Ein neues Märchen für den kriegstauglichen Kindergarten
Ein Meinungsbeitrag von Wolfram Elsner.
Imperialer Niedergang und Systemumbau
Die hoffentlich letzte „einzige Weltmacht“ der Menschheitsgeschichte ist im unvermeidlichen und umfassenden Niedergang, und mit ihr ihr Trabantensystem um EU, Japan; Australien und andere. Den Prozess zu einer neuartigen Weltstruktur mit größerer Gleichberechtigung und Multipolarität will das Ex-Hegemonialsystem, das noch etwa 14% der Weltbevölkerung repräsentiert, allerdings unter keinen Umständen hinnehmen.
So wurde das Modell der hybriden Kriege gegen die zu den neuen Feinden erklärten Aufsteiger entwickelt, der kombinierte Einsatz aller bekannten einzelnen Kriegsformen, der militärischen, geheimdienstlichen, politischen, wirtschaftlich-finanziellen und medialen Kriege. Aufstiege hatte man unter dem Hegemonialsystem über Jahrzehnte verhindern können. Deutschland, Südkorea, Taiwan, Singapur hatte man zuvor als „friendly fire“ akzeptiert, Japan hatte man nachhaltig wirtschaftlich wieder niedergeworfen, bei China, Russland, Iran und anderen gelang es aber nicht mehr, und es gelingt täglich immer weniger.
Für die hybriden Kriege muss nun auch das eigene System umgebaut, müssen die Institutionen der Herrschaft reorganisiert werden. Freundliche, liberal erscheinende parlamentarische Vertreterdemokratien waren gestern, denn es wird nun überall eng fürs imperiale System. Offene (wenngleich weitgehend privatisierte) Zensur und Verfolgung von Nichtkonformen, betreutes Denken und strafbewehrte Einheitsmeinung zwischen immer engeren Leitplanken, Gleichschritt in umfassende Kriegsvorbereitung und Polizeistaats-Gewaltexzesse sind nun die dominanten Entwicklungen im Kollektiven Westen.
Es herrscht der neue MIMPIK, der Medial-Industriell-(Finanziell)-Militärisch-Politisch-Intellektuelle Komplex (1). Dessen Wesen ist es, die lange geplanten neuen Kriege vorzubereiten, zu begründen und zu begleiten und mit allen möglichen Zwischenfällen, einheizenden Fakes und Narrativen sein Publikum in einer neuen regressiven Kindermentalität des „Gut gegen Böse“, des Hasses und der Kriegs- und Gewaltgeilheit gefangen zu nehmen.
Neuestes Narrativ fürs naive Publikum
Seit Wochen wird nun eine weitere Sau durchs imperiale Dorf (unter seiner medialen Käseglocke) gejagt: Chinesische „Überkapazitäten“. Das Märchen geht so: China subventioniert seine Firmen derart, dass sie die Produktion beliebig ausweiten können, zu Dumpingpreisen „die Weltmärkte“ „überschwemmen“ und die „gute“, „anständige“ „Markt“-Wirtschaft des „freien Westens“ zerstören.
Beim heutigen umfassend dequalifizierten Politpersonal in Berlin, Brüssel und Washington ist dabei zu befürchten, dass sie uns gar nicht mehr nur für dumm verkaufen wollen, wie früher, sondern dass sie selbst gar nicht mehr begreifen, wovon sie reden. Ihre eigene Ökonomie haben sie ja erkennbar bereits gar nicht mehr begriffen.
Die US-Finanzministerin Yellen spielte die Melodie beim Besuch in Beijing im April 24 an, Außenminister Blinken repetierte beim Besuch Beijings drei Wochen später, und der Chor der Adlaten, der Leyens, Baerbocks, Scholzens & Kumpanie hatten ihre Texte inzwischen auch erhalten und plapperten beflissen nach.
Nach 30 Jahren relevanter chinesischer Exportüberschüsse haben sie nun, wo die relative Bedeutung des chinesischen Exportüberschusses (gemessen am chinesischen Sozialprodukt) vom Höhepunkt 2007 (8,7%) kontinuierlich und geplant auf nun 3-4% (mit den erklärten Ziel „Ausgleich“) gefallen ist, (2) „Überkapazitäten“ entdeckt. Inzwischen darf jeder seinem Bauchgefühl freien Lauf lassen: „Chinesische Überkapazitäten, eine Gefahr für die Welt“ … was sonst!?
„Überkapazitäten“ I: Jäger und Sammler
Als sich vor 30.000 Jahren der Osterholzer Clan und der Westerholzer Clan in den weiten norddeutschen Ästuar- und Überschwemmungs-Gebieten auf einem neutralen und trockenen Fleck inmitten der Marschlandschaften trafen, einer 8m hohen Sanddüne aus der vorletzten Eiszeit, auf der später der Bremer Dom stehen sollte, tauschten sie z.B. Nüsse gegen Bärenfelle. Sie konnten das nur, weil beide Gruppen „Überkapazitäten“ entwickelt hatten: Die einen in der Technik, Nüsse zu finden, zu sammeln, aufzubereiten und trocken zu lagern, die anderen darin, den Höhlenbär zu jagen und sein Fell aufzubereiten.
Sie hatten sich also spezialisiert, konnten damit Effektivitätsgewinne erzielen, mussten nun aber auch tauschen. Und auch dabei schon ging es nicht nur um statischen Austausch und punktbezogene Austauschrelationen („Preise“), es ging (den Altsteinzeitlern natürlich unbewusst) um ihre dynamischen Fähigkeiten in ihren Spezialisierungen. Der Begriff „Kapazität“ hat ja bis heute neben der Bedeutung eines statischen Produktionspotentials immer auch die Bedeutung der dynamischen „Leistungsfähigkeit“, „Capacity“, ein Faktor zukünftiger Entwicklung. (3)
Jede Spezialisierung, jeder Produktivitätsgewinn, jeder Austausch setzt also „Überkapazitäten“ auf beiden Seiten voraus, die besondere Fähigkeit, etwas herstellen zu können über den eigenen Bedarf hinaus. Das gilt im Kleinen, Alltäglichen, Zwischenmenschlichen bis hin zum internationalen, staatliche Grenzen überschreitenden Handel.
