In mehreren Städten Deutschlands demonstrierten am Samstag Tausende Menschen gegen die Kriegspolitik des Westens und für Frieden. Sie forderten Friedensverhandlungen für die Ukraine und ein Ende des Krieges Israels gegen die Palästinenser. In Berlin war Tilo Gräser dabei.
Ein Meinungsbeitrag von Tilo Gräser.
Während in München bei der sogenannten Sicherheitskonferenz bundesdeutsche Politiker von Kanzler Olaf Scholz (SPD) bis Herausforderer Friedrich Merz (CDU) versuchten, sich in Realitätsverleugnung und Kriegshetze zu überbieten, demonstrierten am Samstag in Deutschland Tausende Menschen gegen Aufrüstung und für Frieden. So auch in München selbst https://macht-frieden.org/, wo Berichten https://archive.ph/NVgge nach mehr als 3‘000 Menschen auf die Straße gingen.

In der bayrischen Landeshauptstadt sprachen unter anderem Ulrike Guerot und der griechische Politiker Yannis Varoufakis. Doch nicht nur in München demonstrierten die «alte» Friedensbewegung mit der «neuen», entstanden aus der Coronapolitik-kritischen Bewegung, auch wenn vor allem erstere damit immer noch zu fremdeln scheint.
Die Demonstranten forderten demnach Frieden für die Ukraine und Palästina und warnten vor der Stationierung neuer US-amerikanischer Mittelstreckenraketen in Europa. Diese seien im Ernstfall «Magnete für russische Präventiv- oder Gegenschläge», warnte Lühr Henken vom Bundesausschuss Friedensratschlag. Er fügte hinzu:
«Der Krieg ist so nah – der Abgrund ist näher, als man denkt.»
Diese Sorge brachte auch in Berlin Menschen bei der vom «Bündnis für Frieden» organisierten Demonstration unter dem Motto «Wir wählen den Frieden» auf die Straße. Daran nahmen auch Vertreterinnen der klassischen Friedensbewegung wie Laura von Wimmersperg und Christiane Reymann teil und sprachen zum Auftakt und zum Abschluss.

Etwa 300 Menschen folgten trotz des kalten Wintertages dem Aufruf und kamen am Alexanderplatz in der Mitte der deutschen Hauptstadt zusammen, hörten den Reden von Gabriele Gysi und Christiane Reymann sowie den Liedern von Yann Song King zu. Sie zogen dann gemeinsam über den Boulevard Unter den Linden zum Brandenburger Tor zur Abschlusskundgebung mit Laura von Wimmersperg von der Friedenskoordination Berlin (Friko).
Die Schauspielerin und Regisseurin Gabriele Gysi beklagte bei der Auftaktkundgebung die Zunahme der Kriege im Inneren und Äußeren:
«Der Krieg ist überall! Eine Welt ohne Frieden!»
Sie blickte auch nach München und fragte:
«Um welche und wessen Sicherheit geht es dort? Sind die USA bzw. ihre neue Trump Administration in der Lage, die europäischen Eliten aus ihrem Tiefschlaf zu erwecken? Was machen diese Führer ohne Führung ihrer gewohnten Herren aus den USA? Gibt es genug Kräfte, eine neue Sicherheitspolitik durch zu setzen?»
Der Krieg bedrohe die Gesellschaft von allen Seiten, nicht nur durch Aufrufe zur «Kriegstüchtigkeit». Sondern auch «im Alltag als Mikroaggression versteckt» oder im Bundestag, wo «Geschrei und Unterstellung zur Fortsetzungsserie mit den schlechtesten Schauspielern und dem höchsten emotionalen Aufwand» werde.
Die Schauspielerin ging mit der herrschenden Politik ebenso hart ins Gericht wie mit den Medien oder der «schlagenden Antifa». Diese sei keine Antifa, «denn ohne faschistische Regierung keine Antifa». Die «enttarnten Nazis» seien keine Nazis, denn ohne die Macht durch Industrie und Kapital seien Nazis keine Nazis. Und sie erinnerte:
«Der Krieg der deutschen Nationalsozialisten war ein imperialer Krieg, der die Grenzen der nationalen Souveränität aufheben sollte, die Welt beherrschen wollte und damit die Welt mit unendlichem Leid überzog.»

