Chinas Handelsbilanzüberschüsse gegenüber den ehemaligen kapitalistischen Platzhirschen wachsen. Die Europäische Union und die USA verhängen Zölle gegenüber chinesischen Waren. Sie werfen der Volksrepublik vor, ihren Unternehmen durch Subventionen Vorteile zu verschaffen.
Ein Meinungsbeitrag von Rüdiger Rauls.
Gute und schlechte Subventionen
Dass China die Entwicklung eigener Unternehmen fördert, ist nicht von der Hand zu weisen. Im Rahmen seiner Fünfjahrespläne hat die Führung des Landes immer wieder auch strategische Ziele festgelegt für die Entwicklung der eigenen Wirtschaft wie beispielsweise im Jahre 2001 die massive Förderung des Schiffsbaus. Diese strategischen Ausrichtungen waren auch immer verbunden mit finanziellen und sonstigen Unterstützungen der Unternehmen zur Erreichung dieser Ziele. Wie anders hätten sonst solche Vorgaben erreicht werden können?
Das ist aber nicht nur in China so. Auch der Aufbau einer europäischen Flugzeugindustrie war erst möglich geworden aufgrund massiver politischer und finanzieller Förderung. Im Jahr 1970 verabredeten Deutschland und Frankreich die Gründung der Airbus Industries als Gemeinschaftsunternehmen. Später kamen Spanien und Großbritannien hinzu. Die Staaten trugen das Risiko des Unternehmens mit. Wenn auch inzwischen Aktiengesellschaft so sind bis heute die Staaten als weiterhin an dem Unternehmen beteiligt.
Ohne die massive staatliche Förderung wäre diese Entwicklung unwahrscheinlich gewesen. Nicht zu Unrecht erhoben damals die USA gegenüber den europäischen Staaten dieselben Vorwürfe wie heute die Europäer gegenüber China. Denn so lange die Maschinen von Airbus aufgrund ihrer Produktionskosten nicht konkurrenzfähig waren, hingen sie am Tropf staatlicher Zuwendungen. Worüber also regen sich die Europäer auf? Dass die Chinesen zur Förderung ihrer Wirtschaft ähnliche Wege gehen wie die Europäer? Als europäische Flugzeuge dann konkurrenzfähig geworden waren, taten sie dasselbe, was man heute den Chinesen vorwirft: Sie exportierten. Nach Jahrzehnten ist das Unternehmen selbsttragend und drängt mit seinen ehemals subventionierten Flugzeugen auf die Weltmärkte.
Die sich heute über die chinesischen Subventionen ereifern, haben selbst über Jahrzehnte ausgiebig subventioniert. In Deutschland hatte über Jahre sogar die staatstragende FDP immer deren Abbau angemahnt, da sie Wirtschaftsbereiche am Leben hielten, die international nicht mehr überlebensfähig waren. So hatten die deutschen Verbraucher über 20 Jahre einen Kohlepfennig über den Strompreis entrichten müssen, um den deutschen Kohlebergbau weiterhin am Leben zu halten. Dabei war die deutsche Steinkohle schon lange gegenüber den Preisen am Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig. Es floss also weiterhin Geld in einen Wirtschaftsbereich, der ohne diese Subventionen nicht mehr überlebensfähig war.
Alte und neue Subventionen
Über Jahrzehnte hatten die EU und ihre Einzelstaaten mit Zuschüssen die Entstehung von Butterbergen, Milch- und Weinseen gefördert. Sie füllten Kühlhäuser mit der europäischen Überproduktion an Fleisch und anderen landwirtschaftlichen Produkten. Die Subventionen dienten nicht nur dem Lebensunterhalt der Erzeuger. Sie hielten auch die Preise im Inland hoch. Gleichzeitig wurde mit ihnen der Export gefördert durch die Finanzierung von Transportkosten, Lagerhaltung und vor allem durch Zuschüsse zur Vermarktung in anderen Ländern. Die Folge war nicht nur ein hohes Preisniveau für die europäischen Verbraucher, sondern auch Preisdumping auf den Exportmärkten.
Mit Abwrackprämien sollte nach der Finanzkrise von 2007/2008 die europäische Autoindustrie vor Absatzeinbrüchen durch die Kaufzurückhaltung der Kunden geschützt werden. Dazu zahlten die europäischen Staaten eine Subvention bei jedem Kauf eines Neuwagens bei gleichzeitiger Verschrottung eines gebrauchten.
Als die Kids von Fridays for Future den Altvorderen im politischen Westen auf die Pelle rückten mit ihren Zukunftsängsten wegen des sogenannten menschengemachten Klimawandels, machten auch die politisch Verantwortlichen in Klimarettung. Unter anderem wurde der Kauf von Elektrofahrzeugen durch Prämien gefördert, was nichts anderes war als eine weitere Subventionierung der Autoindustrie. Das Konzept aber ging nicht auf, weil es übers Knie gebrochen war.