Wir können uns gar nicht vorstellen, wo die Welt stünde, gäbe es keine „Überkapazitäten“. „Wir“ stünden vermutlich unterhalb der Schwelle von Einzellern, denn schon Eukaryoten können „ich“ und “du“ sowie „gleich“ und „anders“ unterscheiden, gewisse Spezialisierungen generieren, Arbeitsteilungen, Kooperationen und Symbiosen eingehen. So demonstrieren sie bereits „Überkapazitäten“. Und selbst die Zellteilung, die eigene Verdopplung, Fortpflanzung, geht über den bloßen Prozess des Existierens und allmählichen Absterbens hinaus, eine Art „Überkapazität“, das Leben zu erhalten.
Baerbock, Harbeck, Scholz, Leyen, Biden, können Sie folgen?
„Überkapazitäten“ II: David Ricardo, Komparative Kostenvorteile
Als der bürgerliche englische Ökonom David Ricardo 1817 (4) die bürgerliche Theorie des internationalen Handels begründete, sprach er faktisch von „Überkapazitäten“ bei beiden handelnden Ländern. Er nannte sie „komparative Kostenvorteile“. England war (in seinem Beispiel) sowohl in der Textilproduktion wie in der Agrarproduktion absolut teurer als Portugal, konnte aber relativ zur Agrarproduktion industrielle Güter mit seinen verfügbaren Ressourcen günstiger herstellen, also durch Verlagerung von Ressourcen von der Agrar- in die Industrieproduktion das Sozialprodukt steigern, während es sich bei Portugal umgekehrt verhielt. Damit aber waren sie gezwungen, ihre Spezialisierungsgüter gegen die der anderen handeln. Beide sparten Ressourcen bzw. steigerten das Sozialprodukt, wenn sie sich spezialisierten und „Überkapazitäten“ in den Bereichen generierten, in denen sie „komparative Kostenvorteile“ hatten.
Der kluge Ökonom Ricardo war aber auch ein schlitzohriger englischer Kapitalist und Börsenjobber, der die schon bestehende internationale Arbeitsteilung zwischen dem industriell schon weit entwickelten England und den Rohstoffe und Nahrungsmittel billig liefernden Entwicklungsländern und Kolonien rechtfertigen und verewigen wollte. Deshalb blieb sein Modell statisch. Und genau deshalb war die Theorie des „Hausökonomen“ des preußischen Aufsteigers und Konkurrenten Englands, Friedrich List, perspektivisch, dynamisch, nämlich entwicklungspolitisch. (5) Bei Ricardo also keine Option für den „Globalen Süden“, sich durch Eigenentwicklung dynamischer Fähigkeiten (also von „Überkapazitäten“ auf immer höherer Wertschöpfungsstufe) am eigenen Schopf in eine fortgeschrittene Industrialisierung und entlang der internationalen Wertschöpfungsketten aufwärts in einen Aufholprozess zu ziehen.
Auch die später theoretisch berücksichtigte Dynamisierung von Produktivkräften, die Mobilisierung von sog. Skalenersparnissen (Economies of Scale) im Zuge einer Spezialisierung, rechtfertigte im bürgerlichen ökonomischen „Mainstream“ weiter die Oligopolisierung und Monopolisierung (Kostenvorteile der Größe) des exklusiven imperialen Clubs, und damit übrigens auch der zunehmenden Renteneinkassierung durch die Beherrscher der kolonialen und neokolonialen Dominanzstrukturen.
Aufstiege von Ländern, wie später v.a. der Sowjetunion und Chinas, oder der Wiederaufstieg Russlands unter Putin, waren in der bürgerlichen Theorie der Außenwirtschaft also nie vorgesehen. Die kolonial-imperiale internationale Spezialisierungsstruktur sollte aus angelsächsischer Sicht auf ewig festgeschrieben bleiben. Dass sich ein Land mit Eigenanstrengung und kollektivem Lernen in den internationalen Wertschöpfungsketten nach oben arbeitet, war im westlichen Weltbeherrschungskonzept theoretisch und praktisch unerlaubt und wurde bekämpft, heute mit den Mitteln des hybriden Krieges und der Farben-Konterrevolutionen. Der verzweifelte Abstiegskampf des Ex-Hegemons gegen eine aufwachende Welt findet soeben vor unseren Augen statt.
„Überkapazitäten“ III: Dynamischer Strukturwandel und nationaler Aufstieg
Ein Land, das beginnt, aus der Reihe der neokolonialen „Werte- und Regel-Ordnung“ zu tanzen (in der es wie gesagt, mit wenigen Ausnahmen, jahrzehntelang ja keine Länderaufstiege mehr gegeben hatte) und sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, muss eine gezielte und langfristige soziale und ökonomische Dynamik generieren. Der umfassende Strukturwandel, den es dazu organisieren muss, besteht aus der Schaffung von „Überkapazitäten“ auf höheren Stufen der Wertschöpfung („Zukunftsbranchen“) sowie der Vernichtung von rückständigen und umweltschädlichen alten „Überkapazitäten“ („Altindustrien“). China z.B. hat in den letzten 15 Jahren Überkapazitäten in ökorelevanten Technologien und Produkten aufgebaut und gigantische alte „Überkapazitäten“ in Kohlebergbau, Kohleverstromung, Stahlproduktion und anderen alten Industrien stillgelegt. (6)
Deutschland dagegen denkt schon seit Kohl, Schröder und Merkel nicht im Traum daran, seine weltweit relativ größten Überkapazitäten, nämlich in der Verbrennertechnologie, seine jahrzehntelange „Überschwemmung“ der Weltmärkte mit Verbrennern, die Überproduktion einer jahrzehntelang von allen BundeskanzlerInnen geschützten und gepamperten „Flaggschiff“-Industrie, abzubauen. Im Ergebnis eines fast zum Stillstand gekommenen Strukturwandels in diesem Sektor läuft jetzt die deutsche Automobilindustrie den Entwicklungen zu neuen Mobilitätsformen (E-Vehikel (EV), Wasserstoff, Solarplatteninduktion u.v.a.) technologisch (und preislich) hinterher.
