Tagesdosis

CDU an die Bürger: Seid doch nicht so negativ | Von Paul Clemente

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Ein Kommentar von Paul Clemente.

Als in den Achtzigern sämtliche Utopien die Müllreife erlangten, kam die New Age-Bewegung auf. Deren schrecklichste Nachwirkung liegt im sogenannten „positiven Denken“.

Motto: Wir können nichts bessern, aber unsere „Einstellung“ ändern.

Sieh dein Desaster positiv. Begreif es als „Chance“, als „Herausforderung“. Ratgeber überschwemmen den Markt mit Titeln wie „Trennung als Chance“, „Krankheit als Chance“, „Depression als Chance“, „Asperger als Chance“, „Scheitern als Chance“Arbeitslosigkeit als Chance“, „Tod als Chance“ und so weiter. Das impliziert: Die Gesellschaft ist an Deinem Desaster unschuldig. Hängt alles an Dir… - Natürlich können Politiker mit solcher Denke eine Menge anfangen.

Ein Kampagnen-Schmied der CDU muss kürzlich gedacht haben: Wenn Bundeskanzler Merz weitreichend Desaster landet, dann müssen wir die Bürger auffordern, dieses Dillema „positiv“ zu deuten. So was wie „CDU als Chance“ oder „Merz als Chance“. Warum katastrophale Politik der kleinen Koalition nicht als „Herausforderung“ verkaufen? Das klingt doch gleich viel besser. Und so entstand ein X-Post, der seinesgleichen sucht:

„Wir machen Schluss mit schlechter Stimmung und Pessimismus! In unserem wunderschönen Land mit seinen großartigen Menschen gibt es so viele tolle Dinge, auf die wir stolz sein können. Wir wollen den Menschen die Zuversicht zurückgeben, indem wir zeigen, was alles gut läuft in Deutschland. Deshalb rufen wir dazu auf, sich an der Aktion #3Dinge zu beteiligen. Schreibt uns in die Kommentare oder postet unter dem Hashtag #3Dinge kurze Clips, Bilder oder Tweets mit Antworten auf die Frage, an der Alice Weidel scheiterte: ,Können Sie drei Dinge nennen, die in Deutschland richtig gut laufen?‘"

Auf Facebook und Tiktok kam anstelle des Posts ein Kurzvideo zum Einsatz: Darin erklären die CDU-Politiker Carsten Linnemann, Mario Voigt und Hendrik Wüst die Vorzüge dieses Landes:

„Deutschland ist eins der freiesten Länder dieser Erde. Hier kann jeder seine Meinung sagen.“

Oder: „Der Mittelstand in Deutschland ist weltweit der beste. Wir haben hidden champions.“. Außerdem besitze man die beste Wissenschaftsstruktur, und die beste Grundlagenforschung. - Na, dann. Auf der Website der CDU gibt’s dann auch noch Bürgerlob:

„Wir als CDU wissen, was wir an unserem Land haben. Das wollen wir auch nach außen zeigen. Sie sind ein wichtiger Teil davon. Ob Alltag, Arbeit oder Ehrenamt – jede Perspektive zählt!“

Diese Beiträge wurden vor vier Tagen veröffentlicht. Kurz vor Bekanntgabe der aktuellen INSA-Umfrage, wonach die Zustimmungswerte zur Regierungspolitik krass gesunken waren. 56 Prozent der Deutschen sind demnach nicht zufrieden mit der Politik des Blackrockers. Happy hingegen nur 31 Prozent. Außerdem erklärten 58 Prozent der Befragten, sie seien überhaupt nicht zufrieden mit der Koalition aus Union und SPD.

Vor drei Wochen klangen die X-Postings der CDU noch anders. Da schrieb man stolz:

„Die Bilanz zeigt: Wir haben nicht nur geredet. Wir haben geliefert.

