BRICS: Ein Realitätscheck | Von Jochen Mitschka

Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.

Nach einigen euphorischen Meldungen über 40 Länder, die sich BRICS anschließen wollten, um die neue multipolare Welt zu unterstützen und davon zu profitieren, wurden einige „kalte Duschen“ verteilt. Da waren der Verzicht Putins, nach Südafrika zu fliegen, um das Land nicht in Gefahr zu bringen 10% des Exportumsatzes zu verlieren. Oder die enge Zusammenarbeit von Indien mit den USA, die ich letzte Woche beleuchtet hatte. Aber es gibt auch die Video-Erklärung eines Analysten, dass BRICS im Prinzip ein Kind des globalen Finanzwesens sei. Heute will ich versuchen, die Hintergründe noch einmal deutlicher zu machen.

Goldman Sachs

Fangen wir an mit einem auf Telegram verbreiteten Video von Shahid Bolson aus Afrika(1). Er war schon als glasklarer Analyst aufgefallen, weshalb es sich lohnt, seinen Ausführungen zu folgen.

Einleitend erklärt er man sollte einen Realitätscheck machen, damit nicht zu viele Erwartungen in BRICS gesetzt werden. Da sei im Moment die Rede von einer neuen Währung der Gemeinschaft zur Erleichterung des Handels ohne den Dollar. Er weist darauf hin, dass das keineswegs eine Art Anschlag gegen die USA sei. Viele Menschen mögen davon ausgehen, aber das entspreche nicht der Realität. Und es sei keineswegs eine Geheiminformation, die er erkläre.

Sowohl das Konzept von BRICS als auch der Begriff „BRICS“ seien von Goldman Sachs vor ca. 20 Jahren erfunden worden, und zwar von Jim O’Neill, welcher der Chef der Bank im Jahr 2001 war. Und jemand brachte dann Brasilien, Russland, Indien, China und schließlich Südafrika zusammen. Der Grund sei gewesen, dass er vorausgesehen habe, dass diese Wirtschaften alleine schon auf Grund der Demografie die G7 in Hinsicht auf die Wichtigkeit für die Weltwirtschaft innerhalb der nächsten 40 Jahre überholen werden.

O’Neill habe erkannt, dass die Globalisierung nicht nachhaltig durch die Dominanz der USA beherrscht werden könne. Einfach weil die Politik der USA zu inkonsistent und zu offen imperialistisch sei. Also habe Goldman Sachs die Idee von BRICS erfunden, und es als Warenzeichen verbreitet. Die Bank hatte sogar versucht, ein Warenzeichenrecht auf die Abkürzung anzumelden.

Und so seien Investmentfonds überall in Europa und den USA auf das Marketing angesprungen. Sie hätten den „Hype gekauft“. BRICS Investment Funds seien überall entstanden und dann hätten die Länder, die BRICS bildeten, tatsächlich einen eigenen Block geschaffen. Aber dies sei von Investoren gefordert worden, durch Goldman Sachs, durch den „Privaten Sektor“. Es sei angetrieben worden von dem Glauben, dass ein „global business“ sich befreien müsse von westlicher und US-Beherrschung. Die Eigentümer und Kontrolleure des globalen Finanzkapitals waren aus den Grenzen des Patriotismus herausgewachsen. Konzern-Logos ersetzten Nationalflaggen.

Der Autor erklärt, dass dieses Projekt seit Jahrzehnten verfolgt worden sei. Und es sei geplant worden eben durch das globale Finanzkapital.

Der gleiche Jim O’Neill, der jetzt allerdings im Ruhestand sei, fordere nun BRICS auf, eine eigene Währung zu erschaffen, und er sei schließlich immer noch so etwas wie die Stimme von Goldman Sachs. Deshalb sollte jeder, der sich mit der Entdollarisierung beschäftigt, verstehen, dass die Bewegung weg vom Dollar nur ein Teil der globalen Bewegung der Weltwirtschaft weg von der alten Welt ist. Und diese Bewegung sei kontrolliert und finanziert durch das internationale Finanzkapital.