Einer der ökonomischen Stars in den Sonntagsreden der früheren, noch hoffnungsfrohen Zeiten des Neoliberalismus, Joseph Schumpeter, nannte das Ganze „schöpferische Zerstörung“. Solange aber die Länder des Globalen Südens genau diese den „Märkten“ des monopolaren Systems überlassen mussten und deren Drecksproduktionen zu übernehmen hatten, bestand für sie keine Chance zum Aufstieg.
Dass der Globale Süden, einschließlich der antihegemonialen Länder der Nordhalbkugel, dies nun selbst in die Hand nimmt, wird ihm nicht verziehen, sie werden mit Krieg, Kriegsdrohungen und Sanktionssystemen überzogen.
„Überkapazitäten“ IV: „Intraindustrieller Handel“
Der exklusive Club passte seine Außenhandelstheorie weiter an, so dass sie die Handelsentwicklungen der Nordhalbkugel in ihren besten „liberalen“ oligopolistischen Zeiten weiter abbildete. Arbeitsteilung und Spezialisierungen zwischen den fortgeschrittensten kapitalistischen Ländern und ihren zu engen Oligopolen entwickelten Hauptindustrien wurden immer kleinteiliger. Von nationalen „komparativen Vorteilen“ zwischen großen Sektoren und Gütergruppen hin zur Konkurrenz und gegenseitigen Markteroberungen durch internationale Konzerne. In den guten, expansiven 3-4 Jahrzehnten nach 1945 konnte man hier noch untereinander großzügig sein. Aber wie war es nun zu erklären, dass Autos, Maschinen, Konsumgüter in beide Richtungen transportiert wurden? Arbeitsteilung? Spezialisierung?
Die ökonomische Theorie folgte und „erklärte“, dass in letzter Konsequenz ein amerikanisches Ford-Auto eben nicht dasselbe ist wie ein deutscher Mercedes. Durchschnittseuropäer kaufen gerne das erste, wohlhabende Amerikaner das zweite. Diese konzernbestimmte „Spezialisierung“-Struktur war auch in der kleinteiligsten herkömmlichen statistischen Güterklassifikation nicht mehr vorgesehen. Am Ende waren der Ford, der Mercedes, also die Marke der Firma und deren einzelne Modelle je eine eigene Güterkategorie, nicht mehr völlig substituierbar durch ein Produkt mit zwar gleicher Funktionalität aber anderer Marke und Modellvariante, anderem Design und anderer Symbolik. Das „Mainstream“-Lehrbuch nannte das „intraindustriellen Handel“.
Monopolistische Konkurrenz bestand nun also aus den „Überkapazitäten“ der internationalen Konzerne, und „intraindustrieller Handel“ bildete ihre Überakkumulation und Überproduktion ab, und die gegenseitige Eroberung der Heimatmärkte der anderen im „freien Markt“. Internationale monopolistische Konkurrenz als bürgerliche Außenwirtschafts-Theorie. Das waren natürlich gute „Überkapazitäten“.
„Überkapazitäten“ V: „Exportweltmeister“ Deutschland kritisiert Chinas Außenhandel
Natürlich blieb sogar innerimperial nichts davon allzu lange eitel Sonnenschein. Schon Mitte der 1970er war die kollektive Nachkriegs-Erholung vorbei, der Konkurrenzkampf wurde schärfer, die innerimperialistischen Gewichte hatten sich verschoben, der Hegemon begann, sich wirtschaftlich zu überdehnen und auf Pump vom Rest der Welt zu leben. Die USA verloren die Machtsäule „Industrie“ und stellten ihr Modell um auf die drei Säulen Militär, Dollar/Wall Street und Hollywood. Der Neoliberalismus beschleunigte die Widersprüche, und schon die 1980er sahen immer häufigere (Finanz-)Krisen.
Deutschland hatte sich allmählich zum wirtschaftlichen Hauptkonkurrenten des Hegemons entwickelt und wurde über Jahrzehnte, insbesondere nach Japans erzwungenem Übergang vom Entwicklungsmodell zum Neoliberalismus (im Plaza Accord 1985) und seine nachfolgende Dauerkrise, in den 2000ern und 2010ern einer der wichtigsten Exporteure der Welt, mit Spitzenwerten der Relation der Exporte zum Sozialprodukt von 7,6% (2015). (7) Der deutsche Höhenflug wurde erst mit Corona (2022) und dem nachfolgenden anhaltenden Krisenmodus der Weltwirtschaft, aber auch durch die Spätfolgen der jahrzehntelangen besonders dogmatischen neoliberalen Austeritäts- und Aussitzer-Politik der Kohl, Schröder, Merkel, sowie danach mit dem Ukraine-Krieg und der Zerschlagung der eurasischen Wirtschaftsbeziehungen mit Russland, durch die USA nachhaltig beendet.
Bis dahin war Deutschland unangefochtener Exportweltmeister. Mit einem Weltbevölkerungsanteil von 1,1% und einem Weltexportanteil von 7,3% (2021), (8) hatte es „Überkapazitäten“ vom Faktor 6,6. Für die USA (Weltbevölkerungsanteil 4,3%, Weltexportanteil 7,9%) ist der „Überkapazitäten“-Faktor noch 1,8. China hat bei einem Weltbevölkerungs-Anteil von 18,5% und einem Weltexport-Anteil von 15,5% einen „Überkapazitäten“-Faktor von 0,8.
Wer also bitte hat hier „Überkapazitäten“ und „überschwemmt“ „den Weltmarkt“ mit seinen Produkten?
„Werte“-imperialistisch bedeutet der mehr als achtmal so große Faktor der deutschen „Überkapazitäten“ natürlich gute, die kleineren chinesischen dagegen böse „Überkapazitäten“. Frau Baerbock kann Ihnen das erklären.
Bei „freier Marktwirtschaft“, „freiem Wettbewerb“ und „offenem Welthandel“ war natürlich sofort Schluss mit lustig, als der erste Praxistest, der Wettbewerb von einem ehemaligen Underdog kam … Was fällt denen ein!
