Tagesdosis

BSW und AfD: War da was? | Von Paul Clemente

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Dass das Bündnis Sahra Wagenknecht zahlreiche Standpunkte mit der AfD teilt, ist weder neu noch rätselhaft.

Ein Kommentar von Paul Clemente. 

Parteigründerin Sahra Wagenknecht ist eine traditionelle Linke. Ihre Politik wendet sich vor allem an die Unterschicht. Deren Lebensniveau möchte sie anheben, deren Freiheitsoptionen vergrößern. Damit steht sie konträr zur postmodernen Linken: Die will den akademischen Townhouse-Hipster als Wähler, verspricht ihm Gendersternchen und Windrad-Strom. Vor allem soll der Einzelne sich ideologischen Vorgaben unterwerfen. Ironie: Die entsorgte Freiheit fand ausgerechnet im rechten Diskurs eine neue Bleibe. Das belegten die Lockdown-Jahre überdeutlich: Während die links-grüne Ampel Freiheitsrechte aushebelte und Zwangsimpfungen propagierte, verteidigten Wagenknecht und die AfD die Freiheit des Einzelnen.

Dieser gemeinsame Widerstand gegen Mainstream-Politik fand im Russland-Ukraine-Konflikt seine Fortsetzung. Wieder waren es Wagenknecht und die AfD, die für Frieden und Energiehandel mit Russland votierten. Manch AfD-Anhänger erhob Wagenknecht gar zur Hoffnungsträgerin: Für eine Querfront-Politik. Gemeinsam gegen den Block der Altparteien. Als Vorbild diente Griechenland: Dort koalierte 2014 die linke Syriza-Partei mit der rechten Morgenröte. Beider Ziel: Widerstand gegen die Sparpolitik der Troika.

Natürlich blieben diese Parallelen auch den Mainstream-Medien nicht verborgen. Seitdem versuchen sie, die „rote Sahra“ als verkappte „Rechte“ zu entlarven. Jeder Satz von ihr wurde (und wird) nach brauner Schmuggelware abgeklopft: Ob sie sich für bezahlbare Energie oder regulierte Zuwanderung einsetzte, ob sie den Euro oder Freihandelsverträge wie CETA oder TTIP ablehnte - stets kommentierte der Medien-Chor: All das will auch die AfD.

2017 präsentierte das Boulevardblatt B.Z. eine Auflistung dieser Gemeinsamkeiten. Überschrift: „Die Populinke. So häufig übernimmt Sahra Wagenknecht Positionen der AfD“. Dennoch schloss Wagenknecht eine Koalition ihres BSW mit der AfD regelmäßig aus. Der Grund ist leicht zu erraten: Die AfD ist nämlich eine Upper Class-Partei. Nicht zufällig zählen Klassiker des Wirtschaftsliberalismus wie Ayn Rand oder August von Hayek zu Alice Weidels favorisierten Lektüren. Mögen vereinzelte Sozialromantiker sich zur AfD verirren, Wahlprogramm und Leitlinie fordern das Gegenteil. Deren Neoliberalismus ist mit Wagenknechts Revival der sozialen Marktwirtschaft unvereinbar. Bereits 2015 kritisierte Wagenknecht: Die AfD verfüge über kein Konzept für gerechte Löhne, zur Besteuerung von Superreichen, zur Entlastung des Mittelstandes, zur Behebung von Altersarmut und zur Bekämpfung von Fluchtursachen. Auf Wahlveranstaltungen warnte sie: Die AfD ist keine Partei der Unterschichten.

Dennoch: Als die SPD kürzlich ein AfD-Verbot zu ihrer historischen Mission erhob, fand das bei Wagenknecht keinen Applaus. Stattdessen kritisierte sie den Demokratie-Abbau der Altparteien:

„Tatsache ist, dass die Parteien der selbsternannten ,demokratischen Mitte’ seit Jahren einen autoritären Umbau unserer Gesellschaft vorantreiben, die freie Meinungsäußerung einschränken, unliebsame politische Kräfte mit undemokratischen Mitteln bekämpfen und massiven Konformitätsdruck erzeugen."