Dann kommt Ngubong auf Europa zu sprechen, und erklärt, dass die Destabilisierung dort ein Teil dieser Verschiebung sei. Über 130 Milliarden Euros von Direktinvestitionen haben seinen Aussagen nach Deutschland in nur einem Jahr verlassen, während nur 10 Milliarden neu ins Land gekommen seien. Die Pleitezahlen der Firmen seien auf einem Rekordhoch. Das industrielle Herz Europas werde ent-industrialisiert.

Dies beruhe auf der Tatsache, dass die OCGFC, also die Eigentümer und Kontrolleure des internationalen Finanzkapitals, festgelegt hätten, dass Europa kein vielversprechender Standort für Investitionen in Hinsicht auf die zukünftige Weltwirtschaft sei. D.h. sie sehen keine nachhaltigen Profitmöglichkeiten für sich. Und sie hätten Recht damit. Die noch härtere Realität aber sei, dass sie, und nicht die Regierungen von Europa entscheiden, dass Menschen keinen Wert mehr haben. Die Wichtigkeit und Wertigkeit sei alleine dadurch bestimmt, welchen Wert die Individuen für die globale Finanzelite erwirtschaften können.

Er fordert auf, sich vorzustellen, dass Europas demografischer Zusammenbruch bedeute, dass das einzige funktionierende Heilmittel eine drastische Erhöhung der Immigration sei. Aber abhängig davon, von welchem Land wir reden, seien zwischen 40 bis 60% der nicht EU-Immigranten die in die in die EU kamen, nicht ausgebildet. Deshalb würde das nicht wirklich helfen. Anstatt eines Wissens-Transfers erfolgt ein Unwissenheitstransfer vom globalen Süden nach Europa. Unausgebildete, unqualifizierte Menschen aus den Wirtschaften zu entfernen, welche die OCGFC als Investitionsziele ausgesucht haben, sei ein Ziel, um diese Wirtschaften von „überflüssigem Ballast“ zu entlasten.

Und darüber hinaus erlaube die Anwesenheit von Migranten, Feindseligkeiten der eingeborenen Bevölkerung gegen die Ausländer zu richten, statt gegen die Verursacher der Situation. Wer das plane, sehe die Menschen als nicht signifikant an, meint er. Und wenn ganz Europa sich in einen gigantischen Kampf-Käfig verwandle, in denen weiße, braune, schwarze „unnötige“ Menschen gegeneinander kämpfen, dann gehe das für sie in Ordnung. Das könne sich wieder in einen Profit verwandeln.

Man sollte auch erwähnen, dass vor ca. 10 Jahren BlackRock begonnen habe, Investitionen in aufstrebende Ökonomien zu forcieren. Auch außerhalb von BRICS. Insbesondere in Saudi-Arabien, Katar, den VAE. „Und nun schauen sie, wo diese Ökonomien stehen!“.

Muhammad Bin Salman, der die Staatsgeschäfte von Saudi-Arabien führende Kronprinz, sagte nicht ohne Grund, dass der Nahe Osten Europa verlasse. Er berate sich mit Goldman Sachs und mit BlackRock. Er berate sich mit den Eigentümern und Kontrolleuren des globalen Finanzkapitals. Er wisse, wie die Pläne aussehen. Und dann mache er seine eigenen Pläne dementsprechend. BlackRock kontrolliere eine Tochtergesellschaft der staatlichen Aramco, deshalb sei alles eng verbunden.

Worauf es ankomme sei, dass nichts von dem beunruhigend sei, nichts sei überraschend, nichts davon erwische den Westen oder die USA auf dem falschen Fuß. Aber nichts davon repräsentiere andererseits das Entstehen einer echten Multipolarität. Vielmehr sei es eine logische und kapitalistische Transition, zum großen Teil beeinflusst durch demografische Trends und weil der Westen die Entstehung einer parallelen Machtstruktur im „Privaten Sektor“ erlaubt habe. Eine Macht, die unweigerlich die Macht von Staaten übersteigen musste. Und natürlich Nationalismus bekämpfte.

Deshalb, so der Autor weiter, glaube er nicht, dass die Ent-Dollarisierung durch die USA heute nicht mehr ernsthaft bekämpft werde. Deshalb werde man kaum imperialistische Kriege deswegen sehen. Der „Private Sektor“ habe die USA längst in Besitz genommen. Die eigenen Streitkräfte werden eher eingesetzt werden, um das eigene Land zu besetzen, nicht aber für die Besatzung eines anderen Landes. Um eine Bevölkerung zu kontrollieren, die zunehmend enteignet werde.