„Joe, the Donald“ (9): Verschärfte Abschottung, Vervielfachung der Zollsätze
Natürlich waren die praktischen Konsequenzen der faktenfreien medialen Märchenkampagne längst geplant und vorbereitet. „Biden, the Trump“ hatte ja keine einzige von Trumps früheren Maßnahmen zur geplanten Spaltung der Welt in zwei Teile aufgehoben, viele aber verschärft und ausgeweitet.
Nun kam also die Vervielfachung einer ganzen Serie protektionistischer Zölle, pikanterweise insbesondere auf diejenigen chinesischen Produktgruppen, die für die globale Klimawende unabdingbar sind, u.a. EVs, Solarpaneele, Speichertechnologien (Batterien), Rohstoffe, Materialien, intelligente Steuerungen und Anlagen für Wind- und Wasserkraft u.v.a.m. Der Zollsatz für EVs allein wurde von 27% auf 100% erhöht.( 10) Die EU zieht nun, mit von der Leyens politisiertem „Anti-Subventions-Prüfverfahren“ lange vorbereitet, trotz Warnungen aus der EU-Autoindustrie selbst, natürlich sofort nach und erhebt Zölle auf die öko-relevanten chinesischen Produktgruppen in Höhe von 27 bis 48%.
China wird sich, ökologisch korrekter, revanchieren mit Zöllen auf EU-Schweine-Industrie (ohne Doppelsinn!), US-Agrarexporte und EU-Verbrennerfahrzeuge, die ohnehin nichts mehr zu suchen haben in China.
Nach allen Studien, die schon nach Trumps Zollerhöhungen 2017 durchgeführt wurden, ist angesichts der Nicht-Substituierbarkeit der chinesischen Produkte durch (nicht vorhandene) westliche Produkte (technisch: die geringe „Preiselastizität“ der Nachfrage nach chinesischen Gütern) die Verbraucherin die Leidtragende der Weltspaltung durch USA-EU. Sie zahlt die höheren Zolleinnahmen, eine gigantische Umverteilung von den Privathaushalten in die Staatskasse. (11)
Die globalen Wertschöpfungsketten lassen sich ohnehin nicht so einfach zerschlagen, wie westliche Laien-Politikdarsteller fantasieren. Produkte aus Drittländern sind nach wie vor voll mit chinesischen Zulieferkomponenten, chinesische Produkte werden auch in Drittländern hergestellt, einschließlich der EU (Ungarn), und betroffen sind von den EU-Zöllen ohnehin auch die Re-Importe aus China von deutschen Herstellern. Die noch „erlaubten“ Importe der USA und EU aus Drittländern sind also voll mit chinesischen Zulieferteilen. (11) Viel Spaß dabei, diese globalen Arbeitsteilungen der „zweiten Ebene“ auch noch zu zerschlagen!
Der clevere Trump scheint entgegen der Berlin-Brüsseler Einheiz-Meinung noch eine gewisse Restrationalität zu besitzen: Er lädt für den Fall seiner Präsidentschaft chinesische Autohersteller ein, in den USA zu produzieren. Hatte schon bei Japan seit den 1980ern funktioniert.
Der hybride Krieg gegen China wird natürlich parallel auch mit anderen Mitteln geführt: Biden will das erfolgreiche und wertvolle TikTok enteignen und ins Eigentum der Wall-Street-Billionäre überführen, von der Leyen kann den Wirtschaftsrowdy genauso gut wie der Ami und lässt mal eben im Morgengrauen die Geschäftsräume chinesischer Staatsunternehmen in Polen und den Niederlanden überfallen. (13) Fortsetzungen enthemmter Symbolpolitik werden folgen.
Weitere Fakten zum Außenhandel
Der chinesische Außenhandel entwickelte sich seit der in China beschlossenen Verabschiedung vom Export-Modell Mitte der 2010er in Richtung eines kleineren Anteils am eigenen Sozialprodukt, während Deutschland unverändert an der Nadel des Exportüberschusses hängt, unfähig zur strukturellen Korrektur seines Nachkriegs-Wachstumsmodells. Chinas Exportanteile an der eigenen Produktion sind also wesentlich kleiner als die Deutschlands und der meisten führenden kapitalistischen Länder (s.o.).
Von den verteufelten chinesischen EVs z.B. gehen über 88% in den eigenen Markt, nur 12% werden überhaupt exportiert. (14) Der zum Weltuntergang stilisierte chinesische EV-Export in die EU macht gerade mal 8% des EU-Automarktes aus. (15) Und während deutsche und internationale Autohersteller und ihre Joint Ventures immer noch fast 50% des chinesischen Automarktes bedienen und deutsche Hersteller 30-40% ihres globalen Absatzes in China verkaufen, (16) spricht in China niemand von der „Überflutung durch ausländische Angreifer“. Untergangspanik versus Zukunftsoptimismus.
Ein Großteil der chinesischen Exporte („Überkapazitäten“) ist wie gesagt Export westlicher Firmen in den Westen, “also unsere eigenen Exporte, die nur aus China geliefert werden.” (17)
Und China hat außenhandelsmäßig gegen den westlichen Weltspalt-Pilz vorgesorgt, v.a. durch eine erhebliche Entwicklung seiner Binnenwirtschaft. Chinas Exporte in die USA z.B. haben heute eine geringere Bedeutung für Chinas Sozialprodukt als früher. Bei Exporten von 427 Mrd. $ in die USA und bei einem Sozialprodukt (BIP) von 17.662 Mrd. $ (beide 2023) machen sie einen BIP-Anteil von 2,4% aus (leicht mehr für die EU). (18) Selbst deren kompletter Wegfall durch eine westliche Total-Abschottung könnte China nicht mehr existentiell schädigen. Und die alternativen Absatzmärkte sind weit entwickelt. Ein weiteres Mal wird westliche Abschottung ein Schuss ins eigene Knie.