Auch Wagenknecht ist überzeugt, dass die AfD manch braunes Schaf in ihren Reihen birgt. O-Ton:

„Um zu wissen, dass es in der AfD Rechtsextremisten und Neonazis gibt, brauche ich den Verfassungsschutz nicht. Das ist so. Aber die AfD wird trotzdem von mehr als jedem fünften Wähler gewählt, im Osten von jedem Dritten. Diese Wähler sind keine Nazis, sondern haben berechtigte Anliegen, die die Politik endlich ernst nehmen muss. Wer glaubt, dass sich das Problem durch Ausgrenzung und Redeverbote lösen lässt, mag weiter träumen. Dieser Umgang hat die AfD nur stärker gemacht.“

Jede Ohrfeige für AfD-Wähler verstärke den Trotz, festige deren Bindung an die Partei. Anstelle eines Verbots schlug Wagenknecht der CDU ein Zusammengehen mit der AfD vor. Gegenüber der Welt erklärte sie:

„Eigentlich sollte die CDU ein Interesse haben, mit der AfD zu koalieren, solange die AfD überhaupt noch Koalitionspartner braucht.“

Ob das funktionieren würde? Zwar fordern AfD und Merz-CDU eine ähnliche Wirtschaftspolitik, aber beider Standpunkte zum Russland-Ukraine-Konflikt sind völlig inkompatibel.

Letzte Woche dann: Der Paukenschlag. Ein ominöses Treffen zwischen BSW-Landeschef Frank Augsten mit dem wohl umstrittensten Politiker der AfD: dem thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke. Thema war die Blockade der Blauen beim Wahlausschuss der Richter- und  Staatsanwälte. Außerdem, so Augsten, habe man „konstruktiv und offen über unsere unterschiedlichen Sichtweisen, Probleme und Perspektiven der aktuellen Landespolitik gesprochen“. Ein Resultat? Fehlanzeige. Aber das interessierte kaum. Das Gespräch war die Sensation, nicht das Thema.

AfD-Chef Tino Chrupalla bewertete diesen Abriss der Brandmauer als Sieg der Demokratie:

„Das ist absolut richtig und vor allen Dingen auch im Bürgerinteresse. Das haben hier die Bürger gewählt.“

Auch Co-Chefin Alice Weidel und er stünden für Gespräche mit Sahra Wagenknecht bereit - „über das, was Deutschland bewegt, und wie man Mehrheiten verändern kann.“  Im Übrigen gebe es solche Gespräche bereits... Wie bitte? Laufen da geheime Treffen zwischen BSW und AfD? Steht ein blau-lila Bündnis vor der Tür?

Der mediale Aufschrei ließ nicht auf sich warten. Postwendend kam Wagenknechts Dementi:

„Es gibt keine Gespräche und es sind aktuell auch keine geplant. Die Schnittmengen der AfD sind zur CDU erkennbar größer als mit uns. Selbstverständlich muss man dort miteinander reden, wo man beispielsweise gemeinsam in einem Parlament sitzt und es um praktische Dinge geht.“

Und: „Wenn Sie mich fragen, ob ich auch mit Herrn Chrupalla reden würde, wenn es einen konkreten Anlass dafür gäbe, wie es in Thüringen bei dem Gespräch der Fraktionsvorsitzenden der Fall war: ja selbstverständlich“. Auf die Frage, ob sie 2026, nach der Landtagswahl in Sachsen Anhalt, mit der AfD koalieren würde, entgegnete sie: „Wir sind eine junge Partei, die ja auch in Sachsen-Anhalt das erste Mal in ein Parlament einziehen wird. Wir wären wahnsinnig, wenn wir jetzt mit einer Partei wie der AfD dort als Juniorpartner, was wir ja wären, in eine Koalition gehen würden.“

BSW-Parteichefin Amira Mohamed Ali bestätigte Wagenknechts Dementi. O-Ton:

„Es gibt keine Zusammenarbeit, weil wir inhaltlich viel zu weit voneinander entfernt sind.“ -

Wem will man nun glauben? Sollte Wagenknechts und Alis Dementi den Schaden begrenzen? Oder hat Chrupalla die Geheimtreffen erfunden? Aber aus welchem Grund? War es ein Vortasten? Ein Austesten von Grenzen? Man darf gespannt sein, wann weitere Vorstöße folgen.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: Juergen Nowak / shutterstock  

 


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