Nachrichten, wohin das Auge sieht.
Ein Standpunkt von Jens Lehrich.
Der Tod ist in diesem Winter 2023 überall. Kriege, Krisen, Chaos auf jeder digitalen Leinwand in Hamburg. Gemischt mit Banalitäten aus der Abteilung Unterhaltung: ein neuer Bundestrainer, Oliver Pochers Scheidung als nervender Dauerbrenner und ein Lottogewinner aus Bayern, der nichts von seinem Millionenglück weiß. Globale und nationale Schlagzeilen, wohin das Auge reicht, rund um die Uhr, unterstützt durch Bildschirme in Taxen, U-Bahnen und Bussen oder eben die digitalen Stroer-Litfaßsäulen, die unser Hirn mit Informationen auf Kurs bringen sollen. „See in Kanada hat wieder Wasser“, titelt t-online an diesem trüben Nachmittag in Hamburg, und ich denke: „Wow“ – dieser Informationsgehalt ist mindestens so wertvoll wie „Klo in Eimsbüttel ist nicht mehr verstopft“. Doch die Nachricht, dass der See wieder Wasser hat, und die damit verbundene unterschwellige Programmierung auf das Thema Klimawandel ist mir immer noch lieber als das Gemetzel, das uns 24/7 präsentiert wird.
Keine Nachrichten über Mord und Totschlag zu konsumieren heißt aber nicht, gefühlskalt, ignorant und unsolidarisch zu sein. Das Gegenteil ist der Fall: Der Dauer-Konsum von Krieg lässt mich und die Menschen um mich herum abstumpfen, so jedenfalls nehme ich es wahr.
Deswegen habe ich gelernt, mich um meine „geistige Hygiene“ zu kümmern, mindestens genauso intensiv wie um meine Zähne. Das bedeutet vor allem: Social-Media-Fasten, manchmal nur eine Stunde lang und dann wieder auch ganze Tage. Der Welt und dem kollektiven Frieden ist jedenfalls mehr damit geholfen, mich nicht rund um die Uhr auf den Weltuntergang vorzubereiten. Und meiner Psyche auch. Ich habe nun mal nur einen gewissen Handlungsspielraum, und der ist in Bezug auf das Weltgeschehen da draußen sehr begrenzt – nämlich genau auf die Dinge, die ich in meinem Leben unmittelbar zum Positiven verändern kann, um Frieden mit meinen Nachbarn, meiner Familie, meinen Freunden oder Kollegen zu schaffen, um ein guter Chef, Vater oder Ehemann zu sein – gut im Sinne von empathisch, wertschätzend und liebevoll. Alles andere ist oftmals sogenanntes Gutmenschentum: Ich spiele mich im Außen verbal als Retter auf, während meine Handlungen nicht zu meinen Worten passen. Ein anschauliches Beispiel dafür ist eine Demonstration in Rostock, die ich während einer „Baumann & Clausen“-Tournee aus meinem Hotelzimmer Ende September 2018 live mitverfolgen konnte. Rund 4000 Menschen zogen grundsätzlich friedlich durch die Innenstadt, um ein Zeichen gegen eine AFD-Kundgebung zu setzen. Immer wieder schallten die Rufe „Wir sind die Guten, wir sind die Guten, wir sind die Guten“ durch Mecklenburg-Vorpommerns größte Stadt. Während der bunte Menschentross an meinem Hotel vorbeizog, fragte ich mich plötzlich, wie viele der Teilnehmer wohl das Motto „Wir sind die Guten“ auch in ihrem unmittelbaren Alltag lebten. Es ist so einfach zu behaupten, einer von den Guten zu sein, und sich dennoch (oftmals sicher unbewusst) im eigenen Leben wie ein „Vollidiot“ zu benehmen. Genau das habe ich während der Corona-Zeit immer wieder bei Menschen erleben müssen, die plötzlich zu Denunzianten mutierten, wenn es darum ging, die menschenfeindlichen und vollkommen unnützen Hygiene-Regeln einzuhalten. Auf einer Zugfahrt im ICE nach Erfurt im Juli 2020 zum Rubikon-Autorentreffen drohte mir ein junger Mann Prügel an, weil ich keine Maske trug. Die Schaffnerin hatte nichts gesagt und meine Maskenweigerung problemlos akzeptiert. Genau dieser junge Mann hätte einer von denen sein können, die samstags gegen rechts demonstrieren und sonntags einen Maskenverweigerer zusammenschlagen.