Denken Sie über die Tatsache nach, dass die antirussischen Sanktionen in Wirklichkeit der russischen Föderation finanziell genutzt haben. Und nicht nur Russland. Indien, China, die VAE, Saudi-Arabien und anderen. Ausländische Direktinvestitionen in Brasilien sind die höchsten seit 2015. Ausländische Direktinvestitionen in Südafrika haben sich ungefähr verdoppelt, seit der Krieg in der Ukraine begann.“

Die Ukraine sei im Wesentlichen ein Hebel, der die Weltwirtschaft nach Osten lenke. Er betonte, dass das nicht heiße, dass diese Verlagerung der Weltwirtschaft in den Osten und Süden nicht ohne Goldman Sachs passiert wäre. Die Leute von Goldman Sachs und die Kontrolleure und Eigentümer des internationalen Finanzkapitals hatten ganz einfach die unweigerliche Entwicklung vorausgesehen, und sich dann entsprechend verhalten.

Sie hätten nicht die demografische Zerstörung Europas verursacht, sondern hätten die bevorstehende, man sollte hinzufügen „Selbstzerstörung“, erkannt. Und sie waren einfach schnell genug darin, die Folgen vorauszusehen, und so hatten sie einen Plan B. Und Plan B heiße BRICS. Soweit die Aussagen in dem Video. Soweit das Video.

Nichts davon ist Verschwörungstheorie. Nichts davon spricht aber dagegen, dass sich Multipolarismus entwickeln kann. Insbesondere China, aber zunehmend auch Indien, versuchen sehr wohl ihre Souveränität zu bewahren. Wenn Ngubong davon spricht, dass in den USA der „private Sektor“ das Land übernommen habe, ist das in etwa die einstige Aussage von Angela Merkel, dass, sinngemäß, die Demokratie marktkonform sein müsse. Aber China hat sich bisher immer sehr erfolgreich dagegen gewehrt, dass der „private Sektor“ Einfluss auf die politischen Entwicklungen nahm. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die KPC von diesem Grundprinzip abrücken wird, und daher in BRICS sehr genau darauf achten wird, dass sich KEINE Übernahme der Politik durch den „privaten Sektor“ ergibt.

Was man schon heute an der Behandlung seiner Oligarchen erkennen kann. Sie dürfen reich werden, solange sie Steuern zahlen, sich sozial engagieren und nicht versuchen, politischen Einfluss auszuüben. Und ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Modell sich im Rahmen von BRICS vielleicht doch auf alle BRICS-Teilnehmer anwenden lassen wird. Aber natürlich wird nur die Geschichte wissen, was tatsächlich passierte.

Südafrika und BRICS

Kommen wir zum 2. Teil des heutigen PodCasts. Nachdem bereits Indien und Brasilien einen gefährlichen Spagat zwischen den USA und BRICS versuchen, sei nun auch Südafrika unter dem Druck des Westens, den russischen Präsidenten zu verhaften, zusammengebrochen.

In zwei Artikeln kurz hintereinander versucht Alexander Korybko zu erklären, wie die Situation der BRICS-Gemeinschaft zu bewerten ist. Im ersten Artikel kann man seine Enttäuschung erkennen, dass der russische Präsident nicht persönlich zum BRICS-Gipfeltreffen nach Südafrika kommt, nachdem Südafrika einen Exporteinbruch von bis zu 10% bei Nichtverhaftung von Putin befürchtet hatte.

Er schreibt(2), dass der Westen Südafrika erfolgreich daran erinnert habe, wie groß die Folgen von Sanktionen gegen das Land sein würden, wenn es sich weigern sollte, Putin zu verhaften.