  • 1. Wir haben Recht und Ordnung wieder eingesetzt und Deutschland wieder sicher gemacht.
  • 2. Deutschland ist wieder ein stabiler Anker und verlässlicher Partner in Europa und der Welt.
  • 3. Wir sorgen dafür, dass die Wirtschaft wieder läuft. Wir machen den Standort wettbewerbsfähiger. Der Innovationsbooster kommt, die Wirtschaft bekommt neue Impulse und die Stimmung im Land hat sich verbessert.“

Damals spotteten zahlreiche User bereits: Die CDU leide unter „purer Realitätsverweigerung“, lebe in „Parallelwelten.“ Natürlich gab es auch treue Jubel-User, die kritische Kommentatoren als Propaganda-Opfer der Blauen deuteten: „Ein Großteil der Kommentare unter diesem Post sind Zeugnis dessen, wie sehr @AfD unser Deutschland hasst. Ich weigere mich Erfolge in Deutschland schlecht zu reden und Positives unter den Teppich zu kehren, damit die AfD gemeinsam mit Putin paktiert.“ Anders formuliert: Wer das Deutschland der Gegenwart nicht spitze findet, ist ein Propaganda-Opfer der AfD.

Vor diesem Hintergrund liest sich der spätere Positiv-Denken-Post so: Ob das Land sich in einem desaströsen Zustand befindet, hängt ganz von der „Einstellung“ der Bürger ab. Mehr noch: Wer drei Dinge nennt, die in diesem Land funktionieren, ist zugleich ein Kämpfer gegen Rechts. Schließlich konnte AfD-Vorsitzende Alice Weidel keine nennen. - Diese Strategie erinnert an den Appell vom Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck. Der Grünen-Politiker forderte vor zweieinhalb Jahren konformistische Intellektuelle dazu auf, den Begriff „Wohlstand“ neu zu definieren. Nicht mehr auf den Lebensstandard der Bürger bezogen, sondern auf Fortschritte beim Klimaschutz und der sozialen Gerechtigkeit.

In der Mainstream-Presse wird der CDU-Appell zum positiven Denken taktvoll beschwiegen. Ein alternatives Medium – Reitschuster.de – verglich den anonymen Propaganda-Texter mit Muhammad as-Sahhaf, dem Ex-Informationsminister unter Saddam Hussein. Als die US-Armee den Irak einnahm, erzählte er den TV-Journalisten, die amerikanischen Soldaten kämen nicht vom Fleck, würden reihenweise Harakiri machen. „Genau diese Art von Realitätsverweigerung betreibt nun die CDU“, fügt Kettner.de hinzu.

Und wie reagieren die X-User? Klar, Hardcore-Untertanen bejubeln die Propaganda-Posts, bleiben aber in der Minderzahl.  Das Gros spottete oder explodierte. Darunter ein Vertreter der Unterschicht:

„Einer Bekannten von mir wurde die Grundsicherung gekürzt, weil die Renten gestiegen sind.“

Ein anderer zählt sarkastisch drei „schöne Dinge“ auf:

„Die Freude, die man empfindet wenn ein Zug mal pünktlich ist. Jeder Tag an dem man nicht über einen Obdachlosen stolpert. Die Freude eines Rentners wenn er beim Mülltonnentauchen eine Pfandflasche ergattert.“

Ein weiterer User, der positives Denken nicht so ganz ernst nimmt, zählte auf:

  • „1. Einschränkung der Meinungsfreiheit durch Meldestellen und Installation ideologischer Richter
  • 2. NGO und Entwicklungshilfe, die die linksgrüne Ideologie und Hass und Hetze in die Welt tragen.
  • 3. Sozialausgaben auf dem höchsten Niveau, aber für Deutschland kein Geld.“

Es gab auch Kommentatoren, die aufzählten, unter welchen Bedingungen Deutschland wieder lebenswert wäre:

„Es würde gut laufen wenn:

  • 1. Spahn von Staatsanwälten befragt wird,
  • 2. Klöckner des Amtes enthoben wird und
  • 3. Neuwahlen stattfinden.“

Der armen CDU möchte man tröstend zurufen: Seht’s einfach positiv. Als Chance.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Ralf Geithe / shutterstock


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