„Wenn der Feind bekannt ist, hat der Tag Struktur“,
dieser prägnante Satz von Volker Pispers bringt für mich brillant auf den Punkt, warum viele Menschen blind für gesunden Menschenverstand geworden sind: weil es so schön einfach ist, nicht den eigenen „Arschlochanteil“ in sich selbst anschauen zu müssen, sondern die Projektionsfläche auf eine andere Personengruppe, in diesem Fall sogenannte „Masken-Nazis“, später Klimaleugner oder die Russen im Allgemeinen zu verlegen. Dabei scheint es dann keine Rolle mehr zu spielen, ob die betreffende Gruppe oder die betreffende Person wirklich menschenfeindlich handelt. Die permanente Berieselung mit Nachrichten macht die Masse taub für eigene Reflexionen und Recherchen. Wenn das Klima entsprechend aufgeheizt ist, wird das vorgesetzte Feindbild akzeptiert und nicht hinterfragt, wer am Ende eigentlich wirklich davon profitiert. Hinzu kommt oft das Gefühl der eigenen Ohnmacht und das mangelnde Selbstvertrauen.
Ich kann das gut verstehen, weil ich es selbst die ersten vier Jahrzehnte meines Lebens unbewusst so gelebt habe.
„Was kann ich da schon machen, wenn die Mächtigen Krieg führen, darauf habe ich doch eh keinen Einfluss?!“
Wie oft lese ich immer wieder derartige Kommentare und denke: Doch, du hast Einfluss, indem du endlich selbst beginnst, Frieden in deiner unmittelbaren Umgebung zu leben.
Das jedoch erfordert Klarheit über deine Schöpferkraft und ein komplettes Umdenken, wenn es um Feindbilder geht. Natürlich kannst du alleine keinen Dritten Weltkrieg verhindern, aber der Zustand der Welt könnte am Ende auch die Quersumme der kleinen Alltagskriege sein, die wir Menschen in uns tragen und austragen. Wie oben, so unten, wie innen, so außen – so sagen es jedenfalls die hermetischen Gesetze, die ich auf meiner Reise zu mir selbst entdeckt habe und als sehr wertvoll für das Verstehen der derzeitigen Geschehnisse auf unserer Welt empfinde. Diese Gesetze zeigen unsere natürliche Schöpferkraft auf, die immer bei uns selbst beginnt. Und darin liegt auch gleichzeitig das Problem: Es ist nämlich nicht sonderlich bequem, bei sich selbst zu beginnen, Frieden zu leben, weil es gegen unsere gesellschaftliche Konditionierung ist, und auch ich kann es bei weitem nicht 24/7. Aber ich habe es mir angewöhnt, mich in Momenten, in denen ich auf eine mediale Berieselung oder Feindbild-Manipulation hereinzufallen drohe, darauf zu besinnen.
Zurück zum Kern dieses Kapitels. Ich habe für mich erkannt, dass eine Nachricht nur dann einen wirklichen Sinn hat, wenn aus ihr eine konkrete, der Menschlichkeit dienende Handlung entsteht. Um es noch deutlicher zu machen: Wer von den rund sieben Millionen Tagesscha“-Zuschauern jeden Abend macht sich nach dieser Viertelstunde „Schlechtfühlen“ direkt auf den Weg, inneren Frieden zu finden, um den weltweiten kollektiven Frieden zu stärken? Die Frage scheint zunächst vielleicht absurd – aber ist sie das wirklich? Wenn es von sieben Millionen (und das ist meine Vermutung) nahezu niemand ist und wenn die Tagesschau überwiegend dazu dient, neue Feindbilder in unseren Köpfen zu kreieren, welchen Sinn – ich betone diese Frage ein weiteres Mal – haben dann grundsätzlich weltweite destruktive Informationen von Krieg, Mord und Totschlag?