Chinas Außenhandel ist also heute krisensicherer aufgestellt, in Kooperation mit den verlässlicheren Partnern des Globalen Südens, den 150 Partnern der Neuen Seidenstraßen, der BRICS+, der SCO+, (19) der RCEP (20) und ASEAN, all den neuen Motoren der weltwirtschaftlichen Entwicklung und sich neu organisierenden Wertschöpfungsketten, mit neuen riesigen regionalen Wirtschaftsclustern entlang der Seidenstraßen. (21)
Chinas Handel mit dem Globalen Süden hat sich in den letzten vier Jahren verdoppelt. China importiert Afrikas erste Industrieprodukte, entwickelt dort produktive Kapazitäten und erlaubt dem Globalen Süden damit sogar schon industrielle Exporterfolge in die entwickelten kapitalistischen Länder. (22) Der „Weltmarkt“, der hier angeblich von China „überschwemmt“ wird, ist also nach dem eurozentristisch-angelsächsischen Weltbild nur der Markt des Kollektivwestens.
Kollektivwesten opfert die Klimawende, für den Kampf gegen China
Ein US-„Klimaberater“ im Weißen Haus behauptet nun allen Ernstes, China würde mehr Klimawende-Technologien herstellen als es globalen Bedarf gebe. (23) Er lebt nicht in diesem Universum.
Während der Kollektivwesten aufgrund des eigenen ökologischen Versagens und industriellen Niedergangs die „Überkapazitäten“ Chinas in den Klimawende-Technologien nun eigentlich umso dringender bräuchte, wird die Panik-Bremse gezogen, und das Klimawende-Kind gleich mit dem „Entkopplungs“-Badewasser ausgeschüttet. (24)
Da der Kollektivwesten bisher, systemisch bedingt, nicht mehr in der Lage war, Rohstoffe, Materialien, Produkte, Technologien, Energien und Infrastrukturen für seine Klimawende und die Erreichung seiner selbstgesetzten UN-Klimaziele 2030 und 2035 zu generieren, und bisher bereits offensichtlich weder die USA noch die EU (noch die anderen Vasallen, Japan, Australien …) ihre Klimaziele realisieren konnten, wird mit dem aktuellen Entkopplungs- und Abschottungs-Schlag nun, unübersehbar für die Welt, im Westen die Klimawende endgültig beerdigt. Denn sie wäre unbestritten nur mithilfe der chinesischen Ökowende-Technologien und -Produkte überhaupt noch zu retten gewesen. Stand der Ökomotor im Westen zuvor schon fast still, hat der Westen nun klimapolitisch endgültig in den Rückwärtsgang geschaltet.
Der Absatz von EVs z.B. ist im Westen schon wieder rückläufig, (25) weil z.B. unser hochqualifiziertes Berliner Politpersonal nur noch in Kriegsvorbereitung denkt, nicht aber daran, dass EVs auch eine Ladeinfrastruktur bräuchten. Sie haben nicht nur ihre eigene Ökonomie nicht begriffen, sie können auch nicht mehr auch nur halbwegs ganzheitlich, in komplexen Systemen, denken, planen oder gar handeln. Konsequentes und lange vorhergesagtes Ergebnis von vier Jahrzehnten neoliberaler Zerstörung von Staat und Gesellschaft. Infrastrukturen sind heute für das Berliner Parteienkartell nun nur noch von Bedeutung, wenn es um Panzertransporte Richtung Russland geht. Die Schienen und Brücken nach Osten werden repariert, die anderen vergammeln.
Chinas „Überkapazitäten“ entwickeln den Globalen Süden und ermöglichen die globale Klimawende
Chinas „Überkapazitäten“ in Klimawende-Produkten und -Technologien werden also nun im Kollektivwesten fehlen, der mit einer Klimawende mental, organisatorisch, staatlich, politisch und sozialpsychologisch überfordert ist.
Tatsächlich bedienen sie heute überwiegend den Globalen Süden, werten Afrika, Lateinamerika und Zentralasien auf, bringen sie an die Front der Klimawende und tragen so die globale Klimawende. Bis die Welt in der Lage ist, die Klimawende über alle neuen multipolaren Kooperations-Strukturen hinweg dezentral und selbstorganisiert zu bewältigen, sind die chinesischen ökologischen „Überkapazitäten“ der Anschub und wesentliche Voraussetzung des Überlebens der Menschheit. Und der Globale Süden würdigt es, dass nun wie in China erneuerbare Energie billiger wird als Kohle-, Öl-, Gas- und Atomstrom. (26)
Aber selbst chinesische Ökowende-„Überkapazitäten“ sind für die globale Klimawende unzureichend. (27) Das Ausbautempo der erneuerbaren Energien muss verdreifacht werden, um die globalen Klimaziele zu erreichen. (28) Die Internationale Energieagentur berechnet, dass sich z.B. auch der Absatz von Fahrzeugen mit neuer Energie (EVs und andere) global auf das 4,5-Fache von 2022 erhöhen muss, der PV-Paneelen-Absatz muss sich verzehnfachen, um die erklärten Klimaziele bis 2030 zu erreichen. (29)
China bleibt die Fabrik der Welt und ist nun zwar die grüne und nachhaltige Fabrik der Welt, wie Roland Berger sagt. (30) Aber dafür reichen auch die chinesischen „Überkapazitäten“ nicht aus.
Der Westen hat sich hier wie gesagt endgültig verabschiedet, dehnt den Verbrauch von Kohle, Öl und Gas wieder aus, und die CO2-Emissionen des Energiesektors wachsen weiter. (31) Der mögliche nächste US-Präsident Trump und seinesgleichen im Kollektivwesten, die Kohle-, Öl- und Gas-Finanzierer Wall Street, Banken, Schattenbanken und Europäische Investitionsbank sowie die westlichen Energie- und Stahlindustrien werden es feiern – und steuern.
Apropos „Subventionen“
Im Gegensatz zum Wertewesten forciert China die Klimawende nicht nur mit aller Macht sondern praktisch ohne betriebliche Subventionen. Während die USA die Welt z.B. mit höchstsubventionierten Agrarprodukten überschwemmen.
