenkung, die sich an dem orientiert, was man als politisch geboten und wirtschaftlich machbar und sinnvoll ansieht. Diese wird im Westen als Planwirtschaft immer wieder negativ dargestellt und als Hemmnis für Entwicklung ansehen. Man überträgt dabei das Bild aus der Sowjetunion, das aber weitgehend auf einem Mangel an Wissen und einem Übermaß an Propaganda beruhte.

Dass im Sozialismus der UdSSR und anderen sozialistischen Staaten Planwirtschaft mit entsprechender Mittelzuteilung herrschte, war ja kein speziell sozialistischer Wesenszug. Vielmehr handelte es sich um eine historisch bedingte Knappheit an Finanzmitteln. Der Westen kann das Geld mit vollen Händen aus dem Fenster werfen, weil er sich an den Weltfinanzmärkten verschulden kann. Diese Möglichkeit hatten die UdSSR und die anderen sozialistischen Staaten nicht.

Auch China hatte über lange Zeit keinen Zugang zu den Finanzmärkten. Seinen Aufschwung hatte die Volksrepublik zumindest in der Anfangszeit seiner Zusammenarbeit mit dem Westen dem Zustrom an Kapital zu verdanken. Das bedeutet nicht, dass ohne westliches Kapital eine solche Entwicklung nicht möglich gewesen wäre, es hätte eben nur länger gedauert. Das Vorhandensein von Kapital beschleunigt wirtschaftliches Vorankommen, aber es kann die Schaffenskraft der menschlichen Arbeit nicht ersetzen, was im Westen weit verbreiteter Irrglaube ist. Entwicklung ohne Kapital ist möglich, es dauert nur länger. Entwicklung ohne menschliche Arbeitskraft ist unmöglich, egal wie viel Kapital vorhanden ist. Kapital bringt nur Ertrag in Verbindung mit menschlicher Arbeitskraft.

Mit dem Wachstum der Produktion in China waren auch dessen Staatseinnahmen gewachsen. Wenn im Westen die Staatseinnahmen wachsen, fordern Parteien, Unternehmensverbände und sonstige Interessengruppen steuerliche Entlastungen besonders für die Wirtschaft, also einen Rückgang der Staatseinnahmen. Die chinesische Führung hat aus den Zuflüssen Rücklagen gebildet, wie es auch in Russland mit dem russischen Wohlstandsfond der Fall ist. Aber auch westliche Staaten wie Norwegen bildeten solche Fonds aus ihren Einnahmen.

Chinesische wie auch russische Staatseinnahmen waren über lange Zeit in amerikanische Staatsanleihen geflossen. Deren Zinserträge wurden zum Teil für die Entwicklung der eigenen Wirtschaft eingesetzt. Drohungen und Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland im Zuge der Krimkrise 2014 führten in China wie auch in so manch anderen sogenannten Schurkenstaaten zu einem Umdenken in der eigenen Anlagepolitik. China wie auch Russland fuhren ihre Investitionen in amerikanische Anleihen zurück.

Die Spannungen zwischen China und den USA hatten zugenommen mit dem Aufstieg der Volksrepublik zu einer ernst zu nehmenden Konkurrenz. Gleichzeitig sanken die Zinssätze für die amerikanischen Staatsanleihen und damit die Zinserträge. Die Volksrepublik ging deshalb verstärkt dazu über, Technologie und technologisch fortschrittliche Unternehmen zu erwerben. Denn im Gegensatz zu Vermögen kann Wissen nicht beschlagnahmt werden. Ein erheblicher Teil der Mittel floss in die Entwicklung der nationalen und internationalen Infrastruktur. Besonders der Ausbau der Seidenstraße diente der weiteren Förderung der chinesischen Produktion und deren Absatz.

Umschiffen

Aufgrund der westlichen Investitionstätigkeit, besonders aber der Wirtschaftspolitik der chinesischen Führung waren große Produktionskapazitäten entstanden, deren Waren in aller Welt neue Abnehmer fanden. Wegen seiner geographischen Nähe und seiner hohen Kaufkraft hatte sich Westeuropa zum bevorzugten Abnehmer der chinesischen Produktion entwickelt. Der Ausdehnung des Warenabsatzes standen aber die begrenzten Verkehrsverbindungen im Wege. Dieses Problem wurde 2013 mit dem Projekt Seidenstraße in Angriff genommen.

Die Seidenstraße diente als zusätzlicher Vertriebsweg für chinesische Waren. Bisher hatten zum einen der Luftweg zur Verfügung gestanden, der sehr teuer war, wenn er auch schnelle Lieferung ermöglichte. Zudem verfügt China damals wie heute über keine nennenswerte eigene Flugzeugproduktion, so dass man in diesem Bereich der Logistik immer auf ausländische Anbieter angewiesen war.

Der Schiffsverkehr dagegen war wesentlich billiger, dauerte aber bedeutend länger. Hier hatte man inzwischen durch den Ausbau der Werften nach den strategischen Zielen der kommunistischen Partei eine logistische Unabhängigkeit erlangt. Aber der Schiffsverkehr war auf offene Routen im südchinesischen Meer angewiesen, die immer mehr durch das aggressive Auftreten der USA und deren Verbündeten gefährdet waren. Besonders die Straße von Malakka stellt ein gefährdetes Nadelöhr für den chinesische Seehandel dar.

In dieser Situation bot der Landweg durch Russland und die anderen befreundeten Staaten Zentralasiens eine recht sichere Alternative, die die Nachteile von Flug- und Seeverkehr ausglich. Der Ausbau der Landwege, besonders des Schienennetzes durch Asien nach Europa förderte nicht nur die eigenen Handels- und Absatzwege, er nutzte auch den Anliegerstaaten in ihrer Entwicklung, eine Win-Win-Situation nach chinesischen Vorstellungen.

Quellen und Anmerkungen

(1) Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) 24.2.2025: Der Wissenstransfer der Chinesen ist wichtig

(2) FAZ 2.4.2025: In den Docks von Changxing

(3) ebenda

(4) ebenda

(5) https://www.businessinsider.de/wirtschaft/schiffsbau-gigant-china-darum-uebertrifft-das-land-die-usa/

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Rüdiger Rauls ist Reprofotograf und Buchautor. Er betreibt den Blog Politische Analyse.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Wang An Qi / shutterstock


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