„Bloomberg berichtete Anfang Juni über die Schätzung eines Wirtschaftswissenschaftlers, dass ‚Südafrika bis zu 32,4 Milliarden Dollar an Exporteinnahmen verlieren könnte, fast ein Zehntel seines Bruttoinlandsprodukts, sollten einige seiner wichtigsten Handelspartner Vergeltungsmaßnahmen gegen seine mangelnde Bereitschaft ergreifen, gegen Russlands Krieg in der Ukraine Stellung zu beziehen‘. Obwohl kein westliches Land die Absicht geäußert hat, Sanktionen gegen Südafrika zu verhängen, wenn es Präsident Putin nicht verhaftet, bleibt die Drohung, zumindest nach dem Wissen der Öffentlichkeit, theoretisch bestehen.“

Dementsprechend habe die Führung des BRICS-Landes beschlossen, auf Nummer sicher zu gehen, indem sie den russischen Staatschef nicht empfing, anstatt dieses Worst-Case-Szenario zu riskieren, obwohl immer die Möglichkeit bestand, dass der Westen dies nicht durchziehen würde, weil er befürchtete, dass China schließlich die Lücke in seinem Gefolge füllen könnte. Dies zeige, dass eine multipolare Rhetorik, wie sie von einigen südafrikanischen Amtsträgern wie Außenministerin Naledi Pandor regelmäßig geäußert wird, manchmal über einen Mangel an tatsächlicher Souveränität hinwegtäuschen kann.

So sehr sich der regierende Afrikanische Nationalkongress aufrichtig wünschen möge, Präsident Putin zu empfangen und den Prozess der finanziellen Multipolarität durch eine enge Zusammenarbeit mit Russland über die BRICS zu beschleunigen, so sei es doch eine “politisch unbequeme” Tatsache, dass er sich letztlich dafür entschieden habe, dem westlichen Druck nachzugeben und dies nicht zu tun. Ausgehend von dieser Beobachtung und dem Präzedenzfall, der durch den bloßen Gedanken an Sanktionen zur Erzwingung der Einhaltung ausländischer Forderungen geschaffen wurde, sei BRICS eindeutig nicht das, was viele seiner Befürworter angenommen hatten.

Schließlich, so der Autor weiter, würden viele Befürworter der Gruppe erwarten, dass ihre Mitglieder jedem Druck des Westens standhalten könnten, weil sie von den einflussreichsten Persönlichkeiten in der Alt-Media-Community das gehört hatten. Daher sei fälschlicherweise angenommen worden, dass es jedem von ihnen mit diesem messianischen Ziel so ernst sei, dass nichts sie daran hindern könne, es zu erreichen, nicht einmal das Damoklesschwert maximaler Sanktionen. Was wohl eine falsche Wahrnehmung war. Lediglich die Kernländer Russland-Indien-China hätten wirkliche Autonomie.

Das ICC-Mitglied Südafrika hat sich bei allen antirussischen Resolutionen der UN-Generalversammlung konsequent der Stimme enthalten, habe aber dennoch vor den stillschweigenden Forderungen des Westens kapituliert, Präsident Putin nicht zu empfangen. Brasilien habe im Gegensatz zu Südafrika in der UN-Generalversammlung dreimal für eine Verurteilung Russlands gestimmt, und der frisch wiedergewählte Präsident Lula da Silva seinen BRICS-Partner in einer gemeinsamen Erklärung mit Biden sogar verurteilt.

Entscheidend für die Souveränität der Kernländer Russland, China, Indien dürfte nicht nur ihre wirtschaftliche Stärke sein, bzw. ihre Position als Rohstoffproduzent, sondern auch die Tatsache, dass sie, wie die USA, gar nicht Teil des IStGH sind

Da Südafrika angesichts des westlichen Drucks seine politische Unzuverlässigkeit gegenüber den BRICS unter Beweis gestellt hat und es keinen Zweifel daran gebe, dass Brasilien in zwei Jahren ebenfalls kapitulieren wird, wenn es in die gleiche Lage versetzt wird, erweist sich die Organisation im Wesentlichen nur noch in Bezug auf die RIC als relevant. Im Gegensatz zu Brasilien haben weder China noch Indien jemals für eine antirussische UNGA-Resolution gestimmt, noch sind sie ICC-Mitglieder wie dieses Land und Südafrika.