Washington hat mit seinem „Inflation Reduction Act“ mal eben 700Mrd.$ für Produktionsförderung und -ansiedlung in den Ring geworfen. Die EU hat einen Wiederherstellungs- und Resilienzfonds von 723Mrd.€ aufgelegt. Subventionen für grüne Projekte kommen aber auch aus EU-Strukturfonds, „Kohäsionsfonds“ und anderen Programmen. Und Deutschland ist seit jeher eines der Länder mit den höchsten Subventionsquoten. Offizielle betriebliche Subventionen betragen 2024 27Mrd.€. Aktuell werden EV-, Batterie- und Halbleiter-Ansiedlungen subventioniert, erhält Intel für Produktionsstätten in Deutschland 10Mrd.€, TSMC (32) 5Mrd.€, North Volt 0,7Mrd.€ usw.
In China dagegen wird z.B. die E-Mobilität, entgegen anhaltender Behauptungen der Brüssel-Berliner Laien-Medien-Bulle-Dick, seit 2019 überhaupt nicht mehr gefördert. Ebenso wenig Photovoltaik oder Batterien. Auch weil man dort früh erkannt hat, dass individuelle Elektromobilität längerfristig keineswegs das letzte Wort der Klimawende sein muss. Stattdessen ist China bereits das größte Zentrum der Wasserstoff-Produktion, -Versorgung und -Anwendung (H2-Straßenbahnen, -LKW, -Busse, -Lokomotiven, H2-betriebene Autofabriken …), der Induktions-Mobilität auf Solarplatten-Fahrbahnen u.a. (33)
China forciert Strukturwandel und ökologische Entwicklung anders als Deutschland, nämlich praktisch nur indirekt, z.B. über Bildung und Ausbildung seiner Arbeitskräfte. Vom Arbeiter bis zum Entwicklungsingenieur ist qualifiziertes Potential für die Klimawende vorhanden, das größer ist als das des gesamten Westens, ferner über öffentliche und halböffentliche Forschung und Entwicklung (FuE) und über die kostenlose Bereitstellung effektiver Infrastrukturen im weitesten Sinne (Verkehr, Energie, IT, Forschung, Weiterbildung, soziale Infrastrukturen …). Aber auch „soft“ über Zielangaben und Planungen und über entsprechende Informationsflüsse. National abgestimmte und transparente Ziele und Kooperations-Strukturen sind bekanntlich (außer bei den neoliberalen „marktlichen“ ChefideologInnen in Berlin und Brüssel) langfristig um ein Vielfaches produktiver als direkte betriebliche Subventionen.
Die EU hat dagegen inzwischen ihre traditionellen „wettbewerbs“-theoretischen Subventionshemmungen fallen lassen. Massivste betriebliche Subventionen aus Berlin für „grünen Kapitalismus“ werden in Brüssel nur noch durchgewunken. „Markt“ und „Wettbewerb“ waren gestern, staatliche „grüne“ Konzernförderung ist heute, und nicht mehr primär für den innerkapitalistischen Positionskampf sondern für den Kampf gegen China. Die neue Subventspolitik heißt nun nicht mehr „Markt“ sondern „Industriepolitik“.
Industriepolitik und staatliche Entwicklungssouveränität böten im Prinzip die Chance für Spezialisierungen, Arbeitsteilungen und die Schaffung notwendiger „Überkapazitäten“, für internationale Entwicklungs- und Klimawende-Kooperation, wie Chinas Ministerpräsident sie zuletzt auf den „Zwei Sitzungen“ im März wieder angeboten hat und wie noch einige intelligente westliche Berater sie empfehlen, die die Entwicklung von „reverse dependencies“ zwischen dem Westen und China und „strategic entanglement“ statt De-Coupling vorschlagen (34). McKinsey, Wall Street Journal, Brookings, Roland Berger, Jeffrey Sachs, (35) der VDA (36), Bloomberg und sogar das China-Basher-Flaggschiff NZZ (37) warnen vor der Totalabschottung. Bloomberg sagt, kein Protektionismus bringt die alte Industrie in den Westen zurück, aber nun würden verheerende Barrieren gegen saubere Technologien errichtet. (38)
Daran, bei Handelskonflikten das vom Westen selbst dafür einst geschaffene Instrument, die WTO, anzurufen, denkt im Westen niemand mehr. Der Mohr hat seine Schuldigkeit längst getan, die WTO ihre ideologische Rolle in den 1990ern und frühen 2000ern längst ausgespielt. Sie wird seit langem von den USA boykottiert. Dem Westen geht es inzwischen um den finalen „Clash of Cultures“, den Endkampf gegen China und Russland und die Unterwerfung der Aufmüpfigen dieser Welt.
Die offenen Geheimnisse der chinesischen Effektivität
Die „Geheimnisse“ des chinesischen sozioökonomischen Erfolges liegen ganz woanders und sind für jeden erkennbar:
- Jeder VWL- und BWL-Student im zweiten Semester kennt die Bedeutung der Größe einer Ökonomie, schon bei Adam Smith 1776 als ein erster zentraler Faktor genannt. Heute Economies of Scale (Ersparnisse aus der Markt- und Produktionsgröße) genannt. Eine Ökonomie mit 1,4Mrd. Einwohnern, die in die globalen mittleren Einkommens-Bereiche hineinwachsen, kann unter gegebenen technologischen Bedingungen ganz andere (niedrigere) Stückkosten realisieren als eine mit 80Mio. Einwohnern. Fords legendäres Model T, 1908 noch für 850$ verkauft, kostete 1925 nur noch 250$. (39) Deshalb sagt die deutsche Industrie deutlich, dass, wenn sie von den blutorange-tarnfleckoliv-todschwarzen Kriegern gezwungen würde, der Spaltung der Welt zu folgen und sich aus China zurückzuziehen, sie weg wäre vom Fenster. (Und sie hat vorgesorgt und eine autarke deutsche Wirtschaft in China aufgebaut.)
- China ist aber eben auch in der Lage, komplette und effektive Wertschöpfungsketten an allen Produktionszentren bereitzustellen. Millionen junge Gründerfirmen sorgen für eine Zuliefer-Infrastruktur und für regionale Cluster, die ihresgleichen auf der Welt suchen. Deutsche Firmen organisieren gezielt ihre Wertschöpfungsketten mit chinesischen Zulieferern. Fällt einer aus, können drei andere einspringen. Deutsche „Top-Tier“-System-Zulieferer haben längst ihre Produktions- und FuE-Standorte in China errichtet. Und die meiste FuE kommt heute bei ihnen aus ihren chinesischen Standorten.