Gysi bezog in ihre Kritik ebenso den «Krieg gegen das Corona-Virus» mit ein. Die von der Politik vor fünf Jahren beschlossenen Corona-Maßnahmen, seien «Maßnahmen, die als Krieg gegen jede zivilisatorische Gewohnheit von Gemeinsamkeit begriffen werden können».
Außerdem verurteilte sie die westliche Doppelmoral im Fall des Ukraine-Krieges, bei dem es um die auf 12 Billionen Dollar Wert geschätzten Rohstoffe des Landes gehe, und beim Krieg Israels gegen die Palästinenser.
«Die Hälfte der Bevölkerung im Gaza-Streifen waren Kinder. Man sprach vom größten Freiluftgefängnis der Erde. Warum gelingt kein Frieden in diesem kleinen Land, in und mit dem etwas größeren, aber immer noch kleinen Israel. Wer hat Interessen an diesem ewigen Kriege?»
Der iranische Dichter Rumi habe im 13. Jahrhundert geschrieben: «Du bist, was Du suchst.» Gysi fragte:
«Was suchen wir? Suchen wir Frieden? Nein. Wir feiern den krieg in unserer Schlacht für das Gute.»
Frieden müsse gewünscht sein, stellte die Schauspielerin klar und forderte «Abrüsten auf allen Gebieten, in der Sprache, im Alltag, in der Politik». Es gebe bekanntermaßen keine einseitige Sicherheit, weshalb gelte «Frieden schaffen ohne Waffen».
Ihre Forderungen wie «Zweistaatenlösung für Israel und Palästina» und «Deutschland raus aus der Nato» wurden von den Teilnehmern mit Beifall bedacht und aufgegriffen wie auch «Frieden mit Russland!» und «Die Waffen nieder!».
Ähnlich äußerte sich danach die Journalistin und Friedensaktivistin Christiane Reymann, die bereits bei den großen Demonstrationen gegen Aufrüstung in den 1980er Jahren dabei war. Sie kritisierte die Reaktionen deutscher Politiker auf das Gespräch zwischen den beiden Präsidenten Donald Trump und Wladimir Putin, die über Frieden für die Ukraine verhandeln wollen.
«Und der im München versammelte Werte-Westen verfällt in Schockstarre. Sie finden keine Antwort auf die Möglichkeit von Frieden. Das haben sie alle nicht auf dem Zettel gehabt.»
Zugleich protestierte sie gegen die Forderungen Trumps, die Palästinenser sollten Gaza verlassen, damit das Gebiet zur «Riviera des Nahen Ostens» werden könne. Wenn der US-Präsident den Menschen dort mit der «Hölle» drohe, vergesse er, dass dort längst das Leben zur Hölle gemacht wurde durch den israelischen Vernichtungskrieg.
Reymann forderte, was auch auf anderen Demonstrationen im Bundesgebiet zu hören war:
«Wir müssen beharrlich und unbeirrbar für das Lebensrecht der PalästinenserInnen und Palästinenser eintreten. Sie brauchen uns.»
Das Schicksal der Palästinenser würde mahnen, gegen eine Politik aufzustehen, «in der ein Mensch nur Manövriermasse ist für die globalen Interessen von Großmächten». Diese Politik rücke näher und deren Logik sorge dafür, dass in Deutschland neue US-Mittelstreckenraketen stationiert werden sollen.
Es handele sich um normale imperialistische Politik:
«Nur sie ist nackt. Sie ist nicht mehr verbrämt durch Menschenrechte, Demokratie, Diplomatie. Es ist das nackte, pure Interesse an mehr Profit, an mehr Verfügungsgewalt über Reichtum, an mehr Ausbeutung von Mensch und Natur.»

Das gelte ebenso für die Ukraine, auch wenn die westlichen Politiker das Gegenteil behaupten. Die westliche «Hilfe» für die Ukraine sei «pervertierte Hilfe», weil das Land längst unter westlichen Konzernen aufgeteilt sei.
Die Friedensaktivistin stellte zu den Demonstrationen «gegen Rechts» mit vielen tausenden Teilnehmern fest, dass bei diesen ehrlicher Friedens- und Demokratiewille missbraucht werde. Bei dem Protest gegen den angeblichen «Tabubruch der deutschen Geschichte», weil im Bundestag die AfD mit der CDU abgestimmt habe, werde ignoriert und verdeckt, dass die alte BRD und ihre Westintegration «ein Produkt der Kollaboration mit Nazis» gewesen sei.
Sie nannte dafür Beispiele bis in die Regierung hinein und erinnerte, dass selbst der Kanzler Konrad Adenauer die Angehörigen der Waffen-SS als «anständige Leute» und «hervorragende Soldaten» bezeichnet hatte. Ihr eigener Geschichtslehrer sei Adjutant des Hitler-Vertrauten und faschistischen Außenministers Joachim von Ribbentrop gewesen.
«Wäre ich in der DDR geboren, dann hätte mein Staat verhindert, dass solche Lehrer auf Kinder losgelassen werden.»
Reymann wandte sich dagegen, dass erneut versucht wird, ein Feindbild Russland in unseren Köpfen zu verankern.
«Doch Russland ist nicht unser Feind. Eine Friedensordnung in Europa ist nur möglich mit und unter aktiver Beteiligung Russlands.»
Ähnliche Aussagen waren auf einer Reihe der von den Demonstranten mitgeführten Transparente und Schilder zu lesen. Auf ihrem Zug durch die Mitte der Hauptstadt kamen sie auch an der Mahnwache von Ukrainer vor der Russischen Botschaft vorbei, wo sie unter anderem mit einem Schild begrüßt wurden, auf dem stand: «No Deals with Russians!»
«Kein Krieg ist je ohne Verhandlungen beendet worden», sagte dazu Rea, die extra aus dem Wendland nach Berlin gekommen war. Für sie ist Diplomatie «oberstes Gebot, und man muss mit den Menschen sprechen, sonst wird das alles nichts. Sonst richten wir die Welt zugrunde.»