Auch wenn BRICS daher als eine auf Finanzfragen fokussierte Form von RIC+ rekonzeptualisiert werden können, bedeute diese Erkenntnis nicht, dass die beiden anderen Länder und alle anderen, mit denen diese drei Länder in Zukunft im Rahmen dieses Formats zusammenarbeiten werden, keine Rolle bei der Beschleunigung des finanziellen Multipolaritätsprozesses spielen können. Wie bereits erläutert, wird der Westen den BRICS-Ländern wahrscheinlich nicht für alles, was sie tun, mit Strafe drohen, sondern nur dann, wenn etwas seine roten Linien überschreitet oder in die Nähe davon kommen könnte. 

Aus diesem Grund könnte der Westen zwar versuchen, Länder von der Teilnahme am BRICS+-Rahmen abzubringen, wird aber wahrscheinlich niemanden allein deshalb oder wegen der schrittweisen Diversifizierung seines Handels weg vom Dollar bestrafen. Nur große Schritte von substanzieller und/oder symbolischer Bedeutung wie die Missachtung der Verpflichtung der ICC-Mitglieder, Präsident Putin zu verhaften, haben eine glaubwürdige Chance, ernsthafte Konsequenzen zu haben, aber selbst dann kann man nicht wissen, ob dies geschehen wird oder nur ein Bluff ist.

„Solange die Gruppe ihre Ziele langsam verfolgt, ohne den Westen herauszufordern oder zu demütigen, ist keine Bestrafung zu erwarten, andernfalls wird den schwächsten Gliedern gezeigt, wer der Boss ist, wie es gerade in Südafrika geschehen ist.“

In einem weiteren Artikel lebt Korybko seine Enttäuschung noch deutlicher aus(3). Er schreibt, dass Pretoria sich hätte zurückhalten sollen, sich dem Medienrummel um den bevorstehenden Gipfel verweigern und alles offen und hinter verschlossenen Türen mit dem Block besprechen sollen. Das hätte den Schein für alle Beteiligten gewahrt und die Möglichkeit eröffnet, die Veranstaltung vollständig in ein Online-Format zu verlagern, ohne dass eine Erklärung erforderlich gewesen wäre. Stattdessen habe Südafrika seine eigene Integrität und die der BRICS in Misskredit gebracht, nachdem sein undiplomatisches Verhalten die reibungslose Umsetzung dieses Ausweichplans unmöglich gemacht, und damit zu einem politischen Sieg des Westens geführt habe.

Südafrika habe am Mittwoch bekanntgegeben, dass Präsident Putin am BRICS-Gipfel im nächsten Monat virtuell und nicht wie ursprünglich geplant persönlich teilnehmen werde. Der Sprecher von Präsident Cyril Ramaphosa bestätigte später, dass dies aufgrund der “rechtlichen Verpflichtungen Pretorias gegenüber dem Römischen Statut” vereinbart wurde, nachdem der IStGH einen Haftbefehl gegen den russischen Staatschef erlassen hatte. Damit sei der Grund für die Abwesenheit Putins eindeutig. Er geht dann auf andere Interpretationsversuche ein, welche versucht hätten, die politische Niederlage nicht zuzugeben. Details dazu im Anhang (4).

Nichtsdestotrotz würden sich aus dem Soft-Power-Fiasko Südafrikas, das den BRICS-Kompromiss mit Russland optisch vermasselt habe, einige Lehren ziehen.

Es sei sofort internationaler Druck auf das Gastgeberland ausgeübt worden, Präsident Putin auszuladen, nachdem im Frühjahr die Nachricht von seinem ICC-Haftbefehl bekannt wurde. Pretoria hätte es ruhig angehen lassen sollen, sich dem Medienrummel um den bevorstehenden Gipfel verweigern und alles offen und hinter verschlossenen Türen mit dem Block besprechen sollen.

Südafrikas stellvertretender Präsident hat letzte Woche über das BRICS-ICC-Dilemma seines Landes geplaudert“, was im Nachhinein aufgrund der Enthüllungen sehr undiplomatisch war. In dem verzweifelten Versuch, Mitgefühl für die Notlage seines Landes zu wecken, brachte Paul Mashatile eigennützig einige der internen Spaltungen des Blocks ans Licht. Insbesondere erklärte er, dass Brasilien und Indien gegen eine Verlegung des Gipfels nach China seien, während er gleichzeitig behauptete, dass nur Indien für die Idee eines reinen Online-Formats in diesem Jahr aufgeschlossen gewesen sei.   