- Ebenso ist China in der Lage, vollständige und effektive Infrastrukturen jeder Art kostenlos bereitstellen. Nicht umsonst ist China in der Kaufkraft bereits seit 2016 die Nr. 1 in der Welt: Kostenlose Infrastruktur-Nutzung ist ein wichtiger Faktor der Realeinkommen und der Kaufkraft der Haushalte. Aber eben auch der Kostenersparnis der Firmen. (40) Wir reden sowohl von „harten“ Infrastrukturen (Verkehr, Energie, IT …) wie auch von weichen (sozialen) Infrastrukturen (Kooperationsstrukturen, öffentliche Dienstleistungen, Gesundheitsdienste, Kinder-, Mütter-, Familien-, Altenversorgung), die auch zusätzlich von den Industriestädten bereitgestellt werden.
- Chinas Vorteil ist auch Bildung und Qualifikation der Arbeitskräfte, gute Schulbildung, 600.000 neu ausgebildete Ingenieure jedes Jahr. Westliche Unternehmen in China mit Qualitätsproduktion können sich trotz des Drucks der hohen Löhne und der höheren Sozialabgaben, trotz politischer Regulierung und hohen Selbstbewusstseins und Aktivismus der chinesischen Arbeiter auch insofern im industriellen Paradies fühlen.
- Das alles sind natürlich ebenfalls Vorteile der chinesischen Unternehmen, die aber mental und kulturell darauf besser eingestellt und adaptiver zu sein scheinen. Kooperationen (Joint Ventures) deutscher Unternehmen auch mit chinesischen Wettbewerbern sind daher begehrt, besser und schneller können sie nicht lernen und gewinnen. Und insgesamt ist damit in China ein wirtschaftliches Umfeld entstanden, das der Kapitalismus spätestens seit seiner neoliberal-oligopolistischen Phase, also seit Jahrzehnten nicht mehr kennt: In China selbst und durch chinesische Unternehmen weltweit wird wieder echter Preiswettbewerb zugunsten der Käufer und Nutzer generiert. China hat die Konzerne gerade in den letzten Jahren einer harten Wettbewerbskultur unterworfen, und entsprechende Crackdowns auf die Oligopole des IT-, Immobilien-, Banken- und Finanzsektors waren und sind spektakulär. China ist daher auch der „Fitnessclub“ der Welt für die deutsche Industrie geworden. (41) Die westlichen Firmen und Märkte kommen nun aber in Bedrängnis, weil chinesische Unternehmen weltweit ihre hohe Effektivität auch preislich weitergeben müssen (und können). Das, obwohl der Yuan-Wechselkurs gestiegen ist. Ihre Verkaufspreise in der EU, etwa für EVs, waren ohnehin schon höher als in China selbst. Die neuen Zölle können also vermutlich zum guten Teil absorbiert werden. Gegen kreative und günstige chinesische EVs an der Front der technischen Entwicklung kommt nun die jahrzehntelang gegen jeden technischen und ökologischen Fortschritt beschützte deutsche Automobilindustrie nun technisch wie preislich nicht mehr an. Der Wertewesten reagiert damit, die eigene Gesellschaft gegen den Rest der Welt abzuschotten und mental einzumauern, die Welt in (zwei) Teile zu zerlegen.
In Kreisen des deutschen Maschinenbaus muss man sich dagegen realistisch informieren: Man erkennt auf den Punkt, warum z.B. Chinas Start-ups weltweit führen: „Harter Wettbewerb bei gleichzeitig guten Rahmenbedingungen“. (42)
„Überkapazitäten“ haben also viele Facetten, positive und negative Potentiale für die Menschheit. Den Narrativen des MIMPIK müssen wir uns also nicht mehr ausliefern.
Zukunftsfragen
Politisch-ökonomisch vorgebildete ZeitgenossInnen werden die Frage der „Überkapazitäten“ auch unter dem Aspekt kapitalistischer Überakkumulation und -produktion analysieren wollen. Analysen heutiger Überakkumulations-Formen im niedergehenden oligarchischen neoliberalen Finanzkapitalismus, zudem im geopolitischen Kriegsmodus befindlich, und andererseits in einer national industriepolitisch gesteuerten und profitmäßig regulierten Kapitalakkumulation in China sind ein weites, offenes Feld. Die „Überkapazitäten“ des westlichen MIMPIK-Zirkus müssen analytisch weiter zerlegt werden, um Platz zu schaffen für reale Problemanalysen. Fortsetzungen haben also zu folgen.
Quellen und Anmerkungen
(1) Früher sprach man vom Militärisch-Industriellen Komplex MIK, der aber nur eine Fraktion des Herrschaftssystems abdeckte. In den neuen Kriegen des Kollektivwestens seit Jugoslawien 1999 entstand in der Literatur der MIMIC, der Militärisch-Industriell-Medial-Intellektuelle Komplex. Wir haben leicht erweitert und die Prioritätenfolge angepasst.
(2) Z.B. macrotrends, https://www.macrotrends.net/global-metrics/countries/CHN/china/trade-balance-deficit, oder Weltbank, https://data.worldbank.org/indicator/NE.EXP.GNFS.ZS?end=2022&locations= CN&start=1960&view=chart, beide besucht 19.5.24.
(3) Im Englischen noch präsenter: „Capacity“ bedeutet zuerst „Fähigkeit“.
(4) D. Ricardo, Principles of Political Economy and Taxation, London: Murray, 1817, Ch. VII, On Foreign Trade.
(5) F. List, Das nationale System der politischen Ökonomie, Stuttgart, Berlin: Cotta’sche Buchhandlung Nachf., 1841, 8. Aufl. 1925.
(6) Z.B. Newsletter Chinah, Sonderausgabe 4-24.
(7) Z.B. macrotrends, https://www.macrotrends.net/global-metrics/countries/DEU/germany/trade-balance-deficit, besucht 19.5.24.
