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Bis tief nach Russland schießen | Von Paul Clemente

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Bundeswehr-Major: Bis in die Tiefe des russischen Raumes schießen

Ein Kommentar von Paul Clemente.

Man stelle sich vor: Zwei Gladiatoren kämpfen unaufhörlich. Tagelang. Wochenlang. Sie hören einfach nicht auf. Beide sind grenzwertig erschöpft, ihre Körper mit Wunden übersät - aber der der Kampf kann nicht enden. Hinter der Abzäunung stehen nämlich Verbündete. Die drücken den Kämpfern regelmäßig frische Waffen in die Hand, sobald die alten stumpf, zerschlagen oder zerbrochen sind. Außerdem reichen sie Aufputschmittel und versprechen ihrem Favoriten den baldigen Sieg: Jetzt bloß nicht aufhören! Dein Gegner macht nicht mehr lange. Dann bekommst du alles. - So ähnlich ließe sich der Russland-Ukraine-Konflikt beschreiben. Und nein, es sind nicht bloß westliche Regierungen, die solche Sprüche klopfen. 

Vor wenigen Tagen empfing Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un den russischen Außenminister Sergej Lawrow. Laut der Nachrichtenagentur KCNA habe er dem Gast versichert, dass man „in allen strategischen Fragen die gleichen Ansichten" habe und er „die von der russischen Führung getroffenen Maßnahmen zur Beseitigung der Ursachen der Ukraine-Krise (...) auch in Zukunft bedingungslos unterstützen" werde. Der Diktator sei der festen Überzeugung, „dass die russische Armee und das russische Volk bei der Realisierung der heiligen Sache, die Würde und die grundlegenden Interessen des Landes zu verteidigen, mit Sicherheit siegen werden.“ Und um diesen Sieg zu beschleunigen, will er gerne weitere Soldaten als Kanonenfutter an die Front senden. Gerne bis zu 30.000.

Daraufhin versprach Lawrow, Nordkoreas verheizten Soldaten in Kursk ein Denkmal zu errichten. Nein, das ist kein Witz. Und was springt noch für Nordkorea raus? Genannt werden: Lebensmittel und Unterstützung beim Raketenprogramm. Bleiben wir beim Stichwort Lebensmittel! Laut der Welthungerhilfe ist die Ernährungslage in Nordkorea weiterhin gefährdet. Das heißt: Eine Regierung, die keine ausreichende Versorgung ihrer Bürger hinbekommt, verschickt sie als Kanonenfutter. Aber der Kuhhandel verrät noch mehr: Anscheinend hat die russische Armee einen gewaltige Aderlass erlitten. So dass sie jetzt Kim Jong Un erneut um Nachschub fragen muss.

Auch die USA plant ein Comeback auf dem osteuropäischen Schlachtfeld. Noch während des Wahlkampfes 2024 hatte Trump geprotzt: Wäre er Präsident, er würde den Russland-Ukraine-Konflikt in 24 Stunden beenden. Nun ist er schon ein halbes Jahr im Amt. Resultat: Null. Der Ex-Baulöwe ist über Putin verärgert, erklärt ihn für „verrückt“ und will wieder Waffen an die Ukraine senden. Wer die finanziert? Nein, nicht der US-Steuerzahler, sondern die Nato, sprich: Ihre europäischen Mitgliedsstaaten. Gegenüber dem Sender NBC-News bekannte der sprunghafte US-Präsident:

„Wir schicken Waffen an die Nato, und die Nato wird die vollen Kosten für diese Waffen erstatten.“

Eine solche Hilfslieferung könne laut Spiegel-Bericht Patriot- und Mittelstreckenwaffen beinhalten. Bundeskanzler Friedrich Merz bestätigte Trumps Aussage: Die deutsche Regierung wolle Luftverteidigungssysteme kaufen, und sie anschließend die Ukraine weiterreichen.