So “politisch unbequem” es für einige in der Altmediencommunity auch sein mag, dies zuzugeben, könnte beides tatsächlich wahr sein. Brasilien und Indien versuchten, so Korybko, ein Gleichgewicht zwischen dem Westen und dem Globalen Süden herzustellen, was ihnen im Hinblick auf den erstgenannten schwieriger gefallen wäre, wenn sie der Verlegung des Gipfels nach China zugestimmt hätten. Hätte Südafrika jedoch sein politisches Kalkül nicht offenbart, hätten sich die beiden vielleicht wohler dabei gefühlt.

Dann beschreibt der Autor, dass Indien sich mit dem SOZ-Jahresgipfel wesentlich eleganter aus der Affäre gezogen habe, Details dazu in Anhang (5)

Nun sollte man hinweisen, dass Südafrika nun den Imageschaden möglicherweise durch die brüske Ablehnung des Wunsches des französischen Präsidenten, Macron, eingeladen zu werden. Vielmehr habe Südafrika ausschließlich Länder des Globalen Südens bzw. BRICS-Mitglieder eingelasen.

Fazit

Wir haben gelernt, dass das globale Finanzkapital längst übergelaufen ist zum Multipolarismus. In erster Linie natürlich aus reinen Profitüberlegungen. Andererseits aber auch, um den letzten Behinderungen der eigenen Macht durch nationale Politik, also insbesondere die der USA, zu entkommen. Das mag bei Ländern wie den VAE und Saudi-Arabien prima geklappt haben, und könnte durchaus auch noch weitreichender möglich sein, wenn sich die Investitionen in die neuen BRICS-Länder bewegen. Andererseits hat der US-Nationalismus noch nicht vollkommen vor dem globalen Finanzsystem kapituliert, und es ist immer noch mit heftigen Reaktionen zu rechnen.

Meine Befürchtung ist ganz anders als die Beruhigung durch Ngubong. M.E. könnte für die US-Nationalisten ein großer Krieg wie der letzte Rettungsanker erscheinen, um die Rolle des Hegemons zu retten, und mit einem Schlag die Schulden loszuwerden.

Was Ngubong uns auch versucht zu erklären, ist, dass die „Kontrolleure und Eigentümer des globalen Finanzkapitals“ nicht die schlimmen Verschwörer seien, (mal von Soros und Co. abgesehen) welche die Welt unterjochen wollen, sondern kluge Köpfe, welche Entwicklungen voraussehen, und ihre Strategien danach ausrichten. Mit anderen Worten versuchen sie wie ein Korken immer oben auf der Welle der Geschichte zu schwimmen. Und so aus jeder Wellenbewegung, egal wie desaströs sie für die Menschen sind, ihren Profit zu ziehen. Die Erkenntnis lässt sich auch aus der Geschichte der letzten 200-300 Jahre ziehen.

Andererseits sehen wir, dass die Entwicklung, über die ich ja mit großem Enthusiasmus schon seit 2015 berichte(6), in Wellen erfolgt, und immer wieder Rückschläge erleidet. Und schließlich kann man hoffen, dass China seine nationale Politik, den Oligarchen KEINE Mitsprache in der Politik zu gewähren, auch in BRICS umsetzen wird, mit dem Ziel, die Macht der „Märkte“ oder des „globalen Finanzkapitals“ einzuhegen. Jedenfalls sollen inzwischen mehr als 40 Länder Interesse bekundet haben, Mitglied im BRICS-Staatenbund zu werden, und ca. 20 sollen offiziell einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt haben, darunter einige Schwergewichte. Die nächsten Monate werden spannend.

Bedauerlich ist nur, dass Deutschland diesmal auf der falschen Seite der Geschichte zu stehen scheint.

Quellen und Zusatzinformationen

Der Autor twittert zu tagespolitischen Ereignissen unter https://twitter.com/jochen_mitschka

1) https://t.me/MiddleNationDiscussion

2) https://korybko.substack.com/p/south-africa-showed-that-brics-isnt

3) https://korybko.substack.com/p/south-africa-bungled-the-optics-of

4) Wenn es glaubwürdige Drohungen gegen das Leben von Präsident Putin auf dem Weg in dieses Land oder während seines Aufenthalts dort gegeben hätte, dann hätte der Kreml die internationale Gemeinschaft darüber informiert, um auf das spekulative Attentatskomplott des Westens aufmerksam zu machen und so diesen de facto neuen Block des Kalten Krieges zu diskreditieren.