Sie berichtete, dass an dem Tag andere aus der Umwelt- und Anti-AKW-bewegung aus dem niedersächsischen Wendland zu weiteren Demonstrationen im Bundesgebiet gefahren waren, um diese zu unterstützen. Sie beschrieb ihre Motivation, in Berlin dabei zu sein, so:
«Mich bekümmert es sehr, dass das unsere Regierung so viel Geld in die Waffen steckt und nicht in unser Land und die Menschen, die hier leben und hierher kommen.»
Sie sei Krankenschwester und finde die Propaganda von der «Kriegstüchtigkeit» unerträglich. Auf die Frage, warum so wenige Menschen für Frieden auf die Straße gehen, sagte sie, dass viele sich Frieden wünschen. Aber sie hätten Angst, in verschiedene Positionen wie «rechtsoffen» gedrängt zu werden.
Rea wandte sich gegen diese Spaltung, bei der Menschen beschuldigt und diffamiert werden, weil sie sich für Frieden einsetzen. Dagegen sprach sich auch der Psychologe Klaus-Jürgen Bruder aus, der mit seiner Frau an der Demonstration teilnahm.

Er sagte, dass es für ihn als Wissenschaftler und Akademiker selbstverständlich und eine Pflicht sei, die Menschen zu unterstützen, die sich gegen Unrecht wehren. Die Menschen seien von der überraschenden Friedensmöglichkeit durch die Gespräche zwischen Russland und den USA überrascht.
«Das wiederum ist ein Ergebnis der Gehirnwäsche. Wir kriegen ja tagtäglich Informationen darüber, wie gefährlich dieser russische Präsident oder Russland ist und wie wichtig die Verteidigung von Freiheit und Demokratie ist, wobei die Leute, die Freiheit und Demokratie zu verteidigen behaupten, die Demokratie nach und nach zerstören und abschaffen. Das ist Irrsinn.»
Dass die heutige Friedensbewegung deutlich kleiner ist als die in den 1980er Jahren, sieht er auch als Folge der «Verblendung». Diese habe dazu geführt, dass viele kein Vertrauen mehr darin haben, dass sie etwas tun und sich wehren können.
Es handele sich um eine «resignative Haltung, wie man sie ja auch unter dem Faschismus beobachten konnte». Auch damals habe die Bevölkerung zu großen Teilen nicht gewusst und darauf vertraut, dass sie sich wehren kann.
Sie habe keine Hemmungen, für Frieden auf die Straße zu gehen, erklärte Eva aus Berlin auf die Frage nach ihren Motiven, bei der Demonstration dabei zu sein. Sie beteilige sich regelmäßig an Friedenskundgebungen, weil sie die kriegstreibende und -hetzende Politik bedrücke, so die Mutter zweier Söhne.

Zugleich ist sie nach ihren Worten «erschüttert, dass so viele sich nicht gegen das wehren, was da aktuell passiert». Zu viele seien «einfach dieser Propaganda erlegen», vermutete die 60-Jährige als Grund dafür, dass an diesem Tag nicht mehr als die höchstens 300 in der deutschen Hauptstadt für Frieden demonstrierten.
+++
Dieser Beitrag erschien zuerst am 17. Februar 2025 auf transition-news.org.
+++
Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
+++
Bildquelle: Maxim999 / shutterstock
+++
Ihnen gefällt unser Programm? Machen wir uns gemeinsam im Rahmen einer "digitalen finanziellen Selbstverteidigung" unabhängig vom Bankensystem und unterstützen Sie uns bitte mit Bitcoin: https://apolut.net/unterstuetzen#bitcoinzahlung
Informationen zu weiteren Unterstützungsmöglichkeiten finden Sie hier: https://apolut.net/unterstuetzen/
+++
Bitte empfehlen Sie uns weiter und teilen Sie gerne unsere Inhalte in den Sozialen Medien. Sie haben hiermit unser Einverständnis, unsere Beiträge in Ihren eigenen Kanälen auf Social-Media- und Video-Plattformen zu teilen bzw. hochzuladen und zu veröffentlichen.
+++
Abonnieren Sie jetzt den apolut-Newsletter: https://apolut.net/newsletter/
+++
Unterstützung für apolut kann auch als Kleidung getragen werden! Hier der Link zu unserem Fan-Shop: https://harlekinshop.com/pages/apolut