Die Infrastruktur war mangelhaft, die Reichweiten ungenügend und nach den Sanktionen gegen Russland mit ihren explodierenden Strompreisen fehlten dann auch die Käufer. Milliarden waren versickert. Ähnlich erging es den Fördermilliarden für den Aufbau einer europäischen Chip- und Batterieproduktion. Die europäischen Staaten und Europäische Union stellten Milliarden zur Verfügung in Konkurrenz zum amerikanischen Chips-Act und dem IRA(Inflation Reduction Act).
Es begann ein Subventionswettlauf zwischen den USA und der EU, um investitionswillige Unternehmen in den eigenen Wirtschaftsbereich zu locken. Aber all das war getrieben von dem Hirngespinst, von Chinas Produkten unabhängig zu werden wie auch von den russischen Energielieferungen. Wie wenig durchdacht diese Pläne waren, zeigen die Pleite des Batterieherstellers Northvolt und die Aussetzung ihrer Investitionsvorhaben durch Intel, Wolfspeed und anderen. Die Abhängigkeit von russischen Energieversorgern wurde ersetzt durch die Abhängigkeit von anderen Energielieferanten, die nicht unbedingt zuverlässiger waren.
Wer kein Gas und Öl im eigenen Boden hat, ist immer abhängig von Lieferanten. Auch im Falle der Ansiedlung moderner Industrien waren die Voraussetzungen nicht geschaffen, als die Projekte aus dem Boden gestampft wurden. Nur das Geld war da und floss in Strömen – weitgehend unkontrolliert. Die die Staaten haben Verbindlichkeiten auf sich genommen, die die Haushalte noch über Jahre belasten werden, statt die in Aussicht gestellten Steuererträge zu erwirtschaften.
Chinesische Subventionen
Die Unterstützung von Unternehmen in der Volksrepublik folgt einem durchdachten Vorgehen in Form von Fünfjahresplänen. Sie sind auch nicht Wesen sozialistischer Wirtschaft, nicht die Gängelei durch eine ineffiziente Bürokratie. Fünfjahrespläne waren vielmehr besonders in der Sowjetunion und im gesamten sozialistischen Lager eine Notwendigkeit aufgrund der knappen Ressourcen und Devisen. Sie waren eine Abwägung zwischen den Zielen, die man erreichen wollte, und den Mitteln, die dafür zur Verfügung standen. Das war der Unterschied zum politischen Westen, der das Geld mit vollen Händen aus dem Fenster werfen kann. Dazu braucht es keinen Plan.
Im heutigen China haben die Fünfjahrespläne einen anderen Charakter. Sie sind nicht mehr die Verwaltung des Mangels; heute stellen sie die als förderungswürdig erachteten Entwicklungen in den Vordergrund. Es geht um strategische Ausrichtungen. In den Fünfjahresplänen spiegeln sich die wirtschaftlichen Aussichten wider, mit denen Führung und Gesellschaft die eigene Entwicklung gestalten wollen. Es geht um die Konzentration auf die Ziele für die Zukunft. Dabei vermeidet planvolles und durchdachtes Handeln unnötige Verluste an Zeit, Kapital und Arbeitskraft. Der Plan soll Stückwerk vermeiden.
Für China liegen die Prioritäten für die nächsten fünf Jahre auf der Förderung einer „hochwertigen qualitativen Entwicklung der Produktivkräfte“. Ging es bei der Initiative des letzten Fünfjahresplans „Made in China 2025“ um die Ausweitung und Verbreiterung der Produktionsgrundlagen, so steht nun nicht mehr die Werkbank im Vordergrund, sondern Hochschule und Hochtechnologie. Es geht um das Erreichen hoher Qualifikation in Wissenschaft und Forschung, hoher Qualität in Technik und Produktion und die damit verbundene höhere Wertschöpfung der Arbeit. Chinas neue Ziele sind eine führende Stellung in wesentlichen Bereichen von Wissenschaft, Technik und Zukunftstechnologien. Man will die Maßstäbe setzen.
Die massive Förderung und Subventionierung des Schiffsbaus seit dem Beschluss von 2001 hat China an die Spitze dieses Industriezweigs weltweit geführt. Nirgendwo wird mehr Tonnage hergestellt als auf chinesischen Werften und nirgendwo ist die Tonne billiger als in der Volksrepublik. Die Subventionen haben sich ausgezahlt, indem sie einen einträglichen Wirtschaftszweig schufen, der nach der anfänglichen Unterstützung durch den Staat, nun den Staat unterstützt durch seine Steuerzahlungen aus den erwirtschafteten Erträgen. Der deutsche Kohlepfennig dagegen subventionierte eine überholte Industrie. Der wirtschaftliche Niedergang wurde mit erheblichen Mitteln verzögert, nicht aufgehalten.