Russland hatte zuvor enthüllt, dass es eine terroristische Zelle auffliegen ließ, die die RT-Chefin Margarita Simonyan ermorden wollte, so dass es keinen Sinn machen würde, ein angeblich viel größeres Komplott zu vertuschen, das Präsident Putin betrifft.

Die andere von der AMC verbreitete Erklärung, der russische Staatschef sei zu sehr mit der Leitung der Sonderoperation beschäftigt, um ins Ausland zu reisen, wird durch die Tatsache widerlegt, dass er letztes Jahr nach Zentralasien und in den Iran gereist ist, obwohl die Lage auf dem Schlachtfeld damals viel ernster war. Es ist wichtig, diese Verschwörungstheorien zu entlarven, damit die Leute nicht durch sie dazu verleitet werden, den Mainstream-Medien (MSM) zuzustimmen, dass es gut ist, dass er nächsten Monat nicht nach Südafrika kommt.

“Alt-Media Needs To Stop Overdosing On Copium & Finally Recognize Reality” (Alt-Medien müssen aufhören, eine Überdosis Kopium zu nehmen und endlich die Realität anerkennen), dessen Ratschlag in diesem Zusammenhang angewendet werden kann, indem man einfach anerkennt, dass die jüngste Ankündigung ein Rückschlag ist, ohne jedoch in die Falle der MSM zu tappen, die nach dieser Enttäuschung “Untergangs- und Schwarzmalerei”-Narrative verbreiten. Die BRICS werden den Prozess der finanziellen Multipolarität weiterhin schrittweise beschleunigen, während ihre Mitglieder und Partnerstaaten in ihrem erweiterten Netzwerk im bilateralen Handel verstärkt auf nationale Währungen zurückgreifen.

5) Was die zweite Behauptung Mashatile’s betrifft, so gilt die gleiche Beobachtung hinsichtlich des undiplomatischen Verhaltens seines Landes, das diese Möglichkeit ausschließt. Anfang dieses Monats war Indien Gastgeber des diesjährigen SOZ-Jahresgipfels, nachdem es seine Entscheidung dazu Ende Mai ohne Erklärung bekannt gegeben hatte, was aber wahrscheinlich darauf zurückzuführen war, dass es ihm unangenehm war, den chinesischen Präsidenten Xi inmitten der sich zuspitzenden Spannungen zwischen China und Indien zu empfangen. Indem es sich weigerte, Spekulationen über sein Kalkül nachzugeben, half Indien allen Parteien, den Schein zu wahren.Die Veranstaltung war erfolgreich, nachdem sich alle auf die Konturen der entstehenden Weltordnung geeinigt hatten, aber das wäre wahrscheinlich nicht passiert, wenn Indien sich im Vorfeld undiplomatisch verhalten hätte.

6) https://jomenschenfreund.blogspot.com/search/label/BRICS

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: shutterstock / Skorzewiak

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Kommentare (10)

10 Kommentare zu: “BRICS: Ein Realitätscheck | Von Jochen Mitschka

  1. Poseidon 1 sagt:

    Was soll sein?
    Weiches Wasser bricht eben ueber die Dimension der Zeit den Stein angenehm rund.

  2. muenic sagt:

    Der Mann heißt nicht Mohammed Ngubong, sondern Shahid Bolsen! Er hat das Video auf seinem eigenen TikTok-Kanal namens Middle Nation veröffentlicht.

  3. 6869947 sagt:

    Seit 40 Jahren war ich immermal, auch länger in der Sowjetunion/Russland. Der rasante Aufbau der Infrastruktur seit 20 Jahren hat mich sehr überrascht und ich führe es darauf zurück, dass Russland das zugrundeliegende westliche Geldsystem übernommen hat. Das ist meiner Meinung nach ein Kollateralgeldsystem. Also es werden von den Oberen Kredite auf die vermutete Wertschöpfung durch die Bewohner des Landes genommen. Vielleicht gelingt es uns ja doch einmal das System für uns selber zu nutzen, indem der Zugriff dezntentralisert wird. Wie das gehen könnte beschreibt Grooterhorst in: das UR-Konto, Wege zu einem neuen Geldsystem.