Ins gleiche Horn blies am Wochenende auch Bundeswehr-Generalmajor Christian Freuding, Leiter des Sonderstabs Ukraine im Verteidigungsministerium. Der 53-jährige reist in regelmäßigen Abständen nach Kiew zur Besprechung gemeinsamer Militär-Projekte. Für Youtube-User ist Freuding kein Unbekannter: In „Nachgefragt“, einem Videoformat der Bundeswehr, hatte er regelmäßig den Ukraine-Krieg analysiert – und eine Klickzahl von einer Millionen erreicht.

Vor drei Tagen berichtete Freuding aus Kiew über eine vereinbarte Lieferung von hundert Raketen. Termin: Bis Ende Juli 2025, also in zwei Wochen. O-Ton Freuding:

„Wir haben heute hier vor Ort (...) einer Unterzeichnung beiwohnen können zwischen der ukrainischen Industrie und dem ukrainischen Verteidigungsministerium, durch Deutschland finanziert."

Der deutsche Steuerzahler bezahlt also Waffensysteme, die laut Freuding „weit auch in die Tiefe des russischen Raumes reichen, die angreifen können – die Führungseinrichtungen, Flugplätze, Flugzeuge“ erreichen. Um welche Waffensysteme es sich genau handelt, will der Youtube-Star nicht verraten. Dafür aber, dass die Juli-Lieferung erst der Anfang ist. Weitere Lieferungen seien geplant - und zwar in „einer hohen dreistelligen Stückzahl". Dazu habe Deutschland entsprechende Produktionsstätten angestoßen und finanziert. 

Eines muss man Freuding lassen: Er beschönigt die Situation nicht. Russlands Streitkräfte seien seit Monaten in der Initiative. Auf den Schlachtfeldern wie im Donbaz befinde die Ukraine sich in dauerhafter Verteidigungsposition. Russland verzeichne zwar geringe, aber stetige Gewinne, trotz der Schäden, die es durch die ukrainische Armee erleide. Im Luftbereich habe sich die Lage der Ukraine sogar verschlechtert: So wurde Kiew in der vergangenen Woche mit 700 Drohnen und mehreren Dutzend Flugkörpern attackiert. Und das alles in einer Nacht. O-Ton Freuding:

„Das macht natürlich auch etwas mit der Bevölkerung.“

Klar, nur interessiert das niemanden. Kein Wort über erneute Friedensbemühungen. Dann lieber die ukrainische Luftabwehr stärken. Mit Deutschland an der Spitze. O-Ton Freuding:

„Wir haben da Führungs-Verantwortung übernommen.“

In enger Absprache mit der Ukraine werde man Luftabwehrsysteme mittlerer und größerer Reichweite ins Land schaffen. Außerdem sei eine Zusammenführung der Rüstungsindustrien vonnöten: Man müsse den Produktionsprozess beschleunigen. Mit den geplanten Systemen wolle man keine Geschosse abwehren. Nein, die Russen sollen gar keine mehr zünden können. Auf die Frage von Dunja Hayali im „heute journal“, ob auch Taurusraketen geliefert werden, wich Freuding aus: Dazu sei bereits alles gesagt. Ein Statement, dass man wohl mit Ja übersetzen muss.

Gegenüber der Tageszeitung Die Welt fügt Freuding hinzu: Im Ukraine-Konflikt ist Deutschland mehr als nur Unterstützer. Und die Ukraine ist keineswegs purer Hilfsempfänger. Ja, bei dem Krieg lerne man eine ganze Menge - und dieser militärische Erkenntnisgewinn werde „kameradschaftlich geteilt“.

Außerdem lobt Freuding den professionellen Umgang mit den Ängsten der Bevölkerung. In der Ukraine habe man gelernt, Alltagsnormalität und Krieg miteinander in Einklang zu bringen. Beides könne parallel nebeneinander existieren. Und dieses Gefühl nehme er, Freuding, auch zurück nach Deutschland. - Und wozu? Um es hier ebenfalls anzuwenden? Denn eins dürfte selbst dem größten Ignoranten klar sein: Deutschland steckt mittendrin im Krieg.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: Maxx-Studio / shutterstock 


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