Wenn ich diesen Gedanken weiterspinne, scheint der Satz, dass „Nachrichten“ nur so heißen, weil ich mich „danach richten“ soll, kein Blödsinn zu sein. Was würde passieren, wenn die sieben Millionen "Tagesschau"-Zuschauer jeden Tag 15 Minuten für weltweiten Frieden meditierten? Sollten wir das nicht vielleicht einmal ausprobieren?
Der Fernsehabend in deutschen Wohnzimmern ist allerdings nicht auf Meditation und Stärkung des kollektiven Friedens ausgerichtet. Der 15. Oktober 2023 schaut für den Zuschauer in der ARD beispielhaft laut Internet so aus: Direkt nach der "Tagesschau" folgt der „Brennpunkt Nahost“, dem noch einmal weitere 1,31 Millionen Menschen (also insgesamt 8,31 Millionen Zuschauer) folgen, um dann nach dem „Tatort“ mit dem zynischen Namen „Bauernsterben“ (8,35 Millionen Zuschauer) und den anschließenden „Tagesthemen“ beruhigt ins Bett zu gehen.
Würde es bei Nachrichten also tatsächlich um Neutralität, wahrhaftige Wissensvermittlung und echte Mitmenschlichkeit gehen, müssten die Sender meiner Meinung nach alles unternehmen, um gesellschaftlichem Unfrieden entgegenzuwirken, ihn einzudämmen und ein friedliches Miteinander zu fördern. Es wäre ihre Aufgabe, Menschen grundsätzlich darin zu unterstützen, frei zu denken und sich eine eigene Medienkompetenz anzueignen. Findet das in Deutschland oder einem anderen Land weltweit derzeit statt? Wird es jemals stattfinden, wenn nicht jeder Mensch sich selbst dazu ermächtigt, seine Fokussierung von destruktiven und manipulativen Inhalten abzuziehen und die dabei freigewordene mentale Energie für den Aufbau einer besseren und liebevolleren Welt einzusetzen?
Die herrschende Meinung ist die Meinung der Herrschenden – so sieht es leider im Januar 2024 aus. Bei diesem Informationskrieg geht es um die Hoheit in unseren Köpfen. Das Ziel: uns dauerhaft in Angst und Ohnmacht zu versetzen und damit die Lebensenergie einer ganzen Gesellschaft abzusaugen, meistens unter dem euphemistischen Deckmäntelchen „Wissen“ und „Bildung“.
"Wirklich leben" heißt aber für mich, auch an dieser Stelle die Verantwortung für das zu übernehmen, was ich medial zu mir nehme und an meine unmittelbare Umgebung im Büro, im Freundes- oder Familienkreis weitergebe. Natürlich gilt das für Inhalte alternativer Medien ebenso, wenn es destruktive Informationen sind. Es geht für mich grundsätzlich darum, selbst eine Medienkompetenz zu erwerben und damit ein kleines Leuchtfeuer für Meinungsfreiheit zu sein. Meinungsfreiheit ist nicht nur irgendein Wort, sie gilt es im Alltag kontinuierlich einzusetzen und zu fördern und dafür auch Gegenwind in Kauf zu nehmen. Ohne die Freiheit der Meinung ist die Freiheit als solche dauerhaft in Gefahr. Dafür ein Bewusstsein zu schaffen, halte ich für einen gesellschaftlich extrem wichtigen Beitrag jedes Einzelnen. Natürlich ist das mit Gefahren verbunden, Aufträge können verloren gehen, Freundschaften oder Beziehungen zerbrechen. Aber was ist ein wirkliches Leben in der Dauerberieselung ohne die Freiheit, das aussprechen zu können, was ich fühle und denke? Am Anfang einer solchen politischen und gesellschaftlichen Entwicklung betrifft es immer nur einige wenige – und dann irgendwann einfach jeden. Es lohnt sich meiner Ansicht nach, genau darüber intensiv nachzudenken. Die gute Nachricht jedenfalls ist: Jeder Einzelne kann dazu mit etwas Mut für die eigene Meinung einen wichtigen Beitrag leisten.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: Jorm Sangsorn / shutterstock
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