  4. Zara Trusta sagt:

    1.
    Warum sollten sich die maßgeblichen internationalen Kapitaleigner denn auch auf nur ein einziges und dazu auf Talfahrt befindliches System festlegen.
    2.
    Die Zusammenarbeit der fraglichen Länder findet sehr wohl auf verschiedenen Ebenen statt. Insofern ist das was der Presse mitteilt, nicht wirklich ausschlaggebend.
    3.
    Die SCO spielt eine wichtige Rolle für die weitere Entwicklung. Die meisten Innovationen in Richtung gemeinsame Verrechnungssysteme bzw. Cooperative CBDCs hängen von dort finanzierten Think Tanks ab, und stecken noch in den Kinderschuhen.

    • Andreas I. sagt:

      Hallo,
      zu 1. fällt mir ein, dass BlackRock und Vanguard eine ganz einfache Anlagestrategie haben: in _jedes_ Aktienunternehmen investieren.
      (Ja Larry Fink erzählt was von "Green Bla Bla", aber mal abwarten. China hat gerade John Kerry ablaufen lassen.)

      Nur mit dem US-Dollar und den Bankiers hinter der FED dürfte es etwas komplizierter bzw. problematischer sein, denn die dürften viel finanzielle Macht durch die Ent-Dollarisierung verlieren.

  5. Ursprung sagt:

    Des Autors "Fazit" enthaelt auch eine fuer Deutsche demotivierende Aussage. Dem kann ich mich auch nach dem langen Artikel des Autors nicht so ganz anschliessen.
    Deshalb;
    Russland als rohstoffreiches, grosses Land im Start zur Entwicklung Afrikas und wichtiger BRICS-Mitspieler hat eine Bevoelkerung samt Tradition, die mit jener aus Deutschland sehr kompatibel ist und unveraendert auch zukuenftig kompatibel bleiben wird. Mitsamt allen Denktraditionen ebenso in D. Auch bei grossen Zuwanderungen. Es existiert kulturelles Beharrungsvermoegen in beiden Regionen, ist nicht zu unterschaetzen.

    Heisst: auch in einer multipolaren Welt werden Zentrifugalkraefte auftreten. Da koennte eines Tages das sich ergaenzende Beharrungsvermoegen der russuschen und deutschen Region durchaus und in veraenderter multipolarer Gesamt-Grundstimmung nach wie vor ein gemeinsames Schwergewicht werden, welches sich suchen und zusammenfinden und zusammen-identifizieren koennte. Zumal D akzeptablen und erstmals direkten Atlantikzugang fuer Russland boete.

  6. HarteEier2 sagt:

    "Deshalb, so der Autor weiter, glaube er nicht, dass die Ent-Dollarisierung durch die USA heute nicht mehr ernsthaft bekämpft werde. "

    Da ist ein "nicht" zu viel in diesem Satz … 🤔🤷🙂

    • Zara Trusta sagt:

      Stimmt .
      Eine geradezu bescheuerte Aussage.
      Tausende werden allein dafür bezahlt..
      Eine konkurrierende Alternative fördert diesen Kampf doch nur.

  7. Andreas I. sagt:

    Hallo,
    die zitierten Meinungen mögen interessante Details beleuchten, aber die grundsätzliche Betrachtungsweise erscheint mir fragwürdig.
    Multipolarität bedeutet ja eben _NICHT_ einen geschlossenen Block mit einem einzigen gemeinsamen Ziel; "multi" heißt sowas wie "viele verschiedene".
    So gesehen zeigen die genannten verschiedenen Interessen und Zwänge (durch globale wirtschaftliche Verflechtungen) der einzelnen BRICS-Staaten das Wesen der Multipolarität, dass jeder Staat seine Interessen verfolgen kann und gleichzeitig mit den anderen in den Punkten zusammenarbeiten kann, wo es seinen Interessen entspricht.
    Übrigens passt die Türkei insofern zu diesem Konzept, wie die Türkei seit 2011 ihre Interessen verfolgt, nur dass es in Syrien völkerrechtswidrig geschieht.

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