(8) Z.B. https://www.bmwk.de/Redaktion/EN/Publikationen/Aussenwirtschaft/facts-about-german-foreign-trade-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=1, besucht 19.5.24.
(9) So J. Kronauer in der jW 15.5.24.
(10) Z.B. A. Reich, Neue US-Strafzölle gegen China, jW 15.5.24, S.1; W. Pomrehn, Von wegen „Überkapazitäten“, jW 18.-20.5.24, S.9.
(11) Ausf. z.B. W. Elsner, China und der Westen, Köln: PapyRossa, 2022.
(12) Z.B. Boston Univ. Global Development Policy Center, Global China Initiative, Newsletter 11.6.24; L. Zhen, S.H. Choi, The US wants to decouple its military supplies from China – but can it?, SCMP 18.6.24; McKinsey, Is nearshoring in fashion?, Newsletter 12.6.24.
(13) Z.B.: O.A., Razzien im Morgengrauen, Business Insider 24.4.24, https://www.businessinsider.de/wirt schaft/eu-kommission-laesst-chinesisches-sicherheitsunternehmen-durchsuchen/, besucht 20.5.24.
(14) Z.B. Newsletter Chinah, Sonderausgabe 4-24, S.6.
(15) Ebd.
(16) Z.B. H. Bork, Hype oder Rückstau bei chinesischen E-Autos?, MaschinenMarkt 9.5.24, https://www. maschinenmarkt.vogel.de/hype …
(17) H. Flassbeck, „Mythos China – warum wir das Land nicht verstehen können und wollen”, Relevante Ökonomik, https://www.relevante-oekonomik.com/2023/10/21/mythos-china-warum-wir-das-land-nicht-verstehen-koennen-und-wollen/..., besucht 20.5.24.
(18) Z.B. Statista, https://www.statista.com/statistics/263770/gross-domestic-product-gdp-of-china/; Nikkei Asia, https://asia.nikkei.com/Economy/Trade/Mexico-replaces-China-as-top-exporter-to-U.S.-in-2023, alle besucht 9.6.24.
(19) Shanghai Cooperation Organization: 9 Mitgliedsländer, 6 Dialogpartner, 3 Beobachter, 5 Dauergäste, 7 Bewerberstaaten.
(20) Regional Comprehensive Economic Partnership: Seit Januar 2022 in Kraft, Freihandelszone zwischen16 südostasisatischen und pazifischen Staaten.
(21) Ausf. z.B. D. Goldman, Debunking China’s overcapacity myth, Asia Times 6.5.24, https://asiatimes.com/2024/05/debunking-chinas-overcapacity-myth/ ...
(22) Ebd.
(23) Pomrehn, a.a.O.
(24) Z.B. E. Behrmann, C. Trudell, Europe Needs More and Cheaper EVs. Tariffs Will Keep Them Costly, Bloomberg, Newsletter 12.6.24.
(25) Bork, a.a.O.
(26) Z.B. Pomrehn, a.a.O.
(27) Z.B. W. Hirn, „Keine erneuerbaren Energien ohne China“, ChinaHirn 16.6.22; German Foreign Policy 15.9.23; South China Morning Post 3.2.24.
(28) Z.B. Pomrehn, a.a.O.
(29) Z.B. Newsletter Chinah, Sonderausgabe 4-24, S.11.
(30) Ma J., China’s standing as ‘world’s factory’ difficult to replace: Roland Berger Global Managing Director, Global Times 7.3.24, https://www.globaltimes.cn/page/202403/1308410.shtml, besucht 20.5.24.
(31) Z.B. D. Wetzel, „Mehr Fossile als je zuvor“ – der Mythos von der schnellen erneuerbaren Zukunft, Die Welt 24.4.24, https://www.welt.de/wirtschaft/plus250861880/Energiewende-Mehr-Fossile ..., besucht 20.5.24.
(32) Taiwan Semiconductor Manufacturing Company.
(33) Z.B. Newsletter Chinah, Sonderausgabe 4-24, S.9.
(34) Z.B. China Macro Group, CMG Insights 19, 14.5.24; McKinsey, Reconfiguring trade, https://www. mckinsey.com/featured-insights/sustainable ..., 9.5.24.
(35) J. Sachs, US badmouthing of more competitive China imprudent, Nation 17.4.24, https://nation.africa/kenya/blogs-opinion/blogs/sachs-us-badmouthing-of-more-competitive-china-imprudent-4593168 …, besucht 20.5.24.
(36) Verband der Automobilindustrie, „EU: Deutsche Autobauer gegen Strafzölle auf chinesische E-Autos“, Autohaus 15.4.24; https://www.autohaus.de/nachrichten/autohersteller/eu-deutsche-autobauer ..., besucht 20.5.24.
(37) P. Fischer, Chinas «Überkapazitäten»: Das westliche Jammern ist scheinheilig und kurzsichtig, NZZ 19.4 .24, https://www.nzz.ch/meinung/chinas-exporte-das-westliche-jammern-ist-scheinheilig-ld.1826559 ..., besucht 20.5.24.
(38) D. Fickling, Yellen’s Steel History Lesson Draws the Wrong Conclusion, Bloomberg 2.4.24, https://www.bloomberg.com/opinion/articles/2024-04-02/us-china-yellen-s ..., besucht 20.5.24.
(39) Goldman, a.a.O.
(40) Z.B. H. Feizi, What’s the real size of China’s economy?, Asia Times 17.6.24.
(41) J. Wuttke, ehem. Präs. d. EU-Handelskammer in China, WirtschaftsWoche 2.5.21, https://www.wiwo.de/my/politik/ausland/interview-mit-joerg-wuttke-danach-braucht-man-erst-mal-whiskey/27141836.html …, besucht 20.5.24.
(42) H. Bork, Die 5 heißesten Start-ups in der chinesischen Fertigungsindustrie 2024, China Market Insider, MaschinenMarkt, 30.5.24, https://www.maschinenmarkt.vogel.de/chinesische-industrie-start-ups-harter-wettbewerb-a-e275ebca9a2a3add09674ce038644a29/, besucht 9.6.24.
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: FOTOGRIN / shutterstock
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