China fördert gezielt Unternehmen, die in den Zukunftsindustrien investieren und dort Maßstäbe setzen. Diese Zukunft sieht die chinesische Führung in der Informationstechnologie, der Künstlichen Intelligenz, der pharmazeutischen Industrie, der Softwareentwicklung, dem Ausbau von Kommunikationsnetzen und Cloudsystemen, aber auch der Quantentechnologie, der Robotertechnik und ganz besonders in der Chipherstellung. Das sind nach Ansicht der chinesischen Gesellschaft die Zukunftsfelder, und dorthin fließen die Mittel, um den Fortschritt zu beschleunigen.
Geld allein genügt nicht
Dass Geld allein nicht den Erfolg verbürgen kann, zeigen die Hunderte von Milliarden, die die USA und Europäer einsetzten, um sich gegenseitig Unternehmen mit ihrer Spitzentechnologie abspenstig zu machen. Die Unternehmen nahmen die Subventionen gerne an, aber wie unter anderem Northvolt zeigt, liegt der Erfolg nicht allein in den Subventionen. Sie müssen auch sinnvoll eingesetzt werden. Die Staaten des Westens subventionieren ihre Unternehmen ebenso wie China. Wenn der Westen aber der Volksrepublik ihren Erfolg zum Vorwurf macht, dann bedeutet das ja nur, dass die chinesischen Subventionen wirkungsvoller eingesetzt wurden als die westlichen.
Die Führungspostion der Chinesen bei den alternativen Energieerzeugern, der Batterietechnik und den Elektroautos fiel ihnen nicht in den Schoß, sondern ist Ergebnis eines langen, beharrlichen und sinnvollen Aufbauprozesses, in dem sehr viel Erfahrung, wissenschaftliche und technische Grundlagen erworben und Produktionskapazitäten errichtet wurden. Mit Geld allein kann das nicht gewährleistet werden. Dazu muss auch ein angemessenes Umfeld geschaffen werden.
Zur Erfüllung der neuen Ziele beschleunigt zum Beispiel die Provinz Guangdong die Förderung von Talenten der künstlichen Intelligenz (KI). An sechs Universitäten wurden Zukunftslernzentren eingerichtet und an 51 Universitäten 348 moderne Industriehochschulen gegründet, die in den letzten Jahren mehr als 214.000 Studierende ausbildeten. „In Guangdong gibt es mittlerweile mehr als 10.000 Bachelor-, Master- und Doktoranden, die integrierte Schaltkreise und verwandte Bereiche studieren“(1). Das entspricht einer Vervierfachung seit 2022.
Trotz aller Behinderungen besonders durch die USA hat die Volksrepublik ihren Rückstand auf die führenden Nationen in der Herstellung moderner Hochleistungschips inzwischen auf nur noch ein Entwicklungsjahr verkürzen können, wie die neusten Produkte von Huawei und Loongson zeigen. Diese sind chinesische Eigengewächse und vollkommen unabhängig von westlichen Lizenzen und Lieferketten. Dank umfassender Förderung durch politische Unterstützung und Subventionen schreitet deren Entwicklung rasant voran.
Ein weiterer Schwerpunkt chinesischer Strategien ist der massive Ausbau der Künstlichen Intelligenz, die in immer mehr Produkten und Fertigungsverfahren zum Einsatz kommt. Diese wird im Produktionsbereich ergänzt durch Roboter für alle möglichen Anwendungsbereiche. Dadurch sinken die Produktionskosten. Der Einsatz von Robotern lässt sogar in der Landwirtschaft die Erträge wachsen und hilft, die Ernährungsgrundlage des Landes abzusichern. Digitalisierung mit massivem Ausbau und Einsatz von KI ist einer der entscheidenden Konkurrenzvorteile der chinesischen Wirtschaft.
Welch hohen Stellenwert ihr in China beigemessen wird, wird an ihrem Maß der Durchdringung der Produktion, aber auch der Förderung der Wissenschaft deutlich, wo „China bei der Anzahl der veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema KI die USA überholt habe und weltweit den Spitzenplatz einnehme“(2). Die Grundlage dieser Entwicklung ist nicht das Geld, sondern die Kreativität der chinesischen Bevölkerung.
Das Land verfügt über etwa 10 Millionen Softwareentwickler. „Chinas Anteil an Softwareentwicklern weltweit übersteigt seinen Anteil an Internetnutzern. Dies zeigt die Stärke unserer digitalen Talentbasis und ihre zentrale Rolle bei der Gestaltung der Zukunft der digitalen Wirtschaft“ (3). Dagegen können die Beschlüsse der EU-Kommission, aber auch Trumps Zölle oder Exportverbote auf Dauer wenig ausrichten.
Quellen und Anmerkungen
Rüdiger Rauls ist Reprofotograf und Buchautor. Er betreibt den Blog Politische Analyse.
(1) Chinadaily vom 26.6.2025 Guangdong erweitert seine Bildungsressourcen
(2) Chinadaily vom 25.6.2025: Nation an der Spitze der globalen KI-Fortschritte
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bild: Ausstellung der chinesischen Automarke Hongqi in Peking
Bildquelle: Jenson / shutterstock
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